Ansichten eines Informatikers

Wie man an funktionierende Hubschrauber kommt…

Hadmut
14.8.2021 22:39

Ich hätte ja so gerne den Hubschrauberpilotenschein gemacht und wäre mit einem Hubschrauber rumgeflogen. Aber mehr als eine Probeviertelstunde im Schnupperangebot einer Flugschule konnte ich mir damals nicht leisten. Wenn ich gewusst hätte…

Naja, also immerhin kann ich von mir behaupten, erfolgreich mal einen Hubschrauber geradeaus geflogen zu haben, auch mal eine 360°-Kurve recht gut und schön geflogen zu sein, bisschen hoch und runter, und auch sonst ein bisschen ein Gefühl dafür bekommen zu haben, aber beim Hovern in Bodennähe innerhalb der halben Minute, die dafür noch übrig war, nicht gut ausgesehen zu haben, das Ding hat sich aufgeschaukelt. Laut Lehrbuch ist das normal, man brauche einige Stunden, bis man es im Griff hat. War auch nur ein R22. Also schon was, wo man gerade so selbst drinsitzen kann, nicht etwa ein Ferngesteuerter. Auch wenn manche meinen, der Unterschied sei da nicht so groß. Eigentlich hatte ich nach dem Abi vor, mich bei der Bundeswehr ein bisschen zu verpflichten, um dort den Heli-Pilotenschein zu machen, aber ich war beim Aufnahmetest nicht sportlich genug. Ich bin nicht schnell genug ein Seil hochgeklettert und habe beim Handballtest zu wenig Teamgeist und aggressive Dynamik an den Tag gelegt. Deshalb blieb es beim Grundwehrdienst und einem LKW-Führerschein und ein paar Einsätze mit Hubschraubern. Mal in einer CH-53 mitgeflogen, mal an einer fliegenden Bell unten am Haken eine Palette Panzerminen eingehängt und sowas. Als ich das dann mal aus der Nähe gesehen hatte, haben mir Hubschrauber immer noch gefallen, aber es mischte sich auch die Einsicht rein, dass das ein Schnapsidee gewesen war, es bei der Bundeswehr zu machen. Das war einfach kein Ort für mich. Zumal ich dort gelernt hatte, dass die richtigen Dienstgrade dort Flugzeuge fliegen und die Hubschrauberpiloten so eher als die Baggerfahrer angesehen werden. Zu den LKW-Fahrten in der Fahrschule gehörten auch längere Überlandfahrten durch den Wald, bevorzugt den Westerwald, und der Fahrlehrer bestand darauf, Mittagessen in irgendeiner abgelegenen Waldgaststätte zu gehen, wo es das seiner Meinung nach beste und preisgünstigste Essen gab (die verpflichtenden Nachtfahrten gingen seiner Vorliebe nach meist als Besichtungstour durch den Koblenzer Straßenstrich, um das mal einzuordnen – erstaunlich immer, wieviele Bundeswehr-LKW in der Großgarnisionsstadt Koblenz des nachts im Straßenstrichbereich ihre Runden zogen), und so abgelegen und einsam diese Gaststätte da tief im Wald war, sie war, wann immer wir um die Mittagszeit da hin kamen, gerappelt voll mit Dienstgraden. Was auf den ersten Blick verblüffte, weil kaum oder gar keine Autos davor standen. Des Rätsels Lösung lag hinter der Gaststätte, und zwar in Form eines großen Bolzplatzes, auf dem stets einige Bundeswehrhubschrauber standen. Die landeten da zum Mittagessen. Was dazu führte, dass man mit denen ins Gespräch kam, denn der Fahrlehrer kannte da einige und irgendwie bestand da eine kollegiale Achse zwischen Fahr- und Fluglehrern. Grundsätzlich fielen die mir auch sehr positiv auf, denn die waren dort sehr freundlich und unmilitärisch und hatten nichts von dieser arroganten Herablassenden Haltung gegenüber einem Grundwehrdienstleistenden im Mannschaftsdienstgrad, wie in der Kaserne. (Ich musste einmal den Kompaniechef ins Verteidigungsministerium nach Bonn fahren und mangels Aufenthaltsmöglichkeiten den Tag in der Kantine rumsitzen, und war überaus verblüfft, wie freundlich, fürsorglich und kumpelhaft da die Obersten und Generäle und so was waren. In der Kaserne musste man vor jedem Depp und Analphabeten stramm stehen und sich rumkomandieren lassen, und dort: Oh, ein Wehrpflichtiger. Geht es Ihnen auch gut? Haben Sie alles, was Sie brauchen? Möchte Sie meine Zeitung? und so. ) Ich kam dort zu dem Schluss, dass die Leute zwar nett sind, aber das einfach gar nicht meine Welt ist. Da bin ich einfach komplett falsch.

