Ansichten eines Informatikers

Antrainierter Additionsreflex

Hadmut
19.1.2012 11:24

Ein Leser schickt mir gerade einen Link über eine verblüffende Beobachtung an den aus dem Matheunterricht so bekannten „Textaufgaben”:

Anscheinend sind viele Leute – hier ging’s um Schüler und die Untersuchung von Schulunterricht, aber bei Erwachsenen habe ich solche Effekte auch schon erlebt – nicht in der Lage, eine Aufgabe zu analysieren, sondern neigen in einer Kurzschluß-Denke dazu, eher so gewohnheitsmäßig dranzugehen. So in der Sichtweise, daß der bewährte Rechenweg, den man meistens braucht, auch hier hilft. Addieren ist immer gut.

Man stellte Kindern also bewußt die völlig bekloppte Frage

Auf einem Schiff befinden sich 26 Schafe und 10 Ziegen. Wie alt ist der Kapitän?

Gut, Witze über den Zusammenhang zwischen Trivialrechenfähigkeiten und Schiffskapitänen sind gerade politically incorrect (man könnte die Aufgabe auch so formulieren: Ein Schiff mit 11 Meter Tiefgang fährt in 9 Meter tiefem Wasser. Wo ist der Kapitän?, aber das ist eine andere Geschichte).

Nein, der wesentliche Punkt ist, daß die allermeisten Kinder einfach angefangen haben zu addieren und meinten, das Alter des Kapitäns ausrechnen zu können. Natürlich 36 Jahre. Weil 26+10=36.

Das geht noch etwas verrückter. Deutsche Schüler fragte man

Ein 27 Jahre alter Hirte hat 25 Schafe und 10 Ziegen. Wie alt ist der Hirte?

Es gibt also gar nichts zu rechnen, die Lösung steht ja schon in der Frage. Trotzdem fingen die an mit den Zahlen herumzurechnen.

Solches wild-drauflos-rechnen habe ich schon mehrfach erlebt. Ich kann mich auch erinnern, das mal irgendwo im Fernsehen gesehen zu haben, wo sie in einer Ulkshow die Leute in der Fußgängerzone fragten, ob 4 von 100 in Prozent umgerechnet 25% wären. Die allermeisten sagten ja. Weil doch 100 / 4 = 25 ist.

Bemerkenswert. Danke für den Link.

Ich habe übrigens den Verdacht, daß Politik häufig so funktioniert – auf Seiten der Politiker und auf Seiten der Wähler.

61 Kommentare (RSS-Feed)

Steffen
19.1.2012 12:40
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Dazu fällt mir sofort eine Geschichte zum Thema Prozentrechnung ein, die mir ganz persönlich passiert ist. Das ist jetzt zwar schon mehr als 15 Jahre her, aber das war so schockierend daß ich mich noch genau erinnere:

Im Studium habe ich mal einen dreimonatigen Sprachkurs an einer Uni in England gebucht. War eine nette Erfahrung, es waren so ca. 200 Leute aus der ganzen Welt da, sämtliche Studiengänge, von Spaniern über Norweger bis hin zu Japanern.

Die Verteilung der Leute auf die einzelnen Klassen hat wohl durch Zufall eine interessante Konstellation ergeben: In meiner Klasse war ich a) einzigster Mann b) einzigster Naturwissenschaftler. Die anderen elf waren alles Frauen mit irgendwas geisteswissenschaftlichem. War für mich als jemand aus einem Studiengang mit massivem Männerüberschuß auch mal eine interessante Konstellation, in vielerlei Hinsicht.

Während einer Kursstunde hatten wir einen populär-psychologischen Text diskutiert. Es ging um irgendeine negative psychologische Reaktion (wenn ich mich richtig erinnere war es krankhafte Eifersucht). In dem Text war nun die Angabe, daß 8% der Männer und 11% der Gesamtbevölkerung zu krankhafter Eifersucht neigen. Die Angabe des weiblichen Anteils fehlte.

Sofort ging bei den Frauen die Lästerei los, daß man hier mal wieder klar sehen würde daß Männer sich nicht im Griff hätten, daß Frauen ja prinzipiell die besseren Menschen seien usw… Ich habe sofort protestiert, und angemerkt daß da ja wohl eindeutig stehen würde, daß mehr Frauen als Männer zu krankhafter Eifersucht neigen würden. Woraufhin mir vorgerechnet wurde: 11% der Bevölkerung minus 8% der Männer = 3% Frauen die zu krankhafter Eifersucht neigen. Ist doch glasklare Mathematik…

Ich habe noch versucht, an der Tafel denen klipp und klar vorzurechnen, daß bei einer Verteilung 50/50 Männer/Frauen in der Bevölkerung nach den vorliegenden Angaben 14% der Frauen krankhaft eifersüchtig seien, aber ich bin komplett gegen eine Wand gelaufen. Eine meinte ganz direkt, daß ich mich wieder hinsetzen solle und nicht so einen Blödsinn erzählen. In der nächsten Stunde als in einem Text wieder eine Zahlenangabe kam, kam dann noch eine schnippische Bemerkung in meine Richtung, ob ich wieder was an der Mathematik auszusetzen habe…


Hadmut
19.1.2012 12:44
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😀


euchrid eucrow
19.1.2012 12:44
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was ist der unterschied zwischen? 😉


dg
19.1.2012 13:34
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Keine wissenschaftliche Studie, aber deutlich aufschlußreicher (v.a. als der Spiegel-Artikel):

http://www.de.ufpe.br/~toom/travel/sweden05/WP-SWEDEN-NEW.pdf

Des Rätsels Lösung wird auf S. 31-32 erklärt. Trotz des Titels geht der Autor durchaus auch auf die europäischen Schulsysteme ein 😉


Jonas
19.1.2012 13:47
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@Steffen

Wow. Erschreckender weise ist das wahrscheinlich weiter verbreitet als man denkt…


Udo
19.1.2012 14:15
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@Steffen

Es gibt kein “einzigst(e/er)”, denn von “einzig” gibt es keine Steigerung!
Da steckt das Wort “Eins” drin und mehr “Eins” als “Eins” geht nicht.

Das heißt du warst der einzige Mann …


Steffen
19.1.2012 14:37
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@Udo: Klar, schon, nur ist Sprache halt keine Mathematik. Von der reinen Grammatik her ist “einzigster” falsch, ist aber inzwischen gang und gäbe. Sprache ist halt etwas fluides was in laufender Änderung begriffen ist.

Das ändert alles nichts daran, daß es nichts darüber zu diskutieren gibt ob es jetzt 3% oder 14% Frauen sind die übersteigert eifersüchtig sind, und daß ein “Subtraktionsreflex” zu einem vollkommen falschen Ergebnis führt was die eigentliche Aussage auf den Kopf stellt, was die Anwesenden aber sofort als ‘richtig’ ansahen und sturköpfig darauf beharrten, weil es in ihre Ideologie reinpasste. Ich sollte noch dazu erwähnen, daß manche der anwesenden Damen sehr zum typischen Unifeminismus neigten, der Mitte der 90er schon in vollem Gange war.

Im Gegensatz dazu die Verwendung von “einziger” oder “einzigster”, was an der Bedeutung der Aussage nicht das geringste ändert.


Udo
19.1.2012 14:59
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@Steffen

An deinen Aussagen habe ich ja auch nichts bemängelt.
Auf deine fehlende Orthopgraphie habe ich nur hingewiesen,
weil mir “einzigste” sehr ins Auge gestochen ist.
Ich empfinde gegenüber diesem Wort eine tiefe Abneigung!
Nach meiner Meinung sehen das viel zu viele Leute so locker, dass
Sprache in ständiger Veränderung ist.
Das führt dann dazu, dass man in Zeitungen regelmäßig Sätze liest
bei denen der Schreiber “dass” und “das” nicht richtig verwenden
kann.


Oppi
19.1.2012 15:03
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“Klar, schon, nur ist Sprache halt keine Mathematik. Von der reinen Grammatik her ist “einzigster” falsch, ist aber inzwischen gang und gäbe. Sprache ist halt etwas fluides was in laufender Änderung begriffen ist.”

