Ansichten eines Informatikers

Mal bei Freunden übernachten oder sich Geld leihen…

Hadmut
6.1.2012 13:07

Seit der Vergebungsbettelei unseres „Bundespräsidenten” Wulff liegt mir ein Blog-Kommentar auf der Zunge, im Sinn, aber ich habe noch über die Formulierung gegrübelt. Ja, ich gestehe, auch ich habe schon bei Freunden übernachtet und mir von Freunden Geld geliehen.

Hin und wieder übernachte ich „kostenlos” bei Freunden. Das sieht dann so aus, daß ich mit meinem Feldbett und dem Schlafsack anrücke und dann bei denen im Keller oder im Arbeitszimmer mal pennen kann. Ich zahle zwar dafür dann keine 150 Euro, wie es die ZDF-Moderatorin Bettina Schausten von sich behauptete, aber meistens bringe ich dann was zum Essen mit, oder lade zum Essen oder zu irgendwas anderem ein oder revanchiere mich durch Gegenübernachtung.

Und ja, ich habe mir auch schon von Freunden und Kollegen Geld geliehen. Wenn ich wieder mal vergessen habe, am Geldautomaten aufzutanken, und der Hosentaschenbestand nicht mehr für’s Mittagessen oder ne Ortsfahrkarte gereicht hat, hab ich mir schon dann und wann mal 20 Euro „bis morgen” ausgeliehen. Und mich auf gleiche Weise revanchiert.

Wenn mir nun aber ein Bundespräsident daherkommt und mir einen erzählt, daß es doch völlig normal und schön ist, sich mal eben günstig und ohne Sicherheit 500.000 Euro zu leihen, man Flugreisen gesponsort bekommt oder in Millionärsvillen urlaubt, dann komme ich mir – man entschuldige den Ausdruck, aber alles andere würde der Sache nicht gerecht – präsidial verarscht vor. So wie ich mir von unserer Obrigkeit überhaupt immer öfter verarscht vorkomme. Wir driften immer mehr in eine Politik ab, in der das, was man von sich gibt, nicht mehr plausibel, glaubwürdig, nachvollziehbar, überprüfbar ist, sondern in nur noch dem Wortlaut nach Phrasen abgeliefert werden, die nicht mal mehr vordergründig glaubwürdig sind.

Das mag damit zusammenhängen, daß wir in einer Medien- und Rechtsgesellschaft leben, wo es schon lange keinen mehr interessiert, was es eigentlich bedeutet und wie glaubwürdig es ist, was man sagt, sondern wo es nur noch um das wortwörtliche Zitieren und Angreifen geht, und wo es im Gegenzug auch nicht mehr um das Überzeugen, sondern über das nicht angriffsfähig-zitierbare Formulieren geht. So kommt mir übrigens Angela Merkel penetrant vor, bei der habe ich auch den Eindruck, daß sie dauern nur schöne Sätze aufsagt, um nicht im direkten Zitat angreifbar zu sein, das aber alles hohl und semantisch bedeutungslos ist.

Ich hab jedenfalls so überlegt, wie man die Sache mit dem Geldleihen und der Übernachtung pointiert aufgreifen kann. Nichts gegen meinen Freundeskreis. Ich habe prima Freunde. Aber keiner von denen würde mir 500.000 leihen oder eine Woche Luxusvilla spendieren, weil keiner von denen das selbst hat.

Wir haben zwar in Deutschland jede Menge Millionäre und auch einige Milliardäre. Aber aus irgendwelchen Gründen sind die bisher noch nicht bei mir vorbeigekommen um mein Freund zu werden und mich einzuladen. Die umgeben sich normalerweise nicht einfach so mit „normalen” Leuten, sondern suchen in der Regel, was man so als „strategische Freundschaft” bezeichnen könnte.