Dazu kam ich nicht umhin, trotz des auffällig und deutlich angneehmeren Umgangs der Heeresflieger mit den Leuten im Vergleich zu den Pionieren dem Laden deutlich abzuschwören, denn dass das schon damals (1985/86) marode war, war nicht zu übersehen. Wir als Pioniere hatten vom Telefon und der Telefonvermittlung über Pistole, MG, G3 und persönliche Ausrüstung immer noch denselben Kram wie die Wehrmacht, und auch das Fliegzeugs war in keinem guten Zustand. Die Piloten der CH-53, in der ich mitgeflogen bin, habe ich ziemlich übel über deren Instandsetzung fluchen hören. Und die Bell, an der ich Außenlasten angehängt habe, wäre kurz später (aber nicht wegen mir) fast abgestürzt. Das Spiel war, dass wir eine Palette, so ungefähr 1,50 Meter hoch, mit (Übungs-, also ungefährlichen) Panzerminen in einem Netz zusammengebunden hatte, oben mit einem riesigen Schäkel zusammengebunden, den man so mit zwei Händen greifen konnte, und dann durften die fähigsten, besten und schlauesten Soldaten des Bataillons (darunter selbstverständlich ich) einmal an der Übungsrunde teilnehmen: Die Minen standen auf einer Wiese, und ein Soldat ist dann oben auf diese Palette raufgeklettert. Dann kam die Bell angeflogen, tippte einmal vor einem kurz auf den Boden auf, um die Höhe genau zu erfassen (nämlich =0) und sich elektrisch zu entladen, damit der Soldat keine gewischt bekommt, und dann so leicht ansteigend von vorne anzufliegen. Geile Sache, man steht dann auf diesem Minenhaufen obendrauf exakt auf Augenhöhe mit den Piloten, sieht denen direkt ins Gesicht (das man wegen des Helmes nicht sieht) und hofft, dass die jetzt keinen Fehler machen und einem mit dem Rotor den Kopf nicht abschneiden. Dann schweben die über einen, der Lademeister hängt mit dem Kopf nach unten aus der offenen Seitentür, um dem Piloten zu sagen, was abläuft. Man schiebt diesen Schäkel in den Haken unter dem Heli, vergewissert sich, dass der richtig drin ist und der Schnappriegel geschnappt hat, der Lademeister gibt einem ein Zeichen, dass es OK ist, und dann springt man runter und rennt nach vorne rechts weg, damit der Pilot sehen kann, dass man weg ist und wohin (und nicht etwa noch auf den Minen hockt und mitfliegt). Dann hebt der die an, fliegt mit denen eine Runde, setzt sie an derselben Stelle wieder ab, damit man die Entgegennahme üben kann, dann fliegt er wieder eine Runde ohne die Minen und das Spiel geht mit dem nächsten ausgesuchten Elitesoldaten von vorne los.

Das ging ein paarmal gut, und dann ging es schief. Der konnte auf einmal diese Last nicht mehr absetzen, weil der Haken nicht mehr aufging. Der versuchte erst, die abzuschütteln, und man sah ihnen die Hektik an, aber wir konnten nicht mal mit ihnen kommunizieren außer über Handzeichen. Erst gewundert, was da los war. Irgendwann haben wir dann verstanden, dass der den Haken nicht aufkriegt.

Das Problem: Er konnte nicht mehr landen, weil das Netz nicht lang genug war, um die Minen abzustellen und daneben zu landen. Saugefährlich, weil ewig fliegen kann er ja auch nicht. Wir haben gestikuliert um zu klären, ob einer hinlaufen soll und versuchen, den Schäkel aufzukriegen, um ihne darüber abzuhängen. Sie haben dann aber eine sehr unebene Stelle gefunden, an der sie trotz Außenlast noch sehr schräg landen konnten. Die haben uns das dann erklärt. Die haben drinnen irgendwie so ein Pedal, mit dem sie den Haken öffnen können, um die Last freizugeben, und das hat auf einmal nicht mehr funktioniert. Und das wurde dann so richtig lebensgefährlich, weil die mit dem Ding unten dran zwar fliegen, aber nicht landen konnten.

Die haben so geflucht, dass es gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und die Genfer Konventionen verstoßen hat. Das sei richtig gefährlich gewesen und es sei brachialer Instandsetzungsmurks.

Die hatten die Schnauze voll, sind dann persönlich durch den Dreck unter dem Heli gekrabbelt, um das Ding auszuhängen, sagten nur noch, für sie sei das jetzt beendet, ihnen reichts, und sind weggeflogen.

Das war der zentrale Tag, an dem ich mir dachte: Ach, wie gut, dass die mich nicht genommen haben. Hier will ich ganz sicher nicht.