Die Ausrede kommt immer wenn Leute ihren persönlichen Slang verteidigen möchten. Nein, es ist nicht gang und gäbe einen Superlativ zu bilden wo es keinen gibt, es ist schlicht und einfach schlechtes Deutsch. Sprache ändert sich nur dann wenn die Sprechenden das möchten. Ich möchte nicht 🙂

“Im Gegensatz dazu die Verwendung von “einziger” oder “einzigster”, was an der Bedeutung der Aussage nicht das geringste ändert.”

Naja, die Änderung fügt eine zweite Bedeutungsebene hinzu, die wahlweise ein Unverständnis oder eine Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Muttersprache offenbart 🙂

Zum Thema : Dass Menschen die a) nicht den allerblassesten Schimmer von Mathematik (und damit meist auch von Aussagenlogik) haben, b) ein Problem damit haben korrigiert zu werden und c) chronisch an kognitiver Dissonanz leiden dazu neigen, einem ständig erklären zu wollen “wie es richtig ist”, obwohl sie das gar nicht wissen, ist ja nun nichts neues, das beobachten wir quasi täglich bei unseren Regierenden. ^^


Steffen
19.1.2012 15:09
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@Udo: Okay, okay. Ich gelobe Besserung. Ich versuche “einzigster” in Zukunft nicht mehr zu verwenden, versprochen!


Hadmut
19.1.2012 15:10
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Nie wiederst…


HF
19.1.2012 17:13
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Diese “Textaufgaben” sind aber auch eine Frechheit.
Der Praxisbezug “Ziegen und Schafe” oder “Hirte” hat mit der Lebenswelt der Schüler gar nichts zu tun, diese Aufgaben stammen aus der Zeit, als der Geissen-Peter im Sommer die Ziegen hüten musste und in den Wintermonaten Lesen und Rechnen lernen sollte.
Abstrakte Mathematik zu lernen – und den Zahlbegriff rechne ich dazu – ist das eine. Früher gab es den Rechendrill, und darin eingebettet eine ganze Menge abstrakter Mathematik. Zehnerpäckchen bilden, die Zahlen und Operationen nicht aussprechen, sondern die Zwischenstufen betonen, Rechenkniffe. Dabei lernt man eine Menge über den eigenen Geist.
Der Anwendungsbezug, und das endet für die meisten bei Preisvergleichen oder Flächenberechnungen, ist etwas anderes.

Leider überwiegen heute – im Zeichen eines krampfhaft herbeigeredeten Praxisbezugs – die starr nach Schema F aufgebauten Textaufgaben. Sie fördern gerade das Schablonendenken, dass im Artikel kritisiert wird.
Und als Abhilfe werden dann “noch mehr Textaufgaben” empfohlen…


Felix aus Frankfurt
19.1.2012 17:42
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Ich gebe zu bedenken (bei meinen Brüdern oft mitbekommen, ich hatte zum Glück “anständige” Mathelehrer), dass “selbstständiges Denken” oft nicht belohnt wird. Meinem Bruder wurde öfter trotz einem korrektem Rechenweg nicht die volle Punktzahl gewährt, weil es einen anderen Weg genommen hat als den im Unterricht eingeübten.

(Wenn ein Schüler die Aufgabe “überlistet”, indem er sich das Leben einfacher macht und nicht dabeistand, dass eine Aufgabe auf eine bestimmte Art und Weise zu lösen ist, hat er alleine für das Durschauen der Aufgabe und die Kreativität die volle Punktzahl verdient.)

Wenn ein Schüler also davon ausgehen MUSS, dass ein bestimmter Rechenweg von ihm verlangt wird, gerade, weil diese Art von Textaufgaben gerade Thema im Unterricht waren, dann bleibt ihm bei bestimmten Mathelehrern gar nicht anderes übrig, als im Zweifel auch offensichtlichen Unsinn zu rechnen, um die volle Punktzahl zu bekommen. Auf einmal zu erwarten, kreativ denken zu dürfen/müssen, wo es sonst für kreative Lösungen eins auf den Deckel gibt, ist unfair.

Meiner Meinung nach also mindestens genauso ein Problem der Lehrer oder der generellen Aufgabengestaltung wie ein Problem der Schüler.


ck
19.1.2012 17:43
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Eine Freundin von mir ist Lehrerin an einer Berufsschule und unterrichtet dort Mathematik. Erschreckend viele ihrer Schüler sind bei Textaufgaben damit aus dem Konzept zu bringen, dass man einfach eine Jahreszahl im Aufgabentext unterbringt (“Im Jahr 2008…”).


Felix aus Frankfurt
19.1.2012 17:48
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Beispiel für “kreatives Lösen”:

Aufgabe: Finde die Nustellen der Funktion x^2 + 3x + 2.

Mein Bruder hat “gesehen” bzw. geschickt geraten, dass die Nullstellen bei x=-1 und X=-2 sind. Wenn er durch einsetzen also zeigt, dass die Funktion an den Stellen den Wert 0 annimmt und er gleichzeitig betont, dass bei einer quadratischen Funktion maximal 2 Nullstellen existieren, ist das eine völlig korrekte Lösung.

Nur die halbe Punktzahl, weil das im Unterricht anders eingeübt war.


Hadmut
19.1.2012 18:15
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@Felix: Dafür hätte er bei mir nicht mal die halbe Punktzahl bekommen. Denn „hinsehen” und raten/ausprobieren ist überhaupt kein Lösungsweg. Da fehlt die Systematik und die Wiederverwendbarkeit. Mach aus der + 2 mal eine + 2.345 und schon sieht er alt aus. Und in einer Matheaufgabe ist auch nicht die zahlenmäßige Lösung, sondern die Systematik gefragt. Habt Ihr aber anscheinend beide nicht verstanden. Insofern ist er mit der halben Punktzahl noch gut bedient.


MarkusK
19.1.2012 18:20
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@alle
einziger vs. einzigster

Die deutsche Sprache ist freeware, d.h. jeder darf sie benutzen.
Sie ist aber nicht opensource, d.h. du darfst sie nicht verändern.
😉


Felix aus Frankfurt
19.1.2012 18:25
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@Hadmut: Lösung ist Lösung. Und ein “Beweis” durch einsetzen ist ein Beweis.

Für die “blöde” Aufgabenstellung kann doch der SChüler nix! Soll der Lehrer halt “bessere” Zahlen nehmen.


Hadmut
19.1.2012 19:02
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@Felix: Und das ist genau der Denkfehler. Es geht ja nicht darum, in einem Beispielfall richtige Ergebnisse zu finden, die mal so zufällig vom Himmel fallen, und dann deren Richtigkeit zu beweisen. So jemanden würde ich auch nicht einstellen. Es geht ja nicht drum, den magischen Blick zu entwickeln, sondern systematisch rechnen zu können.

Stell Dir mal vor, man ersetzt die Zahlen durch allgemeine Platzhalter. Oder Variablen in einem Programm. Und dann? Der, der die Ergebnisse durch Hingucken findet, und seien sie noch so richtig, hat einfach die Prüfungsleistung nicht erbracht, nämlich nachzuweisen, daß man zu einem gegebenen Parametersatz systematisch die Lösung findet. Völlig richtig, daß es dafür höchstens die halbe Punktzahl gibt. Die Aufgabe nämlich nicht gelöst. Es ist eine Wissens- und keine Rechenaufgabe.

@Stefan H: Kombinatorik. Wenn die Männer 50% der Bevölkerung ausmachen und 8 % der Männer eine Eigenschaft X haben, dann sind 0,50 * 0,08 = 0,04 = 4% der Bevölkerung männlich und haben die Eigenschaft X. Wenn aber insgesamt 11% der Bevölkerung die Eigenschaft X hat, dann muss die Differenz, nämlich 7%, folglich weiblich sein. Also sind 7% der Bevölkerung weiblich und haben die Eigenschaft X. Da 50% der Bevölkerung weiblich ist, müssen folglich 14% der Frauen die Eigenschaft X haben.

