Ansichten eines Informatikers

Trauer um Eagle Creek

Hadmut
19.9.2021 19:32

*Seufz* [Update: Neue Hoffnung]

Ach, ist das schade.

Mein Lieblingstaschenhersteller ist seit rund 20 Jahren Eagle Creek.

In den 90er Jahren war ich noch bei Samsonite, und hatte verschiedene Hartschalenkoffer von denen. Im Prinzip gut, aber sehr schwer. Und leider schwer zu fahren. Ich hatte zwei flache in verschiedenen Größen, die ich auch noch versaut hatte, weil es mich geärgert hatte, dass damals auf den Flughäfen fast jeder Samsonite-Koffer hatte und die alle praktisch gleich aussahen, man immer genau hinschauen musste, welcher der eigene ist. Also hatte ich sie mit Farbsprühdosen knallbunt besprüht, aber es war mir nicht nur misslungen, weil ich künstlerisch sehr unbegabt und mit Sprühdosen völlig ungeübt war, es stellte sich auch als Fehler raus, denn die Farbe hielt nicht, sondern schälte sich so ganz langsam ab, und alles, was mit den Koffern in Berührung kam, nahm Farbpartikel davon an, was zu sehr erbosten Taxifahrern führte. Weil sich dann noch zeigte, dass die Dinger am Flughafen sauschwer zu fahren sind, weil sie nur an einem Ende Rollen haben und man sie am anderen Ende an einem Griff tragen musste und die dann ganz übel schlingern können wie ein überlanger Wohnwagen an der Anhängerkupplung, war ich es irgendwann leid und habe sie weggeworfen.

Danach hatte ich noch einen Samsonite in quadratischer Form mit breitem Griff zum ausziehen und Rollen an den breiten Seiten, den man nicht mehr längs, sondern quer hinter sich herzog. Und außerdem einen genialen Bügel innen hatte, über den man einen Anzug so zusammenlegen und im Koffer unterbringen konnte, dass er völlig knitterfrei ankam. Der war aber nicht nur auch sehr schwer, der hatte dann auch einen Konstruktionsfehler: Dadurch, dass die Rollen nicht mehr an der Schmalseite, sondern an der Breite untergebracht waren, ließ der sich zwar sehr gut ziehen, aber man hatte keine Chance mehr, damit noch irgendwie durch die schmalen Türen in einem Zug zu kommen. Und man fährt nun mal oft mit dem Zug zum Flughafen.

Danach dachte ich, den perfekten Koffer zu haben. Marke American Tourister, eine Tochtermarke von Samsonite. An dem war eigentlich alles prima und gut. Das richtige Format – nicht so flach wie die alten, nicht qudratisch, sondern gedrungen hochkant, also zugtauglich und trotzdem gut zu fahren, außerdem aus anderem Material, nämlich einem viel dünneren und leichteren, aber stabilen Plastik, und auch innen mit einhakbaren Kleiderbügeln und einem Hosenbügel zum Drüberlegen, damit die nicht knittern. Eigentlich dachte ich, den perfekten Koffer gefunden zu haben. Nicht billig, aber – vermeintlich – gut.

Aber, ach.

Ich kam von einer Reise zurück, kam in Karlsruhe an der Wohnung an, war schon kurz vor der Wohnungstür auf derselben Etage, und blieb so mit einer Rolle am Treppengeländer hängen. Der Handgriff rutschte mir aus der Hand und der Koffer fiel, oder besser klappte, auf den flachen Steinboden. Nicht hoch und nicht mit vollem Gewicht, weil die Rollen ja schon auf dem Boden waren, und der Koffer mit Griff ja auch nur aus einem Winkel von etwa 45° runterklappte. Das reichte, dass das gesamte Gestänge des ausziehbaren Griffes durchknickte. Völlig im Eimer. Einfach nur, weil der Koffer umgekippt ist, und das nur aus 45°.

Nun dachte ich, das sei nicht so schlimm, denn das ist ja geschraubt, das wird man als Ersatzteil bekommen und einfach austauschen. Samsonite liefert ja Ersatzteile.

