Ansichten eines Informatikers

Mein Onkel vom Mars und die Teflonpfanne

Hadmut
7.7.2019 14:54

Noch eine Replik.

Jedesmal, wenn ich Teflonpfanne und Raumfahrt sage, tadelt mich irgendwer, dass das eine urban legend wäre. Vorhin wieder. Ich hatte zu Sozialismus/Kommunismus über den Wettstreit zwischen Ost und West geschrieben, und dabei erwähnt, dass uns die Raumfahrt die Teflonpfanne gebracht habe. Prompt schreibt mir ein Leser, das sei falsch, weil das Polytetrafluorethylen schon 1938 und zufällig entdeckt worden sei, als es noch keine Raumfahrt gab.

Das ist so typisches „Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich weiß was!”-mit-Fingerschnippen-Nischen-Wissen.

Ich hatte geschrieben:

Raumfahrttechnik war damals ein wesentlicher Antrieb fast aller Forschung bis hin zur Teflonpfanne.

Dazu kann man hier lesen:

Verdanken wir die Teflonpfanne der Raumfahrtforschung?

Dieser viel zitierte Mythos ist falsch, in Wirklichkeit wurde Teflon 1938 von Roy Plunkett (1910–1994), einem Mitarbeiter des Chemiekonzerns DuPont, entdeckt. 1954 wurde erstmals eine Pfanne mit dem Material beschichtet – in die Raumfahrt gelangte es noch später als Isoliermaterial für Kabel, etwa in den Apollo-Mondlandekapseln. Dass die Entdeckung dieses Polymers der Raumfahrtforschung zugeschrieben wurde, liegt wohl an dem allgemeinen großen Aufsehen, das 1969 die erste Mondlandung und alles, was damit zu tun hatte, erregte.

Und das stimmt dann so eben nicht. Ich will erklären warum. Es hat nämlich ganz wesentlich mit einem anderen Thema dieses Blogs zu tun, mit dem Feminismus und der „Befreiung der Frau”, die nämlich, wie ich schon so oft schrieb, eben nicht durch Feministen, sondern durch die Maschinisierung und Technisierung der Küche und des Haushaltes passierte und es nicht nur Spülmaschinen, Waschmaschinen, Tütenessen und Teflonpfannen gab, sondern auch deren Anwendung in Mode kam und viele Arbeite im Haushalt wegfielen. Ich habe das aus Neuseeland und Australien schon berichtet, dass man dort in den Museen sehen kann, wieviel Arbeit ein Haushalt bis in die 40er, 50er Jahre noch war.

Davon abgesehen unterliegen solche Aussagen immer dem zentralen Denkfehler, dass Raumfahrt 1969 mit der Mondlandung stattgefunden habe, und alles, was davor kam, somit nichts damit zu tun gehabt haben könne. Die Mondlandung war der Abschluss dieser Phase der Forschung, nicht der Anfang oder die Forschung selbst. Tatsächlich hat diese Forschung in den USA unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg angefangen, in Deutschland noch früher, nämlich mit der „V2”-Rakete. Daran haben die Amerikaner gemerkt, dass das wichtig ist und sich 1945 gleich Wernher von Braun geschnappt, um sich von dem die V2 erklären, vorführen und weiterentwickeln zu lassen. Man kann also nicht behaupten, dass etwas nur deshalb, weil es in den 50er Jahren entwickelt wurde, nicht Folge der Raketentechnikentwicklung gewesen sein könne. Die V2 wurde ab 1939 entwickelt. Nur war das alles als Waffentechnik erst mal geheim. Und tatsächlich wurde Teflon auch bei Entwicklung, Herstellung und Bau der Atombomben verwendet, gehörte also auch zur Kriegstechnik.

Das hat sich aber geändert, als die Russen 1957 den Sputnik in die Umlaufbahn schossen und den Amis damit einen Mordsschreck einjagten.

Als Reaktion hat man (auch unter John F. Kennedy) die Öffentlichkeit auf Technik eingeschworen und besonders in den 60er Jahren in der amerikanischen Bevölkerung eine unglaubliche Technik-Gläubigkeit inszeniert und das durch Medien in die Öffentlichkeit gedrückt. Dass es dort sowas wie „Die Jetsons” oder „Mein Onkel vom Mars” oder eben auch „Raumschiff Enterprise” oder zuvor eben auch sowas wie „Metaluna IV antwortet nicht” gab, kommt nicht von ungefähr. Und natürlich 2001. Und auch bei uns waren Raumschiff Orion und Perry Rhodan Folge dieses öffentlichen Politdrucks in Richtung Modernisierung.

Die 60er Jahre waren in den USA eine Zeit eines unglaublichen (Fake-)Technologieschubs, da wurden dort die absurdesten Dinge entwickelt, produziert, verkauft. Alles musste irgendwie modern sein oder nach Alufolie aussehen. Kernkraftwerke wurden reihenweise gebaut.

Und letztlich hat die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg auch den nächsten großen Schub für die Entwicklung der Computer gebracht (siehe Film Hidden Figures). Unix und Arpanet stammen auch aus der Zeit und damit das noch heute gebräuchliche Internet-Protokoll.

Man hat damals die Gesellschaft mit Hochdruck und systematisch auf Futur gebügelt, und damit auch die Haushalte modernisiert, automatisiert. Daraus entstanden dann auch Fernsehserien wie die Feuersteins, die dann die modernen Segnungen wie Auto, Geschirrspüler und Fernseher auch in der Steinzeit hatten, und die Jetsons, bei denen der Haushalt von Robotern erledigt wurde.

