Ansichten eines Informatikers

Die Bedeutungslosigkeit der Internet-Politik

Hadmut
23.3.2013 11:38

Netter Artikel im SPIEGEL, der genau das Problem aufzeigt.

Internet-Politik ist derzeit nur Massen- und Nerdberuhigungsrhetorik. Ernsthafte Bedeutung hat sie nicht. Wie auch, bei der Zusammensetzung unserer Parlamente? Ich habe ja selbst mehrfach miterlebt, wie wenig Ahnung da die Politiker mit Macht haben und wie sie entscheiden, wenn sie etwa Internet-Gesetze machen und einen Proxy nicht von einem DNS-Server unterscheiden können.

Und wenn man sich dann anschaut, was da an Netzpolitik aus den Kreisen außerhalb des eigentlichen Machtzentrums gefahren wird, so aus den Parteien- und Bürgerrechtsbewegungen, dann ist das auch nicht nennenswert besser. Denn auch da ist das meiste nur dünnes, oberflächliches, populistisches Gesülze, mit dem man die Massen berieselt, die sich an Worthülsen und Ideologien aufgeilen. Bestes Beispiel damals die Entscheidung des BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung. 30.000 Beschwerdeführer und keiner davon mit Ahnung von der Sache, aber alle mit großer Klappe. Feiern sich riesig, merken aber nicht, dass sie die wesentlichen Punkte völlig übersehen und eigentlich gar nichts erreicht haben. Die Internet-Verfechter auf Bürgerseite sind letztlich genauso blöd wie die Internet-Gegner auf Regierungsseite. Keine Substanz, nur Rhetorik für die Massen.

Eigentlich wäre ein guter Anfang dagewesen: Die Piraten.

Denn eigentlich war genau das nicht nur deren Haupt-, sondern eigentlich sogar deren einziges Thema. Und eigentlich wären sie als hauptsächlich von Informatikern besetzte Partei auch in Fach- und Sachkompetenz allen anderen haushoch überlegen gewesen. Eigentlich hätten sie da komplett abräumen und mit ein paar intelligenten Papers und Interviews sofort große Teile der Bevölkerung hinter sich vereinen können. Und genau danach sah es ja eigentlich auch aus, als die so plötzlich so viele Stimmen bekamen. Das wäre ein Riesen-Thema gewesen, mit dem sie alle anderen Parteien hätten an die Wand spielen und wirklich wichtige Politik hätten machen können. Als Nischen-Partei, die sich auf ein Thema beschränkt, dort aber so viele Stimmen bekommt, dass sie zum Zünglein an der Waage und damit zum Machtfaktor wird.

Gerade weil man ja keine anderen Themen, Kompetenzen und Interessen hatte – macht ja eigentlich nichts für eine Partei um die 10% – hätte man zu Koalitionspartnern wie CDU oder SPD, denen man damit eine Mehrheit beschafft hätte, sagen können, dass man alle anderen Themen ihnen überlässt und sie da machen können, was sie wollen, aber für das eine Thema Internet und Medien das Sagen und den Minister beansprucht, und das auch durchsetzt.

Das hätte prima funktioniert, das wäre was gewesen, damit hätte man international Aufsehen erregt und sehr gute und bürgerfreundliche Politik machen können. Das wäre für mindestens 10 Jahre ein Erfolgsmodell geworden. Eine Partei, die sich auf ein Thema spezialisiert, ein Thema das aber alle Bürger und alle Lebensbereiche angeht, und dort dann mit geballter und überragender Sachkompetenz der Platzhirsch gewesen wäre und die Politik bestimmt hätte. Und das habe ich mir auch nicht ausgedacht, das war eigentlich auch die Interessenlage vieler Piraten-Interessierter, mit denen ich im Frühjahr 2012 auf Stammtischen gesprochen hatte. Deshalb sind die da hingekommen. Eigentlich.

Was aber ist daraus geworden?

Gar nichts. Null. Nichts. Überhaupt nichts.

Das einzige, was die Piraten mit Internet und Technologie zu tun haben, ist, dass sie das Internet als Shitstorm-Medium auffassen, es als Spediteur für Streitigkeiten missbrauchen. Das war’s schon. Mehr ist nicht. Ansonsten nur Streitereien und dummes Gerede.

