Ansichten eines Informatikers

Algorithmen ist das neue Atomkraft

Hadmut
29.10.2016 2:45

Mein Bericht vom „3. Netzpolitischen Kongress” der Grünen im Deutschen Bundestag. [Nachtrag 1]

Ich war heute mal wieder auf einer Veranstaltung. Wieder mal bei den Grünen. Näheres hier und hier.

Die kurze Version

Ich fand den „Kongress” ziemlich seicht, substanzlos, oberflächlich. Eigentlich war es weder ein Kongress, noch hatte es nennenswert was mit „Netz” zu tun, sondern war eigentlich nur billiges schmoren im eigenen Saft, gegenseitige Selbstbestätigung und völlige Abwesenheit anderer als der grünen Standardmeinung. Man hat reihenweise Leute eingeladen, die exakt das erzählt haben, was man von ihnen hören wollte, und die das grüne Weltbild und Selbstverständnis einfach so bestätigen, damit hundertprozentig garantiert ist, dass man den Kongress mit exakt derselben Meinung verlässt, mit der man ihn betreten hat, weshalb es nämlich auch kein Kongress, sondern Gruppenmeinungsstreicheln war.

Und es war die Demonstration des mitleidheischenden Umstandes, dass sich die Grünen ein Haupt- und Lieblingsthema gesucht haben, das ihnen mindestens vier Nummern zu groß ist und mit dem sie heillos überfordert sind. Deshalb gibt es eigentlich nicht viel zu sagen.

Neben der Beobachtung, dass das sonstige Dauerthema Gender und Feminismus heute keine oder keine nennenswerte Rolle spielte (scheint wohl nicht mehr zu ziehen und mehr Leute zu vergraulen als anzuziehen) und auch das Thema Vegan nicht mehr recht zieht (es gab drei Suppen zum Mittagessen, Gulasch, vegetarischen Kartoffeleintopf, veganen Kouskous – bis ich dran war, gab es kein Gulasch mehr, war offenbar mit Abstand am beliebtesten), habe ich heute drei Kernpositionen der Grünen identifiziert, die sich wie ein Faden durch den Tag zogen:

  1. Die Grünen sind inhärent technikfeindlich. Das waren sie nicht nur schon immer, das ist auch ihr links-kommunistisches Erbe, denn bekanntlich ist der Kommunismus als Gegenbewegung zur Industrialisierung durch die Dampfmaschine entstanden, die man als Arbeitsplatzvernichter sah. Die Grünen wiederholen das durch permanente Technophobie, die sie alle paar Jahre an den Stand der Technik anpassen. Aktuell sind es Algorithmen, Digitalisierung, die anstehende Vollautomatisierung.
  2. Die Grünen wollen sich als Technik- und Internet-Partei profilieren und etablieren.
  3. Die Grünen sehen sich in ihrer Ideologie und ihren Moralvorstellungen zutiefst durch das Internet bedroht, weil es plötzlich eine – auch am politisierten Journalismus vorbeilaufende – Meinungsöffentlichkeit gibt, die sie mit ihren bisherigen Techniken und Taktiken nicht kontrollieren können. Plötzlich kann jedes „Stammtischgerede” von Millionen Menschen gelesen werden. Sie fürchten das wie der Teufel das Weihwasser, wie der Ideologe das Denken. Sie kämpfen gegen „Hate Speech” wie bekloppt, faktisch ist es aber ein Strampeln gegen jede Andermeinung, gegen den Verlust der moralischen Lufthoheit.

Natürlich widerspricht sich das.

Aber sie sind zu inkompetent, um die Widersprüchlichkeit zu erkennen.

Sie sind zu sehr Schwafelpartei, um sich an der Widersprüchlichkeit zu stören.

Und sie sind zu verlogen und haben zu viel Wählernot, um auf das Vertreten widersprüchlicher Positionen zu verzichten.

Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.

Die lange Version

Gut, wer’s unbedingt wissen will, hier mal so, was ich mir notiert und gemerkt habe, und was mir so durch den Kopf ging. Gibt’s auch irgendwann zumindest teilweise als Videos auf Youtube. (Sollte man anschauen, denn mein schnelles Mitgekritzel von Stichwortfetzen ist halt nicht so flächendeckend und objektiv.)

Einführung durch Anton Hofreiter

Der geht mir so auf den Wecker.

Redete von Technik, dass man einst der Hoffnung war, Technik brächte in vielen Bereichen den Durchbruch, und sich heute aber mit Hate Speech, Darkrooms usw. konfrontiert sehe und es nun für schlecht halte. Beides hielte er für naiv. (Naja, sie suchen noch noch einer Position, die nicht naiv wäre.) Technischer Fortschritt sei nun eben auch die Voraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt (komisch, warum haben sie das bei der Kernkraft nicht so gesehen?). [Nachtrag: Ein Leser fragt, ob er wirklich Darkroom oder doch Darknet gesagt hat. Da bin ich jetzt gerade nicht mehr sicher, in meinen handschriftlichen Notizen steht Darkroom, aber das wäre – wie eigentlich alles, weil ja nur subjektiv und in der Eile fetzenhaft mitgkritzelt – nochmal zu prüfen, wenn die Videos verfügbar sind.]

Man müsse da auch politisch eingreifen, damit die demokratischen Rechte gälten. Man dürfe die Demokratie nicht den Kapitalisten und Geheimdiensten überlassen.

Er regte sich noch auf, dass man irgendwo Kupferkabel statt moderner schneller Glasfaser installieren wolle. (Mit Glasfaser haben sie es, das haben sie noch öfter erwähnt, ist halt so ein schönes Modern-Technologie-Schlagwort, wunderbar für Politiker). Das nun wieder hat mich aufgeregt, denn gerade die Grünen waren ja immer Technik-Bremsen und -Verdammer, die sich schon damals massiv gegen ISDN gesperrt haben, weil es des Teufels und sozial schädlich sei. Gegen Mobilfunkmasten waren sie ja auch und wollten die verhindern. Heute gibt’s Gast-WLAN, sie sitzen alle mit Smartphones rum, spielen sich als die Internet-Partei auf und meckern, weil ihnen der Netzwerkausbau nicht schnell genug ging, und weil man irgendwo auf der Autobahn nicht telefonieren kann. Das ist alles so abgrundtief verlogen und wendehalsig.

Das ist aber nichts neues, der Hofreiter hat ja neulich schon in „Hart aber Fair” gelogen, dass die Wände wackeln, und Gender Studies als die Lehre vom Frauenknie verkauft, um Frauen bessere Prothesen zu ermöglichen, obwohl Gender Studies und die Grünen ja gerade alle Biologie und Medizin leugnen und alles für soziale Erfindungen halten. Der Hofreiter ist da völlig skrupellos und erzählt, wie der Wind gerade weht. Und die Leute glauben es ihm.)

Dann kam noch was, wo’s mich fast vom Stuhl gehauen hat.