Du kannst nicht einfach 11-8 rechnen, weil das keine absoluten Zahlen, sondern relative Anteile (Prozent) sind. Die 11 bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung, die 8 auf die Männer, also eine andere Bezugsgröße. Du kannst auch nicht Euro von Dollar oder Zentimeter von Zoll durch einfaches subtrahieren der Zahlen abziehen, ohne die Werte vorher auf eine gemeinsame „Währung” skaliert zu haben. Um Subtrahieren zu können, mußt Du die 8% und die 11% erst auf eine gemeinsame Bezugsmenge umrechnen. Da man hier das Ergebnis noch nicht kennt, kann man nicht 11% auf Männer, sondern muß umgekehrt 8% auf die Gesamtbevölkerung umrechnen. Habe ich oben getan. 8% der Männer hat X heißt bei 50% männlicher Bevölkerung umgerechnet, daß eben 4% der Gesamtbevölkerung männlich und X ist. Und dann kann man subtrahieren (11-4 = 7% ist weiblich und X) und das dann wieder auf die Teilgruppe der weiblichen Bevölkerung umrechnen.


Stefan H
19.1.2012 18:33
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@Steffen

ich gehöre hier wohl zu der Gruppe die 11-8 rechnen würden…

Wärst du wohl so freundlich und würdest mir/uns das hier vorrechnen, stehe grad ziemlich auf der Leitung?


Tjark
19.1.2012 19:06
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@Stefan H
11 % der Gesamtbevölkerung sind krankhaft eifersüchtig
8 % der Männer sind es
Angenommen, wir haben 50% Männer und 50% Frauen:
0,08*0,5 = 0,04, die eifersüchtigen Männer sind also 4% der Gesamtbevölkerung. Bleiben noch 11-4=7% über. Diese 7 % sind alle Frauen, muss also verdoppelt werden, weil die Frauen die Hälfte der Gesamtbevölkerung sind: 14 % der Frauen sind krankhaft eifersüchtig.


Alex
19.1.2012 20:03
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Ich denke in erster Linie zeigen die sinnlosen Aufgaben, dass gelernt wurde sinnlose Aufgaben irgendwie zu beantworten – weil ja auch der Lösungsweg Punkte geben kann.
Daher würde wohl selbst ein Schüler, der erkennt dass die Aufgabe sinnlos ist, eine (sinnlose) Lösung angeben in der Hoffnung, eben noch Punkte zu bekommen.

Und ich denke nicht, dass man von einem Grundschüler die Eier erwarten kann, dass er sich hinstellt und sagt: diese Aufgabe ist sinnlos, also nicht lösbar.

Erinnert mich an den Witz:
Studenten verschiedener Fachrichtung bekommen als Aufgabenstellung ein Telefonbuch auswendig zu lernen.
Der Mathematiker antwortet: Zahlen ohne erkennbaren Zusammenhang sind offensichtlich Definitionen, und Definitionen ohne Aussagen sind sinnlos.
Der Physiker antwortet: Zahlen ohne Versuchsbeschreibung sind wertlos.
Der Mediziner antwortet: Bis wann?


Robert
19.1.2012 20:07
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@Hadmut:
Darum geht es doch gar nicht. Die Aufgabenstellung, die Felix genannt hat, lautete: “*Finde* die Nullstellen von …”.

Wie der Schüler das erreicht, ist dann ihm überlassen. Er hätte sich sogar streng genommen den Beweis sparen können. Niemand streitet ab, dass das dreist ist und den gewünschten Lernerfolg gar nicht wiederspiegelt, aber es ist nach wie vor eine korrekte Lösung.

Und da gerade du dich mit Prüfungsrecht so gut auskennst müsstest du wissen, dass ihm dann nicht einfach Punkte abgezogen werden dürfen. (Oder war das so eine Juristen-Spezial-Phrase? Korrigiere mich, wenn ich falsch liege.)


Hadmut
19.1.2012 20:14
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@Robert: Quatsch!

Erstens gilt das Prüfungsrecht an Schulen so nicht, weil es dort einen weiten pädagogischen Spielraum gibt.

Zweitens dienen Prüfungen dazu festzustellen, ob der Prüfling eine Fähigkeit erlernt hat. Und nicht ob er das Ergebnis weiß.

Es wird Dich verblüffen, aber es kommt im Prüfungsrecht eben gar nicht so darauf an, ob das Ergebnis überhaupt stimmt. Auch ein falsches Ergebnis muß sogar als richtig gewertet werden, wenn nur irgendwo eine Kleinigkeit falsch ist, aber der Prüfling zeigt, daß er folgerichtig gedacht und gearbeitet hat. Prüfungsrechtliches Stichwort dazu: „Folgerichtige Leistung nach falscher Weichenstellung”. Der Prüfer muß also nachvollziehen können, ob der Prüfling in folgerichtiger Weise zum Ergebnis kommt, nicht ob das Ergebnis gerade richtig oder falsch ist. Ein im Prinzip richtiger Rechenweg mit irgendeinem Rechenfehler drin ist also hoch zu bewerten. Ein richtiges und sogar bewiesenes Ergebnis, bei dem nicht erkennbar ist, wie der Prüfling dazu kommt ist also gerade wegen des Prüfungsrechts niedrig zu bewerten.

Sinn und Zweck der Aufgabe ist zu zeigen, daß der Schüler verstanden hat, wie man so eine Gleichung in eine binomische Darstellung umformt und auflöst. Und diese Fähigkeit hat er nicht nachvollziehbar vorgeführt. Also handelt der Lehrer völlig korrekt wenn er ihm nur wenige Punkte gibt. Wer da volle/hohe Punktzahl gibt, hat seinen Job als Lehrer nicht verstanden.


Alex
19.1.2012 20:20
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@Nullstellen Diskussion.

Die Aufgabe “Bestimme die Nullstellen der Parabel a,b,c” ist klar formuliert. Es werden die Nullstellen gefragt.
Wenn die Parabel mit konkreten Zahlen gegeben ist, und jemand die konkreten Zahlen errät, und nachweist, dass sie auch wirklich korrekt sind, dann hat er die Aufgabe Vollständig gelöst und verdient daher die vollen Punkte.
Wenn man Prüfen will, ob jemand das System verstanden hat, dann kann man ihm die Parabel mit krummen Zahlen, oder als Parameterschar stellen.

P.S das Ausrechnen mittels Lösungsformel zeigt keinen Deut mehr Verständnis als das glückliche erraten von Lösungen.


Hadmut
19.1.2012 20:33
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@Alex: Es wird keinen Deut richtiger, indem es jetzt zum dritten Mal wiederholt wird. Du kapierst es einfach nicht. Es ist völlig nutzlos in einer Endlosschleife mit Dir kommentar-ping-pong zu spielen. Und der Fall interessiert mich persönlich überhaupt nicht. Ich bin auch nicht die Telefonseelsorge. Deshalb beende ich diese bescheuert Diskussion.

P.S.: Es geht nicht um Verständnis. Es geht um Befähigung. Wer die Ergebnisse mit der Lösungsformel ausrechnet hat gezeigt, daß er das mit beliebigen Zahlen kann, auch wenn er es nicht verstanden hat. Wer die Zahlen dagegen errät, hat nur demonstriert, daß er es nur in einfachen offensichtlichen Fällen kann – mehr hat er nicht gezeigt. Und weil es dann noch Leute wie Dich gibt, die das partout nicht kapieren wollen, gibt es schlechte Noten, die man selbigen dann verpaßt.

Führ die weitere Diskussion mit irgendwem, den es interessiert. Ich bin nicht daran interessiert, das mit Dir durch endloses wiederholen auszustreiten.


Haxe
19.1.2012 20:56
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Ähm, euch ist hoffentlich klar, dass die oben genannte quadratische Funktion überhaupt keine (rellen) Nullstellen hat, oder? Also schon gar nicht die genannten -1 und -2.


Hadmut
19.1.2012 21:05
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@Haxe: Freilich hat die Nullstellen. Guck mal den Graph bei Google.

(-1)^2 + 3*-1 + 2 = 1 – 3 + 2 = 0

(-2)^2 + 3*-2 + 2 = 4 – 6 + 2 = 0

Warum sollen das keine Nullstellen sein?


Chris
19.1.2012 21:37
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@Hadmut: Wenn du solche Anforderungen an die Schüler stellst, würdest du aber wahrscheinlich die Aufgabe auch so stellen, dass man sie nicht mit „raten“ lösen kann.


Hadmut
19.1.2012 21:42
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@Chris: Nicht unbedingt. Vielleicht will man ja gerade wissen, ob sie auch dann die Disziplin haben, wenn es leicht aussieht. Außerdem soll es ja leicht sein, das kontrollzurechnen.

