Ansichten eines Informatikers

Ubuntu Linux Referenzsystem in China

Hadmut
23.3.2013 12:10

Heise berichtet darüber, dass in China eine Ubuntu-Version zum Referenz-Betriebssystem werden soll.

Ja, ja, ich weiß. man kann jetzt jede Menge über China herziehen, von wegen Zensur, Meinungsdiktatur, Abschottung, Great Wall, Überwachung, Bürgerrechte. Alles berechtigt.

Aber immerhin kümmern sie sich mal darum, dass es da ein offenes, kostenloses Open-Source-Betriebssystem gibt, das jedem Bürger zugänglich ist und das als Referenz auch die entsprechende Unterstützung findet und an die lokalen Gegebenheiten angepasst wird. Und eine Universität macht auch mit, auch wenn’s ne Rüstungsuniversität ist. Immerhin.

Und was machen wir hier in Deutschland?

Nichts.

Gar nichts.

Blubbern und meckern über Google, Amazon usw., dass sie alle unseren gutmenschigen Datenschutzvorstellungen nicht genügen, bekommen aber selbst so gar nichts auf die Reihe. Politiker zu doof, Unis zu doof, Firmen zu phlegmatisch.

Nun, könnte man sagen, sowas kostet, und soviel Geld haben wir nicht übrig. Stimmt aber nicht. Rechnet einfach mal hoch, wieviel Geld aus ganz Deutschland, Privathaushalte, Industrie, öffentliche Hand, so in den letzten 10-15 Jahren allein an Microsoft geflossen ist, und das nur für Windows und das Office-Paket.

Das hätte mehr als üppig ausgereicht, ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln, das noch dazu sicherer und transparenter als Windows ist, und es allen Bürgern und Firmen frei, kostenlos und ohne Lizenzgedöns zur Verfügung zu stellen.

Aber für so etwas sind wir ein Deutschland schlichtweg zu doof.

Und unsere Politik ohnehin. Mir fällt kein einziger Politiker ein (auch nicht bei den Piraten), der auch nur entfernt die dafür nötige intellektuelle Konfiguration hätte.

12 Kommentare (RSS-Feed)

dochpalese
23.3.2013 15:20
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Ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst. SuSE gibt es doch schon seit langem, vollständig für D lokalisiert. Das hat sich zumindestens eine ganze Weile sogar selber getragen.

Wenn allerdings so etwas an einer deutschen Uni ausgebrütet wird… Nur, wozu sollten die ein eigenes massentaugliches Betrübssystem entwickeln, das sich dann hinter openSUSE, Fedora, Ubuntu & Co. anstellt? Die funktionieren alle hierzulande.

Wofür D zu doof ist, ist die Entwicklung und Förderung offener Protokolle und Schnittstellen, ich erinnere mal an die ELSTER, die das Bayerische Landesamt für Steuern verbrochen hat.


Thomas
23.3.2013 15:27
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Was Heise vergisst zu erwähnen: Es gibt bereits “Red Flag Linux”. Wie der Name schon andeutet, basiert es auf Red Hat Linux. Die Frage ist also an der Stelle eher: Was hat Shuttleworth/Canonical den Chinesen in den Kaffee getan, damit sie umsteigen? Immerhin müssen sich ein paar Leute umstellen und die eigenen Erweiterungen müssen angepasst werden.

Und offensichtlich konnte Canonical mehr bieten als Microsoft. Die wollten wohl keiner Generalamnestie für Win7-Lizenzverstöße zustimmen…

Außerdem tun wir doch in Deutschland was. Wir verknacken alle, die nicht artig ihre Lizenzen bezahlen. Und überhaupt, freue Software. Das ist doch Kommunismus. Wo kommen wir denn hin, wenn geistiges Eigentum nicht mehr bezahlt wird?! Leistung muss sich lohnen! Dieses langhaarige Bombenlegerraubkopiererterroristenpack gehört mal bei VW ans Band getackert, damit es mal richtige Arbeit lernt!

(geschrieben mit Firefox 19 auf Fedora 18 weil es einfach funktioniert und ich so keine Zahlenkolonnen mit Telefonautomaten austauschen muss)


O.
23.3.2013 19:08
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@Hadmut: Danke! Ich seh’s genauso!


O.
23.3.2013 19:12
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Ach ja, und zu “offen”, “kostenlos”, “OpenSource” gehört auch noch “frei”….. “Free as in Free Speach, not Free Beer!”.


HF
23.3.2013 19:34
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Aber für so etwas sind wir ein Deutschland schlichtweg zu doof.

Und unsere Politik ohnehin. Mir fällt kein einziger Politiker ein (auch nicht bei den Piraten), der auch nur entfernt die dafür nötige intellektuelle Konfiguration hätte.


HF
24.3.2013 7:20
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Kein modernes Rüstungsgut kommt ohne Software aus.
Was sollen die Chinesen denn machen? Windows-Lizenzen kaufen? Entwickler aus dem zivilen Bereich von Windows weg umschulen?