Netzneutralität.

Er forderte Gleichberechtigung, Gleichbehandlung und Neutralität. Wüsste er, wovon er redete, wäre ihm klar, dass das gar nicht möglich ist. (Wenn einer eine 1-MBit-Leitung bucht und ein anderer eine 30-MBit-Leitung, kann man die ja nicht gleich behandeln, dann kommt bei einem ebem dreißig mal so viel an wie beim anderen. Aber versucht mal, das Politikern klarzumachen. Das ist, wie wenn man fordert, im Kino müsste es Popcorn in drei Größen geben, aber überall müsste gleich viel drin sein. Unsere Politik sähe ganz anders aus, wenn Politiker Ahnung hätten, wovon sie schwätzen.) Der eigentliche Hammer dabei war aber, dass er sich darüber mokierte, dass die Provider behaupteten, sie würden die großen Anbieter ja positiv bevorzugen, davon hätte ja niemand einen Nachteil. Das passte ihm gar nicht.

Merkt Ihr was?

Das Publikum hat nichts gemerkt. Oder zumindest nichts gesagt.

Denn das, dass man jemand positiv sondernbehandeln würde und anderen dadurch keine Nachteile entstünden, ist doch genau die Begründung für die Frauen- und Minderheitenförderung (im Englischen affirmative action). Genau das, was die Genderisten, die Feministen, die Grünen ständig fordern. Und kurioserweise habe ich ja im Blog immer wieder dargestellt, dass diese angebliche „positive Diskriminierung” ohne jemanden zu benachteiligen, bei begrenzten Ressourcen (und nur da kommt es überhaupt drauf an) nicht funktionieren kann, und habe dazu als Beispiel das Bandbreitenmanagement bei Telekommunikation genannt. Wobei im Internet die Bevorzugten wie Google und Facebook, dafür ja sogar dicke zahlen würden, und damit dann auch mehr Kapazität aufgebaut und bereitgestellt werden kann, während die bevorzugten Frauen und Minderheiten ja für ihre Bevorzugung nicht bezahlen und damit nicht die Kapazitäten erweitern. Es zeigt aber wieder, wie selbstwidersprüchlich die Grünen sind: Einmal sagen sie, Bevorzugung ohne Benachteiligung gäbe es gar nicht, aber wenn es um Frauenförderung geht, machen sie genau das und behaupten, das sei ja keine Benachteiligung. Es zeigt, wie wenig die von dem, was sie machen und fordern, verstanden haben. Denn sie wissen nicht, was sie tun.

Und dann kam mal wieder die kommunistische Ader durch. Wir bräuchten ein „starkes Sozialsystem”, damit niemand Angst vor Veränderungen wie der Digitalisierung habe. Heißt im Klartext: Jeder muss sein Arbeitsentgelt bekommen, ganz egal ob er dafür was sinnvolles arbeitet oder nicht. Die SED lässt grüßen.

In einem Punkt stimme ich mit Hofreiter dann aber doch überein:

Hofreiter sagte, der grüne Konstantin von Notz sei einer der besten Netzpolitiker der Republik.

Das stimmt zweifellos.

Der Unterschied ist aber: Hofreiter sieht es als eine Aussage über von Notz. Ich sehe es als eine Aussage über die Netzpolitiker der Republik. Ist halt relativ. Ich komme dazu weiter unten noch auf von Notz zurück.

Videobotschaft von Sascha Lobo

Die haben da vollen Ernstes eine Videobotschaft von Sascha Lobo abgespielt. Es ist mir schleierhaft, wie sich eine Partei einen Hohlschwätzer wie Lobo selbst zumuten kann. Wie sagt man so schön? Unter den Blinden ist der Blinde mit der größten Klappe König.

Ich fand den Vortrag schon deshalb nervig, weil Lobo einen sehr seltsamen, unnatürlichen Sprachrhythmus hat und sehr unnatürlich und komisch betont und dehnt. Ich habe die ganze Zeit überlegt, ob der sich vorher irgendwas eingeworfen hat.

Er wollte fünf Themenschwerpunkte ausgemacht haben. Einer sei, dass die Infrastruktur zu schlecht sei. (Ach, dafür brauchen die einen Sascha Lobo? Steht das nicht seit 10 Jahren in den Zeitungen?) Die Telkoanbieter könnten das aber nicht alleine aufbringen, dazu bräuchten wir eine neue Abgabe, einen „Netzpfennig”, mit dem wir 100 Milliarden Euro für die Infrastruktur aufbringen (und die Grünen waren mal gegen ISDN und Mobilfunk…).

Find ich drollig. Steuerfinanziert durch Bürgersteuern. Wir sind ungefähr 80 Millionen Leute in Deutschland. Heißt damit über 1000 Euro pro Person vom Säugling bis zum Greis, einschließlich der Arbeitslosen, Analpheten, Obdachlosen. Und das nennt der „Pfennig”. Egal, mit rabiaten Steuererhöhungen ist man bei den Grünen immer richtig. Warum haben das andere Länder eigentlich billiger hingekriegt?

Er schränkte sich dann aber wieder ein. Er hätte auch nicht die perfekte Lösung, es wären ja nur „Vorschläge”. Toll. Und mit sowas kommt man zur Videoschalte in den Bundestag.

Warum will der eigentlich so heftig nach vorne? Wegen der „rechtsradikalen Milieus”. Die würden nämlich explodieren, wenn wir den technischen Vorsprung verspielen und dann 20 bis 25% Arbeitslosigkeit haben. Ah ja, deshalb werden die Grünen plötzlich zur High-Tech-Partei. Vielleicht sollten sie mal drüber nachdenken, dass man die Steuern und Abgaben senken und nicht weiter heben sollte, um einer Radikalisierung entgegenzuwirken.

Und auch er kam mit Netzneutralität, was bedeuten würde, dass Daten ohne Ansehen der Wirtschaftskraft transportiert würden. (Und nochmal das Popcorn…)

Auch zur Zukunft der Arbeit sagte er was, denn irgendwann seien LKW-Fahrer ohne Job, das würden dann die Softwareingenieure übernehmen, aber man könne ja nicht alle LKW-Fahrer zu Softwareingenieuren umschulen. (Dampfmaschine reloaded. Finde ich drollig: Wenn man in diesen Kreisen mal irgendwas kritisiert, etwa die Verblödung der Jugend, kommen sie mit dem Argument, das hätten die alten Griechen vor 2000 Jahren schon gesagt. Wird dann etwas gegenstandslos, weil es Marx vor 150 Jahren schon mal gesagt hat?)

Dann sagte er was zu Plattformen und Plattformkapitalismus. Hab ich nicht verstanden, was er damit eigentlich sagen wollte.

