Ansichten eines Informatikers

No true Scotsman…

Hadmut
9.8.2019 18:15

Kennt Ihr das Denkfehlerschema „No true Scotsman”?

Der Begriff geht auf ein Buch über das Denken von Antony Flew (das Buch ist von ihm, nicht ein Buch über sein Denken) zurück, in dem er das Beispiel bringt (siehe hier und hier):

Argument: „Kein Schotte streut Zucker auf seinen Haferbrei.“

Antwort: „Aber mein Onkel Angus ist Schotte, und er streut sehr wohl Zucker auf seinen Haferbrei.“

Widerlegung: „Kein wahrer Schotte streut Zucker auf seinen Haferbrei!“

Der Denkfehler besteht darin, dass man eine – durchaus häufige beobachtete – Aussage aus persönlichen Vorlieben zur Verallgemeinerung idealisiert und sich dadurch angreifbar macht, weil solche Allgmeeinaussagen logisch natürlich schon durch Gegenbeispiele auszuhebeln sind. Dabei wird dem – bei Verallgemeinerungen validen – Argument des Gegenbeispiels damit begegnet, dass man einfach die Betrachtungsmenge so reduziert, dass die im Gegenbeispiel genannten Objekte nicht mehr zur Betrachungsmenge gehören, als damit außerhalb stehen und nicht mehr als Gegenbeispiel taugen. Ein Denkfehler nahe am confirmation bias: Man lässt Gegenargumente schlicht nicht gelten, und ändert mittem im Disput die betrachtete Grundmenge, und damit seine Definition.

Ich kannte zwar den Denkfehler, aber weder Buch noch diese konkrete Formulierung, und hatte mal genau einen solchen Fall beschrieben, der mir auf dem Flughafen der Malediven passiert ist. Abflug spät nachts, aber weil der Flughafen auch nur eine Insel ist, muss man mit dem Boot dorthin fahren. Weil nun aber die Boote nicht bei Nacht fahren und sie vor Dunkelheit auch wieder zurück sein müssen, hängt man dann mehrere Stunden am Flughafen außerhalb des Abflugbereiches fest, weil man das Gepäck erst 3 Stunden vor Abflug einchecken kann. Sitzt man da stundenlang herum, muss man irgendwann mal pinkeln. Die Toiletten (und damit meine ich nicht die Kabinen, sondern das ganze Etablissment) ist aber so eng, dass man mit dem Trolley da überhaupt nicht reinkommt, und selbst wenn man seinen Krempel ohne Trolley schleppen würde, man da nicht reinkäme. Einfach rumstehen lassen geht auch nicht, die Kriminalität kann ich zwar nicht einschätzen, aber sie haben Terrorgefahr und Schilder, dass man sein Gepäck keinesfalls unbeaufsichtigt lassen dürfe. Da würde man pinkeln gehen und draußen sprengen sie den Koffer oder präsentieren einem die dicke Rechnung, weil das SEK kam oder sowas.

Ein Teufelskreis. Ein unauflösbares Dilemma.

Dann war ich irgendwie an einen geraten oder der an mich, weil ihm irgendwie aufgefallen war, dass ich mich seltsam verhielt, weil ich eben vor dem Eingang zum Sicherheitsbereich stand und mich seltsam umblickte (ich durfte da noch nicht rein, weil zu früh), und der dann behauptete, ich solle ihm einfach vertrauen und pinkeln gehen. Jo, ganz bestimmt. Das fand der beleidigend und er stellte sich als Sicherheitschef heraus. Es sei nicht nötig, sich um das Gepäck sorgen zu machen. Ich könnte einfach so gehen, es würde nichts passieren. Warum sie dann die Schilder da aufhängten, wollte ich wissen. Antwort: Sie seien Muslime und Muslime würden niemals stehlen. Abgesehen von dem Umstand, dass da auch viele andere Leute auf diesem Flughafen unterwegs waren, sagte ich ihm, dass er dann noch nie in Berlin war. (War er auch nicht.) Da könnte man oft sehen, dass die Polizei Taschendiebe festnimmt, darunter eben auch viele Muslime. Ja, seine Antwort, dann wären das eben keine wahren Muslime.

Auf den Blogartikel hatten mir viele Leser geschrieben und mich auf „No true Scotsman” hingewiesen.

Das gleiche passiert mir gerade mit den Ossis.

Ich hatte doch gerade im Zusammenhang mit dem Solidaritätszuschlag geschrieben, dass wir Stasi und SED wieder aufpäppeln und viele Ossis daran arbeiten, die DDR wieder aufzubauen.

Viele schrieben mir – mehr oder weniger empört – dass kein DDR-Bürger die DDR wieder zurückhaben wolle.

Ja, habe ich in manchen Fällen (wie dem auf den Malediven) geantwortet, dann sollen sie mal nach Berlin kommen. Hier gäb’s genug SED- und Stasi-Hinterlassenschaften, die am Wiederaufbau arbeiteten.

Ja, so das Antwortenschema, das seien dann aber keine wahren DDR-Bürger…