Ansichten eines Informatikers

Über den Marktwert von Geisteswissenschaftlern und ihren Abschlüssen

Hadmut
14.3.2018 22:02

Wären deren Fakultäten seriöse Firmen, hätten sie längst den Geschäftsbetrieb eingestellt oder Insolvenz angemeldet.

Der SPIEGEL sorgt sich um seinesgleichen und titelt So finden Geisteswissenschaftler einen Job:

Sie sind Geisteswissenschaftler und kennen den Vorbehalt, dass Sie für alle möglichen Jobs geeignet seien – aber für keinen so richtig? […]

Wer durch das Treppenhaus der Philosophischen Fakultät an der Uni Erlangen geht, kommt an einer Pinnwand mit einem gelben Schild vorbei. “Später mal Taxifahrer” steht darauf. Aufgehängt haben es Politikstudenten. Sie greifen damit ein Dilemma auf, in dem viele Geisteswissenschaftler stecken: Sie können mit ihrem Studiengang beruflich alles Mögliche machen – wissen aber oft nicht, was.

Das ist halbwegs richtig, das kann ich – in gewissen Grenzen – bestätigen: Mit Geisteswissenschaften kann man alles Mögliche machen. Nun, nicht alles, aber einiges.

Der Haken daran: Es ist nicht wesentlich mehr, als man auch ohne ein Studium machen könnte, in manchen Fächern sogar weniger.

Gerade bei Soziologen stellt sich der Eindruck, dass es sich nicht um ein Studium, sondern um masturbative Verhärtung des Weltbildes und Antrainieren von Ignoranz und Kampfrhetorik geht, und nie um die Frage, ob man sich selbst ernähren kann:

Allerdings hat sich wahrscheinlich schon so mancher Soziologie-Absolvent nach der zehnten erfolglosen Bewerbung gefragt, wo man die entsprechenden Jobs denn finden solle.

Gemäß der Statistik lautet die Antwort: eher nicht im Fachbereich, den man studiert hat. Zwar ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter Geisteswissenschaftlern in den vergangenen Jahren gestiegen und die Arbeitslosenquote gesunken. Die meisten Absolventen sind allerdings in fachfremden Branchen beschäftigt. Laut Daten des Mikrozensus von 2015 arbeiteten zum Beispiel weniger als zehn Prozent der Sozialwissenschaftler im engeren Sinne in ihrem Fachgebiet.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Weniger als zehn Prozent der Sozialwissenschaftler arbeiten in ihrem Fachgebiet im engeren Sinne.

Da muss man sich dann mal die Frage stellen, ob das überhaupt ein Studium, das Erlernen von Fähigkeiten ist. Sie sehen das so:

“Es gibt Schwerpunkte, wo sich Geisteswissenschaftler tummeln”, sagt Maria Kräuter, die vor einigen Jahren für das Institut für Arbeitsmarktforschung in Nürnberg das Thema untersucht hat. Das seien unter anderem der Medien- und Kulturbereich, Personalabteilungen, Verbände und Beratungs- oder Coachingstellen. Viele machen sich auch selbstständig.

Den Begriff des Generalisten findet Kräuter, die mittlerweile als Beraterin und Coach arbeitet, allerdings problematisch. “Geisteswissenschaftler haben viele Fähigkeiten, und zwar nicht nur Soft Skills, sondern echte Skills. ”

Welche, außer Schwafeln, wären das, so in dieser Generalität gesprochen? Wobei Schwafeln nicht mal zählt, denn das ist Soft Skill. Wo sind die echten?

So sieht das auch Mareike Menne, Beraterin und Buchautorin: “Die Idee, Geisteswissenschaftler seien Generalisten, entstand vermutlich aus der Not heraus, definieren zu müssen, worin die Transferfähigkeit geisteswissenschaftlicher Studiengänge liegt.”

Wenn man nicht sagen kann, was man kann und wofür man gut ist, dann sagt man, dass man irgendwie alles kann, Generalist sei. Generalist ist man nämlich vorher schon, nach dem Abitur. Die nennen das Allgemeine Hochschulreife. Und nach dem Studium ist man es immer noch, wenn das Studium am Zustand nichts geändert hat.

Geisteswissenschaftler brächten einige Fähigkeiten mit, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind: “Sie können sich schnell in neue Themengebiete einarbeiten und gut recherchieren”, sagt Wenzl.

Heißt, sie sind geübt darin, sich zu jedem Thema Wikipedia-Artikel zu suchen und zu googeln?

Ich habe in den letzten Jahren eine ganze Menge Geisteswissenschaftler erlebt, die nicht mehr konnten als zu googeln und bei Wikipedia abzuschreiben. Ich habe mal eine Jungjournalisten erlebt, die noch damit kokettierte und damit angab, sich für modern hielt, dass sie eigentlich nur noch schreibt, was andere ihr zutwittern. Sie bräuchte gar keine andere Recherche als Twitter zu lauschen. Sie konnte auch nichts anderes.

In ihrem Studium lernten sie, komplexe Fragestellungen zu bearbeiten, kreativ und diszipliniert zu sein – und zwar oft mehr als Studenten aus Fachrichtungen, in denen Stundenpläne und Inhalte stärker vorgegeben sind. “Unternehmen wollen und brauchen solche Leute”, ist auch Beraterin Menne überzeugt.

Wie bitte!?

Komplexe Fragestellungen? Kreativ und diszipliniert? Geisteswissenschaftler? Mehr als Stundenten anderer Fachrichtungen? Weil deren Stundenpläne und Inhalte stärker vorgegeben wären? Haben die noch alle Kirschen auf der Torte?

Diszipliniert? Schaut einfach mal, wie die Räume und das so um die Häuser herum bei MINT-Fächern und bei Geisteswissenschaftlern aussehen. Da wisst Ihr dann, wer da die Waldmenschen und Höhlenbewohner sind.

Inhalte vorgegeben? Nee. Wir, die MINT-ler, wir haben Inhalte. Deshalb ist das bei uns so, dass wir nach dem Studium mehr können als vorher, nämlich ungefähr diese Inhalte, und deshalb sind wir dann keine Generalisten, sondern machen das, was wir gelernt haben. Die Humboldt-Universität konnte mir zu Gender Studies in der Auskunftsklage gar keine Inhalte beschreiben. Wozu studiert man 10, 15, 20 Semester, wenn es doch gar keine Inhalte gibt?

Kreativ? Naja, erfinderisch sind sie beide. Die MINT-Fächer haben Strom, Luft- und Raumfahrt, Computer und sowas erfunden. Geisteswissenschaftler erfinden Zeitungsartikel, Gender-Pay-Gaps und sowas.

Wessen Kreativität ist nützlich und wessen ist schädlich? Ohne wen kämen wir besser aus?

Um sich von anderen Bewerbern abzuheben, sollte außerdem ein roter Faden im Lebenslauf erkennbar sein.

Das würde voraussetzen, dass man einen hat.

Das wiederum würde bedeuten, dass man ein Fach mit Inhalten und Ziel studiert, und nicht solche, die sich der Inhaltslosigkeit rühmen und zur Jobsuche außerhalb des Faches führen. Sowas nennt man eben nicht „roter Faden”.

Ich hatte neulich schon über geisteswissenschaftliche Erdbeerpflückerinnen und das scheitern der Bullshit-Job-Politik geschrieben.

Einen ähnlichen Artikel hat jetzt Focus über das Jammerlied einer „Akademikerin”, die trotz (Zyniker und Realisten würden sagen: wegen) ihres geisteswissenschaftlichen Studiums für Hungerlöhne arbeitet.

„Ich bin 1981 geboren, komme aus einer gutbürgerlichen Familie und habe ein sehr gutes Abitur gemacht. Danach studierte ich mit Erfolg Germanistik. Ich war ehrgeizig, hatte während meines Studiums immer gejobbt und zudem einige Praktika absolviert. Man sollte also meinen, ein gut bezahlter Job wäre mir sicher. Doch da hatte ich mich getäuscht.

Nach meinem Studium in Süddeutschland bewarb ich mich bei PR-Agenturen in meiner Traumstadt Hamburg. Ich wollte PR-Beraterin werden. Schreiben, Geschichten in den Medien platzieren, in der Zeitung, online, im TV, das fand ich super. Nach zwei – natürlich unbezahlten – Praktika ergatterte ich im Herbst 2008 mit mittlerweile 27 Jahren endlich eines der begehrten Volontariate. Gehalt: 1050 Euro brutto. Damit hatte ich noch Glück, denn das war richtig gutes Geld. In vielen Agenturen gab es deutlich weniger.

Ich frage mich da immer wieder, was für Berufsvorstellungen die Leute da eigentlich haben. Soziologie. Germanistik. Was wollen die damit werden? PR-Beraterin in einer Agentur? Bisschen um die Welt jetten und im Cocktailkleid Milliardären auf Dinner-Parties schlaue Ratschläge geben, auf die die dankbar gewartet haben?

Sollte man sich da nicht mal vorher umschauen und umhören, was da so abläuft, bevor man die wichtigsten Ausbildungsjahre dafür vergeudet, Germanistik zu studieren? Deutsche Sprache und Literatur? Schön und gut, aber wen interessiert das noch? Und wie will man damit PR-Berater sein?

Andere 29-jährige Akademikerinnen haben ein Auto, fahren ein oder sogar zweimal im Jahr in Urlaub, sparen vielleicht sogar schon auf ein Eigenheim und betreiben Familienplanung. Ich fuhr, wenn es für eine Mitfahrgelegenheit reichte, zu meinen Eltern nach Süddeutschland. Und versuchte krampfhaft, dass man mir meine Armut nicht ansah – weil ich mich dafür schämte.

Einmal gönnte ich mir an Weihnachten ein besonderes Extra: Einen Kaffee bei Starbucks für fünf Euro. Das war ein echtes Highlight!

Und dann?

Erst ein Jahr später habe ich es dann in eine echte Festanstellung geschafft. Die bescherte mir 2000 Euro brutto und Arbeitsbedingungen, die größtenteils erträglich waren. Ich machte die Therapie, die ich dringend brauchte, um wieder gesundes Priorisieren zu erlernen und meine Migräne etwas besser unter Kontrolle zu bekommen.

Eine Therapie um Priorisieren zu lernen? Behaupteten die nicht im SPIEGEL, dass das die tollen Skills wären, die Geisteswissenschaftler an der Uni lernen?

Was ich damals nicht wusste, aber allen empfehle, die als Angestellte sehr schlecht verdienen: Beantragt Wohngeld! Mit dem Extra-Geld lassen sich kleine Probleme lösen. Ich habe es damals nicht getan – ein Riesenfehler.

Noch einen Tipp habe ich: In einer extrem verfahrenen Job-Situation sollte man sich überlegen, notfalls Hartz IV zu beantragen. Dann lässt sich in Ruhe ein besserer Job suchen. Ich war immer zu stolz dazu.

Mir ist klar: Ich habe einige der besten Jahre meines Lebens verloren. Selbst als Hartz IV-Empfängerin hätte ich vermutlich mehr vom Leben gehabt. Ich bin heute chronische Schmerzpatientin und leide noch immer unter Depressionen. Schlecht bezahlte Arbeit macht krank – und das nicht nur vorübergehend.

Unseren Politikern rate ich zur Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens. Das hätte mein damaliges Elend komplett verhindert.

Jetzt mal ganz seriös und im Ernst: Heißt das nicht, dass es unverantwortlich ist, Leuten ein Germanistik-Studium anzudrehen?

Die Politik drängt die Leute, uns es geht da immer wieder um Frauen, an die Universitäten, und alles, was nicht MINT schaft, landet irgendwo bei Kunst, Sozio, Geist und endet dann als irreparables Ausbildungswrack ohne Berufsperspektive.

Was soll das?

Wozu machen wir das?

Immer mehr Leute müssen wir durchfüttern, die nicht einzahlen: Quotenfrauen, Gleichstellungstanten, Migranten, Geisteswissenschaftler, Bullshitjobber, öffentlicher Frauenförderdienst. Und die dann bedingungsloses Grundeinkommen haben wollen.

Das muss doch irgendwann mal einleuchten, dass das nicht funktionieren kann. Dass man so keine stabile und dauerhafte Gesellschaft hinbekommt.

Wie kann denn das passieren, dass man massenweise Leute in so eine Berufsunfähigkeit drückt, während die Ausbildungsberufe keinen Nachwuchs mehr finden? Die Frau, die da schreibt, hat doch jeden Realitätssinn verloren: Bisschen Germanistik, schicke PR-Beraterin werden. Kann auch nicht schwerer als Avon-Beraterin sein, darauf hätten sie nur gewartet, und als „Akademikerin” müsse man begehrt und hochbezahlt sein. Wie kommt man auf so eine Vorstellung?

Ich hatte mal am Rande mit einem zu tun, der war in ziemlich genau derselben Berufssituation, wie sie diese Frau beschreibt. Hatte auch mit Werbeagenturen zu tun. Nur mit dem Unterschied: Der hatte nicht studiert, keinerlei Berufsausbildung. Und ansonsten noch einige ganz fette und offensichtliche Minuspunkte für Bewerbungsgespräche. Warum studiert man dann Germanistik, wenn man im Ergebnis nicht besser dasteht, eher schlechter, als so einer?

Wir müssen uns mal die Frage stellen, ob dieser Drang in die Geisteswissenschaften nicht ein staats- oder zumindest wohlstandsbedrohender Volkswirtschaftsfehler ist. Das ist doch katastrophal, was man da immer wieder liest. Und man liest es eben immer wieder von Frauen, die „Akademikerin” werden wollten und dachten, dann regnet das Geld automatisch vom Himmel.

Das ist der feministische Ansatz.

Ich kenne sogar einige, die sich aus feministischem Zeitgeist in MINT-Fächer gestürzt, sogar ihren Abschluss geschafft und dann komplett aufgegeben haben, weil sie merkten, dass das Fach nichts für sie ist und ihr Abschluss ein wertloses Frauenförderartefakt ist, das sie als Fördermaßnahme geschenkt bekommen haben.

Aber da ist ja nicht nur dieser Geisteswissenschaftsschaden. Da werden ja auch noch Milliarden verpulvert, und das Ergebnis ist weit unter Null, ein Schaden. Und neulich hieß es ja schon, dass die Kluft zwischen Männern und Frauen in MINT größer und nicht kleiner wird, und dass Frauen umso weniger Interesse an MINT-Fächern haben, je mehr Wahlfreiheiten sie haben.

Diese Frauenförder- und Akademisierungskampagne verursacht nicht nur enormen volkswirtschaftlichen Schaden, sondern produziert massenweise gescheiterte Existenzwracks.

Man könnte die Vermutung aufstellen, dass die Forderungen nach bedingungslosem Grundeinkommen und der Quotentanz aus der verheimlichten Einsicht kommen, dass da etwas total schiefgelaufen ist, man die nun retten und das Schlimmste verhindern will, und es deshalb „bedingungslos” oder nur ans Geschlecht gebunden ist, damit es auch für die vielen Geisteswissenschaftlerinnen gilt, die man da in die Sackgasse geführt hat.

Das dürfte noch richtiger sozialer Zündstoff werden.

Neulich hatten sie einen Bericht, finde gerade den Link nicht mehr, bei dem eine Frau mit Töchtern bitter von Hartz IV leben müsse (die Diskussion kocht ja gerade hoch), die sich von „Frank” (oder wie ach immer er hieß) getrennt hatte und dann im Leeren stand, weil sie keinen greifbaren Beruf hat, und sich darauf verlassen hatte, dass der Mann arbeitet und sie als Hausfrau und Mutter leben kann. Andere Herangehensweise, selbes Ergebnis: In einem Alter, in dem man nicht mehr mit einer Berufsausbildung anfangen kann, ohne tragfähigen Beruf dastehen, weil man sich darauf verlassen hat, dass das Geld schon irgendwoher kommen werde und man sich auf das zurückziehen kann, was einem Spaß macht.

Ich prophezeie, dass diese feministische Herangehensweise in 5 oder 10 Jahren zu einem ernsten gesellschaftlichen Problem werden wird. Fällt nur deshalb nicht auf, weil wir bis dahin viel größere Probleme haben werden.

Die Frage, ob man nicht einfach mal irgendwo selbst dran schuld ist, wenn man sich brotlose Fächer als Studium heraussucht, mit denen man keinen Job bekommt, der für’s Essen reicht, wird nie gestellt werden. Frauen sind selbstbestimmt, emanzipiert. Das heißt nicht, dass sie selbst für sich verantwortlich sind. Verantwortlich sind immer irgendwelche Männer.