Und dann das Thema Hass & Social Media. Es gäb soviel Hass im Netz, der Stammtisch würde jetzt von vielen Millionen Menschen mitgelesen. Die Wirkmechanismen seien

    Schnelle Vorverurteilung
    Schnelle Verbreitung
    Verschwörungstheorien

Ach. Ist das nicht genau die Masche, mit der Genderismus und Feminismus ständig arbeiten? Stichwort #Aufschrei und so?

Keynote Jillian C. York, Electronic Frontier Foundation

Um ehrlich zu sein: Sie hat viel geredet, aber mir war nicht klar, was sie damit so im Großen und Ganzen sagen wollte. Viel mit social policy, digital age, society. Dass ich nicht verstehe, was sie so insgesamt und inhaltlich eigentlich sagen will, ist dann aber auch nicht überraschend, denn sie ist Soziologin. Es ergibt für mich selten einen zusammenhängenden Sinn, was die so sagen. Ich muss mir den Vortrag vielleicht auch einfach nochmal anhören, um den tieferen Sinn zu ergründen.

So war beispielsweise die Sache mit dem von Instagram gelöschten Foto einer Frau mit Menstruationsfleck im Schritt ein zentrales Thema. Männer könnten (Krieg und so) sich problemlos blutend abbilden lassen, Frauen jedoch nicht.

Sorry, aber das ist mir selbst zum Rant noch zu bescheuert. Ich vermag wirklich nicht nachzuvollziehen, worin überhaupt der Wert oder die Wichtigkeit eines Menstruationsfleckbildes liegen soll. Ein Mann mit einer Kriegsverletzung erzählt eine Geschichte, da muss irgendwas passiert sein. Gewalt, Explosion, wer gegen wen, wo, wann. Eine Frau mit Menstruation erzählt – gar nichts. Da ist nichts passiert, da gibt’s keine Fragen, keine Leistung, kein Drama, schön ist es auch nicht, einfach nichts. Das ist einfach Null. Und sagt doch so viel über Feminismus und Gleichstellung: Wenn Frauen, die einfach nur rumliegen und ohne jedes Zutun oder Besonderheit anlasslos von selbst bluten dafür Männern mit Kriegsverletzung gleichstellt werden wollen, ist das eine treffende Parabel auf die Frauenquote. Feministinnen verlangen ja, dass sie schon allein dafür bezahlt werden, dass sie als Frau auf die Welt gekommen sind (bzw. von bösen Hebammen dazu erklärt und gemacht wurden). Da ist es nur folgerichtig, Menstruationsflecken als gleichwertige Leistung auszugeben. Und daraus folgert sie „Females are more likely to be censored”. Vielleicht liegt das ja an der Art der Bilder, die sie abliefern.

Im Ernst: Was denkt sich eine Partei dabei, sich in einem Netzkongress eine Keynoterede über die Unterdrückung von Menstruationsunfallbildern machen zu lassen?

Wer wählt sowas?

Und dann erzählte sie zum dritten Mal den gleichen Käse, nur jetzt halt auf Englisch: Die Zukunft der Arbeit, was könnten wir noch arbeiten, wenn die Computer uns alles abnehmen. (Klassische Ausrederede dafür, dass sich die politische Weiblichkeit argumentativ darauf vorbereitet, ohne Arbeit bezahlt zu werden. Denn zu Arbeiten gäb’s ja eh nichts mehr. Deshalb lernen die ja auch schon lange nichts mehr, wäre ja Verschwendung und unnütz, weil man ja gar nicht mehr damit rechnet, noch was arbeiten zu müssen. Menstruationsfotos müssen künftig reichen.)

Und natürlich Algorithmen. Ganz, ganz böse. „Pilot programs often target the most vulnerable.” Wisst Ihr, was da für eine Sauerei gelaufen ist? Unvorstellbar. Sie haben irgendwo einen Geldautomaten gebaut, der vor der Auszahlung einen Iris-Scan durchführt, ob man auch wirklich der Kontoinhaber ist. Und die arme Muslimin mit der Burka steht nun davor und kann kein Geld abheben. Böse Technik, die Minderheiten diskriminiert.

Und überhaupt, „Techno-Solutionism” sei die „leading ideology in Silicon Valey”. Schrecklich, die Männerwelt, die sind ständig drauf und dran, irgendwelche Probleme zu lösen. Muss dringend runtergebremst werden. Weil die da schneller entwickelten als man mit Verwaltung und Gesetzgebung hinterherkäme. Wäre höchste Zeit, die technische Entwicklung abzubremsen („take a step back”).

Sie war auf irgendeiner Konferenz. Sauteuer, sie sei kostenlos reingekommen, weil sie einen Vortrag gehalten habe. Die Besucher hätten dort $1000 am Tag plus Luxushotel gezahlt. Die fiesen Entwickler hätten dann aber homeless people dafür bezahlt, mit Routern auf dem Rücken rumzulaufen, und ihnen dafür nur $20 am Tag bezahlt. „Homeless Hotspots” für 20$.

Gut, das hört sich fies an. Die Frage stellt sich aber, warum sie denen dann nicht den Wind aus den Segeln nimmt und vergleichbare Konferenzen abhält, für die man weniger Eintritt zahlt und die Obdachlosen mehr Geld bekommen. Müsste dann ja doch gehen.

Immerhin: Sie sagte, man dürfe die moralische Verantwortlichkeiten nicht an die Internet-Firmen outsourcen.

Sollte man hierzulande mal den Grünen und der SPD sagen. Von wegen Zensur an Facebook outsourcen. Oh, verdammt, sie hat es ja den Grünen gesagt. Die haben es nur nicht kapiert.

Der Vortrag war … symptomatisch.

Workshop 5: Eine Ethik für neue Formen der Überwachung und des Krieges

Dann ging es bis zum Mittagessen mit parallelen Workshops weiter, man musste sich für einen entscheiden. Ich bin zum Workshop über Drohnen und Überwachung gegangen, gehalten von Anja Dahlmann (Stiftung Wissenschaft und Politik), Malte Spitz (Datenschutz„experte” der Grünen) und Hans-Christian Ströbele (MdB der Grünen und im parlamentarischen Kontrollgremium).

Naja, sie haben halt jeder was erzählt, über Kriegsdrohnen, den zunehmenden Einfluss von „Assistenzsystemen”, die inzwischen immer stärker die Kontrolle über Maschinen ganz übernähmen. Ob nun im Taxi oder im Krieg, es sei eben „dual use”.

Dazu aber eine völlig einseitige Sicht der Dinge: Software sei „unberechenbar”. (…wo doch Computer Rechner heißt, weil er rechnet) Beispielsweise sei der Hochfrequenzaktienhandel nicht mehr nachvollziehbar (kann man schon, ist nur viel Arbeit, weil die Computer so schnell rechnen). Das wäre dann im Krieg auch so. Außerdem ging’s um die Menschenwürde, die verlange, dass man von einem Menschen und nicht von einer Maschine erschossen würde. Einzuräumen wäre zwar, dass Maschinen auch Vorteile hätten, weil sie – bisher – nicht vergewaltigten. Ströbele erzählte noch aus dem Untersuchungsausschuss über Killerdrohnen, die schleichend am Himmel erschienen um zu killen, zu zerstören (als ob herkömmliche Kampfflugzeuge das anders machen würden…). Killerdrohnen seinen die „Ausgeburt des IT-Zeitalters” und ein ethisches Problem, weil sie für kriegführende Präsidenten eben „null Risiko bedeuteten”.

Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, wer von den dreien es gesagt hat: Es sei halt auch schlimm, dass die Soldaten jetzt nicht mehr in den Krieg zögen, sondern irgendwo in der Wüste von Nevada einen Bürojob haben, morgens reinkommen, den Tag lang töten wie im Videospiel, und dann abends wieder nach Hause gehen, als wäre nichts passiert.

Da wurd’s mir dann aber doch zu blöd, ich habe dann mal nachgefragt, wie sie das mit dem „unberechenbar” meinen, ob sie tatsächlich glaubten, dass Menschen „berechenbarer” wären als Computer. (Man sollte sich vor Fragen vorstellen, ich habe gesagt, dass ich Informatiker bin.)

Ja, äh, meinte sie, das könne sie jetzt auch nicht so genau sagen, sie kenne sich als Politikwissenschaftlerin damit nicht aus, aber sie habe sich das „von einem Menschen erklären lassen, der sich damit auskennt”.

Da habe ich lachen müssen. (Merkt Euch das mal, spielt gleich noch eine Rolle.)

Die rennen da rum und stellen Ethik-Anforderungen und Behauptungen auf, und alles was sie dazu sagen können ist, „hat mir einer erklärt, der sich damit auskennt”. Wieder so dieser Beraterkrampf, und hinterher kann keiner prüfen, wer da was wie warum erzählt hat und wer da was wie warum missverstanden hat. So machen die da Politik.

Weil mir das zu käsig war, habe ich nachgehakt. Und draufgelegt. Ob ich das so richtig verstanden hätte, dass die Grünen zwar Drogen verherrlichten und befürworteten, Software aber so verteufelten, dass sie auch dann noch Menschen für „berechenbarer hielten”.

Gab Tumult und Zwischenrufe. Die Leute hatten nich nämlich falsch verstanden, vielleicht habe ich auch etwas undeutlich geredet, denn das Publikum war inhaltlich auf das Thema „Drohnen” fixiert und hatte verstanden, ich hätte gesagt, die Grünen würden Drohnen verherrlich und befürworten. Als ob ich überhaupt nicht verstanden hätte, was die sagen. Ich habe mich aber durchgesetzt und klargestellt, dass ich gerade den Gedankensprung gemacht habe und bei Menschen Drogen „mit g” meine, nicht Drohnen, weil ja bekannt sei, dass Kämpfer häufig unter Drogen stehen. Ob man die für berechenbar hielte.

Ströbele antwortete. Ja, das sei schon zutreffend, dass Soldaten häufig unter Drogen stünden. Und dann unkontrolliert losschlügen. Aber das sei völlig falsch, dass die Grünen Drogen befürworteten, das halte man selbstverständlich für strafbar und sei dagegen. (Ach. Schade dass Volker Beck zwar auf der Konferenz, aber leider in einem anderen Workshop war. Ich hätte zu gerne Ströbele mit Beck konfrontiert und gefragt, ob Beck das auch so sehe, dass Drogen abgelehnt werden und strafbar sein sollten. Scheint, als sei das bei den Grünen gerade ein ganz wunder Punkt.)

Er sehe das eben so, dass jemand, der als Soldat im Krieg ist, persönlich involviert ist und merkt was er tut, sich dann zurückhält oder vom Töten absehe.

(Ich bin leider nicht dazu gekommen, noch weiter nachzufragen. Sie nennen es zwar „Workshop”, dulden aber keine „Koreferate”. Sie verkünden ihre Meinung und der Zuhörer darf dankbare Verständnisfragen stellen. Also hole ich es hier nach.

Ströbeles Vorstellung vom guten Soldaten entspricht nicht meinem Kenntnisstand. Nicht dem, was man vom IS, nicht dem, was man aus Afghanistan, nicht dem, was man von anderen Kriegsgebieten hört und liest. Es entspricht nicht dem, was mir mein Großvater aus dem zweiten Weltkrieg erzählt hat. Und es entspricht nicht dem, was ich bei der Bundeswehr in Übungen mit einer amerikanischen Einheit beobachtet habe. Es ging „nur” um einen 50-km-Leistungsmarsch mit vollem Gerödel und Waffen. Die Amis haben sich kleine schwarze Pillen reingehauen, dann war der letzte Befehl „marschieren” programmiert und los ging’s. Mit Ethik, Einsicht, Erschöpfung war da nichts mehr.

Wenn aber einer in Nevada im Container sitzt, der morgens aussgeschlafen und geduscht von zuhause aus kam, dann steht der nicht nur nicht unter körperlichem Stress, Übermüdung, Erschöpfung, Krankheiten, der hat keine Angst, ist nicht in Gefahr, nicht im Selbstverteidigungsmodus. Der hat keinen Hunger, muss sich keine Nahrung beschaffen, kein Zelt und keine Nachtwache aufbauen, kann schlafen und entspannen. Er kann und muss nicht plündern, nicht vergewaltigen, sich nicht selbst verteidigen, nicht prophylaktisch töten. Man kann ihn auf Drogen testen und er kann sich krank melden. Er kann jederzeit mit Kollegen und Vorgesetzten sprechen und ist nicht vom Funk abgeschnitten. Dafür muss er stets damit rechnen, dass alle seine Wahrnehmungen und Handlungen aufgezeichnet und überprüft werden. Man kann bei ferngesteuerten Drohnen eben auch durchsetzen, dass jetzt Waffenruhe ist. Oder das auf genau eingegrenzte Orte beschränken. Oder Vier-Augen-Prinzip. Oder zusätzliche Mustererkennung als Vorbedingung. Das geht bei Kämpfern vor Ort alles nicht.

Ich finde es auch wieder selbstwidersprüchlich. Denn Ströbele selbst führte an, dass diese Soldaten da vor Ort sich einfach an gar keine Regeln mehr halten und machen, was sie wollen. Wie kommt der dann auf die Idee, dass die sich an irgendeine Ethik der Deutschen halten würden? Eigentlich müsste man doch mit dieser Sichtweise genau das Gegenteil verlangen, nämlich ferngesteuerte Drohnen und den Verzicht auf Soldaten vor Ort.

