Ansichten eines Informatikers

Die Anti-Wissenschaftler

Hadmut
23.10.2012 23:29

Die Zeitschrift „Scientific American” hat einen hochinteressanten Artikel darüber, wie die zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit in den USA die Demokratie gefährdet.

In den USA wird es für Politiker wohl immer günstiger, leichter und gewinnbringender, sich als wissenschaftsfeindlich auszugeben. Die Ablehnung von Wissenschaft wird zunehmend gesellschaftlich akzeptiert. Während man in den USA in den 50er und 60er Jahren noch in einem übertriebenen Wissenschaftswahn steckte, und alles irgendwie nach Science Fiction und Raumschiff aussehen musste, scheint das nun in das genaue Gegenteil umzuschlagen. In allen politischen Richtungen wird immer stärker gegen die Wissenschaft gewettert. Als Gründe kommen dafür in Betracht, dass man unbequeme Wahrheiten immer leichter ablehnt und man sich die Welt einfach so zurechtschnitzt, wie man sie haben möchte. Was natürlich auch damit zusammenhängt, dass das Volk immer mehr belogen werden möchte.

Ein anderer Aspekt ist wohl, dass immer stärker mit Desinformation gearbeitet wird, und Desinformation natürlich leichter unterzubringen ist, wenn man die wissenschaftliche Gegenmeinung verächtlich macht. Dazu kommt die zunehmende Religiosität als kategorische Ablehnung von Wissen und Verstand, und womöglich könnte es gar eine Folge dessen sein, dass wir eine allzubequeme Dienstleistungsgesellschaft geworden sind. Das Leben ist heute so einfach geworden, dass man nichts mehr denken muss, und sich deshalb das Denken auch abgewöhnen kann. (Als ich mit Autofahren angefangen habe, waren Autos noch so gebaut, dass man sie ohne Spezialcomputer verstehen konnte, aber auch so anfällig, dass man sie noch verstehen und ständig reparieren musste. Ich habe seit Jahren nichts mehr an einem Auto repariert, außer am vergangenen Sonntag eine durchgebrannte Birne auszutauschen. Autofahren wird immer stärker Dummen-kompatibel. Nur als ein Beispiel.)

Einen anderen Einfluss hatte sicherlich die Debatte um die Klimaerwärmung, bei denen beide Seiten sich gegenseitig Unwissenschaftlichkeit vorwerfen und letztlich nur eine Entwertung von Wissenschaft erreichen.

Ein Hauptgrund liegt sicherlich auch darin, dass sich die Wissenschaft selbst zerlegt. Der Aufschwung und die steigende Bedeutung der Wissenschaft haben zu mehr Geldmitteln geführt, was wiederum zwielichtiges Gesindel in den Wissenschaftsbereich gezogen hat. Inzwischen sind die Wissenschaften ein Sumpf aus Korruption, Plagiaten, Betrug, krummen Geschäften und Schwindel. Mag sein, dass da noch echte Wissenschaft dazwischen ist, aber wer glaubt dem noch? Wissenschaft arbeitet heute – wenn sie noch arbeitet – auf einem Niveau, das der Öffentlichkeit nicht mehr verständlich ist. Und immer mehr Wissenschaftler kapseln sich ab, baden in der Arroganz des Elfenbeinturms, und schreiben absichtlich so, dass es niemand versteht. Damit bricht die Verbindung zur Öffentlichkeit, man könnte es auch als das „Populärwissenschaftliche” bezeichnen, ab. Viele Fachrichtungen liefern überhaupt nichts mehr, was noch irgendwie verwertbar wäre, weder in Hinsicht auf Wissenschaften, noch auf die Berufsausbildung. Es ist zwangsläufig, dass das Ansehen des Wissenschaftsbetriebs und vieler Fächer in der Öffentlichkeit leidet, und damit das Ansehen der Wissenschaft schlechthin runterzieht. Und wenn man sich dann noch den ganzen Promotionsschwindel, Pseudowissenschaften wie die vieler Soziologen oder eben den Gender-Quatsch anschaut, dann bleibt nicht nur bei einfachen, bildungsfernen Bevölkerungsschichten, sondern besonders auch bei den gebildeten, intellektuell anspruchsvolleren die Frage, was da eigentlich noch die Wissenschaft sein soll. Die Wissenschaften haben soviel Korruption und Betrug angesammelt, dass sie sich gerade selbst vergiften.

Hinzu kommt die „bei uns kommt der Strom aus der Steckdose”-Mentalität. Alles Positive, was Wissenschaft erzeugt, wird in fertigen Produkten versteckt, man sieht die Leistung dahinter nicht. Und wenn, dann ärgert man sich über Patente und Abzocke. Der Pharmabereich erzeugt gefühlt mehr Ärger als Innovation. Und neue Medikamente sind oft schlechter als alte und werden nur auf den Markt gebracht, um wieder irgendetwas mit neuem Patentschutz zu haben. Als negativ empfundene Folgen von Wissenschaft, beispielsweise Kriegstechnik, Gentechnik usw., werden hingegen plakativ ausgebreitet. Die Presse lebt von negativen Schlagzeilen, nicht von positiven.

Als ich Kind war, haben wir uns noch an einem Altrhein-Arm herumgetrieben, Experimente gemacht. Ich hatte Physik- und Chemieexperimentierkästen, elektronische Schaltungen usw. Zu meinen wichtigsten Spielzeugen gehörte, dass ich aus der ganzen Verwandt- und Nachbarschaft kaputte Elektrogeräte einsammelte und sie zerlegte, um reinzugucken und zu sehen, wie sie funktionierten. Das konnte man damals nämlich noch. Da hatten Waschmaschinen noch herrlich mechanische Ablaufsteuerungen. Heute ist das alles völlig anders. Heute sind social networks in und experimentiert wird nur noch, wenn es dafür eine App gibt. Es zerfliest alles in Simulationen und damit in Beliebigkeit.

