Ansichten eines Informatikers

Wenn Geisteswissenschaftler Erdbeeren pflücken

Hadmut
6.9.2016 23:24

Über das Scheitern der Bullshit-Job-Politik. [Hohoho, drei geile Updates! / Nachtrag vier]

Zuerst bei den Blättern für deutsche und internationale Politik (nie gehört, muss was akademisches sein), dann bei Telepolis ist unter dem Titel „Exzellente Entqualifizierung: Das neue akademische Prekariat” ein Jammerartikel einer promovierten Geisteswissenschaftlerin erschienen, die keinen Job findet, die keiner haben will und der das Arbeitsamt nur Erdbeerenpflücken oder Umschulung zur Sekretärin anbieten kann.

Ich möchte ein paar Stellen daraus kommentieren.

Der Herr im Jobcenter – mein „Arbeitsvermittler“ – schüttelt mir freundlich-abwartend die Hand. Möglicherweise ist er etwas nervös angesichts meines Doktortitels, den er auch sofort pflichtschuldig ausspricht (woran mir überhaupt nichts liegt). Er weiß, dass er mir außer Zwangsmaßnahmen, Callcenter und Saisonarbeit (Erdbeeren pflücken) nichts zu bieten hat. Wir beide wissen – und wissen, dass der andere es weiß –, dass er von seinen Vorgesetzten darauf angesetzt wurde, die in der „Tagesschau“ verkündete Arbeitsmarktstatistik zu exekutieren, die sich selbst und der Welt vorgaukelt, dass Deutschland Vorreiter in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei. Deutschland Superland, Land der Ideen und der Forschung, engagiert im „Wettbewerb um die besten Köpfe“, Bildungsrepublik, Wirtschaftsmacht, Exportweltmeister, historisch niedrige Arbeitslosenquote (und Fußball-Macht natürlich auch noch).

Guter Punkt. Wir bekämpfen aber nicht Arbeitslosigkeit, wir machen sie. Seit Jahren ist es Politik, Leute auch dann, wenn sie weder geeignet sind noch benötigt werden, auf Teufel komm raus in die Universitäten zu quetschen und sie dort halt in völlig nutzlosen Pseudostudiengängen einzupflanzen, statt sie einen passenden Ausbildungsberuf ergreifen zu lassen oder ihnen einfach zu sagen „Studier was Gescheites oder lass es bleiben!”.

Wir sitzen auf einem riesigen Haufen – hauptsächlich weiblicher – von Leuten, die man in die völlig Unfähigkeit promoviert hat, Frau Dr. kann. nix. Inhalts- und anspruchslose Pseudoabschlüsse und -promotionen, weil man in dem links-genderistisch-ideologischen Wahn glaubte, dass das alles nur ein riesiges soziologisches Experiment über Sozialisierung sei und aus Leuten hochbezahlte Wissenschaftler werden, wenn sie nur einfach so tun als ob und das ganze universitätstypische Gehabe kopieren, und sich einfach selbst für Wissenschaftler halten.

Das Experiment hat aber nicht funktioniert. Die traurige Realität ist, dass nur weil sich jemand für schlau und wichtig hält, das noch lange nicht dazu führt, dass andere ihn auch dafür halten.

Nicht mal dann, wenn man die Leute mit Doktorgraden überhäuft. Das hat zwar mal ausgesehen, als ob es funktioniert, aber dann kamen Leute wie zu Guttenberg und all die Plagiatoren, und dann noch das riesige Heer derer, deren Dissertation so inhaltslos und schwachsinnig ist, dass sich die Frage nicht mal stellt, ob sie irgendwo abgeschrieben worden wäre. Die so dämlich sind, dass sie selbst geschrieben zu haben noch disqualifizierender ist, als sie abgeschrieben zu haben. Der Doktorgrad ist sowas wie das akademische Arschgeweih geworden: War mal schick, wollte jeder haben. Inzwischen peinlicher Deppenstempel.

Dann hat man es mit der Frauenquote probiert. Und so völlig überraschend und unvorhersehbar führte der Zwang, Frauen einstellen zu müssen oder sie besser qualifizierten Männern vorzuziehen nicht zu der Überzeugung der Gezwungenen, dass Quotenfrauen kompetent wären. Warum nur?

Und die Überzeugung, dass das akademische Umfeld nur ein Zirkus aus willkürlichen Behauptungen und szenetypischen Verhaltensmustern ist, ist frappierenderweise in den meisten Bereichen nicht mal falsch, aber es war ein Irrtum zu glauben, dass man das durch Nachahmung anreichern kann. Irgendwann läuft das einfach über.