Versteht mich nicht falsch, ich will Drohnenkriege nicht befürworten. Ich will damit nur sagen, dass mir die Dahlmann-Ströbele-Logik, dass Drohnen böse und der Mensch das personifizierte Gute sei, nicht fresse. Menschen im Krieg drehen durch, verlieren die Kontrolle, sind unter ständiger Angst, wähnen sich unkontrollierbar. Ich weiß von einem Fall eines jungen Mannes, der im zweiten Weltkrieg Soldat sein musste, als Pazifist aber eigentlich nur im Graben sitzen bleiben wollte, bis alles vorbei ist. Er hat nicht verkraftet, dass alle seine Freund neben ihm erschossen wurden und tot herumlagen, ist irgendwann durchgedreht, laut schreiend wie bekloppt in einem Panzer losgefahren, hat auf alles geschossen, was sich bewegte, bis er selbst im Panzer hochgejagt wurde. Dieses „Kein Krieg von deutschem Boden, macht das mal selbst vor Ort” hat halt auch viel von der Vogel-Strauß-Taktik: Was man nicht sieht, passiert auch nicht.

Die handeln nicht nach objektiven Kriterien, hören auch keine Argumente, sondern ticken stur und schlicht nach dem Muster „Mensch gut, Computer schlecht”. Nur dass der Mensch dann halt doch nicht immer gut ist. Vor allem nicht im Krieg.

Und die Vorstellung, dass Menschen immer berechenbar und nachvollziehbar handeln, ist ja seit dem BND-Ausschuss auch nicht mehr haltbar, da bekommen sie ja nicht mal raus, was innerhalb Deutschlands gelaufen ist. Und die wollen mir erzählen, dass Soldaten vor Ort nachprüfbarer handeln würden als ein Soldat, der hier sitzt und eine Drohne fernsteuert? Das ist doch Bullshit!

Für mich ist auch nicht nachvollziehbar, dass Ströbele mit dem Argument der Distanz arbeitet, die dem Soldaten das vereinfachte Töten auf Knopfdruck ohne persönliche Beteiligung ermögliche. Mit derselben Argumentation müsste man auch gegen Gewehre und Kanonen argumentieren und das persönliche Abschlachten per Messer fordern. Oder Erwürgen. Denn auch einen auf 100 Meter zu erschießen ist wie Knöpfe drücken.)

Abschließend wurde – leider nur an Ströbele und Dahlmann die Frage nach der Prognose gestellt, wo wir mit der Diskussion in 10 Jahren sein würden. Die Frage hätte ich leicht beantworten können: An genau demselben Punkt. Bisher nämlich hatten wir immer den Schweinezyklus, dass sich dieselben Fragen alle 10 Jahre wiederholen. Kryptoverbot, Pornosperre usw. Andere Generation Politiker und alles geht von vorne los.

Insgesamt fand ich es völlig seicht, enttäuschend, niveaulos.

Dann Mittagspause und Mittagessen von 13 bis 14 Uhr.

Ich habe mich kurz vor 14 Uhr wieder in den Hauptvortragsbereich gesetzt, weil ich mir Notizen machen wollte. Die Plätze um mich waren noch leer. Als sich einer zu mir setzt und mich anspricht. Typ junger Schnösel, war auch im Workshop, wenn ich mich recht erinnere, hatte er sich dort als Student vorgestellt.

Macht mir deftige Vorwürfe. Er fände es sehr schlecht, dass ich in der Veranstaltung ständig „schäbig gelacht” habe. Das ginge so nicht.

Ich glaub, ich steh im Wald und fühle mich angepöbelt.

Ich stelle erst mal sehr direkt und ohne überflüssige Höflichkeitsfloskeln klar, dass ich mir das „schäbig” verbitte und mir von ihm meine Meinung nicht als schäbig einstufen lasse. Außerdem habe ich nicht ständig gelacht, sondern an der Stelle mit dem „von jemand gehört, der sich damit auskennt”, und wenn’s mir eben so dämliche vorkäme, dass ich lachen muss, würde ich eben auch lachen. Sollten sich halt einfach mal dran gewöhnen, dass man es auch anders als sie sehen kann.

Und dann kam der Argumentationsbrüller: Er meinte, die hätten nun mal nicht mein Fachwissen, und wenn es eben so sei, dass die das von jemandem gehört habe, dann sei das eben so. Dann müsse man das eben so akzeptieren.

Nöh, muss man nicht. Ich muss gar nichts akzeptieren. Wenn sie nicht verknusen könnten, dass man ihren Senf nicht einfach so frisst, sollen sie keinen Kongress abhalten. Und schon gar nicht müsse man sich eine Meinung auf diese Art aufdrücken lassen.

Er will mit mir Streit anfangen und erhebt mehr Vorwürfe. Ich sage dreimal, dass ich seine Einwände „zur Kenntnis genommen” habe, lasse mich aber nicht drauf ein. Er gibt sauer auf und geht.

Zeigt aber ganz deutlich, dass die es dort nicht ertragen, wenn man anderer Meinung ist, und zwar selbst dann, wenn sie sogar zugegeben, dass sie es nur irgendwo gehört haben und man es selbst fachlich besser weiß. „Workshop” heißt bei denen, dass sie eine Meinung verkünden, und die hat man zu fressen und zu schlucken.

Poetry Slammer Volker Strübung

Sollte humoristisch sein, hat mich jetzt nicht vom Stuhl gerissen, ist aber inhatlich hier auch nicht relevant.

Robotik im Recht: Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf

Das wäre vielleicht der (für mich) einzig wirklich interessante Vortrag gewesen. Letztlich lief es aber auch nur wieder auf das Entscheidungsdillemma hinaus: Soll die Software im Auto die wenigen zugunsten der vielen opfern? Es gebe den Weichenstellerfall: Ein Zug rollt führerlos und wird gleich drei Menschen töten. Der Weichensteller könnte aber eine Weiche umstellen, und so dafür sorgen, dass nur ein Mensch auf einem anderen Gleis stirbt. Darf, soll, kann, muss er die Weiche umstellen?

Sie meinen, er darf nicht.

(Aber: Das hat eigentlich mit Robotik nichts zu tun.

Letztlich ist die Situation eine ganz andere, nämlich dass die Juristische Denkweise nicht logisch, nicht widerspruchsfrei, nicht vollständig ist. Das Bundesverfassungsgericht ist ja auch schon an der Frage abgerutscht. Der Punkt ist einfach: Juristen können hier nicht wie üblich hinterher schlaumeiern, dass man es hätte gerade anders machen sollen, sondern sich vorher festlegen, was die legale Verhaltensweise sein soll, weil man es eben vorher in Software packen, sprich: dokumentieren und sich festlegen muss. Und das können sie nicht. Das lasten sie den Computern an, es ist aber ein Juristenproblem. Wo kämen wir hin, wenn man Menschen vorher sagen müsste, wie sie sich richtig verhalten müssen, anstatt hinterher über sie Gericht zu halten und sich rauszusuchen, was man gerne gehabt hätte? Man begibt sich der Entscheidungshoheit, und das vertragen Juristen gar nicht.)