Nöh, meinten sie. Ersatzteile und Reparaturen nur für die Hauptmarke Samsonite. Nicht für die Tochtermarke American Tourister.

Da beschloss ich, niemals mehr wieder Samsonite zu kaufen.

Aber was? In den 90ern war das quasi der Standard.

Nun hatte ich mir 1999 für die USA-Reise eine keineswegs billige Umhängetasche gekauft, die sich auf inzwischen mehreren Reisen als unkaputtbar und praktisch unverschmutzbar erwiesen hatte. Ich habe sie zwar schon länger nicht mehr benutzt, aber heute noch. An den Metallteilen sieht man, dass die schwarze Beschichtung teils abgenutzt ist und das darunterliegende Metall kupferfarben durchscheint, und sie hat halt nicht mehr so die Form von selbst, wenn nichts drin ist, aber vom Material her sieht die immer noch aus wie neu. Marke: Eagle Creek. Ursprung: Kalifornien.

Irgendwo ging mal das Gerücht durch das Internet, die Firma sei von zwei arbeitslosen Familien gegründet worden. Die Männer seien gerne zum Angeln gegangen, hätten aber keine brauchbaren Taschen gehabt. Ihre Frauen hätten ihnen deshalb aus gutem Material welche selbst genäht, und die seien so gut gewesen, dass bald andere Leute kamen und auch so eine wollten und dafür bezahlt hätten. Was sich zumindest plausibel anhört, denn auch so bekannte Firmen wie die Reiseführer Lonely Planet, das Leathermans Tool und die GoPro Kameras waren von Leuten entwickelt worden, die für eigenen Sport und Reisen Dinge brauchten, die es nicht gab, und sich darüber ärgerten.

Ich habe inzwischen nicht nur kleine, sondern auch einige große Taschen von Eagle Creek, und viel Freude an deren Packsystem, mit dem man sofort Ordnung im Koffer hat, was es aber inzwischen auch von vielen anderen Firmen gibt, sogar von IKEA gab es solche Packbeutel.

2007 hatte ich mir für die Reise durch Westaustralien einen Eagle Creek Switchback gekauft: Im Prinzip ein gewöhnlicher Trolley, aber in Eagle Creek-Qualität, auf den ein abnehmbarer kleinerer Rucksack außen aufgesetzt ist, man also beides zusammen vollpacken kann, es am Flughafen aber trotzdem nur als ein Gepäckstück gilt. Sehr praktisch. Damals schon stark belastet, weil eben australisches Outback, und das Ding täglich auf das Dach des LKW rauf und wieder runter musste, obwohl ich das dann schnell aufgegeben habe, und den Trolley einfach immer oben gelassen und immer nur Klamotten für 1-2 Tage in den kleinen Daypack-Rucksack geladen habe. Ich habe ihn nicht oft benutzt, aber immer wieder mal.

Unkaputtbar. Zwar war gleich schon 2007 auf der ersten Reise am Flughafen ein Firmenlogo als Blechemblem abgerissen, weil das nur so mit gebogenen Blechlaschen befestigt war, ansonsten aber völlig abnutzungsresistent. Es hat immer gereicht, das Ding mit der Reise mit dem Staubsaugerrohr abzusaugen, dann sah das wieder aus wie neu. Andere Gepäckstücke kamen und gingen. Nichts hielt wie Eagle Creek. Weil das alles aus Cordura gemacht war. Und alles so praktisch, passend, richtig, ohne Schnickschnack und Gehampel. Einfach alles richtig.