Was übrigens auch erschreckend zeigt, dass Informatiker, Technik-Nerds und Internet-Jünger durchaus nicht die geistige, kulturelle und medientechnische Elite sind, für die sie sich halten, sondern eher das, wofür die Gesellschaft sie so hält, und was eher Urteil als Vorurteil ist: nämlich weltfremde Spinner, die sich in einer Scheinwelt einmauern, und denen massiv Sozial- und sogar Fachkompetenzen fehlen.

Die Piratenpartei ist der beste Beweis für die miserabel Qualität unserer Universitäten, weil sie gezeigt hat, dass ein großer Haufen der Informatik-Studenten und frischen -Absolventen, aus denen die Piratenpartei ja ursprünglich bestand, zusammen, kolaborativ, synergetisch einfach überhaupt nichts zustandebringt, nicht mal sich selbst vor Unterwanderung schützen kann. Weil die Universitäten grundlegende Fähigkeiten zur Berufsausübung nicht vermittelt. Piraten sind das Scheitern als Konsequenz aus einer unbrauchbaren Berufsausbildung, der schon solche Dinge wie Projektmanagement, Zielorientierung, Planung fehlen. Universitäten produzieren Leute, die nicht mehr viel anderes können, als sich zu streiten, aber massiv in linkslastigen pseudodemokratischen Spinnereien verfangen sind und sich schon damit genug sind, sich mit sich selbst zu beschäftigen, ohne jemals irgendeinen Nutzen abgesondert zu haben. Leute, die der Meinung sind, dass einziges und wesentliches Merkmal einer Diskussion ist, ein möglichst nerdiges Kommunikationsprotokoll zu verwenden.

Arbeitsfähigkeit gleich Null.

Und zu alledem kam dann eben noch die Sache mit der Genderisierung, der kompletten Umwandlung der Piraten in eine Feminismuspartei. Abgesehen von dessen noch größerer Blödheit ein Thema, bei dem man keine Punkte machen kann, weil es bereits alle anderen Parteien schon haben und machen, und man bestenfalls noch als billiges China-Plagiat wahrgenommen werden kann. Und das noch dazu mit ausgestellten, kreischenden, ordinäre, fäkalsprachlichen Vogelscheuchen als Kandidaten, die nun wirklich jeden in die Flucht schlagen, der da noch irgendwas gesucht hätte. Die sich mit der Maurerkelle ein Pfund Schminke ins Gesicht spachteln und damit dann den Abbau von Geschlechterstereotypen predigen wollen.

Letztlich muss man aber sagen „Selbst schuld!”. Wer hat das Thema Feminimus gewählt, anstatt den Schwerpunkt auf Internet-Themen zu lenken?

Das ist eben so in einer Demokratie. Da kann man sich nicht wie beim Fernsehen im Sofa zurücklehnen, hinnehmen, was da gesendet wird, und nachher drüber maulen, dass es langweilig war.

Wer Internet-Rechte haben will, der muss auch aktiv Internet-Politik wählen. Momentan geht das nicht, weil es keine Partei mehr gibt, die das noch als Thema hätte.

Aber vor einem Jahr wäre es noch gegangen. Da gab es die Piraten noch, da hatten sie noch dieses Thema, und da hätte man die richtigen Leute und Themen, und nicht irgendwelche Kasper wählen müssen. Und die Piraten effektiv organisieren müssen, anstatt sie zu einem sich selbst überlassenen Chaos sinken zu lassen.

An alle, die sich Internet-Rechte wünschen und sich über das Leistungsschutzrecht aufregen:

Ihr seid selbst dran schuld. Noch vor einem Jahr hättet Ihr die Möglichkeit gehabt, durch Beteiligung und Stimmen etwas zu ändern. Jetzt ist der Zug abgefahren. Game Over. Der Drops ist gelutscht. Die Messe ist gelesen. Der Käse ist gegessen. Der Hund ist tot.

Oder: Stell Dir vor, es ist Demokratie, und keiner geht hin.

9 Kommentare (RSS-Feed)

Ronald
23.3.2013 11:44
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Auch ein guter Kommentar zur derzeitigen Situation:

http://www.indiskretionehrensache.de/2013/03/deutschland-technologiestandort/


Der_Schwede
23.3.2013 11:52
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Ich denke nicht, dass die Piratenpartei deshalb solche Probleme hat, weil sich nicht alle beteiligt haben, die eine bessere Internet-Politik wollen.