Wissenschaft ist inzwischen auch schwierig geworden, weil alles im normalen Bereich abgegrast ist. Noch im Mittelalter und der frühen Neuzeit konnte man mit 20 oder 25 Jahren Universalgelehrter sein. In vielen technischen Bereichen muss man heute froh sein, wenn man mit 40 in einem ganz kleinen Teilthema so weit ist, in relevanten Bereichen mitforschen zu können. Viele können oder wollen sich diese Mühe nicht mehr machen, zumal bei ungewissen Berufsaussichten. Daher auch die starke Zunahme von Forschungsschwindel und Plagiaten. Dissertationen werden schon allein deshalb immer schlechter, weil der Aufwand für gute Dissertationen immer mehr steigt. Die Digitalisierung führt obendrein dazu, dass die Ansprüche steigen.

Dazu passt natürlich, dass sich die Kreationisten immer systematischer damit umtun, Wissenschaft aus dem Schulunterricht zu verbannen. Wissenschaft wird durch die Bibel verdrängt. Dazu kommt erschwerend, dass Grundschullehrer und Kindergartenbetreuer nicht nur immer stärker nur weiblich besetzt sind, was ja noch nicht das Problem wäre, sondern mit Leuten einer ganz bestimmten, wissenschaftsfeindlichen Geisteshaltung. Da bilden sich ganze Bevölkerungsschichten, die Wissenschaft als Feindbild auffassen und in die Lehrberufe strömen. Ich erinnere da nur mal (ja, ich weiß, schon wieder, aber das Thema ist eben wichtig) daran, dass bei uns sogar eine Verfassungsrichterin als Professorin lehrt, dass wissenschaftliche Qualität nur ein Mythos sei, dass es sie nicht gäbe und das alles nur von Männern erfunden worden sei um Frauen auszugrenzen. Es ist der Frontalangriff auf den Wissenschaftsgedanken. Und ein Hohn, dass sie ausgerechnet an der „Humboldt-Universität” lehrt.

Wissenschaftsgegner stehen heute nicht mehr nur auf der Straße herum wie die Zeugen Jehovas. Da wird heute mit modernen PR- und Multimedia-Methoden und der gesamten Klaviatur des Lobbyismus vorgegangen, als wollte man ein Produkt im großen Maßstab platzieren. Wissenschaft wird zur willkürlichen Ideologie herabgestuft und dann die Alternative danebengestellt. Ob Religion, Aberglaube, Feminismus, egal was. Weil das jetzt in Mode ist.

Eine andere Ursache ist die politische Korruption. Die Industrie hat gelernt, dass man mit Geld jede beliebige Wahrheit kaufen kann. Man kann die Politische Meinung heute buchen wie man eine Werbetafel bucht und jede x-beliebige politische Meinung schalten lassen wie Radiowerbung. Eine Frage des Geldes, und Geld ist da.

Ergänzt wird das alles durch Opportunismus. Früher sagte man zu den Mohammed-Karrikaturen, dass das Meinungsfreiheit sei. Heute heißt es, dass man „religiöse Gefühle” nicht verletzen dürfe. Dass sich also jeder selbst aussuchen kann, was er für wahr hält, und man das nicht mehr kritisieren darf. Das ist nicht nur das Ende von Geist und Wissenschaft, sondern es ist auch bedenklich, dass irgendwelche Gottes-Phantasien so viel höher geschützt sind als die Wissenschaft. Wenn man wissenschaftliche Aussagen bestreitet, passiert gar nichts, oder man wird sogar als intellektuell angesehen. Bestreitet man religiöse Behauptungen, dann riskiert man nicht nur Haue oder eine Kugel in den Kopf (sogar als kleines Mädchen) und die Politik wirft die Frage auf, ob man nicht wegen Verunglimpfung eines Glaubensbekenntnisses vorgehen müsse. Die Politik macht für Wählerstimmen alles, und ein signifikanter Bevölkerungsanteil ist so religiös oder gar fanatisch, dass sich für Politiker die Wissenschaftsfeindlichkeit auszahlt und verfestigt.

Auch Terrorismus und diese üble Dauerbeleidigtheit des Islam haben wissenschaftsfeindliche Wirkung. Da wird mit Gewalt und Drohung darauf hingearbeitet, dass man des Friedens Willen religiöse Ansichten über die sekulär-wissenschaftlichen stellt. Wissenschaft und Religion passen nicht zusammen. Leugnet man Religion, gibt es Demonstrationen, Randale und Verletzte. Leugnet man Wissenschaft, kommt keiner. Irgendein Satiriker sagte kürzlich mal irgendwo, dass da eine Geisteshaltung entsteht, die alles nach der Erfindung des Krummsäbels ablehnt. Man muss aber nicht mal religiös sein. Auch in unserer säkulären Gesellschaft wird es gesellschaftlich akzeptiert, einfach mal etwas völlig ohne jede Grundlage in Zweifel zu ziehen. Wenn man einfach mal sagt, dass man etwas nicht glaubt, ohne das irgendwie motivieren zu können, findet man gesellschaftliche Anerkennung. Weil’s so einfach ist. Versucht man aber in Gesellschaft, zu begründen, warum man eine wissenschaftliche Meinung für richtig hält, versteht einen keiner mehr und zwei Sätze später steht man dann alleine da. Wissenschaft gilt als sozialinkompatibel, während Unwissenschaftlichkeit als interessanter Charakterzug gilt. Ich kenne Leute, die mit Astrologie und anderen esoterischen Dingern eine Riesen-Show veranstalten. Und unglaublich viele Leute fallen mit Wonne drauf herein.