Ich hatte mir dann mal später für die Foto-Ausrüstung einen Peli-Koffer gekauft. Im Original, in den USA, heißen sie Pelican-Case, und haben in der Profiszene einen Ruf wie Donnerhall. Etwas zu Unrecht. Der hat zwar tatsächlich das Einchecken und den Transport auf Gepäckbändern immer klaglos überstanden, mit Schrammen zwar, aber nach Feindkontakt sieht der ja erst richtig gut aus. Aber irgendwann hatten beide Schnallen Risse. Also hatte ich gefragt, wie man die austauschen kann, weil Peli da ja auch so eine lebenslange Garantie gab. Damit ist es aber nicht weit her, weil sie meinten, die könne ich nur über den Händler geltend machen, bei dem ich den gekauft hatte. Den gab’s aber nicht mehr. Seine Webseite sogar schon noch, aber die war längst an eine andere Firma verkauft. Und die meinten, nöh, nix Garantie. Anderer Laden. Zwar konnte ich die Schnallen als Ersatzteil kaufen, musste mir noch passendes Werkzeug kaufen (Splintentreiber in der richtigen Größe) und noch raten, in welche Richtung man die Stift austreiben muss, weil es zwar ein Anleitungsvideo gibt, sie aber nicht sagen, in welche Richtung man die Stifte austreiben muss, aber das ging. Nur: Die Ersatzteile waren so teuer wie bei günstigeren Herstellern ein ganzer Koffer gleicher Größe. Seither bin ich von Peli nicht mehr so begeistert und habe einige günstigere Gerätekoffer von anderern Herstellern, die zwar nicht so gediegen und berühmt aussehen, aber auch nicht schlechter sind. Ersatzteile gibt es nicht, aber für den Preis von Ersatzteilen einen neuen Koffer.

Zurück zu Eagle Creek.

Meine Begeisterung über Eagle Creek wurde vor einigen Jahren dann etwas getrübt, kurz nachdem ich besagten Trolley gekauft hatte, weil die das Logo und ihren ganzen Stil änderten. Die waren an einen Konzern verkauft worden, und der hatte den Stil verändert. Alles irgendwie glatter, mit einem Material, das dem von LKW-Planen ähnlicher ist, nicht mehr so eindeutig als Eagle Creek zu erkennen. Offenbar ein Personalwechsel im Produktdesign.

Aber: Immer noch dieser Ruf der hohen Qualität, des nicht kaputtbaren.

Ich hatte mir für eine Reise, die damalige 2007er-Australienreise noch eine zweite Eagle-Creek-Tasche gekauft, einen kleinen schwarzen Duffle-Bag, auch aus Cordura. Ich dachte, den verheize ich da, weil ich den vier Wochen lang im LKW unter dem Sitz auf dem Boden hatte, immer irgendwelchen Tageskrempel und harte Objektivboxen drin, und der ständig und unwentwegt auf dem sandigen Blech hin- und herrutschte und die Leute drauf traten. Ich dachte, das kann keine Tasche halten. Ich habe den heute noch, sieht aus wie neu.

Weil ich mit dem Ding so zufrieden war, hatte ich mir für die Afrika-Reisen nochmal Eagle-Creek Duffle-Bags gekauft, nur viel größer. Weil dort nämlich die Reisebusse Gepäckfächer hatten und es deshalb zwingend erforderlich war, dass das Gepäck auf den Zentimeter genau in diese Fächer passt, und das ging mit Koffern und Trolleys nicht. Mit denen war ich dann schon nicht mehr so zufrieden, weil die dann aus diesem LKW-Planenmaterial waren, dass nicht mehr so scheuerfest wie das früher verwendete Cordura-Gewebe war, und vor allem: Kaum rollfähig. Die Dinger haben zwar zwei Rollen an einem Ende, aber sie sind als wurstförmiger Beutel sehr instabil und hängen durch, scheuern also stets am Boden entlang. Längere Strecken kann man damit nicht zurücklegen. Seit dem Logo- und Stilwechsel war ich also nicht mehr so begeistert. Neulich habe ich noch einen kleinen Trolley gekauft, weil ich einen Einkaufsgutschein geschenkt bekommen hatte, der nur für ganz wenige Läden galt und das das einzige war, das ich gebrauchen konnte. Qualitativ sehr, sehr gut, aber vom Stil her jetzt nicht mehr so unbedingt meins wie die alten Stücke.

Meine Tasche von 2007 ist kaputt

Vergangen Woche nun ist mir bei der aktuellen Reise an meinem Eagle-Creek-Trolley, der mit dem abnehmbaren Rucksack, den ich 2007 für die Westaustralien-Reise gekauft hatte, etwas kaputt gegangen.