Übrigens sagte er, dass es das Problem schon lange gäbe, schon die alten Griechen hätten es gekannt, als das Plankenproblem des Karneades. Im Dritten Reich sei das Problem sogar konkret aufgetreten, weil die Nazis Geisteskranke getötet haben und deshalb von den Leitern von Anstalten für Geisteskranke forderten, Geisteskranke zur Tötung herauszugeben. Haben die Direktoren dabei nicht mitgespielt, wurden sie selbst getötet und dann die Kranken, damit haben sie also nichts erreicht. Die Frage sei deshalb gewesen, ob die Direktoren einige der Kranken „opfern” durften, damit die Nazis zufrieden waren, wieder gegangen sind, und andere das damit überleben konnten. Die Juristen meinten, nein, diese Kooperation sei nicht legal gewesen.

Was für mich aber heißt: Es ist eben kein Robotik-Problem. Weil es das vor den Robotern schon gab.

Und ich bin der Meinung, dass wenn man schon als Professor für Robotik-Recht auftritt, man das auch klar trennen können sollte.

Sie tun immer so, als würden die Juristen und Philosophen usw. Probleme der Robotik aufzeigen. Dabei ist es genau umgekehrt: Die Robotik/Informatik zeigt Probleme der Juristen, Ethik, Philosophen auf, die nicht sagen können, was sie haben wollen, weil erst die Informatik sie zwingt, mal konkret und präzise zu sagen, was sie wollen. Bisher haben die sich immer außenrumgeschwafelt.

Kontrolle von Algorithmen: Matthias Spielkamp

Dann kam einer von „Algorithmwatch”, der sich anmaßte, Algorithmen zu untersuchen und zu beurteilen.

Journalistisch.

Er meint, es gäbe drei Methoden, Algorithmen zu beurteilen, nämlich journalistisch, durch Informatik, und juristisch.

Er sei Journalist und nähme die journalistische Methode.

Und das ging mir auf den Wecker. Denn wie ein roter Faden zog sich durch die gesamte Veranstaltung, dass eigentlich nie jemand Ahnung von dem hatte, was er da macht. Bei denen gibt’s keine Informatiker. Das findet bei denen alles irgendwie auf der Ebene „hat mir jemand gesagt, der sich damit auskennt” statt. Und dann werden sie sauer, wenn man mal sagt, dass sie schief liegen.

Das Problem ist nämlich wieder mal, dass er über Algorithmen schimpft, aber nicht mal verstanden hat, wovon er redet. Viele schimpfen heute auf Algorithmen und wissen nicht, was es ist. Denn der Algorithmus „entscheidet” ja nicht über das Ergebnis, sondern ist nur die konkrete Ausformulierung von Arbeitsschritten, die eine vorgegebene Funktion berechnen. Ein Multiplikationsalgorithmus sucht sich ja auch nicht das Ergebnis raus, sondern muss eine vorgegebene Funktion (korrekt) erfüllen. Alle schimpfen sie auf Algorithmen, aber keiner von denen weiß, was es ist.

Im Endeffekt ist „Algorithmus” nur noch der magische Platzhalter für einen Animismus, nämlich einem toten Gegenstand wie einem Computer menschliche Charaktereigenschaften wie Boshaftigkeit oder Gefühlskälte zuzuschreiben. Sie machen alle auf IT-Technik, bewegen sich aber letzlich nur auf Ebene des magisch-mythischen.

Muss man sich klar machen: Eine ganze Konferenz rund um das Thema Algorithmus, gar ein Professor eines Instituts, das sich darauf spezialisiert, und keiner weiß, was es ist. Und von denen soll man sich Meinungen aufdrücken und Politik und Gesetze machen lassen.

Hass und Meinung im Netz: Kübra Gümüşay

Von der krieg ich Kopfschmerzen. Die redet ohne Luft zu holen, ich kann aber nicht zuhören, ohne Luft zu holen. Dazu redet sich stakatomäßig in so einer high-pitch-voice. Irgendjemand müsste ihr mal sagen, dass wir deshalb in Sätzen reden und am Ende einen Punkt machen, weil man da auch mal ne Pause macht, damit der Zuhörer mitdenken kann. Jedenfalls wenn man darauf Wert legt, dass die Leute zuhören.

Ich bin mir auch nicht sicher, was sie eigentlich sagen wollte. Es ging gefühlte 500 Male um das Wort „Hass”, Gewalt im Alltag, Gewalt auf der Straße, Hass, Gewalt, Hass, Gewalt, Hass,… Netz. Netz, Hass, Netz, Hass, Netz, Gewalt. Außerdem Rassismus, Rechtspopulismus und Hass.

Und Terror. Natürlich Terror. Sie spricht von Terroranschlägen von rechts, die man nicht als Terror bezeichnet. Warum es dann trotzdem welche sind, sagt sie nicht.

Mir brennt da eine Frage auf den Nägeln: Sie reden da nie von links. Was ist denn mit den Terroranschlägen von links, die man nicht als Terror bezeichnet? Ich trau mich nicht, denn ich sitze ungünstig und habe keinen Fluchtweg von der Meute weg.

Schade, dass es „Wetten Dass!?” nicht mehr gibt. Da hätte sie auftreten können mit einer Wette, dass sie am häufigsten das Wort Hass in einem Vortrag unterbringt. Reicht heute aber für eine Medienkarriere. Dem Publikum gefällt’s. Es will „Hass” hören. Und es bekommt, was es will. Eine Politikerkarriere kann so einfach sein.

Speed Dating 1: Hate Speech

Dann gab es „Speed Datings”, kleine Vortragsgruppen verteilt auf die Sitzecken im Gebäude, in denen Leute kurz was vortragen und dann darüber kurz diskutiert werden soll. Ich habe mich in der ersten Runde für Hate Speech bei Christina Dinar (Amadeu Antonio Stiftung), und Ulle Schauws (MDB der Grünen, Frauenpolitik) entschieden.

War insofern übel, weil man sie kaum verstanden hat. Die Sitzgruppen waren länglich und die Damen hatten zarte Stimmchen (kennt man von Feministinnen so gar nicht, sonst brüllen die Feministinnen ja alles nieder). Insofern ist da wenig rübergekommen, ich halt die Veranstaltungsform für untauglich.

Sie hat irgendwas von Rechtspopulismus erzählt. (Warum nennt man den Senf, den die da veranstalten, eigentlich nicht „Linkspopulismus”?) Ich hab’s schlecht verstanden, sie war so leise, und neben mir hat einer dazwischengequasselt.

Besser zu verstehen waren die Kommentare der Zuhörer, selbst wenn sie weiter weg saßen. Einer meinte, er kenne einen Wahrnehmungspsychologen, der sich mit sowas auskenne (wieder das „hat mir einer erzählt, der sich damit auskennt”-Syndrom). Der meine, es läge daran, dass die Normen nicht geklärt wären (Ach…).