„Raten” hat meines Erachtens in überhaupt keiner Matheprüfung etwas zu suchen. Und wenn ein Schüler meint, er könnte sich Punkte abholen indem er demonstrativ (arrogant?) rät, als habe er es nicht nötig, sorgfältig zu arbeiten (das sind dann meistens die, die sich einbilden, super gut zu sein, es aber nicht sind, und dann so etwa im zweiten Semester abstürzen), der hat dann auch Mathematik nicht verstanden. (Von wegen Verständnis…) So Leute sind in beruflicher Hinsicht auch ziemlich unbrauchbar, weil man sich auf sie nicht verlassen kann. Die neigen dann zum Halodritum.


scanner
19.1.2012 23:39
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@Udo um 14:15:
“mehr “Eins” als “Eins” geht nicht”
ich würde sagen das geht ganz leicht: mehr eins als eins ist zwei.


Mattes
19.1.2012 23:51
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Um auf deinen Eingangs post zurück zu kommen: Solche Aufgaben heißen in der Didaktik “Kapitänsaufgaben” und dienen zur “Anwesenheitskontrolle” der Schüler. 😉


Hanz Moser
20.1.2012 1:38
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Ich hätte mich bei der Matheaufgabe auch beim Lehrer beschwert. Die Frage ist klar, es wird nur das Ergebnis abgefragt.
Vielleicht hatte ich aber einfach nur bessere Lehrer. Bei Aufgaben mit offenbar einfachen Lösungen stand dabei, dass der Lösungsweg bewertet wird, wenn es nicht generell im Kopf der Klausur stand, wie meistens.

Da zeigt sich vielleicht die sprachliche Unfähigkeit des Lehrers, der nicht benennen kann, was er will, und auf implizites Verständnis hofft. Ob man Kindern so beibringen kann, auf formale Dinge zu achten, gerade in einem Fach, bei dem formale Korrektheit eine so hohe Rolle spielt?
Die pädagogische Freiheit scheint mir, so ganz ohne den Kontext, was vorher evtl. der Klasse gesagt wurde, eher eine faule Ausrede, weil jemand nicht gefragt hat, was er wissen wollte.

Einer meiner Mathelehrer hatte als Spezialität auch immer 1-2 Bonusaufgaben, die auf dem “normalen” Weg sehr schwer zu lösen waren und bei denen man den richtigen Denkansatz finden musste. Die waren aber auch entsprechend gekennzeichnet.

Und mir fällt da auch noch ein Schwank aus der Grundschule ein. Es gab auf diese Frage nur eine einzige richtige Antwort in der Klassenarbeit, und es haben sich einige Eltern mit dem Lehrer in Verbindung gesetzt, weil sie fest davon überzeugt waren, dass die Antwort des Sprößlings doch richtig gewesen sei.
Hans zersägt ein 1m langes Brett vier mal, in gleich lange Teile. Wie lang ist jedes Teil?


Hadmut
20.1.2012 2:00
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Also bei uns war das so, daß solche „Lösungen” mit der Anmerkung „vHg” abgelehnt wurden. vHg steht für „vom Himmel gefallen”. Deshalb gab es das in der Schule, in der ich war, normalerweise auch nicht, daß man einfach so ein Ergebnis hinschreibt. Das war dann auch allen klar, daß das nicht das ist, was verlangt war. Und an der Uni wurde sowas auch nicht akzeptiert.

Insofern fehlt mir sowieso das Verständnis für die blödsinnige Diskussion, warum man für eine Lösung ohne Lösungsweg volle Punkte haben will. Diese Erwartungshaltung hatten wir damals erst gar nicht. Dafür offenbar besseren Unterricht.


HF
20.1.2012 8:58
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Hinter dem vHg steht immer der Verdacht, dass vom Nachbarn abgeschrieben wurde. Ein Beweis durch Einsetzen ist nur mathematisch korrekt, nicht im Klassenzimmer.


yasar
20.1.2012 9:06
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@Hans Moser

199,20 mm


Christian
20.1.2012 9:28
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Ich erinnere mich an eine Textaufgabe aus der Grundschule: Auf einer Übungsseite zur Addition kam eine Textaufgabe, wo gefragt wurde, ob ein schwerer Gegenstand durch Aneinanderknoten von mehreren Seilen aus einem Brunnen gehoben werden könnte. Die Tragkraft der Seile war angegeben und eins hatte definitiv zu wenig, also war die Antwort nein.

Ich traute mich aber nicht, diese Antwort aufzuschreiben. (Es war eine Hausaufgabe) Ich hatte echte Angst, dass es Ärger gäbe, wenn ich nicht rechne sondern einfach von vorneherein sage, dass es nicht geht. Ich überlegte sicher eine Viertelstunde lang, was ich tun sollte, ob der Verfasser des Buches einen Fehler gemacht hätte, denn die Aufgabe war ja bei den Additionsübungen. Ich kam einfach nicht auf den Gedanken, dass ein Schulbuch mit Absicht solche Fangfragen beinhalten könnte. Schließlich rechnete ich die Gesamtlänge aus, damit mir keiner Faulheit nachsagen könnte und schrieb, dass obwohl die Gesamtlänge der Seile ausreichen würde, die Tragkraft nicht reichen würde.

Am nächsten Tag wurde die Aufgabe besprochen. Die meisten meiner Mitschüler hatten einfach “nein” geschrieben (ein paar Nasen hatten auch “ja”, aber die gibt’s immer). Aber ich war offenbar der einzige, der sich wegen der Unsicherheit über die Erwartungshaltung des Lehrers solche Gedanken gemacht hatte.


yasar
20.1.2012 9:47
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@Diskussion ob Lösungsweg oder nicht:

Vermutlich sind das angehende Juristen, die sich an den Buchstaben der Aufgabe festhalten, anstelle dem Beabsichtigten, nämlich nachzuprüfen, ob der Schüler die Methode verstanden hat. So nachlässig werden dann hinterher auch die Gestze gemacht. Man formuliert irgendetwas, was so klingt, wie das was man haben möchte und hinterher gibt es Probleme weil man das nicht genau genug formuliert hat.

Klar der Lehrer muß sich auch an die eigene Nase fassen lassen, daß er das nicht genau genug formuliert hat, was in einem Fach wie Mathematik schon sinnvoll wäre. Aber das hindert ihn nicht dran, die Benotung trotzdem so vorzunehmen, wie er es für sinnvoll erachtet.

Allerdings ist der Schüler vermutlich selbtständiges Denken nicht gewöhnt. Sonst müßte er im Unterricht schon gemerkt haben, worauf der Lehrer wert legt. Es kann mir keiner erzählen, daß Schüler der Sekundarstufe nicht innerhalb der ersten zwei Wochen im Schuljahr einen neunen Lehrer nicht einordnen können. zur Not läuft das über Kontakte mit den höheren Klassenstufen, die enstprechend die “kleinen” informieren.

Auch bei uns war damals die überprüfung des Rechenweges wichtig, Auch wenn die “richtigen” lösungen offensichtlich waren. das war ein Goodie vom Lehrer, damit die Schüler recht einfach sahen, ob sie den Lösungsweg richtig nachvollzogen haben. -> Krumme Zahlen -> Rechenfehler. Selbst wenn der Lehrer das nicht explizit hingeschrieben hat, war allen klar, daß der Lösungsweg das wichtige war. Interessant war es dann immer, wenn man einen anderen Lösungsweg genommen hat, als einem der Lehrer beigebracht hat.


Michael
20.1.2012 10:35
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Bei uns (damals in grauer Vorzeit vor ~30-40 Jahren) sagte jeder Mathelehrer, dass, wie oben von Hadmut beschrieben, der Rechenweg entscheidend ist und bewertet wird und nicht (nur) das reine Ergebnis insbesondere aus einem einfachen Grund: Des öfteren fällt das einzelne Ergebnis ohne Rechenweg nicht vom Himmel, sondern rutscht vom Nachbarn rüber 😉 (Natürlich kann auch ein Rechenweg über den Nachbarn kommen). Und selbst wenn der Schüler vorher/hinterher zeigen konnte, dass er den Rechenweg beherrschte, konnte er keine Punkte nachfordern, Zitat Lehrer: “Ich kann nicht in dein Hirn schauen, wenn Du Deine Gedanken also nicht hinschreibst, bekommst Du auch keine Punkte dafür!”

