Ansichten eines Informatikers

Über den Denkfehler zum Schulsystem der DDR

Hadmut
7.7.2019 10:50

Eine Handvoll Leser hatte mir gescholten und protestierende Mails geschrieben,

weil sie durch meine Artikel, namentlich genannt dieser da, in dem von DDR kein Wort die Rede ist, das Schulsystem der DDR zu Unrecht abgewertet sähen. Die DDR hätte ein sehr gutes und effektives Schulsystem gehabt.

Das habe ich auch nicht in Abrede gestellt, die DDR hatte schon eine recht effektive Schulausbildung, der technisch-naturwissenschaftliche Teil mindestens ziemlich ordentlich. Weil an den Russen orientiert, und die Russen haben ziemlich gute Mathematiker und Ingenieure. Ich habe damals beim Berlin-Besuch in der Oberstufe beim Tag Ost-Berlin meine 25 Ost-Mark vom Zwangsumtausch eigentlich in einer Uni-Buchhandlung ausgeben wollen, um mir Mathebücher zu kaufen (ging aber nicht, weil alles gerade ausverkauft und nicht lieferbar…), besonders hinter dem sagenumwobenen „Bronstein” war ich damals her.

Ich glaube aber trotzdem, dass das Lob der DDR-Schule einem erheblichen Denkfehler unterliegt und auch von Ostalgie geprägt ist. Mag ja sein, dass die Ossi-Seele immer noch gequält ist und etwas Balsam braucht, aber ich seh’ das halt an einen Stellen eben anders.

Der erste Punkt ist, dass ich von „Sozialismus” gesprochen habe. Und das ist eben nicht identisch mit DDR. Ich meine den Sozialismus von heute, und Sozialismus gab’s nicht nur in der DDR.

Der zweite Punkt ist, dass die DDR (noch) kein Sozialismus im Endstadium war. Die DDR wurde wesentlich in den 50er und 60er Jahren geprägt, und da war 1918 gerade mal 30 bis 40 Jahre her, und das Land entstand ja nicht bei Null. Die beruhten ja auf einem Land, das vorher eine der weltweit führenden Wissenschaftsnationen war. Vor den Nazis war Deutschland vorne, was Wissenschaft und Nobelpreise anging, während andere Länder, wie etwa die USA, besonders als Flächenstaaten, noch schwer in der Agrargesellschaft steckten. Die Russen bzw. Sowjetunion hatten ein paar Städte, aber waren in der Breite ein Bauernstaat, und auch die USA hatten zwar moderne Städte, waren aber bis in die 40er und frühen 50er Jahren eigentlich eine ziemlich rückständige Gesellschaft samt Apartheidsprinzip. Die DDR dagegen war Besatzungsgebiet und durchaus als Ingenieurstaat angelegt, deshalb auch der Zirkel im Wappen. Nazis hin oder her, auch im zweiten Weltkrieg galt deutsche Technik als führend und gefährlich, und deshalb dann auch als Kriegsbeute. Deshalb haben sich die Amis sofort den Zugriff auf Köpfe und Erfindungen gesichert.

Ein dritter Punkt ist, dass im Zeitraum der DDR ein hoher Leistungs- und Wettbewerbsdruck bestand. Es ging darum, einen Staat aufzubauen und dabei im Wettbewerb zum Westen zu stehen. Denkt nur mal an Honeckers Megabit-Chip. Oder die Raumfahrt. Die Russen mit ihrem Sputnik, der den Amerikanern einen solchen Schock versetzte, dass sie sich innhalb von wenigen Jahren von Null + von Braun auf Mondlandung entwickelt haben. Raumfahrttechnik war damals ein wesentlicher Antrieb fast aller Forschung bis hin zur Teflonpfanne.

Dazu kam die Bedrohungssituation durch Atomwaffen und anderes Kriegsgerät. Und noch der wirtschaftliche Wettbewerb.

Dass die DDR und auch die Russen mathematisch-naturwissenschaftlich gut drauf waren, lag weniger am Sozialismus, sondern viel mehr an der Konkurrenzsituation, welche bekanntlich das Geschäft belebt. Und eben daran, dass man auch im Sozialismus die maximale Leistung aus den Leuten herausholen musste.

Man sagte mir mal, dass Berlin deshalb ein ausuferndes Nachtleben hatte und heute noch hat, weil der Westen das so gewollt hatte. Man wollte mit Absicht mitten in der DDR ein Lust- und Sündenbabel mit lauter Musik haben, um damit anzugeben, wie gut es einem ging, und demoralisierend zu wirken. Daraus wird einem diese Konkurrenzsituation plastisch ersichtlich.