Im Artikel wird dann auch erwähnt, dass pseudointellektuelle Strömungen wie „there is no such thing as objectivity“ immer öfter repetiert werden. Völlig hirnlos und nichtssagend, aber ein wirksamer Selbstbetrug um sich die grenzenlose Willkürlichkeit der Sichtweisen zu genehmigen. Und erschreckend viele Leute rennen heute einem ganz ähnlich gelagerten Genderismus nach, der ja auch nur wiederholt (aber nie begründet), dass die Wissenschaften lügen und nur dazu da wären, Frauen auszugrenzen, dass die Frau nur eine Erfindung des bösen Mannes sei, es Geschlechter nicht gäbe und das alles nur ein „biologistischer Diskurs” sei. Frauenrechte und Emanzipation sind nur Vorwände des Genderismus. Im Kern geht es darum, Wissenschaft abzuschaffen und durch Willkürlichkeit zu ersetzen.

Wie schon in anderen Zusammenhängen erwähnt: Ich glaube, dass Wissenschaft und Demokratie nur eine Episode in der Weltgeschichte waren und wir deren höchsten Punkt längst überschritten haben. Das wird in den nächsten 20 oder 30 Jahren noch viel schlimmer werden.

41 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
23.10.2012 23:53
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Ich hoffe ja nicht, klingt alles sehr pessimistisch. Persönlich halte ich Wissenschaft für die größte Errungenschaft dieser Spezies und gebe mein Bestes, sie dementsprechend voranzubringen.

Ab und zu passiert auch noch echte Wissenschaft, da kann ich dich beruhigen. Als ich vor kurzem meinen Physik-Bachelor abgeschlossen habe, hatte ich das Gefühl, die Menschheit ein kleines Stück vorangebracht zu haben. Nach dem Lesen der BAs zweier Freunde (Religion, Germanistik, Politik, Ethik) war ich dagegen erschüttert, dass Inhaltsangaben in diesen Fächern anscheinend als wissenschaftliche Arbeiten zählen und dazu durchweg massenhaft mit Bestnoten belohnt werden.


Knut
24.10.2012 7:50
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Ich hoffe mal, es geht dir jetzt besser !

Leider ist die wissenschaftsfeindliche Geisteshaltung ziemlich verbreitet. Vor 30 Jahren gab es das als mathematikfeindliche Geisteshaltung, die heute Standard ist, ohne das viele groß darüber nachdenken. Bei einer fünf in Englisch ist der Teufel los. Aber eine fünf in Mathe darf schon mal passieren, insbesondere Mädchen.

Das geht soweit, das es wichtig wird, sich von der Mathematik zu distanzieren. Immer wieder weigern sich Kandidat(en|innen) in Quizshows Terme mit 6 einstelligen Zahlen auszurechnen. Da wird dann ein Joker genommen. Das wir inbesondere dann zur Farce, wenn der letzte Term eine Multiplikation ist und drei der Antworten prim sind.


Hadmut
24.10.2012 8:35
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Nein, mir gehts nicht besser. Wovon auch?


Paul
24.10.2012 8:55
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Hier wird ein Vorgang beschrieben, den ich auch in der letzten Zeit vermehrt glaube zu beobachten. Es ist erschütternd wie stark sich selbst in den oberste soziale Schichten die Ablehnung alles logischen als nicht nur gesellschaftlich akzeptiert, sondern gar als guter Ton entwickelt hat.

Es ist beängstigend den amerikanischen Wahlkampf zu verfolgen. An einen Rachegott glaubende Kreatonisten wird es gestattet, wissenschaftlich einwandfrei belegte Tatsachen als Hirngespinste, gar als Inkarnationen Satans persönlich darzustellen. Dafür ernten sie Lob und Anerkennung von einer so großen Breite der Bevölkerung, dass man weinen könnte.
Neustes Beispiel, in der unendlichen Palette an Peinlichkeiten:
http://www.huffingtonpost.com/2012/10/23/richard-mourdock-abortion_n_2007482.html

Und


Unterschreib ich alles, auch wenn es Hadmut nicht besser geht.

Ob man mal in Angriff nimmt, alle sauberen Arbeitsweisen, wissenschaflichen Methoden, Logiken, Beweismöglichkeiten… zu sammeln und aufzuschreiben? Es muß doch möglich sein, das mal zentral struktururiert darzustellen, als Sammlung von Texten oder als Wiki. So groß ist doch die Menge nicht. Dann hätte man ein Kriterium, mit dem man Blödsinn ausblenden kann und für “Neuzugänge” ein Nachschlagewerk. Das soll nicht jeden mathematischen Beweis enthalten, nur Methoden, unstrittige Grundlagen… Die Idee hatte ich vor einiger Zeit.

Carsten

“Die abschreckensten Bücher sind solche die auf tausend Seiten nicht auf einen Punkt kommen können.”
SCHOCKWELLENREITER


Roland
24.10.2012 11:04
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Prima Beitrag, danke, Hadmut!
Genau so ist es, es gibt eine zunehmede Zahl von Menschen, denen *Glauben* alles, Fakten dagegen nix bedeuten.
Das sind genau die Augenblicke, in denen ich mein fortgeschrittenes Alter besonders liebe…….


Johanna
24.10.2012 14:00
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Ein vielleicht noch treffenderes Beispiel ist die Klage gegen das CERN, weil durch die Experimente ja (angeblich) schwarze Löcher entstehen könnten (!!!), die dann (noch angeblicher) den Weltuntergang herbeiführen würden. Die Klage ist zwar seit ein paar Tagen glücklicherweise endgültig gescheitert, zeigt aber ganz plastisch, wie mit ein paar Schlagworten und etwas Halbwissen gegen alles, was man nicht versteht – und auch überhaupt nicht verstehen will – lautstark vorgegangen wird.