Das ist der Ausgangspunkt der „Befreiung der Frau” – die Automatisierung des Haushaltes und des politische Durchdrücken des modernen Lebensstils. Mit Feminismus hatte das eigentlich gar nichts zu tun, es haben dann nur Großmäuler wie Schwarzer so getan, als wären sie es gewesen.

Und das alles war ja nicht billig, ein ziemlicher Kraftakt, und beruhte ganz wesentlich auf dem Kalten Krieg und dem Wettbewerb zwischen Ost und West. Die Überlegenheit der Amerikaner war damals nämlich gar nicht so klar, die waren bis 1945 recht rückständig, und dachten, sie sind da sicher und allein, und haben es dann im Zuge des Zweiten Weltkrieges durch die Technisierung des Krieges mit der Angst zu tun bekommen und deshalb ihre Kriegstechnik mit Hochdruck modernisiert. Atombomben und so. Russen gegen Amerikaner war damals eine Konfrontation zweier weit entfernter und außer in Alaska kaum konfrontationsfähiger Flächen- und Agrarstaaten. Der zweite Weltkrieg und die Luft- und Raumfahrttechnik haben das beendet.

Es ist also töricht zu sagen,

  • dass Raketentechnik nur 1969 erforscht wurde, das wurde sie ab 1939,
  • dass Raumfahrt nur aus der Mondlandung 1969 besteht und alles vorher nicht Folge der Raumfahrt gewesen sein kann, weil vorher schon da,
  • dass nur das Folge der Raumfahrt gewesen sein kann, was unmittelbar Bauteil einer Rakete oder Mondlandefähre gewesen war und Teflonpfannen deshalb keine Folge der Raumfahrt gewesen sein könne, weil sie auf dem Mond keine dabei hatten.

Auch Raumschiff Enterprise ist eine Folge der Raumfahrtforschung und deren Implantierung in die Gesellschaft, obwohl das ganz sicher nicht Teil der Entwicklung im Apollo-Programm waren.

Es war Teil der Entwicklung, die Öffentlichkeit mit einzubeziehen und die auf Kosten und den ganzen Zauber einzustimmen, und dazu eben auch, sich den Haushalt mit Krempel vollzustellen, der nach Raumfahrt und Zukunft roch und alles irgendwie alleine machte. Keine Spülen mehr. Brennt nicht an, brennt nicht ein, muss man nicht schrubben. Mit jeder Teflonpfanne ist die Frau wieder 5 Minuten pro Tag mehr befreit.

Und in dem Artikel von vorhin ging es ja auch nicht um Raketentechnik, sondern den Technik-Wettbewerb zwischen Ost und West. Das ist eben auch zwar nicht der alleinige, aber ein wesentlicher Grund, warum man auch im Osten viel Wert auf Mathematik und Ingenieurswissen in der Ausbildung legte. Ich habe ja nicht gesagt, dass die mit Bratpfannen in die Umlaufbahn geflogen sind, sondern, ich wiederhole mich:

Raumfahrttechnik war damals ein wesentlicher Antrieb fast aller Forschung bis hin zur Teflonpfanne.

Und das war es ja auch bei den Russen, sonst hätten die sich die Mühe mit Sputnik ja nicht gemacht. Und daraus die politische Vorgabe, genug Ingenieure zu haben, um im Wettbewerb zu bestehen.

Deshalb bleibe ich dabei. Die Teflonpfanne ist mit eine Folge dieses Forschungsantriebs, den uns die Faumfahrttechnik gebracht hat. Und zwar auch dann, wenn die Teflonpfanne nicht von der NASA und schon in den 50er Jahren erfunden wurde. Deshalb hat sie den Weg von den Labors in die Haushalte geschafft.

Das ist das, was unsere Gesellschaft geprägt hat und heute noch prägt. Und nicht das dämliche Geschwätz der Geisteswissenschaftler.

Und ob es einem nun passt oder nicht: Es ist damit letztlich eine Folge des zweiten Weltkrieges. Der hat auch – zunächst über Enigma, Turing, Codebrechen – die Grundlagen der Computer und dann über die Technik in den sechziger Jahren deren Fortentwicklung, Internet und so weiter gebracht. Hätte man den zweiten Weltkrieg und das, was dazu führte, vorher verhindert, hätten die Attentate funktioniert, wie man sich oft wünscht, dann wäre das alles ganz anders verlaufen. Dann hätte sich in Europa der russische Kommunismus ausgebreitet und die USA wären ein Agrarstaat geblieben. Ohne zweiten Weltkrieg hätte es Computer, Internet, Raumfahrt, die Automatisierung der Küchen, die „Befreiung der Frau”, Feminismus alles nicht, nicht so oder erst viel, viel später gegeben.

Es ist bitter, aber der Krieg war die Ursache eben jenes Wettbewerbs, der uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind. Man könnte letztlich sogar die Frage stellen, ob durch den Fortschritt, der dadurch auch in der Medizin stattfand, und durch die Automatisierung, der zweite Weltkrieg inzwischen mehr Lebenszeit hervorgebracht, als er damals gekostet hat.

Deshalb warne ich dringend davor, die Teflonpfanne zu unterschätzen.