@Kapitänsaufgabe:
Die haben wir etwas abgewandelt schon damals als Juxaufgabe verwendet. Allerdings wurde sie nur mündlich gestellt, was das Ganze etwas erschwerte:

“Stell Dir vor, Du bist der Käpitän auf einem Schiff. Das Schiff ist 10m lang und 3m breit. Es hat einen Tiefgang von 1m … (wurde nach Belieben ausgebaut). Wie alt ist der Kapitän?”

Die meisten allerdings rechneten nicht, sondern sagten, das könne man nicht berechnen/wissen und waren ziemlich verwundert, wenn man behauptet hat, dass man das sogar ziemlich genau sagen könne …
Nur geschätzte 1% kamen auf Anhieb drauf.


Hadmut
20.1.2012 11:30
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@Michael: Ist ein Gag, aber deshalb noch nicht richtig. Wenn es mit „Stell Dir vor…” anfängt, heißt das schon a priori, daß es nicht mit der Realität übereinstimmt. Wenn Du das zu einem Kind sagst, heißt das dann, daß der Kapitän – trotz 6-jähriger Berufsausbildung – erst 5 Jahre alt ist?

Das sind so bauernschlaue aber nicht wirklich schlaue Fragen.


lerad
20.1.2012 11:05
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@Hanz Moser:
“Hans zersägt ein 1m langes Brett vier mal, in gleich lange Teile. Wie lang ist jedes Teil?”

Wenn er an der Längsseite des Brettes entlang sägt: 1m


Alex
20.1.2012 11:46
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@yasar
Vermutlich sind das Juristen, die etwas schlampig stellen, und dann erwarten, dass es irgendwie interpretiert wird.

Insbesondere ist Dein Argument für deine Vermutung falsch.

Und in meinem Fall ist Deine Vermutung auch falsch.

Möglicherweise neigen aber Informatiker eher dazu einem Rechenweg (also Algorithmus) mehr Bedeutung beizumessen, als anderen Vorgehensweisen.

Immerhin eine interessante Beobachtung, dass man zwar gerne nix von Lehrern hält, dann aber nichtmal bei einer so einfachen Frage wie der nach der Bewertung einer einfachen Aufgabe sich auf eine klare Linie einigen kann.


Hadmut
20.1.2012 11:53
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@Alex: Klar, alle sind doof und liegen falsch, Du bist der einzige, der Recht hat….

Schon mal die Variante in Erwägung gezogen, daß Dein Bruder einfach wirklich zu doof ist zu kapieren,worum es in der Aufgabe geht? Wenn man nämlich drauf rumreitet, daß der Lehrer die Aufgabe so absolut wasserdicht unmißverständlich formulieren muß, daß wirklich jede Auslegung versperrt ist, dann heißt das irgendwo nämlich auch, daß Dein Bruder nicht in der Lage ist, selbständig zu erfassen, was Sache ist.

Halten wir fest: Dein Bruder hielt sich bei der Nullstellenaufgabe für besonders schlau, meinte zeigen zu müssen, daß er so schlau ist, daß er das direkt sieht, wurde aber vom Lehrer – zu Recht – auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, nämlich daß er eigentlich eine Pfeife ist, weil er zwar Trivial-Nullstellen „sieht”, dafür aber den Sinn und Zweck einer Mathearbeit nicht kapiert, und deshalb zu Recht ne schlechte Note bekommt, weil er einfach zu doof und zu überheblich ist, eine Aufgabe richtig zu bearbeiten.

Und Du fängst jetzt hier rundum mit jedem Streit an, weil Du partout nicht akzeptieren willst, daß Dein Bruder ne überhebliche eingebildete Dumpfbacke ist und glaubt, er hätte es nicht nötig, einen Rechenweg hinzuschreiben.

Oder gibt’s den Bruder gar nicht? War das nur so ne Stellvertreterfrage?


Udo
20.1.2012 12:35
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@scanner

»Mehr “eins” als “eins” geht nicht.«
Die Semantik des Satzes ist, dass man in Richtung der “eins” will und dabei aber bereits bei der “eins” steht.
Du verstehst das: »Mehr als “eins” geht nicht.«


Michael
20.1.2012 14:25
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@Hadmut: “Wenn Du das zu einem Kind sagst, heißt das dann, daß der Kapitän – trotz 6-jähriger Berufsausbildung – erst 5 Jahre alt ist? …”
Naja, es geht m.M. nach aber weder um eine benötigte Berufsausbildung oder dass womöglich in juristischem Sinne ein Minderjähriger kein Verantwortlicher und damit auch kein Kapitän auf einem Schiff sein kann. Bei diesen Aufgaben und auch der Untersuchung ist doch der Hintergrund, dass viele die Aufgabenstellung eben nicht oder nur teilweise erfassen (Aufmerksamkeit) und deshalb vorschnell irgend etwas berechnen oder in Beziehung setzen, was nicht zusammen gehört, weil sie nicht richtig lesen oder zuhören. Dabei spielt die ‘allumfassende’ Realität ausserhalb der Aufgabe nur eine untergeordnete Rolle (fehlende Berufsausbildung eines Kindes etc.).

Selbstverständlich könnte ein Kind mit dieser Realität argumentieren um dann zu dem richtigen Schluss zu kommen: “Ich kann diese Frage aufgrund der fehlenden Info nicht beantworten!”

Aber ich behaupte mal, dass Erwachsene trotz evtl. sonstigen realistischen, richtigen Voraussetzungen zu einem hohen Prozentsatz auch falsch antworten, weil sie oft genauso schlampig die Aufgabenstellung erfassen oder die Beantwortung aufgrund ihrer Vermutung “was will er hören?” oder der Überlegung “wie krieg ich am wenigsten Ärger?” angehen ohne Rücksicht auf die Fakten.


Hadmut
20.1.2012 14:32
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Die Frage ist halt, wo die sinnvolle Aufgabe mit Lerneffekt aufhört und wann die Rätselfrage mit alleinigem Selbstzweck anfängt.


John
21.1.2012 3:04
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Ich hätte ein paar Fragen zu der von Steffen (9.1.2012 12:40) in diesem Kommentar-Thread berichteten Situation:
”Während einer Kursstunde hatten wir einen populär-psychologischen Text diskutiert. Es ging um irgendeine negative psychologische Reaktion (wenn ich mich richtig erinnere war es krankhafte Eifersucht). In dem Text war nun die Angabe, daß 8% der Männer und 11% der Gesamtbevölkerung zu krankhafter Eifersucht neigen. Die Angabe des weiblichen Anteils fehlte.”

@Steffen:
Wurde der Anteil von Frauen an der Gesamtbevölkerung angegeben? Ein Land und/oder eine Jahreszahl? War es eine Studie? Wenn ja, wurde die Teilnehmerzahl angegeben?

Hast du den Text vielleicht noch? Könntest du Ihn eventuell organisieren?


jemand
21.1.2012 8:21
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>Vermutlich sind das angehende Juristen,
>die sich an den Buchstaben der Aufgabe festhalten,
>anstelle dem Beabsichtigten, nämlich nachzuprüfen,
>ob der Schüler die Methode verstanden hat.

Wenn die Bearbeitungszeit begrenzt ist, ist es schon wichtig, keine Zeit mit “vergolden” zu verschwenden. Bei uns gab es da entsprechende Konventionen: “Nenne” hieß nur Ergebnis, “Bestimme” hieß Rechenweg und Ergebnis (letzteres mit kleinem Wertungsgewicht).

Nun stellt sich also die Frage, welchen pädagogischen Sinn es haben kann, irgendwo nur das Ergebnis wissen zu wollen. Andererseits kam auch schon das Argument, dass – sinngemäß – “niemand erzählen könne, sich nicht auf einen Lehrer einstellen zu können”. Und wenn dieser Lehrer z.B. eine pädagogische Nullstelle ist, muss sich der Schüler wählen zwischen einer möglichst guten Note (durch sparen von Zeit für andere Aufgaben) und damit möglicherweise besseren Studiumsmöglichkeiten im Hinblick auf NC, oder dem Lernen fürs Leben (durch die Angabe des Lösungswegs) unter einer Stresssituation (denn den Rechenweg könnte er ja später auch im ersten Fall nochmal in Ruhe berechnen).