Das Ergebnis ist, dass wir einen großen Haufen von Leuten über 30 oder sogar über 40 haben, die sich für vieles zu fein, real aber zu gar nichts mehr zu gebrauchen, und bestenfalls noch als Erdbeerpflücker oder mit viel Glück auf dem zweiten Bildungsweg noch zur Sekretärin auf unterem Rang umgeschult werden können.

Ich will’s mal böse sagen:

Wären vor allem die Frauen aus dieser Gruppe einfach wie früher Hausfrau, Ehefrau, Mutter geworden, Klischee am Herd, wären sie nicht dümmer, aber hätten ein erfülltes Leben, Kinder und den Bevölkerungsstand zugunsten der Rentenkasse gesichert. Mag sein, dass das ein übles Klischee ist. Aber eins, das erwiesen besser funktioniert hat als die derzeitige Politik. Was haben sie nun als emanzipierte, promovierte, moderne Frauen? Gar nichts. Und auch keine Aussicht mehr darauf. Neulich habe ich irgendwo einen Artikel gelesen, auf dem eine jammerte, dass Frau über 30 nicht nur keinen Typen als Freund mehr findet, sondern inzwischen nicht mal mehr über Tinder einen findet, der sie noch – nicht mal kostenlos, unverbindlich und ohne Verpflichtungen – vögeln wolle. Als Frau hat man eben die besten Jahre zwischen 20 und 30, und die haben viele – Gender und Feminismus sei Dank – für nutzlose Schwachsinnsstudien an der Uni-Klapsmühlen vergeudet. Dann läuft nichts mehr.

Wenn sich aber der (scheinbar nur) Einäugige von den Blinden zum König machen lässt, zeigt sich darin eher ein allgemeiner Realitätsverlust denn eine Erfolgsgeschichte. Doch auch Akademikerinnen wachen erst auf, wenn sie an die Decke stoßen, und selbst die vermögen gerade sie, herangezogen in der unhinterfragten Selbstverständlichkeit ihres Privilegs zu lernen und zu lehren, oft noch lange ungläubig zu ignorieren.

Tatsächlich hat sich die Decke aber längst immer weiter gesenkt, und sie bietet immer weniger Luftlöcher. Mein Arbeitsvermittler, so zeigt sich schnell, kann und soll nicht wirklich mehr etwas für mich tun.

Oh nein, sie haben die Decke, die sich immer weiter senkt, nicht ignoriert. Sie haben sie ideologisch und deshalb falsch interpretiert. Sie haben sie „gläserne Decke” genannt und sich (und anderen) eingeredet, dass die Männer an allem schuld seien.

Warum? Weil sie sich für so schlau, gebildet, akademisch, emanzipiert, überlegen, einfach besser hielten, bei Licht betrachtet aber einfach nur so strohdoof waren, dass sie jeden Scheiß glaubten, nur weil er in einem Hörsaal erzählt wurde.

Gleichzeitig zeigt sich das unmittelbar anhängende Problem eines nicht vorhandenen akademischen und eingebrochenen alternativen Arbeitsmarktes für Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen. Es offenbart sich der eigentliche Druck, unter dem der neoliberalisierte Staat operiert. Das Ziel ist die Erfüllung einer imaginären Arbeitslosenstatistik ohne entsprechende Grundlage. Das aber funktioniert im Fall von Akademikerinnen nur noch, indem sich die Arbeitsvermittlerinnen als berufsmäßige Entqualifizierer betätigen. Damit wird es zunehmend kafkaesk.

Hahahahaaa.

Sie studieren einfach irgendwas, und beschweren sich dann, dass der Staat den passenden Arbeitsmarkt nicht dazuliefert.

Also nicht etwa so, dass man sich vor seinem Studium mal überlegt, wofür es eigentlich einen Arbeitsmarkt gibt, sondern einfach irgendein Laberfach, und dann erwarten, dass einem der Arbeitsmarkt wie das Frühstück ans Bett gebracht wird.

Was für ein Arbeitsmarkt soll das sein für Jobs, die keiner braucht? Der Bullshit-Job-Markt? Oder eine Art steuerfinanziertes leistungsloses Lebensgehalt mit eingebauter Illusion, dafür was zu arbeiten?

Anfangs studiert mein Arbeitsvermittler fahrig meinen zehnseitigen Lebenslauf, hört mir eine Weile zu und macht sich Notizen. Dann kündigt er an, ohne mir in die Augen schauen zu können, dass ich entweder eine der angebotenen Hilfstätigkeiten annehmen oder an einer „Maßnahme“ (sein Vorschlag lautet auf Umschulung zur kaufmännischen Fachkraft, sprich: Sekretärin) teilnehmen müsse (womit ich prompt aus der Statistik fiele), damit wir die „Eingliederungsvereinbarung“ unterschreiben könnten.