Ein anderer verkündet, Hate Speech sei ein Missbrauch der Meinungsfreiheit (als moralischer Vorwand, Leuten die Meinungsfreiheit zu entziehen). Das Problem sei die Anonymität. Wir hätten ja auch viel mehr Ladendiebstähle, wen man im Laden anonym mit Tarnkappe klauen könnte.

Wieder ein anderer merkt an, dass man das alles zu eng gefasst habe. Es gäbe da rechtsradikale Leute, die in böser Absicht und obwohl sie wissen, dass es nicht stimmt, im Netz behaupten, „Türke hat deutsche Frau vergewaltigt”, und andere das dann völlig ungeprüft übernehmen, verbreiten, vorverurteilen, als wahr nehmen.

(Mir geht da sofort der Fall Gina-Lisa Lohfink durch den Kopf. Ist da nicht genau das gleiche passiert? Sie hat fälschlich und wider besseres Wissen „Türke hat deutsche Frau vergewaltigt” behauptet, und die Presse und die Minister Schwesig und Maas haben es ungeprüft übernommen, vorverurteilt, verbreitet, als wahr hingestellt. Warum aber nennt man das dann nicht Hate Speech? Warum behauptet man im Gegenteil, dass das Sexualstrafrecht deshalb verschärft werden muss, auch wenn’s gelogen war? Warum werden nicht die Rechte beschuldigter Männer gestärkt?

Zeigt mal wieder alles, wie verlogen und ideologisch das alles ist. Hate Speech ist das, was ihnen politisch nicht in den Kram passt. Schon in der Ankündigung/im Programm stand, dass Hate Speech homophobie, frauenfeindlich, rassistisch ist, Hate Speech also die Abweichung vom Parteiprogramm der Grünen ist. Warum man beispielsweise Gender Studies nicht als Hate Speech gegen Männer einstuft, konnte mir noch keiner erklären. Dabei erfüllen Gender Studies ja die genannten Kriterien: Frei erfundene Beschuldigungen, Vorverurteilung, Verbreitung, Hass, Aufstachelung, Verschwörungstheorien.. Hate Speech ist das Tarnwort für alles, was vom Meinungs- und Moralmonopol abweicht. Hate Speech ist ein Kartellmechanismus.)

Ich wollte eigentlich noch fragen, warum sie eigentlich nie eine Gegenmeinung hören. Denn zwei der meistgehörten Worte des Tages sind „filter bubble” und „Echokammer”. Sie haben schon verstanden, dass sich viele Leute heute in ihrer eigenen Meinung eingraben. Aber machen selbst genau das. Die braten da nur im eigenen Saft und bestätigen sich ständig gegenseitig, wie toll sie sind, wie Recht sie haben. Ging leider nicht, der Gong zum Wechsel kam mir dazwischen.

Speed Dating 2: Digitale Mündigkeit – wie befähigen wir zukünftige Generationen zu Masters of the Machines?

War besser zu verstehen und auch inhaltlich besser. Auch sie haben erst geschwafelt, von Kompetenzen, Vermögen, Mündigkeit (oh, bitte, nicht schon wieder diesen Kompetenz-Scheiß. Heute stand irgendwo, dass Baden-Württemberg im Schülervergleich mit ihrer absurden Grünen-Lehr-Methode gerade grotesk abgestürzt ist.)

Sie meinten auch, Computer-Umgang müsse man lernen wie lesen, schreiben, rechnen. (Als ob das so einfach wäre, als ob man daran nicht jahrelang arbeiten müsste.) Am Ende stellte eine Frau noch die interessante Frage, was genau sie damit eigentlich meinen. Jeder rede da von Kompetenzen, aber keiner sage, was das jetzt eigentlich konkret sein solle. (Treffer. 🙂 ) Ist halt immer so, dass herumgeschwafet wird und die Substanz fehlt.

Es kam dann aber doch was interessantes dabei heraus, weil viele beigetragen haben.

Dass nämlich das Problem die Lehrer sind, die sich dagegen sperren. Lehrer mögen keine Informatik, weil sie da akzeptieren müssten, dass sie nicht die Deutungshoheit haben, sondern Schüler auch was wissen, und das oft besser. Viele hätten auch gar keine Motivation, sich einzuarbeiten und zu wenig Ahnung. An irgendeiner Schule haben Leute mal vorgeschlagen, den Unterricht doch von den Oberstufenschülern halten zu lassen. Wurde abgelehnt, das würde die Lehrer beleidigen. Einer trug vor, dass viele Lehrer schlicht unter Realitätsverweigerung litten, und dass das Problem durch nichts anderes als Pensionierung zu lösen wäre. Es seien aber leider zu viele Lehrer, um sie zu pensionieren.

Was aber ein fundamentales Problem aufzeigt: Das Infrastrukturorgan „Schule” versagt und ist wegen der Lehrer (und deren Verbeamtung) nicht zu reparieren.

Dass unser Schulunterricht nichts mehr taugt, war mir klar. Dass sich das Problem aber so stark auf die Lehrer bezieht, war mir so nicht bewusst.

Allerdings ist auch das wieder selbst gemacht. Denn auch die Schulen werden ja per Frauenquote usw. mit Leuten vollgepumpt, die eigentlich die Qualifikation nicht haben. Neulich schrieb mir ein Leser, der in diesem Bereich tätig ist, dass sich da ein Syndrom verschärft. Die Politik pumpt Leute in die Uni, die dort dann an ihrem Fach scheitern. An vielen Unis kann man dann aber noch Lehramtler werden, weil die Anforderungen da viel niedriger sind und die bestandenen Prüfungen anerkannt werden. Deshalb steigen viele Gescheiterte dann auf Lehramt um und werden dann Lehrer für das Fach, in dem sie gescheitert sind. Und so sieht dann der Unterricht aus.

Streitgespräch Überwachung und Freiheit in der digitalen Welt

Staatssekretär des BMI Klaus Vitt gegen Konstantin von Notz.

Sie haben sich nicht gestritten, sondern zum Thema Verschlüsselung aneinander vorbeigeredet. Vitt wollte, dass die Geheimdienste abhören können, von Notz nicht. Aus dem Publikum wurde der Fokus auf den Angriff auf den Bundestag gelenkt.

Was mir dabei aber eben auffiel war, wie hilflos und ahnungslos der „einer der besten Netzpolitiker der Republik” von Notz war, und ebenso auch das Publikum. Mehr als „Wir wollen starke Verschlüsselung” kam da nicht. Und dass der Angriff auf den Bundestag (soweit in der Presse berichtet) eigentlich auch nicht viel mit Verschlüsselung zu tun hatte, verstand auch keiner. Außer Vitt.

Eine Frau beklagte unter Gelächter, dass man ihr sagte, ihr könne mit ihrem PC nichts passieren, wenn sie Sorgfalt walten lasse. Ob das bedeute, dass man es im Bundestag an der Sorgfalt habe fehlen lassen.