Herrmann
24.10.2012 14:16
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In den USA?
Hier glauben die Leute doch, dass Ihnen der Himmel auf den Kopf fällt, wenn Sie den Hohepriestern des CO2-Kultes nicht am Wahltag huldigen.


Werner
24.10.2012 17:32
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Das ist leider alles nicht neu und hat in Deutschland Tradition. Vor über 40 Jahren hat sich meine Deutschlehrerin nicht entblödet sich vor die Klasse hinzustellen und zu verkünden: “Ach, ich weiß gar nicht warum das Licht angeht, wenn ich hier den Schalter umlege.” Das alles im Ton eines kleinen Mädchens, das zu doof ist sein Butterbrot festzuhalten und nun erklären soll, warum ihr das runtergefallen ist. – Falls mir mal wieder einer unterkommt, der mit seinem intellektuellen Nichtwissen prahlt, den werde ich fragen, ob es bei ihm auch mit Rechtschreibung und Grammatik nicht klappt.


Ludi
24.10.2012 18:33
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Stefan Zweig beschreibt die historische Situation vor tausend Jahren in seinem Buch “Amerigo -Die Geschichte eines historischen Irrtums” so:

“Anno 1000. Ein schwerer dumpfer Schlaf liegt über der abendländischen Welt. Die Augen sind zu müde, um wachend um sich zu schauen, die Sinne zu erschöpft, neugierig sich zu regen. Der Geist der Menschheit ist gelähmt wie nach einer tödlichen Krankheit, sie will nichts mehr wissen von ihrer Welt. Und noch sonderbarer: Selbst was sie vordem wußte, hat sie auf unbegreifliche Weise vergessen. Man hat verlernt zu lesen, zu schreiben, zu rechnen, sogar Könige und Kaiser des Abendlandes sind nicht mehr imstande, ihren eigenen Namen unter ein Pergament zu setzen. Die Wissenschaften sind zu theologischen Mumien erstarrt, die irdische Hand ist nicht mehr fähig, in Zeichnung und Plastik den eigenen Körper nachzubilden. Über allen Horizonten liegt gleichsam ein undurchdringlicher Nebel”

Ich befürchte, die Geschichte wiederholt sich ab und an.


Hanz Moser
24.10.2012 18:47
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Im großen und Ganzen stimme ich dir zu. Sehr sogar. Aber ein Punkt stößt mir ein wenig sauer auf.

“Zu meinen wichtigsten Spielzeugen gehörte, dass ich aus der ganzen Verwandt- und Nachbarschaft kaputte Elektrogeräte einsammelte und sie zerlegte, um reinzugucken und zu sehen, wie sie funktionierten. Das konnte man damals nämlich noch. Da hatten Waschmaschinen noch herrlich mechanische Ablaufsteuerungen. Heute ist das alles völlig anders. Heute sind social networks in und experimentiert wird nur noch, wenn es dafür eine App gibt.”
Das ist meiner Ansicht nach eine subjektive, positive Verklärung vergangener Zeiten. Ich habe in meiner Kindheit das Gleiche getan. Da waren aber schon überall Transistoren und sowas verbaut, mechanisch waren meist nur Potis, Schalter und Relais. Und die alten Rechenmaschinen meines Großvaters aus den 60ern.
Es gab ja aber die Stadt- und die Schulbibliothek, die passende Fachbücher hatten, aber leider nur in sehr begrenztem Umfang. Ergo habe ich mir die geschnappt, durchgelesen und danach experimentiert.

Natürlich sehen heute defekte Geräte anders aus, aber den grundlegenden Unterschied sehe ich nicht. Anstatt eines Elektronikbaukastens nimmt man heute programmierbares Lego und solche Dinge wie einfach zu programmierende Mikrocontroller gibt es auch genug. Hinzu kommt, dass man heute als Bub an wesentlich mehr Informationen und Material zu allem kommt, als du oder auch ich es konnten.

Meine Vermutung ist, dass die formalen Grundlagen und die Breite des Wissens, die du in dem Bereich heute hast, dir den Blick auf die Perspektive versperren, die Kinder bei sowas einnehmen. Das ist aber eine Invariante, die es schon seit Urzeiten gibt. Anstatt mit Relais und Widerständen experimentieren die heute mit I²C und Logikanalyzern.

Und es gibt solche Kinder sehr wohl noch. Die breite Masse hat sich auch zu deiner Zeit nicht mit alten Waschmaschinen beschäftigt, sondern ihre Zeit in der Hauptsache mit sozialen Handlungen totgeschlagen, die keine Wissenakkumulation zur Folge hatten. Für die war ein Walkie-Talkie genauso ein geschlossenes System, dass sie nur bedient haben, wie es heute ein Smartphone ist.


Phil
24.10.2012 19:12
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@Carsten Ana/LA I, die ersten Kapitel sollten doch genügen ?!?

Letztlich geht es in der Mathematik doch genau darum, logisch und schlüssig zu Argumentieren. Außerdem lernt man da auch, welche Folgerungen nicht möglich sind.
Gerne verlinke ich zu dem Thema immer “Fehlschlüsse” [1], etwas was eigentlich jeder in der Schule (zumindest im Gymnasium) lernen sollte.