Wiedereingliederung?

Eher Therapie und Rehabilitationsmaßnahme für Geisteswissenschafts-Geschädigte. So wie Unfallopfer und Schlaganfallkranke mühsam das Gehen und Sprechen wieder lernen müssen, müssen Sozio- und Geisteswissenschaftler mühsam arbeiten lernen. Normal zu gehen wird’s nicht mehr, das Ziel ist nur noch, elementare Selbständigkeit zu erreichen und ohne Pflegefachkraft auszukommen.

Ich frage, in was ich eingegliedert werden soll. Wie er meinem Lebenslauf entnehmen könne, sei ich bereits vollständig in das akademische Leben eingegliedert, werbe immer wieder erfolgreich Forschungsgelder ein, habe lange an verschiedenen Hochschulen unterrichtet, publiziere regelmäßig, halte international Vorträge, arbeite an einem Buch, organisiere aktuell eine internationale Konferenz. Nur eben immer wieder ohne einen Cent Gehalt.

So sieht’s aus.

Weil für all den Krampf in der Aufzählung kein Mensch Geld ausgibt, weil das niemandem was nutzt. Eine nutzlose Pseudotätigkeit. Warum sollte es dafür Gehalt geben? Und warum sollten ehrlich arbeitende Leute das mit ihren Steuern finanzieren müssen?

Nicht weil ich beschäftigungslos sei, sondern weil ich selbstständig, das heißt nicht als Mitarbeiterin eines professoral geführten Teams, Projekte einwerbe, der Kampf um Drittmittel in der Abwesenheit von Stellen und der anständigen Bezahlung für Lehre immer absurder werde, und damit die Abstände zwischen bewilligten Projekten immer länger, säße ich hier. Was er mir vorschlage, sei faktisch eine Zwangsausgliederung aus dem wissenschaftlichen Leben.

Das hört sich nicht nur an wie ein Aussteigerprogramm aus einer Sekte. Genau das ist es auch.

Ich frage, ob er mir erklären könne, wie es sein könne, dass das Jobcenter nur noch Tätigkeiten im Angebot habe, die meine Qualifikation vollständig annullierten.

Wie sollte es auch anders sein? Sollen die Jobs erfinden?

Oder anders gefragt: Wenn es doch in jedem möglichen Job nutzlos ist, was begründet dann die Annahme, es handele sich um eine „Qualifikation”?

Schon sprachlich ist das so falsch, dass einen der Denkfehler in die Nase beißt, denn Qualifikation ist keine absolute eigenschaft. Man ist qualifiziert nur mit einer Präposition oder Infinitiv. Qualifiziert für etwas. Qualifiziert, um etwas zu tun. Qualifziert etwas zu tun. Aber nicht einfach qualifiziert.

Und da sind wir schon mitten im Problem:

Was soll man von Leuten halten, die zum Arbeitsamt gehen und nicht sagen, ich bin qualifiziert für…., sondern sich einfach hinstellen und verkünden „Ich bin qualifiziert!” ? Viel mehr als Erdbeeren zu pflücken würde mir da auch nicht einfallen. Und das auch nur in der Erdbeer-Saison.

Wir sprächen hier ja nicht über Konzessionen an einen anderen Job, der eine geringfügige Herabsetzung der Qualifikation mit sich brächte und andere Fähigkeiten nutzte, die ich habe. Wir sprächen über die vollständige Entwertung meiner erworbenen Qualifizierung, zusätzlich befeuert dadurch, dass ich im Fall meiner Einwilligung in eine Hilfstätigkeit oder besagte „Maßnahme“ bestehende wissenschaftliche Termine absagen und laufende Arbeiten abbrechen müsste. Ich wäre über kurz oder lang raus und hätte also genauso gut einen Hauptschulabschluss machen können. Es wäre, als hätte ich als Wissenschaftlerin nie existiert.

Ein Hauptschulabschluss wäre nicht „genauso”. Denn den hat man dann mit 16 und nicht mit 30 oder 40. Nach einem Hauptschulabschluss kann man noch was vernünftiges lernen und einen Beruf ergreifen. Oder eine Familie in die Welt setzen.

Mein Entqualifizierer schaut an mir vorbei und raschelt hilflos mit meinem Lebenslauf. Ich frage ihn, ob er mir helfen könne, meiner Mutter zu erklären, warum der Staat ihrer Tochter, in deren Ausbildung sie als eine der ersten voll berufstätigen alleinerziehenden Mütter seit den 1970er Jahren investiert und die alle Prüfungen, inklusive der Promotion, mit Bestnote abgeschlossen hat, nichts anderes zu bieten hat, als Erdbeeren zu pflücken.