Die Chinesen assoziieren Apple,Google und Microsoft zwar auch mit “Geld und Macht”, wissen aber genau, dass sie dabei an der langen Leine gehalten werden und mit Krümeln abgespeist werden. Ehrgeiz und Fortschritt werden mit Linux verbunden. Die vielbeklagte deutsche “Dummheit” ist Provinzialität und Mittelmass, man zückt die goldene Uhrkette, lächelt über “Bastler und Frickler”, und erfreut sich seines Wohlstands und seiner Bildung.


irgendeiner
24.3.2013 12:35
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“Und was machen wir hier in Deutschland?

Nichts.

Gar nichts.”

Stimmt nicht. Wir reiten uns immer tiefer in den Mist durch die unglaubliche Ignoranz von Auftraggebern und Politikern.

Closed Source ist nur ein Teil des Problems. Egal, wo ich hinkomme, ob Arzt, Anwalt, Ingenieur, Autowerkstatt: Überall besteht eine unglaubliche Abhängigkeit, die von den Softwarefirmen erzeugt ist und von den Kunden nicht nur hingenommen, sondern auch noch verteidigt wird. Ich kenne Arztpraxen, denen kann man keine Email schicken (aus Sicherheitsgründen kein INet), aber überall läuft noch W2k, weil irgendein Idiot, der in den 90ern mal bei ‘nem NT Server auf OK geklickt hat und denen die IT macht mal gesagt hat, das wäre in Ordnung so (“Das funktioniert doch alles, und ohne Internet kann da nichts passieren! Ich mache dass seit zwanzig Jahren und weiss, was ich tue”).

Auf der einen Seite gibt es jede Menge Feierabendadmins, die nichts können und die wirklich gefährlich sind und kleine Firmen haben: die sind billig und können meistens nur ein bisschen Windows rumklicken (was in unkritischen Umgebungen, z.B. einer Autowerkstatt, ja noch akzeptabel wäre, aber nicht dort, wo es um Schicksale von Menschen geht). Expertise? Null! Die “verstecken” mal eben einen Rechner, indem sie Ping blocken, haben aber nicht die geringste Ahnung, was ICMP3 ist. Die haben sich in den letzten Jahren hier vor Ort in den Praxen und Büros breit gemacht, weil deren Kunden noch weniger Ahnung haben und denen seit Jahren alles glauben. Auf der anderen Seite gibt es grosse Firmen, die systematisch ihre Kunden abzocken (z.B. dreitausend € für die gleiche Netzwerkplatte verlangen, die ich auch im Elektronikhaus vor Ort bekomme). Die kommen dann für horrende Stundensätze, schliessen die Platte an und verkleinern klammheimlich den Transactionlog des MSQL Servers, der die Platte zugemüllt hat, weil er seit fünfzehn Jahren jeden Scheiss loggt und deswegen den Rechner lahmgelegt hat. Und hier meine ich noch nicht mal die Abrechnungssoftware, die ist wieder ein Kapitel für sich.

Solange dieser Grad von Unfähigkeit und Abhängigkeiten Standard ist, wird sich *nichts* zum Besseren wenden.


Hadmut
24.3.2013 12:38
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Stimmt. Das wäre ein Riesen-Thema für die Piraten-Partei gewesen. Aber die machen jetzt in Klotüren.


yasar
24.3.2013 13:39
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Das Problem mit den Arztpraxen (und anderen Kleinbetrieben) ist, daß am falschen Ende gespart wird. Alle sinnvollen Vorschläge werden mit Hinweis auf die Kosten ausgeschlagen. Da muß dann ein NT4- oder W2K-Server noch jahrelang am Leben gehalten werden, weil die neue Software, für die der Hersteller ordentlich abkassiert, zu teuer ist.


Knut
24.3.2013 18:04
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In Deutschland wird das nichts aus gegenseitigem Neid.

Ich fand es ja bezeichnend, wie die Linux-Fans gejubelt haben, wie Solaris in Niedersachsen ersetzt wurde. Das der Ersatz dann Windows war, war egal, Hauptsache, das blöde Solaris ist weg.

Wenn also eine Linuxdistribution offiziell unterstützt würde, fände sich garantiert eine Mehrheit, die genau diese für eine schlechte Wahl hält und dagegen wettert, was das Zeug hält. Natürlich hat jeder einen anderen Favoriten und nur dieser ist die einzig richtige Wahl.


Joe
24.3.2013 22:39
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@Knut: In Deutschland muß es wegen der Ideologie unbedingt Debian. Alles andere ist verboten. 😉


Michl
26.3.2013 19:08
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Ich würde sagen, das liegt an dem Einfluss der Lobbys bei uns, die es in China nicht gibt. Da ist doch, nachdem es München erfolgreich geschafft hat, eine andere Stadt auf Linux und Openoffice umgestiegen. Alles billiger, alle glücklich. Reaktion von Microsoft, eine offensichtlich gefälschte Studie, die zeigt dass Microsoft doch viel billiger wäre, Reaktion der Stadt, zurück auf Windows und Office, obwohl nachgewiesen teurer. China als Mittel gegen Microsoft, auch nicht schlecht.