[1] http://www.ratioblog.de/archive/Fehlschl%FCsse


O.
25.10.2012 1:29
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Spengler – Der Untergang des Abendlandes

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/essayunddiskurs/1747841/


Johanna
25.10.2012 9:03
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@Ludi: Um Ihr Zitat von Zweig zu ergänzen, empfehle ich außerdem das zweite Kapitel von Steven Hawkings und Leonard Mlodinows Buch “The Grand Design”. Dort wird der “schwere dumpfe Schlaf” und das Vergessen bereits vorhandenem Wissens sehr schön beschrieben, außerdem Zusammenhänge zwischen Nicht-Verstehen (wollen) und religiösen Weltanschauungen hergestellt. Im Übrigen weisen Hawking und Mlodinow auch darauf hin, dass dieses Vergessen nicht nur auf wissenschaftsfeindliche Eiferer zurückgeführt werden kann, sondern zu einem Teil auch der mangelhaft entwickelten Methodik der antiken Wissenschaft sowie der Selbstverliebtheit einiger Wissenschaftler/Philosophen dieser Zeit zuzuschreiben ist. Da hat sich zu heute in Teilen gar nicht viel verändert…


Wer oder was ist Ana/LA I?
Zwei vernünftige Sätze sollte man doch verlangen können, oder?

Carsten

“Die kommunistische Partei …
… ist die Vorhaut der Arbeiterklasse. Wenn’s ernst wird, zieht sie sich zurück.”
archenoe


Stefan K.
25.10.2012 11:22
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Ich sehe durchaus die Relevanz dieses Artikels, aber bei der Ursachenforschung wird einfach zu viel in einen Topf geworfen, Hadmut.

Ich denke, die Wissenschaft als Ganzes hat ihren Ruf als Hort der Objektivität und Ideologiefreiheit selbst verspielt: in vorderster Front natürlich durch solche Scharlatane wie das IPCC und deren sinnfreie Klimareligion, von wegen “Erhöhung des Meeresspiegels um bis zu XX” usw. Danach kommt auf meiner Hitliste gleich der Glaube an die “erneuerbaren Energien” und die Energieversorgung “zu bis zu 80%” aus Solar und Wind bis 2050. Das wird alles in quasireligiösem Eifer den Massen vorgetragen, ohne dabei rot zu werden!

Generell ist der Fortschrittsoptimismus sicher schonmal größer gewesen, bis in die vergangenen 60er Jahre hinein. Aber damals hat man sich halt zuviel von der Wissenschaft erwartet, was nicht einlösbar war.

Ich sehe auch große Unterschiede in der Wahrnehmung von Wissenschaft zwischen a) Esoterikern jeder Couleur, b) Fundi-Christen und c) Muslimen. Das kann man nicht so einfach vergleichen. Fundi-Christen machen niemals in Esoterik, die gestehen dem wissenschaftlichen Fortschritt schon seinen Platz zu. Die reine Objektivität von Wissenschaft würde ich allerdings auch jederzeit bestreiten.

Übrigens: wenn deine Diagnose auch auf Europa und die Usa zutreffen würde, heißt das noch lange nicht, daß damit der Fortschritt gebremst ist. Die Dynamik ist einfach nach Asien gegangen, dort spielt jetzt die Musik. China, Taiwan, Indien et. al. Da gibts genügend Jungspunde mit dem Biß für anstrengendes Lernen und Forschen.

Riesiger Wohlstand seit 3 Generationen macht eben fett, faul und dekadent, das ist normal und erwartbar.


Skeptiker
25.10.2012 12:42
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>> Ich sehe auch große Unterschiede in der Wahrnehmung von Wissenschaft…

@Stefan, bedenkenswerte Argumente, nur bei dem geh ich nicht mit. Sie mögen sich in dem unterscheiden, was sie akzeptieren und was sie ablehnen, aber schlussendlich liegen alle Ideologien, Religionen und irrationalen Glaubenssysteme immanent über kreuz mit (Teilen) der Realität. Die dürfen sie dann “nicht glauben”, müssen sie ablehnen oder sogar offensiv und ggf. gewalttätig bekämpfen.

Man könnte die Hypothese aufstellen, dass aufgeklärte, sich auf Forschung und Ingenieurskunst stützende Gesellschaften früher oder später von innen aufgefressen werden, z.B. weil Politiker mit simplen Erklärungen mehr Zugkraft entfalten. Im Sinne dieser These wäre die Entwicklung in den USA (und bald auch bei uns) zwangsläufig. Bis die Unfreiheit zu groß wird und es von vorne losgeht 🙂


Herrmann
25.10.2012 14:38
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Analysis.
Lineare Algebra.
?


Oppi
25.10.2012 16:41
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@Carsten ANA(lysis) I und L(ineare)A(lgebra) I sind die beiden Anfängervorlesungen, die jeder Mathematikstudent im ersten Semester hören muss.


Phil
25.10.2012 17:05
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@Carsten

“Wer oder was ist Ana/LA I?
Zwei vernünftige Sätze sollte man doch verlangen können, oder?”

Ich meinte “Analysis I” und “Lineare Algebra I”, die beiden Grundvorlesungen der Mathematik. Als “Wissenschaftler” sollte man darüber mindestens eine Vorlesung “Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie” gehört haben.
Ana und LA (sprich Ella) sind die üblichen Abkürzungen für die Vorlesungen. Übrigens gehen diese beiden Vorlesungen kaum über den Abiturstoff hinaus. Sie sind aber deutlich systematischer aufgebaut. Den Stoff beider Vorlesungen findest du auch im Internet zum Selbststudium.


Phil
25.10.2012 17:24
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Apropos Geisteswissenschaftler: “De-Qualifizierung für
Akademiker” als Kurs

http://www.kvhs-osterode.de/kurse/kursprogramm_12-13.pdf, Seite 25

—–8<—- Fullquote:
De-Qualifizierung für Akademiker

Ein akademischer Abschluss oder gar eine
Promotion kann beim Zugang zu bestimmten
Berufen, beispielsweise als Bauhelfer, eine
große Einstellungshürde sein. In diesem Kurs
versuchen wir, durch Erlernen eines
zielgruppenspezifischen Vokabulars,
angepasste Kleidung und gezielte
Verhaltensänderungen auch aus promovierten
Geisteswissenschaftlern wieder echte Männer
zu machen.
Ein entsprechender Kurs für
Frauen ist in Vorbereitung – nähere Infos sind
in der KVHS-Geschäftsstelle erhältlich.