Wenn mir also ein Christian Wulff weismachen will, das wäre so ganz private Freundschaften, das hätte überhaupt nichts damit zu tun, daß er Ministerpräsident war bzw. Bundespräsident und Politiker ist, dann komme ich mir verarscht vor. Warum sollte jemand wie Wulff, der ja außer seiner Politikertätigkeit eine ziemlich farblose Persönlichkeit ist, offenbar nicht reich, aus – wie man sagt – kleinen Verhältnissen, also eigentlich ein nicht erwähnenswerter Durchschnittsbürger, den ich mir seinem Auftreten nach eher als Kleinkundenberater in einer Dorfsparkasse oder Teppichverkäufer vorstellen könnte, so viele Millionärsfreunde anziehen, wenn nicht aufgrund seiner politischen Tätigkeit?

Bei der Überlegung, wie man das und das blöde Geschwafel drumherum („Wollten Sie in einem Land leben…”) herausarbeitet, ist mir jemand zuvorgekommen. Siehe die Karrikatur von Klaus Stuttmann, der dann eigentlich auch nichts mehr hinzuzufügen ist.

Außer natürlich, daß ich übrigens auch nicht in einem Land leben möchte, in dem man sich nicht mal eben 500.000 leihen und in der Villa wohnen kann. Ich suche übrigens gerade einen günstigen Kredit für ne schöne Stadtwohnung und ne flotte Urlaubsreise mit kostenlosem Upgrade auf Business-Class-Flug wäre auch nicht schlecht. Millionäre und Milliardäre finden meine Kontaktdaten im Impressum. 😀

6 Kommentare (RSS-Feed)

Michael
6.1.2012 13:19
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Hadmut, sei Dir gewiss, Dein Finanzamt wird rasch den Zinssatz des Kredits wissen wollen und bei unüblich niedrigem Zins den geldwerten Vorteil versteuern.


anonym
6.1.2012 14:08
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@Michael: Versteuern als was? Schenkung?


yasar
6.1.2012 16:35
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Also hadmut: Sollt eich mir jemals eine Luxusvilla leisten können, bist Du herzlich eingeladen.

Ich habe mir übrigens schon ernsthaft überlegt, ob bei der BW-Bank anfrage, ob die mir nicht auch mal einen besonders zinsgünstigen Kredit geben könnten, mit dem ich meinen bisherigen Hypothekenkredit ablösen könnte.


Michael
6.1.2012 18:46
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@anonym: üblicherweise wird der “geldwerte Vorteil” dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet. Versteuert wird also zum individuellen Spitzensteuersatz.


Werner
6.1.2012 21:44
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@Hadmut: “Kleinkundenberater in einer Dorfsparkasse oder Teppichverkäufer”
Als Kleinkundenberater meinetwegen, da könnte (könnte!) er noch reüssieren. Als Teppichverkäufer geht gar nicht, die kommen immer sehr glaubwürdig rüber. Oder bist Du noch nie einem Teppichverkäufer begegnet? Ich meine jetzt so Klinkenputzer oder solche die in Mittelmeercafés ihre Kundschaft suchen. Nicht daß die glaubwürdig wären, aber sie strahlen wenigstens Glaubwürdigkeit aus. Da fehlt unserem Noch-BP einiges. A propos “noch”, wer sich nicht sicher ist in dieser schnellebigen Zeit:
http://istchristianwulffnochimamt.de/


FF
7.1.2012 9:51
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Ja, ich muß sagen, das ist mit die größte Frechheit. Wie uns dieser Typ kackdreist veralbert und uns seine spendablen Millionärsfreunde als “völlig normal” verkaufen will.

“Strategische Freundschaften” ist da genau das richtige Wort. Immerhin wäre es einem wie Maschmeyer 1998 fast gelungen, sich nicht nur die Dienste des kommenden (Schröder), sondern auch die des vermutlich übernächsten Bundeskanzlers (Wulff) zu versichern. Daß der dann “nur” Minister- und immerhin Bundespräsident geworden ist – ja mei.

Da fehlt sowieso noch die Aufarbeitung des Niedersachsen-Kartells. Das stinkt doch alles zum Himmel. Hartzgesetze, Riesterrente – damit hat doch eine bestimmte Klientel aberwitzige Summen verdient.