Bei uns gab es die Egebnis-Nenn-Aufgaben meist in der Funktion von Kontroll-Fragen. D.h.: dort wo andere Lehrer mit krummen Zahlen arbeiten um auf einen falschen Rechenweg hinzuweisen, gab es bei uns solche Ergebnis-Nenn-Fragen, wo man anhand des Ergebnisses sehen bzw. stutzig werden konnte, wenn man falsch lag. Also quasi eine Art von Probe – die aber nicht direkt auf die zu prüfende Aufgabenstellung geht, sondern auf Umwegen andere Nebeneigenschaften aufgreift (wir hatten meist aufeinander aufbauende Aufgaben). Das systematische Ermitteln einer Nullstelle wäre dann in dem Fall an anderer Stelle geprüft worden – z.B. auch in einer früheren Arbeit. Ziel war es damit, nicht immer wieder dasselbe zu überprüfen, sondern die Komplexität zu steigern. Das Ergebnis einer Division hätte dann z.B. durchaus vom Himmel fallen können – trotzdem kann man ja da mal nachfragen, weil es sonst möglicherweise gar nicht erst berechnet worden wäre (und dadurch irgendwas auffallen würde – zb eine Division durch 0 oder so).

Das geht auch in die Richtung mit den grafischen Taschenrechnern: hier gab es ja die Diskussion, dass man ja dann Nullstellen usw. sich direkt ausrechnen lassen kann. Das finde ich nicht schlimm: dann muss man eben komplexere Aufgaben stellen, so dass die Bestimmung der Nullstellen mit der Bedeutung einer Multiplikation/Division gleichkommt. Und sowas wurde bei uns dann auch gemacht.


nuit
21.1.2012 9:41
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Ich wollte eigentlich nur reinwerfen, dass bei Polynomen hoeherer Ordnung ein “glueckliches” Raten einer oder mehrerer Nullstellen normal ist und auch so in den Schulen gelehrt wird.
Wenn dies also in einer Aufgabe funktioniert und der Schueler sein vorgehen begruendet und auch so hinschreibt, ist das in meinen Augen vollkommen legitim.
also ein : f(1) = …, f(2) = 0 //hurray found it oder so 🙂
Sollten aber einfach Zahlen auftauchen, dann gibt es verstaendlicherweise Punktabzug, weil kein Nachweis erbracht wurde, woher die Zahlen stammen. Das ist an der Uni aber auch nicht anders!

Bei Kapitaensaufgabe geht es meiner Ansicht nach eher darum, dass die Schueler texte ordentlich loesen und nicht Blind drauflosrechnen.
Ich kenne einige Leute, die in ihrer Schulzeit, wie auch spaeter im Studium fehlen gemacht haben, weil sie Texte nicht ordentlich gelesen haben. Das ist ein viel groesseres Problem als falsches Rechnern.
Man wird gezwungen einen Text genau durchzulesen und zu ueberlegen bevor man eine Annahme macht.


Maximilian
21.1.2012 11:58
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Hallo @alle,
Zur Nullstellendiskussion: Der Operator „Finde“ sagt eigentlich ganz klar, dass man auch durch Probieren auf die Lösung kommen kann. Wichtig ist, dass man hinschreibt Gleichung=0, auf dieses =0 gibt es den Punkt.

Ich habe ein Beispiel zu dem Problem: Letztens sollten wir in Algebra irgendeinen Flächeninhalt zwischen Vektoren ausrechnen. Im Internet hatten sich dann ganz viele das Kreuzprodukt angeguckt, mit dem das ganz flink ginge, aber da wir das noch nicht im Unterricht durchgenommen hatten, hat der Lehrer gesagt, dass wir das nicht benutzen dürfen. Damit war die Sache geklärt.

Ich finde aber eine Sache wirklich paradox.
Im Ausgansartikel war davon die Rede, dass die Kinder einfach die Rechenoperatoren, die im Unterricht behandelt wurden, anwenden ohne nachzudenken und bei der zweiten Diskussion heißt es dann: Ja na man muss das so machen, wie im Unterricht behandelt und Nachdenken darf man nicht, weil die Wahrscheinlichkeit, dass das das ist, was der Lehrer will, sinkt. Sehe ich da jetzt was falsch?


Hadmut
21.1.2012 12:07
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@Maximilian: Quatsch! Ein Operator sagt nur dann etwas ganz klar, wenn er so explizit definiert wurde. Er ist nicht einfach deshalb klar, weil es Dir gerade so in den Kram paßt.

Es ist auch nicht so – wie manche das hier meinen – daß der Schüler da zum ersten Mal an so eine Aufgabe kommt und die deshalb auslegen kann, wie er es sprachlich gerade verstehen will, denn die Klassenarbeit entsteht ja nicht aus dem Nichts.

Da wurde vorher Unterricht gehalten und gelehrt, wie man die Nullstellen in solchen Polynomen findet. Und damit heißt „finde” ganz klar, mach es so, wie es im Unterricht gelehrt wurde.

Diese ganze Auffassung, daß man die Klassenarbeit völlig isoliert vom Unterricht betrachten und dann „finde” gerade so auslegen kann, wie man gerade Lust hat, ist unglaublich bescheuert. Leute, die das so sehen wollen, haben einfach nicht kapiert worum es geht.

Die Aufgabe heißt ja auch nicht, daß man nicht denken soll. Die Aufgabe heißt, etwas zu denken und es dann nachvollziehbar hinzuschreiben, was und wie man gedacht hat, damit der Lehrer sehen kann, daß man gedacht hat.

Und wenn Du den Unterschied zwischen „nicht denken” und „nicht hinschreiben” nicht kapiert hast, dann solltest Du eigentlich die letzten 2-3 Schuljahre Mathe nochmal wiederholen. Man muß beides machen. In der Kapitätsaufgabe haben die Kinder nicht gedacht. Bei der Nullstellenaufgabe weiß man nicht, ob und was der Schüler gedacht hat, weil der Idiot es nicht hingeschrieben hat. Deshalb kann man es nicht bewerten. Das ist was anderes, führt aber ebenfalls zur schlechten Note.


Maximilian
21.1.2012 15:55
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Hallo,
ich kann meine Operatorentabelle leider gerade nicht finden. Gehen wir einfach davon aus, dass der Lehrer (sagen wir, wie auch die anderen 1000 Male davor) möchte, dass das Ergebnis ausgerechnet wird.

Zu deinem dritten Absatz:
Richtig, man sollte das so machen, wie man das gelernt hat. Bei so einer einfachen Funktion wie x²-2x=0 ist es aber legitim, dass dann da einfach zu “sehen” (Mensch, benutzt meine Mathelehrerin dieses Wort oft).
Der Lösungsweg sieht folgendermaßen aus:
x²-2x=0 //Ok, jetzt weiß der Lehrer, was ich machen will 1p
2²-2*2=0 // 1p
0=0 //Wahre Aussage –> x01=2 dafür auch nen Punkt
usw.

Jetzt haben wir eine Logikkette mit Lösungsweg und wir haben nicht abgeschrieben sondern hatten einfach eine gute Idee.

Analog die Punkte halt für die Lösungsformel. Lasse ich das Einsetzen weg und schreibe nur das Ergebnis, gilt die Regel, dass der Lehrer ja gar nicht weiß, was ich gedacht habe und dementsprechend bekommt man einen Punkt weniger.

Fall A: Mein Lehrer will, dass ich immer die Lösungsformel benutze: Ich darf nur mit Lösungsformel rechnen. Das gilt aber nicht so ultimativ, wie du das sagst.

Fall B: Diese Regel gibt es nicht. (In meinem Unterricht wird auch immer vom Lehrer der Tipp gegeben, dass man sich doch viel zeit und Arbeit im Abi sparen kann, wenn man Trick 17 anwendet. Ist jetzt ein Postulat von mir aber ich mache gerade Abi und meine Lehrer sagen alle, dass, solange die naturwissenschaftliche/mathematische richtigkeit gewahrt bleibt, dass im Abi auch zählt und so gemacht werden soll.)