Diese Konkurrenz- und Aufbausituation haben wir heute nicht mehr.

Wir haben keinen Aufbau-, sondern einen Plünderungssozialismus. Es geht darum, die Lager leerzufressen.

Außerdem war die DDR durch Mauer und militärisch-russisch gestützte Diktaturstrukturen diktatorisch, konnte also ihre Ideologie direkt durchsetzen. Man musste die Leute nicht dumm halten, weil man sie zwingen konnte, und weil die wirtschaftliche Lage so war, dass sich Mitläufertum auszahlte. In einem Einparteienstaat ist das mit den Alternativen auch nicht so leicht. Hier dagegen ist das mit dem Zwang (noch) nicht so wirksam, noch haben wir Reisefreiheit, einen Rest von Meinungsfreiheit, und vor allem Internet und damit Medienkonkurrenz. Heute braucht der Sozialismus verstärkt Dumme, die ihm folgen.

Dazu kommt noch ein anderer, ideologischer Punkt, auf den mich auch schon viele Linke hinwiesen:

Der Sozialismus der DDR und der Kommunismus der Russen gehörten zu dem Flügel der linken Bewegung, die auf eine Zukunft auf Maschinen baute, die der Meinung war, dass das Volk sich von der Ertragskraft von Maschinen ernähren lassen könnte (Marx und die Dampfmaschine). Deshalb waren Sowjetunion und DDR zumindest von der ideologischen Ausrichtung her Industriestaaten, und die DDR als Ingenieursstaat angelegt.

Der Flügel Maoismus dagegen sei auf einem Gesellschaftsbild primitiver Landwirtschaft fernab von Wissen und Technik angelegt. In Peking erzählte man mir, dass man während der Kulturrevolution Leuten, die Klavier spielen konnten, die Finger brach, damit sie das nicht mehr können, weil alle gleich sein mussten. Und wenn nicht alle Klavier spielen können, dann bedeutet Gleichheit eben, dass es keiner können darf. Maoismus beruhe auf Befähigkeits- und Techniklosigkeit, was paradox klingt, weil die Bevölkerung damals verhungert, weil sie statt in der Landwirtschaft in der Eisen- und Stahlproduktion eingesetzt wurden. Mangels Befähigung waren die Produkte aber unbrauchbar.

Man kann sich darüber streiten, ob man das nun durch die Unterscheidung Sozialismus-Kommunismus vom Sozialismus abgrenzen kann. Quasi den Kommunismus als die Bad Bank aller dummen Ideen ansieht und meint, der Sozialismus sei das, was nur aus den guten Ideen besteht. Ich folge dieser Ansicht nicht. Auch Sozialismus beruht auf dieser Gleichheitsideologie, und Gleichheit findet immer nur auf dem gemeinsamen Nenner, dem gemeinsamen untersten Niveau statt. Gleichheit heißt, dass alle gleich dumm sind.

Und genau das hat man mir damals auch in Dresden erzählt. Es habe schon sehr gute Ausbildungen an manchen Universitäten gegeben. Aber eben nicht nur. Weil politisch vorgegeben war, wer wie wo Karriere macht, seien – insbesondere an den Militärakademien – ziemlich viele Dumme aufgedoktort und eingegleicht worden. Was nicht nur gruselig an unsere endlose Liste von Plagiatsdissertationen bei Politikern erinnert, sondern den Abschluss eben wertlos macht.

Viele sind nun der Ansicht, dass die derzeitige grüne Strömung in Deutschland, eben die Grünen, Maoisten seien, also der Technikzerstörung anhingen, während die Linke eher von einem Ex-DDR-industriellen Kommunismus, also der Technikabhängigkeit bei Volkseigentum, anhingen. Kann man sich jetzt überlegen, wie man da Enteignung von Wohungsbaugesellschaften, die CO2– und Diesel-Nummer und so weiter und die Flutung mit bildungsfernen Schichten einordnet.

Jedenfalls folge ich nicht der Ansicht, dass die DDR gute Schulen hatte und deshalb die Zersetzung unserer Schulausbildung nicht dem Sozialismus angelastet werden könne. Die Verblödung der Schulen in den letzten 30 Jahren kam eindeutig und zweifelsfrei aus den linken Sümpfen. Und beruht wesentlich auf dem Geschwätz von Marx.