Weil Du und Deine Mutter, ihr beide so blöd wart, Euch ein Schwindelstudium andrehen zu lassen. Wenn sich einer eine bedruckte Pappschachtel als Auto andrehen lässt und dafür bezahlt, muss der Staat ihm das ja auch nicht ersetzen.

Die haben Euch nach Strich und Faden verarscht, und Ihr wart doof genug, drauf reinzufallen. Leben ruiniert. Pech gehabt. Selbst schuld. Hoffen auf die Erdbeerernte.

Ich frage ihn schließlich, ob er mir erklären könne, warum derselbe Staat, der mich jetzt zum Mindestlohn aufs Erdbeerfeld oder ins Callcenter schicken oder sogar noch meine Entqualifizierung/Umschulung bezahlen will, mich angesichts explodierender Studierendenzahlen in Form verschiedener Hochschulen immer wieder für Lehraufträge angefragt hat, ohne mich auch nur annähernd angemessen dafür entlohnen zu wollen.

Herzchen, ließ mal Deinen eigenen Satz. Denk drüber nach. Wenn dann keine Lampe angeht, mach’s nochmal. Solange, bis eine angeht.

Die werden genauso durch Pseudostudien verarscht, und die Dozenten sind das Verarschungsmittel. Explodierende Studierendenzahlen, die alle in die gleiche Falle laufen. Soviel Erdbeeren können wir gar nicht anpflanzen.

Mein Entqualifizierer – selbst ein entqualifizierter Sozialwissenschaftler, wie sich im weiteren Gespräch herausstellt – sieht mich erschöpft an. Er kann es mir nicht erklären, weil es rational nicht mehr erklärbar ist.

Freilich lässt es sich erklären. Nur weil Ihr zwei Dösköppe es nicht könnt, heißt das nicht, dass es nicht geht.

Bildungsstandort Deutschland: Die große Illusion

Was sich eröffnet, ist ein System, das unter dem Exzellenz-Label sein herangezogenes Potential im großen Stil verschleudert und das volkswirtschaftlich Harakiri betreibt, indem es sich praktisch weigert, seinen Bildungsauftrag zu erfüllen. Ich bin zum Glück nicht die Erste, die das sagt. Seit Jahren weisen Resolutionen und Abschlussberichte wissenschaftlicher Verbandstagungen auf den eklatanten Widerspruch hin, der zwischen der zunehmend mangelnden Ausschöpfung eines Reservoirs ausgebildeter Wissenschaftlerinnen und der immer stärkeren Befüllung dieses Reservoirs unter dem Mantra „Wir brauchen mehr Studierende, wir brauchen mehr Akademiker“ besteht.

Jo. Denk mal drüber nach.

Ein System, das sein Potenzial verschleudert und volkswirtschaftlich Harakiri betreibt, indem es große Teile der Bevölkerung in nutzlose geistes- und sozialwissenschaftliche Studien schickt.

Nur nennt man das dann nicht Harakiri, das ist eher Sabotage.

Viele Studierende machen sich gut im Image des vielbeworbenen „Bildungsstandorts Deutschlands“ (das seit Jahren auf dem drittletzten Platz der OECD bei den Bildungsinvestitionen liegt, das heißt von über 30 Ländern). Es darf nur keiner fragen, unter welchen Bedingungen das Studium abläuft (und wofür es eigentlich gut sein soll).

😀

Interessanterweise tut das auch kaum jemand, am wenigsten die Studierenden selbst, die größtenteils gar nicht wissen, dass ihre Dozentinnen nicht bezahlt werden. Weil es ihnen niemand sagt und weil sie nicht fragen.

…weil sie nicht fragen…

Sie kommen nicht darauf – und man muss ihnen das irgendwie zugute halten –, dass sie tatsächlich weitgehend unentgeltlich ausgebildet werden, solange sie nicht selbst massenhaft in unbezahlten Praktika sitzen.

Wenn man’s ihnen sagt, wird man noch beschimpft und angefeindet. Ich hab’s versucht.

Wenn es ihnen jemand öffentlich sagt, wie mein ehemaliger Professor am Institut für Politikwissenschaft der FU Berlin, Peter Grottian, der vor zwei Jahren erstmals deutlich auf die massenhaft unbezahlte Lehre hinwies und es auf den Punkt brachte, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen in Deutschland behandelt werden „wie der letzte Dreck“,[1] dann hat das allerdings kaum einen Effekt, auch unter den betroffenen „Nachwuchswissenschaftlerinnen“ nicht.

Selbst schuld. Man nennt es auch Inflation. Ich sag’s mal so: Zu meiner Zeit hatten wissenschaftliche Angestellte in Informatik alle volle Stellen, weil sie den Job sonst einfach nicht gemacht hätten. Wenn man aber kostenlos an der Uni arbeiten muss, weil man sonst gar nichts als Alternative hat, müsste einem doch eigentlich mal ein Licht aufgehen.

Demonstrieren und streiken, wie kürzlich die Lecturers in England, die trotz Festanstellung und monatlichen Gehalts ihr Leben aufgrund rabiater Kürzungspolitik an den Universitäten nicht mehr finanzieren können: in Deutschland bislang undenkbar.

Hähä. Wie wollen denn Geisteswissenschaftler streiken? Die machen doch schon nichts, wenn sie arbeiten.

Zunehmend unruhig werden inzwischen nicht nur deutsche „Nachwuchswissenschaftlerinnen“ – ein Begriff, der mittlerweile bis zur unsicheren Rente reicht –, sondern auch viele Doktorandinnen und Postdoktorandinnen aus dem viel umworbenen Ausland. Sie hatten sich anlocken lassen von den vergangenen Exzellenzinitiativen des Bundes und der in sozialen Netzwerken euphorisch verbreiteten Saga eines Deutschlands ohne Studiengebühren: Deutschland nimmt Flüchtlinge auf, Deutschland ermöglicht freie Bildung, Deutschland ist cool. Nun realisieren sie, dass sie nach Ablauf ihrer befristeten Anstellung in einem massiv unterfinanzierten und knallhart hierarchischen System oft ohne abgeschlossene Forschung und ohne Perspektive dastehen.

Tja… Ist halt die deutsche Kostenlos-Mentalität.

Würde das Studium was kosten, wären die Leute gezwungen, sich vorher zu überlegen, ob sie damit überhaupt was verdienen können.

Eine junge Historikerin aus Indien, wo ich seit vielen Jahren unter zunehmend prekären Bedingungen forsche, sagte kürzlich in einem Gespräch am Rande einer Tagung: „Deutschland schien eine echte Alternative zu bieten. Aber hier gibt es ja überhaupt keine Aufstiegsmöglichkeiten, man ist entweder Professor oder gar nichts. Ich konnte mir das gar nicht vorstellen und hatte ein ganz anderes Bild von Deutschland. Ich weiß nicht, wohin ich als Nächstes gehen soll, es wird überall immer schwieriger. Aber ich frage mich auch, was ich hier eigentlich mache. Ich habe das Gefühl, in eine Falle getappt zu sein.“

Die Inderin hat’s gemerkt. Deutsche Studenten merken es nicht.

Die junge Historikerin und unzählige andere internationale Forscherinnen, mit denen ich über die vergangenen Jahre Kontakt hatte, scheinen tatsächlich nicht mehr (gewesen) zu sein als Requisiten in einer Image-Kampagne der Bundesregierung – gemeinsam mit den unzähligen deutschen Wissenschaftlerinnen, deren (Projekt-)Verträge über immer kürzere Laufzeiten gehen (mittlerweile sind sechs bis acht Monate keine Seltenheit), und den massenhaft abgestürzten Juniorprofessorinnen (zwei Drittel dieser Stellen wurden teilweise trotz positiver Evaluation nicht in eine Professur überführt). In hübschen Broschüren und bunten Internet-Auftritten firmieren sie als Ausweis eines weltoffenen, international anschlussfähigen und forschungsfreundlichen Deutschlands, tatsächlich aber werden sie zum Opfer eines an Drittmitteln erblindeten Durchlauferhitzers, einer zutiefst verfehlten Hochschulpolitik, die manisch zu „Spitzenleistungen“ antreibt, ohne das Grundproblem in Augenschein zu nehmen.

Man nennt es Feminismus.

Und in einem Forum schreibt einer:

„Dieses Deutschland tötet die Bildung, die doch die Grundlage von allem ist, und öffnet nicht nur narzisstischen Gestalten, sondern auch als nicht-‚exzellent’ deklarierten Parallelwelten Tür und Tor. Ich geh kotzen.“

Interessant und sehr lesenswert ist dann, was sie über die Exzellenzinitiative schreibt. Es ist lang und ich habe dem wenig hinzuzufügen, weshalb ich es hier auch nicht zitiere, sondern darauf verweise. Wir werden halt von Idioten regiert und unsere Politik beruht auf Show und Attrappe.

Dass diese aktuell wiederum doch im Vergleich zu anderen Ländern viel mehr in die Sozialsysteme einzahle, ist anderen immer noch ein Ausweis für einen funktionierenden Sozialstaat und nicht für die Tendenz, zunehmend auch Hochqualifizierte mit Hartz IV abzuspeisen, statt ihnen aus sprudelnden Steuergeldern vernünftige Gehälter zu zahlen. Wer aber, wie ich, entnervt zum Jobcenter geht, um zumindest ebendieses Hartz IV als eine Art minimales Grundeinkommen für fortwährend geleistete akademische Arbeit zu beanspruchen, erfährt den eigentlichen Skandal.

Oh, ich finde das völlig richtig.

Warum sollten Leute, die ernstlich arbeiten, mit ihren Steuergeldern all die Spinner finanzieren müssen, die sich blind und blauäugig in irgendein Schwachsinnsstudium gestürzt haben und trotz Unfähigkeit, sich zu ernähren oder überhaupt irgendetwas zu leisten, was jemand haben wollte, für „qualifiziert” halten?

Seit 2012 haben sich im Zuge einer öffentlichen Debatte über die „Arbeitsunwilligen“ die von Jobcentern ausgesprochenen Sanktionen gegen ihre „Kundinnen“ bei gleichzeitig abnehmenden Zahlen von Hartz-IV-Empfängerinnen verschärft. Es reicht dem Staat nicht mehr, unbezahlte Wissenschaftlerinnen, die eben nicht als Berufstätige oder Selbstständige gelten, als eine Art Bodensatz der Exzellenz auf Hartz IV zu parken. Dies ermöglicht immer noch ein Mindestmaß an akademischer Freiheit, vor allem das Publizieren, das unter anderem Voraussetzung für das Einreichen unabhängiger Forschungsanträge bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und verschiedenen Stiftungen ist. Das aber ist offenbar immer weniger gewollt, denn es bedeutet potentiell zusätzliche Mitesser am verkleinerten akademischen Futtertrog und eine unangenehme Sichtbarkeit in der Arbeitslosenstatistik. Stattdessen findet sich im Jobcenter die Fortsetzung der exzellenten Quantifizierung mit anderen Mitteln, indem die erzwungene akademische Entqualifizierung sich an die Auslöschung von Existenz macht, die über die zählbare, bzw. dann nicht mehr zählbare, materielle Existenz hinausgeht. Das heißt, meine wissenschaftliche Existenz muss gelöscht werden, um mich aus der Arbeitslosenstatistik zu löschen. Klick. Unfriended by your State.

Sag mal, Tussi, wie habt Ihr Euch das vorgestellt? Ihr studiert irgendein anspruchs- und nutzloses Schwafelfach, bekommt dann Diplom, Master, Doktor geschenkt und haltet das dann für einen lebenslangen Vollversorgungsanspruch? Das andere dann arbeiten müssen, um Euch durchzufüttern?

Arbeitet was, damit Ihr Euch selbst ernährt. Und wenn Ihr nichts besseres gelernt habt, geht Erdbeeren pflücken. Wieso glaubt Ihr, Ihr hättet einen Anspruch gegen die Allgemeinheit, für Eure völlige Nutzlosigkeit bezahlt zu werden?

Es fällt schwer, in dieser Logik nicht eine Spielart des Angriffs auf die Wissenschaft zu erkennen, der sich im Zuge der Verschärfung neoliberaler Politik weltweit beobachten lässt.

Ihr seid keine Wissenschaft. Feministischer Schwindel, sonst nichts.

Diese Verschärfung besteht in der Essenz darin, immer mehr Menschen Stück für Stück die Lebensgrundlage zu entziehen und sie unter der Rhetorik nationaler Superlative aufeinanderzuhetzen – um die daraus resultierenden Aggressionen und Ressentiments dann allein auf die Rechten zu schieben, als kämen sie aus dem Nichts.

Man kann Euch die Lebensgrundlage nicht entziehen. Ihr hattet nie eine.

In der Wissenschaft, neben Sport und Wirtschaft wichtigstes nationales Aushängeschild, zeigt sich dieser Prozess nicht nur in der Verweigerung von Gehalt und der gezielten Entsolidarisierung im Kampf um zu wenige befristete Stellen.

Man verweigert Euch nicht Gehalt. Ihr seid nicht in der Lage, irgendetwas zu liefern, was jemandem etwas wert wäre, was irgendeinen Nutzen hätte. Ihr seid nicht in der Lage, ein Gehalt zu erzielen. Weil Ihr nichts gelernt habt.

Er zeigt sich auch in dem, was ein weiterer Kommentator der Petition gegen die Exzellenzinitiative als „akademischen Kannibalismus, also nicht die wissenschaftliche Konkurrenz, sondern die ökonomische Vernichtungskonkurrenz zwischen den Disziplinen“ bezeichnet – oft zudem praktiziert unter dem modischen Label der Interdisziplinarität. Dies betrifft besonders das immer ungleichere Verhältnis zwischen den – quantitativen – Natur-, Wirtschafts- und Technikwissenschaften auf der einen und Geistes- und Sozialwissenschaften auf der anderen Seite.

Und warum hast Du dann nicht Natur-, Wirtschafts- und Technikwissenschaften studiert?

Was wir hier erleben ist nichts anders als die Symptomatik der Hochschulvergiftung durch die feministische Politik, jede Menge Leute, vor allem Frauen, in die Universitäten zu pumpen und sie einfach irgendwas studieren zu lassen, wo sie möglichst leicht an formale Leistungsnachweise wie Master oder Doktor kommen, weil man auf den ideologischen Quatsch hereinfiel, dass die Äußerlichkeiten die Musik machen.

Jetzt haben wir promovierte Akademikerinnen auf Halde, die nichts können, und nicht mal mehr volles Hartz IV bekommen, weil sie sich zum Erdbeeren-Pflücken zu fein sind, weil sie sich für „qualifiziert” halten. Die sich einbilden, sich müssten nichts können, sondern hätten kraft ihrer Promotionsurkunde einen Vollversorgungsanspruch gegen die Öffentlichkeit und ein Anrecht auf Leben im Elfenbeinturm.

Das System kracht gerade gegen die Wand, kippt um wie ein See.

Frohes Sterben.

Update 1: Ein Leser klärt mich auf, was es mit diesen „Blättern für deutsche und internationale Politik” auf sich hat: Siehe Wikipedia.

In den Blättern schrieben viele Autoren aus der Marburger Schule.[5] Die Zeitschrift diente als bevorzugtes Medium der orthodoxen Linken in Westdeutschland. Der Bayernkurier bezeichnete sie als „Zentralorgan der APO“.[6] Bis 1989 wurde die Zeitschrift von der SED finanziert.[7] Im Rahmen ihrer Westarbeit diente die Zeitschrift als Medium für die Propagierung ihrer Politik in der Bundesrepublik. Die gesamte Redaktion war politisch und finanziell vollständig von der SED abhängig, die leitenden Redakteure stimmten die inhaltliche Gestaltung mit der SED ab. […] Die Zeitschrift ist Kooperationspartner der Internetportale Linksnet sowie Eurozine und verleiht unregelmäßig den Demokratiepreis.

Ah. SED-Blatt. Ziemlich weit links außen. Ach, gar.

Update 2: Ein zweiter Leser weist darauf hin, dass Das Erste gerade meldet, dass laut einer neuen Studie der Adenauerstiftung 75% der Abiturienten für ein Studium ungeeignet seien. Nur zur Erinnerung: Das Abitur ist eigentlich das Zeugnis der „allgemeinen Hochschulreife”. Das heißt, dass 75% der Abiturienten den Prüfungs- und Ausbildungsinhalt des Abitures weit verfehlt haben. Wie kamen sie dann an ein Abitur?

Naja, das Ergebnis sieht man ja nun hier beim Erdbeerpflücken.

Der Leser meint, das sei ja dann auch erst der Anfang des Problems.

Update 3: Ein dritter Leser schreibt mir (ich hatte jetzt nicht die Zeit, es nachzuprüfen) unter Angabe zweier Quellen, nämlich ihres Lebenslaufes und einer Webseite, dass es sich bei der Autorin wohl um eine gewisse Dr. Britta Lucia Ida Ohm handeln müsse, über die der Leser mir folgendes schreibt:

Wie (vielleicht zu erwarten) hat Frau Dr. Ohm ihren Doktortitel durch Fördermittel der (Bündins90/Die Grünen) Heinrich Böll-Stiftung und anschließend aus der Humboldt Universität und dem “Berliner Programms zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre” (vom Berliner Senat 2001 eingeführt um die “Implementierung von Genderaspekten in Forschung und Lehre zu unterstützen”) erhalten. (Doktorvater war hier Werner Schiffauer, der z.B. den Falaturi
Friedenspreis für Dialog und Toleranz von Vertretern der Muslimbruderschaft bekommen hat und Teil des Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration ist, der Auffällig wurde, da deren Studien sehr auf politischer Linie fahren und vor Formfehlern strotzen. Sowie als zweite Betreuerin Frau Dr. Barbara Wolbert, Deutsch und Kunst Lehrerin die vollständig der Identitätspolitik und Diversität verfallen ist.)

Ihre Schwerpunkte lagen und liegen dabei auf der Analyse des Fernsehprogramms in Indien und der Türkei im Hinblick auf transnationale Medien und (Europäischen) Postkolonialismus, so wie Nationalismus und religiöse Unterdrückung (in dem Falle speziell “Islamophobie”,”Anti-Islamismus”).

Unter anderem schreibt Sie für openDemocracy (Unterstützt von alten Bekannten wie Herrn Soros, dem Clinton Gehilfen Sidney Blumenthal, dem Rockefeller Brüder Fund und anderen) Oder greift auch mal gerne in unterschiedliche staatliche Fördermitteltöpfe (z.B. eine dreijährig (2010-2013) geförderte Arbeit über die Darstellung des Recip Tayyip Erdogan und Narendra Modi in den Medien als alternativlose Führer mit dem Ergebnis, dass die beiden ja offensichtlich Dreck am Stecken haben und die Medien für Ihre Zwecke nutzen. 3 Jahre Fördermittel -> 4 Seiten Text voller Meinung ohne Nährwert).

Ihre Veröffentlichungen betragen circa 4 Seiten pro Jahr plus Lehre in spannenden Fächern wie “Postkolonialismus” und “Frauen und Geschlechtergeschichte” sowie Betreuung von Bachelorarbeiten wie „Neckarinsel – Reggae-Kultur in Tübingen. Eine qualitative Untersuchung“.

In ihren über 40 Lenzen hat sie davon knapp 3 Jahre beim ZDF (als Assistenz Lektorin) und 7 Jahre bei Deutsche Welle TV (als Assistentin, Freiberuflerin und Nachrichtenschneiderin) gearbeitet und während dessen Fördermittel für zwei Filmprojekte Ihres kurdischen Bekannten/Freundes Yüksel Yavuz besorgt (trotz dieser Freundschaft gibt sie bei jedem Bericht über die Türkei (und positiven Bericht über die Kurden) an, dass sie nicht befangen wäre).

Keine Ahnung, ob das so stimmt, ich hab’s nicht nachgeprüft.

Es entsteht aber der Eindruck, den ich bei vielen dieser Sozio-Gender-Tussis habe: Das einzige, was die lernen, ist, sich möglichst wirksam aus möglichst vielen Fördertöpfen zu bedienen ohne je irgendwas nützliches zu tun, und wir Steuerzahler dürfen die dann durchfinanzieren.

Da hat sich so ne ganz enorme Berufsgruppe nutzloser Fördergeldempfänger gebildet, wie ich ja schon oft schrieb.

Beruhigend zu hören, dass aus den Förderaktionen der Grünen dann mit 40 solche Förderwracks werden, die Erdbeeren pflücken müssen, um nicht das Hartz IV zusammengestrichen zu bekommen.

Und dann reden die von „entqualifizieren”, weil ihnen einer die Luft aus ihrer Aufblasburg gelassen hat…

Nachtrag 4: Mir ist noch ein Gedanke gekommen, den ich beim ersten Schreiben völlig übersehen habe. Diese Text-Stelle aus dem Artikel:

Ich frage ihn, ob er mir helfen könne, meiner Mutter zu erklären, warum der Staat ihrer Tochter, in deren Ausbildung sie als eine der ersten voll berufstätigen alleinerziehenden Mütter seit den 1970er Jahren investiert und die alle Prüfungen, inklusive der Promotion, mit Bestnote abgeschlossen hat, nichts anderes zu bieten hat, als Erdbeeren zu pflücken.

Die Mutter hat hart gearbeitet – voll berufstätig und noch alleinerziehend – und einen Haufen Geld ausgegeben, und dem dummen Töchterchen fällt nichts besseres ein, als die Arbeit ihrer Mutter in einem Idioten-Jux-Studium zu verbrennen. Die ist auch in Erklärungsnotstand gegenüber ihrer Mutter, weil sie eben so heftig auf Kosten anderer Leute lebt, und das eben nicht nur auf Kosten des Steuerzahlers, sondern auch ihrer eigenen Mutter. Das sind so Leute, die gar keine andere Lebensform kennen als die parasitäre, das Wegfressen von anderer Leute Arbeit, und die dann Schuldige suchen, wenn das irgendwann mal auffällt.

Und auch wieder diese Vollkasko-Mentalität, das andere für die eigenen Fehler aufzukommen hätten. Hat man ja auch schon in der Sexualdebatte: Mit dem falschen Typen ins Bett gegangen, hinterher bereut, dann muss es natürlich Vergewaltigung gewesen sein und einer dafür in den Knast, weil es der „emanzipierten” Frau im Traum nicht in den Sinn käme, für eigenes Handeln selbst Verantwortung zu übernehmen. Das gleiche hat man hier. Töchterchen verjuxt, Geld, Arbeit, Lebensleistung der eigenen Mutter und mault jetzt, weil sie Ersatzschuldige braucht.

Die Leute machen ihr Leben lang nichts anderes, als zu plündern, zu verbrennen, von anderer Leute Arbeit zu leben, und sich noch darüber zu beschweren.