Ich gebe dir Recht, dass in der 8/9 Klasse, wenn Potenzfunktionen gelehrt werden, die Intention den Lehrers natürlich die ist, zu sehen, ob der Schüler die mathematischen Regeln anwenden kann (Ist halt jetzt in der Sek2 nicht mehr so, da haben wir diese CAS-Rechner, die eh alles lösen können).
Aber wenn die Aufgabe nunmal so gestellt ist, dann muss der Lehrer eben auch die Punkte dafür geben. Mein Verständniss von Gerechtigkeit. Die Klassenarbeit besteht ja auch noch aus den Aufgaben 1.1.2 bis 3.3.16, in denen man bestimmt noch zur Genüge unter Beweis stellen darf, dass man die Lösungsformel auswendig gelernt hat. Und man hat halt nun das Dilemma, wenn da so einer kommt, wie in dem Beispiel oben mit Gauss, der zwar genial ist aber es trotzdem falsch macht.

Naja so genau kennt hier jetzt niemand die genauen Umstände was solls.
Absolut Richtig/Falsch würde ich einfach nicht sagen.


anonym
21.1.2012 22:19
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@Mattes: Wenn der Kapitän das Schiff gegen den Felsen fährt, war er anwesend?


jbs
23.1.2012 15:08
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Mein Gott, ich hatte mir eine interessante Diskussion erhofft, als ich die Anzahl der Beiträge und das Thema sah. Aber was kam? Herumgereiterei auf einer Nichtigkeit.
Ich finde es schon hart von Dir, Hadmut, dem Kind Fäule und Dummheit zu unterstellen und daraus zu schließen, dass er später im Job nix taugen wird. Manchmal sind es aber doch diese, die das offensichtliche sehen, benennen und sich nicht in irgendwelchen Formalitäten verstricken.

Was bei der Diskussion gar nicht beachtet wird, ist der Schüler. Was wir wollen ist doch, dass er Mathe versteht und durchdringt und es ihm nicht antrainiert wird. Auch das stumpfe Auswendiglernen von Formeln und Rechenwegen hilft doch nicht weiter. Die Kinder müssen ein Gefühl für das Problem entwickeln und sich dann überlegen, wie man es löst.
Klar, so ein Denken liegt nicht jedem, aber es ist auch nicht überall wichtig. Wir sollten trotzdem aufhören den Kindern abstrakte Dinge beizubringen, zu denen sie keinen Bezug herstellen können.
Ich finde der Lehrer hat in der Situation genau richtig gehandelt. Teilpunkte für die Lösung. Aber er ist in der Verantwortung, dem Schüler klar zu machen, was wichtig ist. Und da will ich nichts von unterstellten Arroganz hören!
Ich will nicht Schüler, noch Kind bei einem von euch sein. Ihr reitet auf Formalitäten rum und verliert dabei den Fokus ums Wesentliche.

Ich bin kein Fan vom Versuch alles zu Vergleichen und messbar zu machen. Es führt nur dazu, dass ein gewissen Wissen zu einem Zeitpunkt vorhanden sein muss. Ob der Schüler es wirklich verstanden hat, spielt keine Rolle. Ziel ist es die Performance zu liefern, um in vergleichen besser abzuschneiden.
Mir ist natürlich bewusst, dass man vergleichen können muss, aber doch nicht mit solch einer Versessenheit, als könne man anhand der Noten wirklich beurteilen, was jemand im Stande ist zu leisten und wo seine Stärken und Schwächen liegen.

Ich hatte eigentlich gehofft, es würde hier über bessere Methoden diskutiert, als um Kleinigkeiten der Punktevergabe.


Hadmut
23.1.2012 15:39
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@jbs: Du versuchst hier einen Widerspruch zu konstruieren, wo keiner ist.

Wenn man es den Leuten abnimmt, daß sie einfach ein Ergebnis hinschreiben ohne zu erklären, wie sie dazu kommen, lernen die keine Mathematik. Höchstens etwas Kopfrechnen. Wenn man mal etwas heftiger Mathe studiert (z. B. in einem Mathe- oder Informatik-Studium), dann merkt man sehr schnell, daß man mit solcher Methodik nicht weit kommt, und daß auch Leute mit solcher Methodik nicht weit kommen. Mit sowas kann man an der Schule angeben und so manchen Mathelehrer beeindrucken, aber in der beruflichen Realität ist sowas ziemlich nutzlos. Mathe hat sehr viel mehr mit Disziplin und exaktem Arbeiten als mit „Hingucken” zu tun. Ich habe so viele Leute erlebt, die von der Schule kamen und sich unheimlich gut vorkamen, weil sie die Ergebnisse mal eben so hinwerfen können und meinen, sie hätten das gar nicht nötig (oder würden damit besonders beeindruckend wirken), wenn sie nur das Ergebnis hinschreiben. Die fallen ziemlich schnell ziemlich tief. Und die meisten von den Leuten kommen auch nicht durchs Studium.

Ich bin seit über 10 Jahren in der Industrie im Sicherheitsbereich tätig, und da gibt es unglaubliche Probleme in der Sicherheit und der Wartbarkeit von Software, weil zu viele Leute einfach irgendwas hinschreiben, was man hinterher nicht nachvollziehen kann. Solche Leute verursachen damit weitaus mehr Schaden als sie nutzen, und ich habe auch schon Abteilungsleitern empfohlen, Leute rauszuschmeißen, wenn die nicht endlich mal lernten, sauberen, nachvollziehbaren, lesbaren und damit auch wartbaren und nachprüfbaren Code zu schreiben. Viele Leute (Du anscheinend eingeschlossen) kapieren einfach nicht, daß die Nachvollziehbarkeit mindestens so wichtig ist wie das Ergebnis. Zumal die Leute erstens nicht in der Lage sind, etwas algorithmisch zu formulieren, und zweitens dann schon scheitern, wenn die Gleichung mal x^2 + 3.753x-847.4342 = 0 lautet. Oder einfach x^2 + bx + c = 0. In der Realität kommen nämlich Polynome mit schönen glatten einfachen Zahlen eher selten vor.

Und wenn Du das für eine „Formalität” hältst, dann hast Du das nicht verstanden. Das Problem sind nicht die, die Formalitäten fordern, sondern die, die es für eine Formalität halten. Davon ganz abgesehen ist Mathematik einfach etwas hochformales und beruht auf sauberem Beweisen. Im Informatik-Studium wird in den Mathevorlesungen fast gar nichts mehr zahlenmäßig ausgerechnet sondern fast nur noch exakt und sauber bewiesen. Weil es das ist, worauf es ankommt.

Aufhören den Kindern abstrakte Dinge beizubringen? Erstens hat das hiermit nichts zu tun, zweitens ist es Unsinn. Die sollen lernen, was man in technischen Berufen braucht. Und dazu gehört die Fähigkeit, ein quadratisches Polynom aufzulösen, auch wenn die Zahlen krumm oder nur als Platzhalter gegeben sind.

Und wenn der Junge zwar Nullstellen sehen, aber ein charakterliches Problem damit hat, den Lösungsweg hinzuschreiben (und trotzdem volle Punktzahl erwartet), dann ist es Sinn und Zweck einer schlechten Note ihm klarzumachen, daß er nicht so gut in Mathe ist, wie er sich das einbildet, und ihn mal auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, bevor er dann im Studium mit Schaden abstürzt. Eine schlechte Note spielt hinterher keine Rolle. Ein versiebtes Studium schon.

Würde der Lehrer dem hinterher dafür eine gute Note geben, würde der Schüler auch noch bestätigt und glauben, daß er gut und solches Auftreten richtig ist. Und dann im Studium nur umso mehr auf die Schnauze fliegen.

Ich weiß nicht, welchen Beruf und welche Ausbildung Du hast. Aber in den technischen Berufen, in denen es auf höhere Mathematik ankommt, ist sauberes und nachvollziehbares Arbeiten weitaus wichtiger, als Nullstellen zu „sehen”. Und das ist Dir offenbar nicht klar, weshalb Du das als Formalie abtust. Hier geht’s aber nicht um Kopfrechnen.


jbs
23.1.2012 16:50
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Hallo Hadmut, du hast offenbar meinen Kommentar missverstanden. Und ich finde es unschön, dass du mich persönlich angreifst. Ich bin in großen Teilen voll bei dir.