Kurs 01.0413 – Intensivkurs
Ab 01.04.2013, Mo.-Fr., 09:00-16:00
0 € / 40x / 320 UStd.
—————8<————————–

Ich sag nur ROFL … und auch die Einschränkung auf Geisteswissenschaftler ist herrlich 🙂


lars
25.10.2012 17:52
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Ich sehe die Geisteswissenschaftler hier eher als exemplarisches Beispiel arbeitsloser Akademiker.
Böse ist natürlich der Teil mit den echten Männern.


Tschuldigung, daß ich den westgermanischen AbKüFi nicht teile.

Meine Aussage war doch klar, eine Sammlung allgemein anerkannter wissenschaftlicher Methoden, also das, was man hier gern beschwört, mit dem man sich von den pösen Pseudowissenschaften, Ideologien und Religionen unterscheidet. Eben keine Verweise auf Mathematik, Vorlesungen…

Man muß das, was man fordert, doch aufschreiben können. Ansonsten hätten wir eine Religion, die immer wieder auf ihr Standardwerk verweist, sich aber um klare Aussagen drückt.

Was Analysis und Lineare Algebra damit zu tun haben erschließt sich mir auf den ersten Blick ehrlich gesagt nicht. Da brauche ich wohl mal einen Tritt.

Grundlagen der Logik, Beweisen und Widerlegen, Bewerten von Fakten und Indizien, Wichten von Ergebnissen, Fehlerrechnung und Bewertung von Fehlern, Meßtechnik, Bewertung von Theorien, Thesen, Hypothesen… knapp und klar und übersichtlich strukturiert, so daß es jeder versteht und sich jeder darauf beziehen kann. Nur so wird das was.

Carsten

“Selbst wenn der Staat das Gute befiehlt, beschmutzt er es, weil er befiehlt, weil jeder Befehl die Empörung der Freiheit herausfordert, weil das Gute, wenn es befohlen wird, das Übel wird.”
Michael Bakunin


Ludi
25.10.2012 21:13
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@Johanna: Vielen Dank für den Lesetip. Wenn Steven Hawking und Leonard Mlodinow recht haben und es eine Vielzahl von Universen gibt, dann werden sicher einige Universen besser als das unsere sein. Aber so recht glaube ich nicht daran, denn in keinem dieser Universen wird Dr. Sheldon Lee Cooper tanzen 🙂


Knut
25.10.2012 23:09
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Da hat sich doch gleich ein Beispiel eingeschlichen:

https://www.danisch.de/blog/2012/10/23/die-anti-wissenschaftler/#comment-17262

Da wird gewettert, weil Vorhersagen und Ableitungen im Bereich Klimawandel ungenau sind, und sofort das eigene Bauchgefühl ohne jede Begründung gleichwertig danebengestellt. Damit das nicht so auffällt wird die ungeliebte Position in die unwissenschaftliche Ecke geschoben.

Sehr nett ist dann der Rückgriff auf die Erkenntnistheorie. Natürlich erkennen wir die Welt durch unseren Geist und die Messungen sind letzten Endes nur Hilfsmittel. Das ist ein recht vielversprechender Angriff, da die meisten MINTies nicht viel mit Philosophie am Hut haben, und daher wahrscheinlich überrollt werden.


Josh@_[°|°]_
26.10.2012 1:34
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Bereits 1851 schrieb Arthur Schopenhauer in »Parerga und Paralipomena« — natürlich unter vielen anderen, überaus gescheiten Dingen:

1. Die Barbarei kommt wieder, trotz Eisenbahnen, elektrischen Drähten und Luftballons.

2. Jede menschliche Vollkommenheit ist einem Fehler verwandt, in welchen überzugehen sie droht; jedoch auch umgekehrt, jeder Fehler, einer Vollkommenheit.

3. Das Auge wird durch langes Anstarren eines Gegenstandes stumpf und sieht nichts mehr: Ebenso wird der Intellekt durch fortgesetztes Denken über dieselbe Sache unfähig, mehr davon zu ergrübeln und zu fassen.

Cool, wa? 😉


Herrmann
26.10.2012 8:41
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“Klimawandel (…) Damit das nicht so auffällt wird die ungeliebte Position in die unwissenschaftliche Ecke geschoben.”

Wie soll man sonst damit umgehen?
Um Politik zu legitimieren, werden in der IPCC-nahen Community dicke Dinger verzapft, jenseits allen Bauchgefühls.


Skeptiker
26.10.2012 10:20
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>> da die meisten MINTies nicht viel mit Philosophie am Hut haben

Wie gerade schon sinngemäß in einem anderen Thread gepostet: Rechnen ist Pflichtfach, Denken ist Wahlfach.


Feisse Moudi
26.10.2012 10:40
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@Phil
Kurs läuft ab 1. April! 🙂


Johanna
26.10.2012 11:51
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OFF TOPIC
@Ludi: Dr. Sheldon Cooper tanzt bereits in unserem Universum und ist ein sehr guter Tänzer, schließlich hat er als Kind in Texas den Cotillion über sich ergehen lassen müssen. Aber frage mich bitte niemand nach Staffel und Episode. Die deutsche Synchronfassung ist auf jedenfall unterirdisch mies, was für ein Glück, dass ich online auf den VCR meiner Tochter in den USA zugreifen kann…


Norbert
26.10.2012 11:56
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Und die Kursnummer ist 01.0413


Klar, vom Geisterwissenschaftler zum Bauhelfer. Eigentlich halte ich nichts davon, daß die, die keine Arbeit haben, noch von denen verarscht werden, die ihnen welche zu beschaffen vorgeben. Vielleicht muß ich meine Einstellung angsichts nutzloser Wissenschaft mal ändern und die Verursacher des Scherzes für den Orden, Laterne am Band, vorschlagen.

Carsten

Terroristen schaffen Arbeitsplätze


Ludi
27.10.2012 10:10
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OFF TOPIC
@Johanna: In Staffel 3, Episode 3 findet sich folgender Dialog:

Penny: Morning, Sheldon. Come dance with me.
Sheldon: No.
Penny: Why not?
Sheldon: Penny, while I subscribe to the many worlds theory which posits the existence of an infinite number of Sheldons in an infinite number of universes, I assure you that in none of them am I dancing.

Aber Sie haben recht; ich erinnere mich, daß in einer Folge Sheldon Walzer tanzt, mit dem vorherigen Hinweis auf den Cotillion. Die Serie ist logisch nicht ganz widerspruchsfrei.

Die deutsche Übersetzung finde ich übrigens nicht so schlecht. Das mag aber auch daran liegen, daß ich gesprochenes Englisch nicht gut verstehe.

@Hadmut: Ist der letzte Off-Tonic-Beitrag, versprochen.


Frank
27.10.2012 23:28
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Wissenschaftstheorie sollte eigentlich in der Schule gelehrt werden.

Insbesondere die Grenzen der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen.

Eine Zielsetzung sollte dabei sein, blinde Wissenschaftsgläubigkeit entgegenzuwirken. Wenn immer jemand behauptet, “das ist wissenschaftlich erwiesen”, sollten Schüler dazu erzogen sein, zurückzufragen: “Wo sind die Dokumente?”


Alex
29.10.2012 15:40
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@Frank
“soll blinde Wissenschaftsgläubigkeit entgegenzuwirken”
Das geht doch so einfach nicht.
Die die meisten relevanten Aussagen durch Schlüsse gezogen werden, die viel viel zu komplitziert sind, um sie ‘mal eben so’ nachzuvollziehen, _muss_ man Wissenschaftlern glauben, wenn sie Aussagen über ihr Gebiet ziehen. Es geht nunmal nicht anders.

Im Gegenteil, diese Vorgehensweise jedliche Kritik als gerechtfertigt, wissenschaftlich oder ähnliches zu bezeichnen ist doch gerade was es den Fanatikern ermöglicht salonfähig zu werden (Stichwort “Skeptiker”).

Daher muss man den Schülern beibringen, wie man Kriterien finden kann, wonach man Aussagen welcher Person glauben schenken will (da die Zeit fehlt sie vollständig nachzuvollziehen)
Zum Beispiel sollte es für geistig gesunde klar sein, dass man kaum die These eines Einsturzes von Hochhäusern durch Einwirkung von oben (etwa Flugzeugen) durch einfache Schulphysik (Fallgesetz) widerlegen kann. Daher ist jemand, der den Skeptizismus pflegt, und als Argumente Zweizeiler aufführt einfach nicht Glaubwürdig.

Und ja – Wissenschaftlichkeit bedeutet immer eine Auswahl von Thesen, insbesondere auch die direkte Verwerfung von grobem Unfug. Und in diesem Sinne ist es absolut vernünftig Ideen zu ‘unterdrücken’.
Unwissenschaftliche Ideen haben nunmal nichts in der Wissenschaft zu suchen. Und für diese Vorfilterung muss man nunmal auch der Mehrheit der Wissenschaftler schlicht vertrauen, dafür schicken wir sie in jahrelange Ausbildung.

Kurz: Man muss denke ich noch viel viel stärker dafür plädieren Kinder hin zu “Wissenschaftsgläubigkeit” (also Vertrauen auf Wissenschaftliche Methode und Vertrauen auf Aussagen von Wissenschaftlern über ihr Fachgebiet) zu motivieren – sodass sie gerade nicht auf die vielen Bauernfänger (die sich heutzutage gerne selber Wissenschaftler nennen) hereinfallen.


Michael
31.10.2012 14:52
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Die angebliche Wissenschaftsfeindlichkeit der sog. “Kindergartenbetreuer” (sie heissen Erzieher/innen; ich sage ja auch nicht “Laborleute”) erlebe ich hier in Bremen ganz anders: Da gibt es eine intensive Zusammenarbeit von KiTas (KiTa = Kindertagesstätte) mit z.B. dem “Universum”. Kinder werden i.S. frühkindlicher Bildung altersgemäß an wissenschaftliche Zusammenhänge herangeführt und lernen zu “forschen”. Heraus kommen Kinder, die neugierig sind und Fragen stellen, Zusammenhänge begreifen wollen. Dies betrifft viele Bremer KiTas.
Und natürlich ist es ein Problem, wenn KiTas nur weiblich besetzt sind: Den Kindern fehlen dann männliche Vorbilder, was grade für solche von alleinerziehenden Müttern fatal ist.
Und drittens geht der Trend hin zu mehr Männern in der KiTaerziehung. (“Die Zahl der Männer in deutschen Kitas hat sich seit 1998 zwar auf gut 17.000 verdoppelt, dennoch bilden sie damit nur 3,8 Prozent aller
pädagogischen Fachkräfte.” (Zeit online v. 13.01.2012)
Leider entnehme ich dem Artikel bei aller tendentiell wohl richtigen soziologischen und politischen Analyse eine gewisse Geisteswissenschaftsfeindlichkeit und im Falle der o.a. Kindersituation einen schlecht recherchierten und damit unwissenschaftlichen Kenntnisstand.
Eine schlechte Recherche ist nicht besser als ein Zitat ohne Quellenangabe!
Ich hoffe, das dies nicht auch auf die Wissenschaftsbereiche zutrifft, zu denen ich nichts sagen kann!


