Ansichten eines Informatikers

Plagiieren an österreichischen Universitäten jetzt offiziell erlaubt

Hadmut
9.5.2013 12:40

Der Streit um die Dissertation von Dominic Stoiber, des Sohns von Edmund Stoiber, brachte Dubioses hervor.

Der darf nämlich seinen Doktor doch behalten. Siehe SPIEGEL, Merkur Online, Abendzeitung München. Der Lacher daraus:

Stoiber hatte offensichtlich eine 15 Jahre alte Arbeit, die ein Student im dritten Semester abgeliefert hatte, kopiert.

Die seltsame pseudojuristische Begründung, warum er den Doktor jetzt doch behalten darf:

Den Angaben Hajnals zufolge ging es in dem Verfahren um den Begriff der “Wesentlichkeit”: Denn die österreichischen Regeln schreiben vor, dass die Uni-Prüfer nur von einer erschlichenen Leistung ausgehen können, “wenn in Täuschungsabsicht wesentliche Teile der Arbeit ohne entsprechende Hinweise abgeschrieben worden sind. Besagte Wesentlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei objektiver Betrachtung der Verfasser der Arbeit davon ausgehen musste, dass bei entsprechenden Quellenhinweisen die Arbeit nicht positiv oder zumindest weniger günstig beurteilt worden wäre, entsprechende Quellenhinweise also zu einem ungünstigeren Ergebnis (sprich: einer schlechteren Note) geführt hätten”.

Das klingt kompliziert, meint aber vor allem: Ein Doktorand hat betrogen, wenn er eine bessere Note dadurch bekam, dass er Quellen verschwiegen hat. Im Fall Stoiber hätte jedoch, so Hajnal, “eine klarere Kenntlichmachung der betreffenden Textstellen die ursprüngliche Benotung nicht verändert”.

Das heißt, dass Plagiate dort nur dann unzulässig sind, wenn sie im Vergleich zur selben Arbeit mit korrekten Quellenangaben zu einer besseren Note geführt haben. Sagt der Prüfer, dass er die Arbeit mit Quellenangaben genauso bewertet hätte, gelten Plagiate in Österreich somit als zulässig.

Das heißt aber, dass dort in diversen Fällen ganz offiziell plagiiert werden darf:

  • Wenn sich der Prüfer nicht „hereingelegt” fühlt, sondern – was nach meiner Erfahrung sowieso meistens der Fall ist – von den Plagiaten und der Täuschung wusste, oder – wie ich es auch schon mehrfach erlebt habe – sogar selbst zum Betrug anstiftet daran mitwirkt, sind Plagiate in Österreich völlig legal.
  • Wenn die Note sowieso leistungsunabhängig erfolgt, wie es in Fächern wie Medizin, Soziologie, Philosophie usw. längst der Fall ist, oder der Titel – wie ebenfalls inzwischen weithin üblich – einfach gekauft wird, der Prüfer also sowieso die Note gegeben hätte, egal was drin steht, wäre das Plagiat ebenfalls zulässig.

Im Ergebnis heißt das, dass Plagiate zur Täuschung der Öffentlichkeit, zukünftiger Arbeitgeber, anderer Universitäten in Österreich voll legal sind. Unzulässig sind Plagiate dort erst, wenn der eigene Prüfer getäuscht wurde, und das kommt praktisch nicht vor, weil die die Dissertationen ja sowieso fast nie lesen, also erst gar nicht getäuscht werden können.

Plagiatsland Österreich.

Was übrigens wieder mal meine Beobachtung bestätigt, dass Juristen nicht Rechtsfindung betreiben, sondern willkürlich entscheiden und dazu Begründungsfindung betreiben.

5 Kommentare (RSS-Feed)

Claus
9.5.2013 13:25
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Man sollte vermutlich sogar in Österreich nicht alles über einen Kamm scheren. Es gibt vielleicht auch gute Fakultäten …

Die Sache liegt auf der Hand: Je mehr Laberei eine Diss enthält, desto größer die Chance, zu plagiieren. (Deshalb war es auch eine gute Idee, Wanka ins Kabinett zu holen. Mathematiker sind deutlich schwerer zu überführen.)

Insgesamt wird es noch deutlich schlimmer, weil immer mehr Leute in Nichtleistungsfächern promovieren werden. Wie soll das funktionieren? Schon die Betreuer sind eine wissenschaftliche Katastrophe. Aber das hast Du ja an anderer Stelle schon ausreichend thematisiert.


Pete
9.5.2013 13:55
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Wundert mich irgendwie nicht. Blaettert man durch Oesterreichs juengere “Wissenschaftsgeschichte”, ist sowas fast schon zwangslaeufig. Was soll man sonst davon halten, wenn in diesem Staat Verdienstorden an Quacks vergeben werden (Gander und sein Wasser), man aus der internationalen Forschungsfoerderung aussteigen wollte (war da nicht was mit der Mit-Finanzierung des LHC, bzw. CERN?) und so einige Faelle von Hogwardisierung mehr. Ueber gewisse “Leistungen” in Felix Austria berichtet des oefteren ein wenigstens kopfschuettelnder Mathematiker aus Wien:
http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/

Irgendwie passt dann schon alles zusammen…

Pete


Danisch, eine grundsätzliche Frage:

Warum ist dein Blogeintrag nicht im Forschungsmafiablog?


Da fällt mir der Witz ein:


Warum sollte man Plagiatoren für etwas bestraften, was sie nicht getan haben?


Lohengrin
12.5.2013 4:30
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Ich habe gerade mal nach den Kindern von Edmund Stoiber gesucht.

Es gibt da noch zwei.

Constanze Hausmann.
Kein Doktor, aber Rechtsanwalt. Sie ist mit Jürgen Hausmann verheiratet. Er ist Unternehmensberater, und es geht bei ihm um Medien. Da war doch mal was mit Edmund Stoiber und Leo Kirch.

Veronica Saß.
Nicht mehr Doktor. Der Name Vroniplag geht auf sie zurück.

Dies ist ein weiterer Sargnagel für den akademischen Zirkus.
Besonders beeindruckend ist dieses Zitat aus Guttenbergs Meisterstück:
> Europa als Gedanken, Gewissheit und Realität könnte, am Ende dieser
> Stufenleiter angelangt und auf dem Wege zur Tradition, zum
> Scheitelpunkt zwischen Konservativismus und Moderne werden, der
> weder die Option der Gratwanderung noch die Gelegenheit der
> Verbindung jener Elemente auszuschließen vermag.

Es geht nicht nur um Juristerei. Es geht um alle Disziplinen im akademischen Zirkus. Sogar in Mathematik kann man mit Unfug Doktor werden. Wenn es kompliziert genug klingt, überprüft es keiner mehr.
Ich habe übrigens eine abgebrochene Doktorarbeit in Mathematik. Wenn du bemerkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab!