Ansichten eines Informatikers

“Pilotierung von De-Mail erfolgreich beendet”

Hadmut
3.4.2010 16:23

Ein paar kritische Anmerkungen.

Das BMI hat eine Pressemeldung herausgegeben, wonach die Pilotierung von De-Mail in Friedrichshafen erfolgreich beendet worden sei. Daran kommt mir einiges faul vor.

  • Normalerweise verfolge ich die Presse und die IT-Szene ganz gut. Aber von diesem Pilotprojekt oder Test in Friedrichshafen habe ich eigentlich gar nichts gelesen oder gehört. Es kommt mir seltsam vor, wenn man bei einem solchen Projekt nichts hört außer daß es beendet worden sei.
  • Die Schlagzeile des BMI ist sprachlicher Unfug (obwohl vermutlich nicht so gemeint). Wenn eine Pilotierung – so das BMI – erfolgreich beendet worden ist, dann war nicht die Pilotierung erfolgreich, sondern deren beenden. Wenn der Pfarrer einen erfolgreich beerdigt, dann war die Beerdigung gut und nicht das Leben des Verblichenen. Es hätte sowas wie „Pilotierung war erfolgreich und wurde wie geplant beendet” heißen müssen. Zugegeben, die BMI-Formulierung ist flüssiger und prägnanter, aber da muß man schon sehr aufpassen, was die wie formulieren.
  • Nehmen wir mal an, sie wollten zumindest sagen, daß die Pilotierung erfolgreich war.

    Erfolgreich worin? Daß es nach 6 Monaten März ist? Wenn mir einer einen Erfolg verkaufen will und so überhaupt nicht dazusagt, worin dieser Erfolg denn bestehen soll, oder anders gesagt, worin sich der Unterschied zwischen Erfolg und Mißerfolg manifestieren würde, dann fühle ich mich angeschwindelt. Das kommt mir so vor, als wäre das Wort „Erfolg” schon von Anfang an in den Kalender eingetragen worden.

  • Sie geben an, daß schon 812 Einwohner über eine De-Mail-Adresse verfügen und damit 2,75% der Bevölkerung. 812 E-Mail-Adressen. Wahnsinn! Mancher ordinäre Firmenmailserver hat mehr.

    Würde sich Erfolg nicht eher an der Zahl der E-Mails festmachen lassen? Aus der Pressemeldung geht nicht hervor, ob diese 812 Benutzer das System wenigstens einmal benutzt haben. Und meistens läufts ja dann doch so, daß man das zwei oder dreimal ausprobiert und dann vergißt und nie wieder anschaut. Warum nennen sie nicht die Zahl der Mails?

    Davon ganz abgesehen: Sie rechnen das so linear auf Deutschland hoch. Mag sein, daß die Zahl der Adressen/Benutzer bei deutschlandweitem Einsatz linear steigt, die Anzahl der Mails dürfte aber eher überlinear bis quadratisch steigen. Es ist ein Riesenunterschied, ob gerade mal 812 Leute ein Mailsystem benutzen oder 2% der Deutschen.

    Außerdem halte ich 2,75% der Bevölkerung nicht gerade für so einen tollen Erfolg.

  • Besonders aufpassen muß man, wenn Sicherheitsprodukte in Abwesenheit von Angreifern getestet werden. Mir graust es immer vor den Leuten, die behaupten, daß ein Sicherheitsprodukt funktioniert und sich bewährt hat, wenn in Abwesenheit eines Angreifers und unter kooperierenden Parteien überhaupt funktioniert (also man es überhaupt benutzen kann, nicht ob es sicher ist).
  • Und dann steht da ja noch immer das Problem im Raum, daß es keine sichere kryptographische Zustellung geben kann. Das Problem lösen sie dadurch, daß es gar nicht mehr auf die Zustellung an den Bürger ankommen soll, sondern man an einen künstlichen Empfangsbevöllmächtigten (Provider) zustellt und der Bürger dann selbst sehen muß, wie er daran kommt. Der Provider wird damit der Universalbevollmächtigte der Bevölkerung. Die Zustellung wird zur Holschuld.

    Ich halte das für unvertretbar. Das BMI hält es für „erfolgreich”.