Michael
31.10.2012 15:13
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Und noch was: Hehe, bitte nicht so arrogant: “Man könnte die Hypothese aufstellen, dass aufgeklärte, sich auf Forschung und Ingenieurskunst stützende Gesellschaften früher oder später von innen aufgefressen werden, z.B. weil Politiker mit simplen Erklärungen mehr Zugkraft entfalten. Im Sinne dieser These wäre die Entwicklung in den USA (und bald auch bei uns) zwangsläufig. Bis die Unfreiheit zu groß wird und es von vorne losgeht ”
(Blogbeitrag vom “Skeptiker” v. 25.10.2012 12:42)
Nee, ist klar: nur NW ist wirkliche Wissenschaft und gesellschaftstragend! Philosphie und Ethik, Soziologie, Psychologie, alles Mumpitz! Wenns psychische Probleme gibt, lasst mal den Mathematiker ran, der wird´s schon wegrechnen!
In was für einem Glashaus resp. Elfenbeinturm sitzen die denn?
Das mutet gradezu autistisch an. Sorry, ist kein wissenschaftlicher Begriff. Und wo in der Ingenieurskunst kommt die umfassende Begrifflichkeit “Freiheit” vor? Zu blöd, dass ich als GW mich überhaupt einmische.


Phil
1.11.2012 4:59
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> Ingenieurskunst kommt die umfassende Begrifflichkeit “Freiheit” vor? Zu blöd, dass ich als GW mich überhaupt einmische.

Lieber Herr Geisteswissenschaftler, leider hat die aktuelle Forschung gezeigt, dass der freie Wille und somit auch die Illusion der Freiheit nicht existieren. Im Gegenteil, um so mehr man in diese Richtung forscht, um so mehr muss man jede Form von freien Willen in Frage stellen. Was bleibt … nun die pure Empirie … denke ich 😉


Michael
1.11.2012 11:23
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So what?
So, Empirie.
Vorsicht, Glatteis! Ob oder ob nicht definiert doch nicht die Gültigkeit von Wissenschaft und deren Relevanz für gesellschaftliche Entwicklungen.
So, der freie Wille.
Hier, liebe NW, bezieht Ihr Euch auf akademische Forschungen, die sehr interessant sind und die Diskussion voranbringen, sich durchaus empirischer Wissenschaft bedienen (was ja sowohl schlau als auch dienlich ist) und in ihrer Praxisrelevanz hinter die soziale Wirklichkeit zurücktreten: So lange Menschen Ressourcen vorenthalten werden, können wir nicht exakt ermitteln, ob sie eine Wahlfreiheit haben.
Mit der Feststellung eingeschränkten Willens rechtfertigen wir soziale Ungerechtigkeit und sorgen so für Phänomene, wie sie oben beschrieben werden; ich nenne sie “Erziehung zur Dummheit” – siehe die aktuelle Wahlsituation in den USA

Und da es “keine Willensfreireiheit gibt”, erklärt der NW Phänomene wie solidarisches Handeln dann wie eine Massenepilepsie: Gleichschaltung aller Neurone resp. Gehirne?

Nochmal zurück: Ausgangspunkt der Diskussion ist die zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit – und wir streiten uns hier um den ersten Platz?!
Lasst das nur niemanden von DENEN merken – DIE GLAUBEN dann noch, sie haben recht 😎


Michael
2.11.2012 15:14
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Lieber Phil,
ganz so weit sind wir noch nicht: Noch ist die pessimistische These “dass der freie Wille und somit auch die Illusion der Freiheit nicht existieren” umstritten – und das zu recht, und 2. stehe ich auf der Seite der Kritiker.
Meine Kenntnis von und Erfahrung mit der Plastizität des Gehirns sagt mir, dass wir besser und mehr mit dessen genialer Funktionstüchtigkeit rechnen sollten. Die These zementiert auf fatale Weise soziale und ökonomische Ungleichheit – objektiver gesagt “Unterschiede” – und berücksichtigt nicht die Wirklichkeit neuer Entscheidungsfähigkeit des Individuums bei der Bereitstellung neuer Ressourcen und Chancen.
Die Plastizität und Funktionstüchtigkeit des Gehirn hat sich durch die Phylogenese ausreichend und überzeugend bewiesen und widerspricht allen deterministischen Behauptungen.
Anders wären z.B. Traumatisierung und deren Therapie nicht erklärbar.
Insgesamt kann ich den Blog bei allem Ernst der Lage (aktuell: DIe Wahlen in den USA) nur als gutgemeinte Provokation verstehen.


Phil
3.11.2012 16:18
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Welche genialer Funktionstüchtigkeit? Zugegebenermaßen ist das Gehirn eines der komplexesten Organe, welches die Natur hervorgerufen hat, aber die grundlegende Funktionsweise ist schon seit einigen Jahren verstanden.
Das heißt zwar nicht, dass man bereits ein vollständiges menschliches Gehirn mit all seinen komplexes Wechselwirkungen simulieren kann, aber wir sind nicht mehr weit davon entfernt.

Ein Trauma können Sie bereits an einem einfachen, simulieren neuronalen Netz nachvollziehen … oder sie lassen mal eine andere Person ihr persönliches Google Suchprofil “trainieren”.
Ich weiß nicht wie man ein Trauma behandelt, dazu kann ich nichts sagen.

BTW Anpassungsfähigkeit bedeutet nicht, dass etwas nicht deterministisch ist, siehe insbesondere die Chaostheorie für Beispiele wie mit einfachen deterministischen Regeln eine hohe Komplexität und Dynamik erreicht werden kann.