Ansichten eines Informatikers

Project Maelstrom

Hadmut
13.12.2014 20:17

Gegenmaßnahmen gegen Internet-Zensur entstehen.

Es scheint, als würden die Leute anfangen, Methoden gegen Internet-Zensur zu entwickeln. Project Maelstrom ist so ein Projekt: Es geht darum, Webseiten zu dezentralisieren und von von Webservern unabhängig zu machen, indem sie per Bittorrent verteilt werden (gefunden über Golem mit deutscher Beschreibung).

Was damit jetzt nicht so wirklich serverunabhängig ist, man braucht ja immer noch den Torrent-Server.

Mir sind schon ähnliche Konzepte durch den Kopf gegangen. Es gibt ja verschiedene Formate, Webseiten zusammenzupacken und zu archivieren. Als Zip-Web-Archiv, oder auch als E-Book. Man kann damit – mit unterschiedlicher Mächtigkeit etwa bezüglich Javascript, Formatierung, und so’n Zeug, etwa auch Videos und dergleichen einbinden – Auszüge aus Webservern lokal einpacken. Vermutlich wird Maelstrom auch nicht einzelne, sondern mehrere solcher Seiten zusammenpacken und verteilen. Mir war eher so ein Ansatz wie beim alten Usenet (Themenbasiert, Austausch über eine Art ihave-Protocol) in den Sinn gekommen, bei dem man sich mit mehreren Freunden und Bekannten zusammenschaltet, etwa über die heute üblichen Kleinrechner wie Raspberry Pi und dessen viele Nachfolger. Also quasi die Entwicklung wieder zurückdrehen. Weg vom Client-Server-Modell über öffentliches Internet hin zu einer Art peer-to-peer-Austausch von Daten wie beim guten alten UUCP. Sowas ähnliches gab’s auch mal als Ansatz für ein Social Network, PGP-encrypted, in Java geschrieben, in dem man mit seinen Freunden und Bekannten Videos, Nachrichten usw. austauschen konnte, es aber nicht erkennbar war, wo die Inhalte ursprünglich herkamen. Man hat halt regelmäßig mit den Servern der Freunde aufgenommen und runterkopiert, was man interessant fand.

Davon wird noch mehr entstehen. Gerade auch mit Smartphones kann man wunderbard Daten austauschen, indem man einfach in die Nähe seiner Freunde kommt, und das dann über Bluetooth oder WLAN, aber nicht über öffentliches Internet abwickelt.

Das ist natürlich tragisch.

Denn ohne jeden Zweifel werden solche Techniken dann auch von Terroristen und Kinderpornoringen verwendet werden. Aber es ist halt so: Jede Technik zur Internet-Zensur bringt die Entwicklung von Abwehrmaßnahmen hervor.

Von Project Maelstrom verspreche ich mir (sicherheits)technisch nicht sehr viel. Im Gegenteil, ich halte die Verwendung von Torrent für problematisch, denn wir haben ja schon bei den Urheber-Abmahnungen gesehen, dass Torrent viel zu leicht zu tracken ist. Wenn der Angreifer einmal die Hash-Summe der gesuchten Daten kennt, kann er leicht Teilnehmer am Tausch ausfindig machen. Aber dass es sowas überhaupt gibt, ist interessant. Gerade auch, weil heute ja immer wieder mal Web-Inhalte auf wundersame Weise einfach so verschwinden. Es ist eine interessante Frage, ob der, der (s)eine Webseite sperrt, weil er die Inhalte nicht mehr verbreiten will oder darf, urheberrechtlich dagegen vorgehen kann, dass der Abzug der Seiten dann noch über Torrent vagabundiert.

16 Kommentare (RSS-Feed)

Fx
13.12.2014 20:39
Kommentarlink

Dafür wird s wirklich Zeit. Ich habe mich auch schon lange gewundert, wie naiv z.B. viele kritische Blogger vorgehen, die auf Blogspot publizieren (und ihre Daten damit Google anvertrauen) und nicht mal eine eigene Domain haben. Keinerlei Fallback-Strategie. Auf das Risiko habe ich schon einige Blogger hingewiesen, aber die haben das i.d.R. ignoriert. Ich habe jedenfalls schon mehrfach erlebt, dass ein Blog über Nacht verschwunden war und man von dem Blogger und seinen Artikeln nie mehr etwas gehört und gesehen hat.

Eine weiter Gefahr liegt ja darin, dass man durch Dauer-DDOS o.ä. lahmgelegt und somit mundtot gemacht wird – auch schon bei mehreren Seiten/Blogs erlebt. Ich schätze, dass verteilte Systeme auch deutlich sabotage-resistenter wären.


quer
13.12.2014 21:12
Kommentarlink

Ich bin Laie und habe nix Ahnung von dem. Aber das scheint bestätigt durch den Umstand, daß von eben auf gleich der Blog von “Fatalist” verschwand.

Alles in allem entspricht das der weltweiten Bestrebung, die Meinungsfreiheit und damit wesentliche Teile dessen, was man so “Demokratie” nennt, zu unterdrücken, bzw. zu verunmöglichen. Ein Mosaikteilchen mehr, in der Entwicklung eines Bürgerkriegs.

Die Methoden, möglichst fest und dauerhaft den Deckel auf dem Topf zu halten entsprechen immer auch der technischen Entwicklung.


Hadmut
13.12.2014 21:18
Kommentarlink

Ja, das wäre so ein typischer Fall. Ganzes Blog in ein Paket zusammenpacken und raushauen.