So ein ähnliches Gefühl hatte ich dann auch mal selbst, denn ich hatte ja nur so einen Geländewagen VW Iltis, aber mit abgefahrenen Reifen, mit denen ich eigentlich nicht mehr hätte fahren dürfen. Hatte neue beantragt – abgelehnt, kein Geld da. Das sind so Spezial-Gelände-Reifen, nicht billig. Gemeldet, dass ich dann den Fahrbetrieb einstelle, wenn ich nicht bald neue Reifen bekomme. Ausgerechnet an dem Tag in eine Feldjägerkontrolle geraten, natürlich Ärger bekommen. Ja, das gäbe natürlich Meldung und Disziplinarärger, weil abgefahrene Reifen. Oh, sagte ich denen, Sie kommen mir gerade Recht. Ich streite mich schon seit Tagen mit dem Bataillon, die das nicht einsehen und zahlen wollen. Ein Feldjäger-Mängelbericht wäre genau das Richtige, was ich jetzt brauchte, um endlich neue Reifen zu kriegen. Auf einmal wollten die nichts mehr. Nee, also da mischen sie sich nicht ein, das gäbe zu viel Ärger. Hat sich erledigt. Ich solle einfach weiterfahren. Da dachte ich mir auch: Wenn das schon wegen ein paar lumpiger Reifen schon so läuft, was ist denn dann bei den richtig teuren Sachen? Flugzeuge? U-Boote? Waffensysteme?

Nun ratet mal, wer mehr und bessere Hubschrauber hat, als die Bundeswehr.

Richtig. Sogar die Taliban. Die haben nämlich ganz viele erbeutet.

FOCUS schreibt zur Quantität:

Der frühere Nato-General Hans-Lothar Domröse plädiert nach dem Scheitern des Afghanistan-Einsatzes für ein Überdenken des Vorgehens bei Militärengagements außerhalb Europas. “Unser gesamtes Konzept “train assist advise” (ausbilden, unterstützen, beraten) werden wir überprüfen müssen und wir müssen fairerweise die Frage stellen: Funktioniert das außerhalb Europas? Scheinbar nicht”, sagte der Heeresgeneral am Samstag in NDR Info. Man müsse bei Auslandseinsätzen vorher politische Ziele klar setzen, langen Durchhaltewillen zeigen – oder eben nicht hingehen.

Der Westen habe in Afghanistan “350.000 Sicherheitskräfte ausgebildet, recht gut ausgerüstet. Da fliegen mehr Hubschrauber bei denen als bei der Bundeswehr. Also: Sie haben sie nicht eingesetzt, und warum nicht?” Es mangele an Kampfmoral und Loyalität, sagte Domröse. Den Soldaten “fehlt das Wofür”. Das stelle die Frage, ob es überhaupt einen afghanischen Gesamtstaat gebe oder dort nur Kriegsherren und Stammesfürsten ihr eigenes Spiel spielten.

Da fliegen mehr Hubschrauber bei denen als bei der Bundeswehr.

Ja, bei den Regierungstruppen. Und die WELT beschreibt, wie sie die Taliban von denen erbeuten.

Wobei man das jetzt auch nicht überbewerten sollte, denn Afghanistan hat zwar viel Platz, ist aber aus zwei Gründen nicht gut hubschrauberflügig. Erstens ist es heiß, und zweitens ist es hoch. Was beides dazu führt, dass die Luft dort dünner ist, und Hubschrauber nicht mehr gut oder gar nicht mehr fliegen können. Vielleicht noch schnell vorwärts, aber nicht mehr schweben, weil schweben mehr Leistung benötigt als schnelles Vorwärtsfliegen, die Motorleistung bei dünner oder warmer Luft aber abnimmt, weil weniger Sauerstoffmoleküle pro Volumen drin sind. Das kann sein, dass dann die Triebwerksleistung nicht mehr reicht, um in der Luft stehen zu bleiben. Genau daran sind schon Einsätze der Amerikaner gescheitert. Die hatten die vorher woanders geübt, aber nicht berücksichtigt, dass es am Einsatzort so nicht geht, weil der Hubschrauber dort schlicht nicht landen oder schweben kann. Die mussten schon einige Militäroperationen deshalb erfolglos abbrechen.

Und die Dinger sind so wartungsintensiv, dass die ohne Wartungsvertrag eh nicht lange fliegen.

Aber: Die haben dort mehr fliegende Hubschrauber als die ganze Bundeswehr.

Was so schwer ja auch nicht ist.

Ich warte jetzt noch auf die Meldung, dass die Taliban in Afghanistan auch mehr funktionsfähige U-Boote im Einsatz als die ganze Bundeswehr haben.