Ansichten eines Informatikers

„Moderner Fünfkampf“

Hadmut
7.8.2021 0:58

Ich kann es zwar nicht beurteilen, aber ich halte es für inakzeptabel.

Ich habe von der Sportart zwar keinerlei Ahnung, aber ich fühle mich da gerade einfach so stellvertretend, so rudelmäßig (vermutlich rebelliert gerade die Amygdala und schlägt Rudelkriegsalarm im Kopf) um eine Medaille, vermutlich eine Goldmedaille betrogen.

Ich könnte nicht mal die Sportarten des „modernen Fünfkampfes“ aufzählen.

Ehrlich gesagt, ich hätte nicht mal gewusst, dass es fünf sind. Ich weiß, dass es verschiedene Mehrkämpfe gibt, aber konkret fallen mir nur Biathlon und Decathlon, Zehnkampf ein. Und ich bekäme auf Anhieb gerade mal nur die Sportarten des Biathlon vollständig zusammen.

Und von Pferden habe ich auch keine Ahnung. Gut, ich habe zwei, dreimal drauf gesessen. Hat aber auch nur funktioniert, weil die Pferde selbst wussten, was sie machen sollten. Ich weiß von Pferden nicht sehr viel mehr, als dass ich mit erträglicher Zuverlässigkeit Vorder- und Hinterseite unterscheiden kann. Allerdings schon einige Youtube-Videos über das Sozialverhalten und das sanfte Zähmen von Pferden gesehen habe, und mir einige Zeit die Erzählungen eines betuchten Kollegen anhörte, der eigene Pferde und einen eigenen Stall hatte. Und mein Vater ist früher gerne geritten.

Aber soweit ich das aus meiner unqualifizierten Laiensphäre heraus empfunden habe, ist da bei den olympischen Spielen (und anschließend in den Social Media) eine ziemliche Sauerei gelaufen.

Wenn ich das richtig verstanden habe, muss man da Springreiten, und das auf einem ausgelosten, fremden Pferd, das man vorher nicht kennt und auf dem man vorher gerade mal 20 Minuten (da bin ich mir nicht mal sicher, denn irgendwann sagten sie im Fernsehen was von 20 Sekunden) eingewöhnreiten darf.

Da gab es nun diese Bilder, auf denen die Berlinerin Annika Schleu (die ich auch nicht kenne und von der ich bis gestern noch nie etwas gehört hatte) auf einem Pferd sitzt, das nicht will, und in völliger Verzweiflung versucht, das Pferd irgendwie voranzubringen, während das Pferd verweigert oder sogar rückwärts läuft.

Die Szene war unwürdig.

Die Frau verzweifelt und am Heulen. Es gibt Videos, wo sie es mit Gerte und Sporen versucht, und eine Trainerin, die „Hau drauf“ brüllt.

Shitstorms wegen Tierquälerei.

Ich sehe das allerdings etwas anders, und will das mal darstellen. Isabell Werth, immerhin erfolgreichste Reiterin der Welt, und der kann man wohl unterstellen, dass sie Ahnung hat, hat – stand irgendwo – etwas dazu gesagt, was mir bisher als die einzig plausible und für mich nachvollziehbare Bewertung vorkommt: Ihr täten beide leid, Pferd und Sportlerin. Beide seien Opfer der Regeln, die nicht taugen.

Dem könnte ich mich ohne weiteres anschließen.

Wenig Verständnis habe ich für die Shitstormerei gegenüber der Reiterin.

Denn man muss hier berücksichtigen, dass das bei einer Affenhitze ein Ausnahmezustand und ein irrer Druck war. Die Frau war bis dahin auf Platz 1 und auf dem Weg zu einer Goldmedaille.

Und dann bekommt die unverschuldet ein Pferd, das partout nicht will.

Das lag aber nicht an der Reiterin, sondern das war ja dem vorigen Reiter dieses Pferdes auch schon passiert.