Es ist doch eher so, dass ein haufen Idealisten versucht eine Idealpartei zu basteln, nur das eben jeder einen leicht anderen Bauplan im Kopf hat.

Mit anderen Worten, vielleicht hätten ein paar weniger Idealisten und ein paar schmierige, höhrige Parteisoldaten die wenigen zu Machtmenschen gewordenen Idealisten Gestaltungsmacht durch Gefolgschaft gegen Brotkrumen verschaffen zu einer schlagkräftigeren Partei geführt. So lief es ja bisher immer.

Ich bin ja mal gespannt wie es ausgeht.
Du scheinst dir ja schon ziemlich sicher zu sein wo die Reise hingeht.

OT:
Im übrigen sind Universitäten nicht dazu da, grundlegende Fähigkeiten der Berufsausübung wie Projektmanagement, Zielorientierung und Planung zu vermitteln.
Und es ist mit ein Grund für das, von dir immer wieder aufgezeigte, sinkende wissenschaftliche Niveau in Universitäten, dass sie es dauernd versucht.


Hadmut
23.3.2013 11:57
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@Schwede:

Nein. Nicht jeder Spinner ist ein Idealist. Nur weil man in einer Scheinwelt lebt und keine Ahnung hat oder Fachidiot ist, ist man noch lage kein Idealist. Piraten als Idealisten hinzustellen ist ein Euphemismus.

> Im übrigen sind Universitäten nicht dazu da, grundlegende Fähigkeiten der Berufsausübung

Na, dann schau mal in die Landesgesetze, was der Auftrag der Universitäten für Studiengänge ist.

Und schau mal in die Verfassungsrechtsprechung, worin die Rechtfertigung des Staates, durch berufsbezogene Prüfungen in Art. 12 I GG einzugreifen, liegen kann.

Du wirst Dich ziemlich wundern.


gsohn
23.3.2013 13:38
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Vieles richtig beschrieben. Aber wie sieht denn Dein Masterplan für Internetpolitik aus?


Hadmut
23.3.2013 15:19
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Ich glaube nicht, dass es einen Masterplan für eine einzelne Privatperson geben kann.

Überlegungen für eine Bundespolitik habe ich, aber das führte hier zu weit…


Ich muss widersprechen, weil ich glaube, dass das kein Netzpolitikproblem ist, sondern ein grundsätzliches Demokratieproblem.

Bei Themen, die nur eine Handvoll Menschen verstehen, darf es nicht wundern, wenn über deren Köpfe hinweg irgendetwas entschieden wird.

Die Politik schert sich sich ja bereits bei Themen wie Immigration und ESM nicht um Volkes Meinung. Dass die dann bei Netzthemen wie “Proxy vs DNS” die Meinung von ein paar Experten übergehen, darf nicht verwundern.

Das ist aber wie gesagt, ein Demokratieproblem bzw. ein Demokratieimplementierungsproblem.


Heinz
23.3.2013 20:55
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> Hadmut Danisch Ansichten eines Informatikers

> Informatiker [sind] weltfremde Spinner, die sich in einer Scheinwelt einmauern, und denen massiv Sozial- und sogar Fachkompetenzen fehlen.

Bist du da nicht ein wenig zu hart mit dir selbst?

> die nicht mehr viel anderes können, als sich zu streiten,

wenn sie sich wenigstens richtig (z.B. sachlich) streiten können würden…

> Noch vor einem Jahr hättet Ihr die Möglichkeit gehabt, durch Beteiligung und Stimmen etwas zu ändern.

Habija habija aber hat leider wenig gebracht – hab z.B. Weißband nicht gewählt, die ist es dann aber doch geworden.


Hadmut
23.3.2013 21:12
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> Bist du da nicht ein wenig zu hart mit dir selbst?

Ich glaube, ich habe inzwischen genug Lebens- und Berufserfahrung sowie Erfahrung in nicht-direkt-technischen Bereichen, um nicht mehr allzusehr unter dieser Informatiker-Eigenschaft zu leiden.

Man sollte sich aber vor der weit verbreiteten Selbstgerechtigkeit hüten, eine Gruppe schon deshalb besser zu bewerten oder für kritikimmun oder fehlerfrei zu halten, nur weil man ihr angehört.


“Weil die Universitäten grundlegende Fähigkeiten zur Berufsausübung nicht vermittelt.”

Dafür sind die Universitäten angeblich auch nicht da, Die Unis sollen bilden – als Selbstzweck.