Ich hatte ja schon erzählt, dass ich in letzter Zeit auf Reisen immer wieder das Pech hatte, dass mir die Dinge zerbröseln, noch bevor ich den Flughafen erreicht habe. Mal waren es die jahrelang sehr guten Lowa-Wanderschuhe, die urplötzlich ihre durch Hydrolyse zersetzten Sohlen noch auf dem Weg zum Flughafen abwarfen. (War mir Jahre zuvor schon mit teuren Business-Schuhen auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch passiert, dass die zuhause noch top aussahen und dann bis zum Zielbahnhof so zerfallen waren, dass ich nur noch die Leder-Oberseiten anhatte und unten in den Socken auf dem Boden lief. Und dann waren mir schon vier Casio-Uhren zerbrochen (dreimal neu gekauft, einmal auf Garantie getauscht), weil die zwar von Urwerk und Elektronik gut sind, aber die Gehäuse nichts taugen, zuletzt beim Verlassen der Wohnung auf dem Weg zum Flughafen. Tür abgeschlossen, Rucksack aufgesetzt und mit der Schwungbewegung flog die ganze Uhr in die Ecke, weil die Armbandhalterung abgerissen ist.

Diesmal nun hatte ich sorgsam auf Schuhe und Uhr geachtet, aber ach:

Ich hatte es noch nicht bis zum Flughafen geschafft, da verlor ich unterwegs schon die Gummibereifung der Rollen am Trolley. Das Gummi war nicht alterungsbeständig und inzwischen so zersetzt, dass es die Belastung nicht mehr aushielt und einfach so wegbröselte. Als ich den Trolley beim Check-In auf das Band legte, musste ich so die letzten Teile dort wieder einsammeln.

Und die Taste zur Entriegelung des Handgriffs blieb teilweise an meiner Hand kleben. Die war auch aus Gummi.

Gut, das war jetzt nicht so schlimm, weil der Trolley auch noch auf dem Hartplastikkern der Rollen fahren konnte, wenn auch ratternd.

Nun habe ich das Ding gerade zur Reparatur eingeschickt, mal sehen, ob ich es bezahlen muss. Es hieß zwar damals no-matter-what-warranty, aber sie stellen klar, dass sie mit der life-long-Garantie die Lebensdauer des Gepäckstückes und nicht die des Besitzers meinen. Sie reparieren nicht einzelne Teile, wenn das Ding am Ende ist. Aber: Ein paar Rollen sollten sich austauschen lassen und ansonsten sieht das Ding ja noch sehr gut, praktisch nicht abgenutzt, sondern an vielen Stellen noch fabrikneu aussieht. Mal sehen, ob sie auch auf 14 Jahre alte Gepäckstücke noch Garantie geben, aber in den Foren liest man, dass es noch mehr Leute gibt, die ihr Eagle-Creek-Zeugs über mehr als 10 Jahre im Einsatz haben.

Was muss ich da lesen?

Die Marke Eagle Creek wird zum Jahresende eingestellt.

*Schluchz*

Irgendwie geht gerade alles vor die Hunde, was noch irgendwie gut, brauchbar, nicht mainstream war. Nur noch billiger Einheitsmist.

Was mache ich denn jetzt, wenn es kein Gepäck von Eagle Creek mehr gibt?

Mir fällt nichts ein, was ich sonst noch als für mich passend erachte.

Einen Koffer von Rimowa habe ich noch. Gut, aber irgendwie nicht so mein Geschmack.

Zwei Billigkoffer von Aldi habe ich auch. Völlig stillos, aber qualitativ bisher tadellos und in keiner Weise zu beanstanden, jedenfalls nicht schlechter als Samsonite.

Oh je, oh je, was mache ich dann?

Update: Naja, so ganz tot sind sie dann ja nicht. Ein Manager hat den Markennamen aufgekauft und will die Firma weiterführen und zu ihrem ursprünglichen Stil zurückführen. Mal sehen, was draus wird.