Ob das Pferd jetzt nicht wollte, vielleicht ein charakterlicher Drecksack war (gibt’s unter Pferden auch, soviel weiß ich), Schmerzen oder Angst hatte, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß, dass Pferde Wildtiere sind und dass bei denen auch Verhaltensprogramme laufen, wie ich sei beim Menschen beschrieben habe. Beispielsweise die Sache mit den Viehgittern: Viele Vierbeiner gehen partout nicht über Querrillen, weil sie Anbst haben, sich die Füße zu brechen. Das ist bei denen fest drin. Hatte ich schon beschrieben, weil ich das in Australien und Neuseeland so oft gesehen habe, dass die Durchfahrten durch Grenzzäune zwischen Farmen über solche Gitter gehen, damit die Tiere da nicht drüber können. Es gibt ein beachtliches Video von Polizeipferden, die nicht über einen Regenbogen-Streifen auf dem Boden laufen können, obwohl es nur normaler Asphalt ist, was das illustriert:

Dazu gehört wohl auch, wie ich mal irgendwo gelernt habe, ich glaube, es war im Biologie-Unterricht, dass Pferde als Pflanzenfresser nicht zu den Jägern, sondern zu den Gejagten gehören, deshalb die Augen nicht nach vorne, sondern zur Seite stehen haben, und deshalb wohl viel Überblick, aber wohl nur schlechtes dreidimensionales Sehen haben (wobei ich staune, wie sie dann über Hinternisse springen können), und das Pferd aufgrund seines Verhaltensprogrammes eben scheuen oder sich weigern kann. Steht ja von anderern Vierbeindern schon in der Bibel: Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr… Weil auch Kamele Verhaltenssperren haben. Die gehen nicht durch enge Stellen. Irgendwo stand mal, aus Angst vor Raubtieren, denen sie nicht ausweichen können. Esel bocken. Und so weiter.

Es gibt also wohl reichlich Gründe, warum dieses Pferd da heute oder generell nicht in diese Arena oder über diesen Parcour wollte. Angeblich hatte ja sogar die Besitzerin sowas gesagt, dass das Pferd diese Arena nicht mag und da nur raus will. Es gab ja sogar die Anweisung an die Reiterin, dass sie da reingaloppieren soll, damit das Pferd auf dem Parcour ist, bevor es merkt, dass es in der Arena ist, die es nicht mag.

Unter diesen Bedingungen, nämlich dass

  • das Pferd vorher schon bei einem anderen Reiter verweigert hatte und der 0 Punkte bekommen hatte,
  • die Besitzerin sogar wusste, dass das Pferd die Arena aus irgendeinem Grund verweigert,

halte ich es für unverantwortlich und unvertretbar, und zwar doppelt, gegenüber dem Pferd und gegenüber der Reiterin, das Pferd noch einzusetzen. Es gab da aber wohl einen Arzt, der das Pferd für einsatzbereit erklärte, und die Regeln sehen wohl vor, dass man das Pferd erst tauschen kann, wenn es viermal verweigert hat, es aber nur zu drei Verweigerungen kam.

Im Gegensatz zu allen Leuten, die sie da jetzt shitstormen, bringe ich Verständnis für die Reiterin auf, die da ja unverschuldet, aber völlig aussichtslos und auf sich alleine gestellt, in so eine Situation gekommen ist.

Man muss da mal sehen, dass die Leute jahrelang trainieren, mit hohem Aufwand, hohen Kosten, es auch um Geld und Karriere geht, da voll in diesem Wettkampf sind, und dann von Platz 1 auf den letzten Platz abstürzen.

Es ist sicherlich kein guter Umgang mit dem Pferd. Aber ich habe Verständnis dafür, dass sie in dieser Stress- und Krisensituation voll Verzweiflung und Adrenalin, versucht hat, was ging. Was hätte sie sonst tun sollen?

Früher war das übrigens normal, mit Gerte und Sporen zu reiten. Das war mal so üblich, dem Pferd mit der Gerte zu erklären, wer Chef ist und sagt, wo es lang geht. Weil das eben auch nicht so läuft, dass man das im Diskurs ausdiskutiert oder man da einen Räterepublik gründet, sondern das Pferdegehirn eben über die Rangordnung in der Herde funktioniert.