Aber…

Zunächst verwechselst du meiner Meinung nach Schule mit Universität; Auflösung von quadratischen Gleichungen ist Stoff der Mittelstufe. Und ich glaube, dass es in diesem Alter die Aufgabe des Lehrers ist, ein richtiges Bild von Mathe zu verschaffen und den Schüler konstruktiv auf Irrwege hinzuweisen. Und nicht durch Autorität und schlechte Noten so etwas abzustrafen. Es ist dann die Aufgabe des Lehrers dem Schüler zu erklären, warum er nicht die volle Punktzahl bekommen hat.
Wieso unterstellst Du eigentlich eine solche Bösartigkeit?

Ich habe mich nicht generell gegen Formalitäten ausgesprochen, wie du mir das unterstellst. Ich bin großer Anhänger von Nachvollziehbarkeit und Dokumentaion, aber ich störe mich, wenn diese gerade durch Formalitäten beeinträchtigt wird.

In der Oberstufe habe ich mich deutlich daran gestört, dass viele so an Mathe herangegangen sind, wie du das beschreibst. Aber ich danke dir für deine Sorge, ich könnte die Mathematik im meinem Studium nicht ernst genug nehmen.

Ich komme mit deiner Kritik überein, was die Oberstufe und das Studium angeht. Aber man sollte andere Maßstäbe an die Mittelstufe anlegen und es wollen nicht später alle im Securitybereich arbeiten.


Hadmut
23.1.2012 17:11
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@jbs: Ich habe den Kommentar inhaltlich nicht als Zustimmung empfunden. Das mag an ganz unterschiedlichen fachlichen Ansichten liegen, weshalb ich etwas nicht als Zustimmung ansehe, was Du für Zustimmung hältst.

Daß der Lehrer dem Schüler nicht erklärt hätte (oder der Schüler nicht wüßte), warum er nicht die Punkte bekommt, stand hier bisher nicht zur Debatte. Daß die Punkte wegen des Fehlens des Rechenweges nicht gegeben wurden, ist doch klar.

Ich vermag aus Deinem neuen Kommentar nicht zu entnehmen, was Du eigentlich willst. Du willst nicht gegen meine Meinung, aber auch nicht für meine Meinung sein.

Und Mathematik sollte man in der Mittelstufe anders betreiben als in der Oberstufe? Dann wäre die Mittelstufe aber eine lausige Vorbereitung auf die Oberstufe.

Und soweit ich mich erinnern kann, war bei uns damals auch in der Mittelstufe schon das nachvollziehbare Rechnen und das Beweisen gefordert.

„richtiges Bild von Mathe zu verschaffen”: Eben. Vom Himmel gefallene Zahlen hinzuschreiben ist kein richtiges Bild von Mathe. Also handelt der Lehrer richtig.


quarc
23.1.2012 21:38
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> Bei der Nullstellenaufgabe weiß man nicht, ob und was der Schüler gedacht
> hat, weil der Idiot es nicht hingeschrieben hat. Deshalb kann man es
> nicht bewerten.

Das halte ich für den wesentlichen Punkt. Bei einer solchen Aufgabenstellung
hätte ich kein Problem, auch für die beiden erratenen Nullstellen noch Punkte
zu vergeben, wenn derjenige sagt, dass er dies durch Einsetzen herausbekommen
hat.

Natürlich kenne ich im obigen Beispiel weder die konkrete Begründung für die
Punktevergabe noch das zu überprüfende Lernziel; letzteres brauchte z.B. gar
nicht eine Lösungsformel gewesen sein (deren Bedeutung meist überschätzt wird),
sondern etwa die Umformung des Polynoms in Scheitelform vermöge quadratischer
Ergänzung und nachfolgende Faktorisierung,

x^2 + 3x + 2 = (x + 3/2)^2 – 1/4 = (x + 1)(x + 2)

was hier sowieso kaum mehr Aufwand erfordert als explizites Ausprobieren durch
Einsetzen. Sowohl quadratische Ergänzung als auch die binomischen Formeln sind
ja auch Schulstoff.

Das Beispiel zeigt wieder einmal, dass man sich auch bei der Formulierung von
Prüfungsaufgaben ein wenig Mühe geben sollte. Ich vermute, dass die Lehrkraft
einfach schnell ein quadratisches Polynom mit zwei vorgegebenen (möglichst
einfachen) Nullstellen haben wollte und einfach (x+1)(x+2) genommen hat, ohne
zu bedenken, dass gerade solche Nullstellen besonders leicht zu erraten sind:
hat ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten den Leitkoeffizient 1, dann
sind dessen rationale Nullstellen notwendigerweise ganzzahlig und Teiler des
konstanten Gliedes. Obiges Polynom schreit also geradezu danach, erst einmal
1,-1,2,-2 als Kandidaten auszuprobieren (das hier z.B. 3 die Summe und 2 das
Produkt der beiden Nullstellen ist, ist übrigens auch Schulstoff).

Wenn man so etwas ausschließen will, kann man

– Polynome wählen, deren rationale Nullstellen weniger offensichtlich sind,
z.B. x^2 + 10x + 24

– Polynome ohne rationale Nullstellen wählen, z.B. x^2 + 3x – 6
(per Eisenstein)

– das Lernziel explizit einbauen, z.B. über einen Aufgabenteil in dem man
nach der Scheitelform von x^2 + 3x + 2 fragt.

– die Aufgabe mit Ungleichungen statt Gleichungen stellen, so dass erraten der
Nullstellen nicht reicht, z.B. “bestimme die Punkte an denen $x^2 + 3x + 2$
positiv ist”.

All das sollte ein Mathematiklehrer eigentlich kennen.


Flo
24.1.2012 13:51
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Hallo zusammen,

grade im Spiegel erschienen, beschreibt dieser Artikel ziemlich gut, was hier nicht auf den Punkt gebracht wird:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,807016,00.html

Bei der hier angeregten “Nullstellendiskussion” geht es nicht in erster Linie darum, ob der Prüfling gezeigt hat, dass er einen Lösungsweg gelernt hat, sondern darum, dass Mathematik gänzlich falsch verstanden wird.
Hadmut, du hast in gewisser Weise recht, wenn du sagst, dass das Prüfungsrecht einen nachvollziehbaren und vergleichbaren Lösungsweg fordert. Allerdings stimme ich nicht damit überein, dass dieser bei egal welcher Formulierung und nur, weil er als Lernziel gilt, als optimaler Lösungsweg gehandhabt werden darf.
quarc hat da ein paar sehr treffende Worte und Formulierungen zu gebracht. Wenn wirklich explizit ein Lernziel überprüft werden soll, dann muss auch entsprechend danach gefragt werden. Wenn es nur darum geht, dass eine Lösung “gefunden” werden soll, dann ist der Weg doch vollkommen egal. Aber dazu lest bitte o.g. Artikel. Wie gesagt, finde ich den sehr treffend.

Viele Grüße


Hadmut
24.1.2012 14:46
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@Flo: Ich habe nie behauptet, daß das der optimale Weg ist und als einziger richtig wäre. Wäre auch prüfungsrechtlich unzulässig.

Der Punkt ist aber – wie Du anerkennst – daß der Schüler nicht nach Zahlenergebnissen, sondern nach einem nachvollziehbarem Lösungsweg gefragt wird, und dazu exemplarisch einen beigebracht bekommt, den er zumindest mal hinschreiben kann, wenn ihm sonst nichts einfällt. Wenn er einen anderen genialen Weg hat – schön. Aber wie soll man das erkennen, wenn er nur die Zahlen hinschreibt? Dann hat man ja nichts davon.

Selbst wenn der Weg egal ist – kann man ihn immer noch (und gerade dann) hinschreiben. Es ist etwas völlig anderes, ob ich jemandem einen Weg vorschreibe, oder ob ich verlange, daß der sagt, welchen Weg er gegangen ist. Bitte das doch endlich mal auseinanderhalten.

Nebenbemerkung: Zur Lösung quadratischer Polynome gibt’s nicht so viele Wege. Die Umformung in eine binomische Darstellung ist eigentlich schon die einfachste und schnellste. Irgendwelche genialen Abkürzungen wird es da kaum geben.


Uwe
4.2.2012 17:47
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Es gibt zu dem Thema sogar einen kleinen Wikipediabeitrag
http://de.wikipedia.org/wiki/Kapit%C3%A4nssyndrom