Ansichten eines Informatikers

Hamed Abdel-Samad und andere Enttwitterte

Hadmut
3.11.2017 22:30

Die Zensur rotiert.

Ich habe in den letzten Tagen so viele Mails und Hinweise bekommen, dass irgendwelchen Leuten die (meist) Twitter- oder Facebookaccounts gesperrt wurden, dass ich den Überblick verloren habe und die in meinem riesigen Mailhinweishaufen auch gar nicht mehr alle finde. Das ist gerade so akut, dass man von einer großen Twitter-Sperr-Aktion ausgehen muss, die sind im Krieg. (Ihr wisst ja, wo Ihr mein Blog findet, wenn’s bei mir nicht mehr twittert.)

Eigentlich müsste man Twitter und Facebook verbieten. Denn man unterstellt ja ständig, dass die Russen bei uns und in den USA Wahlen manipulieren, und das sei verboten. Dann muss man aber auch Twitter und Facebook mit ihren selektiven Sperrungen unterstellen, dass sie damit Wahlen manipulieren, und sie als Angreifer sehen und geheimdienstlich erfassen. Zuckerberg und irgendwelche Mitarbeiter haben ja auch mal irgendwo gesagt, dass sie dort Wahlkampf für Clinton und gegen Trump machen. Es besteht kein Anlass zu der Annahme, dass sie das hier dann anders machen. Man müsste sie also eigentlich in Deutschland komplett sperren – jedenfalls wenn man den Vorwurf an die Russen aufrechterhält.

Ich will mal ein Sperrbeispiel – pars pro toto – herausnehmen.

Es gibt einen Autor namens Hamed Abdel-Samad. Das sagt mir jetzt ehrlich gesagt nicht viel, ich kann mich so entfernt erinnern, Namen und Gesicht schon in ein paar Zeitungsartikeln gesehen zu haben, er gilt wohl als großer Islam-Kritiker. (Uuuuuh, gefährlich…) Und der schreibt nun auch entsprechend kritische Texte in den Social Media. Beispielsweise auf Facebook:

Wenn innerhalb eines Jahres hunderte christliche Terroristen in über 50 Staaten Terroranschläge verübt und sich dabei auf die Bibel berufen hätten, würden die meisten Medien ohne mit dem Wimper zu zucken vom christlichen Terrorismus sprechen, und das zu Recht. Times Magazine sprach bereits vom buddhistischen Terror in Bezug auf die Gewalt gegen Muslime in Burma. Sind die Terroristen aber Muslime, die sich auf den Koran berufen, dann will man keinen Zusammenhang mit dem Islam sehen.

Ist natürlich politisch nicht korrekt, und der wird hierzulande auch entsprechend angefeindet. Dem hat man nun den Twitter-Account gesperrt. Ohne Begründung.

Dann kam er mit Anwalt Steinhöfel, und zwei Stunden später war der Account wieder offen.

Was aber auch heißt, dass die da keinen ernsthaften Grund hatten, und dass die es halt einfach mal probieren, ob sich einer wehren kann.

Richtig bösartig.

Ein Twitter-Mitarbeiter hat übrigens an seinem letzten Arbeitstag mal den Account von Donald Trump abgeschaltet. Hat zwar nur 11 Minuten gehalten, zeigt aber, dass da schon ziemlich willkürlich Accounts abgeschaltet werden können. Und wenn es nicht gerade der Präsident der USA ist, merkt das vermutlich auch keiner, wenn da ein Account nicht offiziell von oben, sondern von irgendeiner kleinen Nummer im Getriebe eigenmächtig abgeschaltet werden. Und diese Frage könnte man auch im Fall Abdel-Samad stellen: Wurde der überhaupt offiziell von Twitter abgeschaltet? Oder haben die da Aktivisten im Pelz, die das einfach mal machen und schauen, ob es durchgeht, weil sich derjenige nicht wehren kann.

Ein zentrales Problem ist, dass Nutzerverträge mit Twitter oder Facebook meines Wissens juristisch noch nicht ausgelotet sind. Finstere Gestalten wie Heiko Maas und seine staatssekretärischen Schergen bauen ja darauf, dass man alles dürfe, was man in die AGB schreibt, eine für Juristen sehr verwegene Ansicht.

Man müsste also mal ausloten, was genau eigentlich Gegenstand des Nutzungsvertrages ist, das AGB-Recht welchen Landes anzuwenden ist, und was von diesen AGB (und Maas’ Phantasien) eigentlich übrig bleibt.

Eigentlich wäre es ein echter Brüller, Facebook oder Twitter mal für eine Woche oder zwei abzuschalten.