Mein Vater erzählte mir mal, als ich noch Kind war, dass er beim Reiten mit einen fiesen Vieh zu tun hatte, das ständig versucht habe, ihn an einer Mauer abzustreifen und loszuwerden. Die passende Gegenwehr sei gewesen, immer so am Zügel zu ziehen, dass der Kopf des Pferdes auf die Seite geht, auf der das Pferd versucht, an der Mauer entlangzuschrubbern, und es so zu zwingen, sich dabei auch die eigene Nase an der Wand entlangzureiben, bis es einsieht, dass das nichts ist. Man kann halt mit dem Pferd nicht so direkt reden und das mit dem aushandeln.

Ich halte es deshalb für nicht vertretbar, es der Reiterin anzulasten, wenn ein fremdes Pferd, das sie nicht kennt, verweigert.

Richtig wäre das bei den normalen Reitern, die mit eigenem Pferd anreisen, denn die können sich ja vorher das geeignete Pferd aussuchen. Aber nicht, wenn der Veranstalter das Pferd stellt.

Unverständlich ist mir dann auch die Behauptung, dass so etwas so noch nie passiert sei, und die Regeln dafür deshalb nichts vorsehen. Aber gerade dann, wenn so etwas noch nie passiert ist, müsste man doch erkennen können, das da eine unregelmäßige Situation vorliegt.

Wobei es so selten dann doch nicht zu sein scheint, denn die ebenfalls heulende Bundestrainerin sagte im Fernsehen völlig aufgelöst, dass das so unfair sei, weil ihnen bei den Spielen 2016 so etwas auch schon passiert sei. Zweimal hintereinander also.

Und dann hieß es wohl von den Offiziellen, da könne man halt nichts machen, da böten die Regeln keine Abhilfe.

Wenn ich mich aber recht erinnere, dann war doch das Versprechen aus den Eiden bei den Eröffnungsfeiern immer, dass auch die Kampfrichter einen Eid ablegen, den ich jetzt nicht wörtlich im Kopf habe, der aber laut Wikipedia lautet:

„Bei meiner Ehre erkläre ich, dass ich mich als Kampfrichter nur vom Geiste der sportlichen Fairness und der Würde des Sports leiten lassen werde. Ich verpflichte mich, die gezeigten Leistungen ohne Rücksicht auf die Person oder die Nation gewissenhaft zu beurteilen.“

„Nur vom Geiste der sportlichen Fairness und der Würde des Sports“.

An beidem fehlt es hier eindeutig. Das war weder fair, noch würdig.

Dummerweise liest sich das anders auf englisch:

In the name of all the judges and officials, I promise that we shall officiate in these Olympic Games with complete impartiality, respecting and abiding by the rules which govern them in the true spirit of sportsmanship.

Da geht es dann nicht um fairness, sondern nur um die Regeln.

Die Trainer sollen sich aber auf fair play verpflichten.

Die Frage ist, wie man die Geldmaschine Olympische Spiele noch irgendwie zu Fairness bewegen könnte. Vorhin hieß es irgendwo, dass die ersten olympischen Spiele in Tokyo 1964 im Oktober abhielt, weil der Sommer einfach zu heiß ist. Man konnte es aber nicht in den Oktober verlagern, weil diese olympische Organisation vor allem die Fernseheinnahmen haben will. Und die wären dann von den Amerikanern niedriger ausgefallen, weil die im Herbst dann NFL haben. Da geht es also sowieso nur um Geld und nicht um Sport. Das ist eignetlich nur ein kommerzieller Event-Veranstalter, der das Geld über die Athleten und deren Gesundheit stellt, und die der Pferde sowieso.

Ich halte das für eine Sauerei, was da gelaufen ist.

Ich weiß nur nicht, wie man auf das Olympische Komitee oder diesen wohl verantwortlichen internationalen Verband für modernen Fünfkampf Druck ausüben kann. Hätten das olympische Komitee noch irgendeinen Anstand und nicht nur Geld im Sinn, würde man die dafür aus den olympischen Spielen rausschmeißen wegen Meineides.

Dabei ist kaum rauszukriegen, was das überhaupt für eine Rechtsform ist. Die sitzen in Monaco.

UIPM – Union Internationale de Pentathlon Moderne

Stade Louis II – Entrée C

19 avenue des Castelans

MC-98000 Monaco

Tel: +377 97 77 85 55

Kommt mir nicht seriös vor.