Vitt sagte immerhin, dass das mit der Sicherheit schwierig sei, wenn man darauf bestehe, auf jede Webseite zu klicken, jede Mail zu öffnen und jeden USB-Stick übelster Herkunft reinstecken wolle. (Auf deutsch: Die Abgeordneten sind einfach zu blöd dazu. Wundert mich gar nicht, wenn man sieht, wer bei Linken, oder eben auch bei den Grünen alles Abgeordneter wird.)

Wie man das Problem aber mal systematisch und grundsätzlich angeht, weiß da keiner. Die sind alle so völlig hilflos und überfordert, aber maßen sich an, Gesetze, Moral und Ethik für andere zu machen, natürlich ohne jede Widerrede.

Muss man sich klarmachen: Von Notz ist der Netzexperte der Grünen. Einer der besten Netzpolitiker der Republik. Von Beruf Rechtsanwalt.

Und diese Partei will sich jetzt als die Internet-Partei aufspielen.

Noch Fragen?

Streitgespräch Verantwortung der Plattformen

Nicklas Lundblad, Vice President Google, gegen Frank Rieger, CCC

Ging so, finde ich hier aber irrelevant, weil beide externe und nicht für die Grünen auftretend. (Wird mir außerdem gerade zu spät, es ist 2:30)

Fazit

Schrecklich.

Seicht, oberflächlich, substanzlos, inkompetent, belanglos, themenlos, verschwafelt, anmaßend, ergebnislos.

Hat eigentlich nur gezeigt, dass die verzweifelt neue Themen suchen, und sich Themen gesucht haben, mit denen sie hoffnungslos und komplett überfordert sind. Da ist keiner dabei, der halbwegs Ahnung hat. (Und das war von allen Grünen-Veranstaltungen, die ich je besucht habe, noch die mit Abstand seriöseste…) Alles nur Schwafeln im Blindflug, in der Hoffnung im trüben Teich Wähler zu fischen. Dabei auch gerne unsinnig, selbstwidersprüchlich.

Am schlimmsten finde ich, dass sie zwar zwei Lieblingsworte haben, die immer wieder fallen, Filter Bubble und Echokammer, aber nicht merken, dass sie genau das selbst veranstalten, und sich durch ständige Selbstbestätigung und systematisches Ausschalten jeder anderen Meinung immer tiefer in die Dummheit schaukeln.

Die Veranstaltung war kostenlos. Aber das war sie nicht wert. Und da ist die Kartoffelsuppe schon eingerechnet.

Mir graust es immer, wenn ich in Deutschland mit Politikern zu tun habe. Spielen sich als die Schlauesten auf, haben keine Ahnung, und lassen sich absurderweise nicht mal dann etwas sagen, wenn sie sogar zugeben, dass sie es nicht und man es viel besser weiß. Die sind völlig in diesem System des Kompetenzvortäuschens erstarrt. Und währenddessen gehen bei uns IT-Sicherheit, Schulausbildung, Bundestag, den Bach runter. Und jede Menge Hohlschwätzer machen Polit-Karriere.

Normalerweise erlebe ich Grüne auf ihren Veranstaltungen als ideologisch-dumm-aggressiv.

Aggressiv waren sie heute nicht (von dem Schnösel vielleicht mal abgesehen). Ideologisch-dumm stand jedenfalls nicht im Vordergrund. Sogar Volker Beck und Renate Künast haben sich, soweit ich das sehen konnte, ordentlich benommen. Feminismus und Gender und ganz am Rande.

Heute haben die auf mich einfach hilflos, hohl, inkompetent, orientierungslos, überfordert, oberflächlich, selbstwidersprüchlich gewirkt. Die versuchen halt, sich aus Hass, Netz, Netzneutralität, Algorithmen, Digitalisierung ein Thema, ein Parteiprofil zu schnitzen, und es wird nichts.

Nachtrag vom nächsten Morgen: Nachdem ich jetzt auch mal drüber geschlafen und den Eindruck mal destilliert habe, will ich noch zwei Punkte hinzufügen, die ich da als durchgehend symptomatisch ansehe:

  • Was die betreiben, ist keine Politik, sondern bestenfalls „Forderungsmanagement”. Die können nicht nur keine Probleme identifizieren und isolieren, die haben auch überhaupt keine konkreten Lösungs- und Handlungsansätze. Das bleibt alles so im Vagen der Symbolbegriffe und des Forderns. Besonders aufgefallen ist mir das bei Sascha Lobo: Große Klappe, alles fordern, aber konkret zu sagen, ja was denn nun, das ist überhaupt nicht drin. (War bei anderen auch nicht besser, aber er hat er hat zumindest zugegeben, dass er es nicht weiß.) Was die machen ist nicht mal Opposition, das ist so reine Presseprofilierung, Herumkrakeelen, Kreischidentität. Was ja auch dazu passt, dass sie ein Haufen Geisteswissenschaftler sind, viele Journalisten, viele Juristen. Keine Ingenieure. Die sind nicht handlungs-, regierungs-, entscheidungsfähig, aber laut darin, abstrakte Forderungen aufzustellen.
  • Damit einher geht Inkompetenz. Alle schimpfen sie auf Algorithmen. Keiner hat verstanden, was Algorithmen sind, und dass sie damit den Falschen beschuldigen. Aber der Begriff hört sich so schön griffig-böse an, also findet das auf Emotionalebene statt.
  • Das alte Prinzip der Grünen: Technikangst in der Bevölkerung schüren, um Stimmen zu holen. Früher Kernkraft, dann Telekommunikation, jetzt halt „Algorithmen”. Man muss ja nicht wissen, was es ist, um davor Angst zu haben.
  • Damit symptomatisch einher geht, dass sie Heulbojen wie Sascha Lobo oder Kübra Gümüşay einladen, die laut schreien, aber nichts sagen, aber keine Minute darauf verschwenden, mal echte Problemanalysen zu betreiben oder Handlungsstrategien zu entwickeln. Das wollen sie gar nicht. Sie haben gar nicht die Absicht, Probleme zu lösen, sondern leben davon, über Probleme zu krakeelen, zu schreien, davor Angst zu haben, sich zu emotionalisieren.
  • Und damit schält sich ein zentrales Problem heraus: Die Grünen wünschen/wollen/fordern viel, machen sollen/müssen es dann immer andere. Wie wollen die denn so Regierungsverantwortung übernehmen? (Zyniker sagen: Ist normal, deshalb haben Regierungen heute so viele Berater. Politiker wissen heute generell nicht mehr, wie man das macht, was sie fordern.)

    Das Sekundärproblem der Grünen ist dabei aber, dass sie nicht bereit sind, auf solche Leute, die dann wissen, wie es geht, auch mal zu hören. Das ist erst gar nicht vorgesehen.

Wer braucht sowas?

Wer wählt sowas?