HansG
13.12.2014 22:01
Kommentarlink

Was damit jetzt nicht so wirklich serverunabhängig ist, man braucht ja immer noch den Torrent-Server.

Das ist nur teilweise richtig. Für jede Datei, die über Torrent verteilt wird, lässt sich ein Magnet-Link erzeugen. Streng genommen benötigt man dann nur noch die IP eines beliebigen anderen aktiven Teilnehmers.


Hadmut
13.12.2014 22:32
Kommentarlink

> Streng genommen benötigt man dann nur noch die IP eines beliebigen anderen aktiven Teilnehmers.

Also im Prinzip eines Servers…


Heinz
13.12.2014 22:28
Kommentarlink

“Denn ohne jeden Zweifel werden solche Techniken dann auch von Terroristen und Kinderpornoringen verwendet werden.”

Von solchen Argumenten darf man sich nicht beirren lassen, schließlich fordert ja auch Niemand ein Verbot von Autos, weil die Von Terroristen, * und Kipringen verwendet werden.

* [Beliebigen aktuellen hochgehypten Bösewicht, der als Ablenkung und Vorwand für alles Möglich dient einfügen]


Hadmut
13.12.2014 22:30
Kommentarlink

> schließlich fordert ja auch Niemand ein Verbot von Autos, weil die Von Terroristen, * und Kipringen verwendet werden.

Autos wurden ja auch nicht entwickelt, weil man Terroristen die Fortbewebung verbieten wollte.

Die Stelle im Artikel sollte eigentlich auf die Ironie hindeuten, dass man die Sperren ja mit Kinderporno usw. begründet und damit die Entwicklung solcher Werkzeuge erst motiviert hat. Das passt auf Autos gar nicht.


Reinhard
13.12.2014 23:53
Kommentarlink

Steigt bei globalen DHT-artigen Netzwerken nicht die Angreifbarkeit für DOS-Attacken? Also könnte man nicht das Netzwerk mit irgendwelchen Magnet-Anfragen überlasten? Oder mit falschen Daten?

Falsche Daten werden bei Torrent m.W. durch Hashes erkannt. Aber man könnte doch dennoch die Leitungen mit falschen Daten vollstopfen und so gezielt Webseiten blockieren, oder? Einzelne IP-Adressen kann man vielleicht noch blockieren aber wenn jemand ein /16 Subnetz hat, ist das wohl nicht mehr so einfach.


Wizard of Oz
14.12.2014 0:47
Kommentarlink

Die Idee dem heranwachsenden Polizeistaat (der Femorassismus ist da nur Vehikel zum Zweck) durch technische Lösungen zu begegnen kann nicht funktionieren.

Die Gegenseite (und um nichts anderes geht es, letztlich) hat bei Breitband immer die besseren Karten. Sie bekommen alle Daten per Gesetz und Geheimdienst (der sich nicht nur in den USA immer mehr gegen die Bürger im eigenen Land richtet).

Konspiration bedeutet, Verzicht auf alle technische Kommunikation. Das geht nicht bequem vom Sessel auf der Arbeit aus.


HansG
14.12.2014 3:14
Kommentarlink

@Hadmut
> Also im Prinzip eines Servers…

Natürlich kannst du prinzipiell innerhalb eines Netzwerkes jeden Host zum Server deklarieren. Aber der von dir kritisierte Single Point of Failure ist damit eben nicht mehr gegeben.


Jens
14.12.2014 10:28
Kommentarlink

Newsnet

“Usenet”, es heißt “Usenet”.


Hadmut
14.12.2014 11:07
Kommentarlink

> “Usenet”, es heißt “Usenet”.

Gott, wie peinlich, wie abgrundtief peinlich. Und das ausgerechnet mir. Wieder einer dieser Standard-Tippfehler, wo die Finger was anderes schreiben als das Hirn denkt und ähnlich klingende Silben ersetzen.


Joe
14.12.2014 12:23
Kommentarlink

wie abgrundtief peinlich

Es gibt da eine recht uneinheitliche Terminilogie, in der neben “Usenet Newsgroups” auch kurz “Netnews” (also andersrum), “Newsfeed”, “Newsreader” und ähnliche Begrifflichkeiten vorkommen. Da kann man sich schon mal vertun. Witzig ist auch, wie viele dieser Begriffe später für RSS okkupiert und umdefiniert wurden.


yasar
14.12.2014 13:54
Kommentarlink

der vertipper ist für mich nachvollziehbar, denn im “Usenet” gab es ha die “Netnews” – irgendwann auch mit nntp statt uucp 🙂


Bud
14.12.2014 18:14
Kommentarlink

Erinnert sehr an https://freenetproject.org/ , nur daß es Torrent damals noch nicht gab.


jerry
15.12.2014 9:33
Kommentarlink

Webserver dezentralisieren – das funktioniert bei uns schon seit Jahren.

Das Problem dabei ist das gleiche wie bei Verschlüsselung: erst muß man lernen, daß es das gibt und dann auch noch nehmen.

Klar ist der Aufwand höher wenn man 7 Peers statt eines Servers nimmt.

So schlimm aber auch nicht. Wenn’s erstmal geht, dann gehts für jede Kleinigkeit. Und nie wieder Sorgen wegen Backup!

Ball.askemos.org

Das 2. Problem: zu wenig Budget – auch für Werbung, oder hat hier schon ‘wer von Askemos gehört? Das könnte viel Weiter sein, wenn mehr mitmachen würden.