Ansichten eines Informatikers

Die #ARD und die Fake News

Hadmut
4.3.2017 10:47

Anscheinend schnappen die bei der ARD gerade über.

Der SPIEGEL kommt gerade mit großer Vorankündigung eines Interviews mit Ulrich Wilhelm, 56, Intendant des Bayerischen Rundfunks, über Fake News.

Ich hatte mir sogar überlegt, ein Exemplar des SPIEGELs zu erwerben, aber da ich sonst im Inhaltsverzeichnis überhaupt nichts gefunden habe, was mich auch nur irgendwie interessieren oder ansprechen würde, und es mir das dann einfach nicht wert war, muss es bei der kostenlos einsehbaren Vorankündigung mit Auszügen bleiben. Erfahrungsgemäß steht da meist sowieso schon alles wichtige drin, die Mehrausgabe lohnt nicht (oder nur zu Belegzwecken).

Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, verlangt von der Politik härtere Gesetze gegen die Verbreitung von Fake News und gegebenenfalls drakonische Bußen für soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter.

Heute kommt niemand mehr und empfiehlt, erbittet oder schlägt vor. Sie fordern und verlangen alle immer gleich.

Aus welcher Position heraus fordert ein Intendant eines öffentlich-rechtlichen Senders überhaupt Gesetzesänderungen?

Dessen Aufgabe ist, seinen Laden zu leiten und die gesetzlichen Pflichten zu erfüllen. Eine Position, nach außen hin irgendetwas zu fordern oder zu verlangen hat der nicht. Er hat sie nicht nur nicht, sie wäre auch mit dem Neutralitätsgebot des Rundfunks unvereinbar. Da muss man doch gleich schon mal sehr hellhörig werden. Was geht da vor sich, wenn ein Rundfunkintendant in dieser Position als solcher (und nicht etwa privat) politisch tätig wird und Gesetzesänderungen fordert?

Dass ein Intendant Gesetzesänderungen fordert, wäre ja noch vertretbar, wenn sie seinen Bereich, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder auch deren ganzen Tarif-Apparat, sprich: deren Geschäft, beträfen. Das läge noch in seinem Aufgabenbereich.

Aber was gehen den eigentlich Facebook und Twitter an?

Ein politisches Mandat hat er nicht und demokratisch legitimiert ist er auch nicht.

Es ist auch nicht seine Aufgabe. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich um sein eigenes Geschäft zu kümmern und zu schauen, dass sie was ordentliches senden, und sich nicht um andere Medien zu kümmern. Es kommt denen keine Aufgabe einer Medienkontrolle zu. Man kann vertreten und das als mit den Aufgaben abgedeckt sehen, dass sie informieren, wenn falsche Meldungen herumgehen, und aufklären, was richtig ist (oder sein soll). Mehr aber nicht. Die sind schlichtweg nicht für Medienaufsicht, Facebook, Twitter und so weiter zuständig. Der Mann überschreitet die Grenzen seiner Zuständigkeit sehr weit.

Warum überhaupt Strafen für Facebook und Twitter? Ich meine damit: Warum nur für Facebook und Twitter? Warum eigentlich keine Strafen für öffentlich-rechtliche Sender, wenn sie Unwahrheiten verbreiten? Oder noch besser: Wahrheiten nicht verbreiten?

Was geht da vor, wenn man hier – auch rhetorisch – die Medienwelt in die Guten, Wahrhaftigen, Politisch Korrekten, Unfehlbaren, Unantastbaren auf der einen Seite, und die bösen, dummen, verlogenen, unterirdischen, strafwürdigen, verwerflichen auf der anderen Seite einteilt? Wer glaubt eigentlich an diese Mediendichotomie aus Guten und Bösen, die man uns hier einreden will? Und wer hält die ARD noch für die Guten?

Er halte es für geboten, dass Netzwerke wie Facebook bei einem Strafantrag die Namen der Urheber von Straftaten herausgeben. Der Betroffene brauche einen Auskunftsanspruch, weil er sonst nicht wisse, an wen er sich halten solle – beispielsweise, um gegen frei erfundene Zitate vorgehen zu können.

Viel Ahnung, wovon er spricht, hat der Mann, dieser Intendant, Journalist und Jurist nicht. Das ist ein ziemlich naives Weltbild.

Im Bereich der linken Beschimpfungsmedien findet man ständig irgendwelche Fake-Autoren aus dem Ausland. Ich bin mal Münkler-Watch nachgegangen, weil die kein Impressum hatten. Dann hatten sie eines – auf eine Person in Neuseeland lautend, die es nicht gab. Als ob sich irgendwelche Neuseeländer damit herumschlagen würden, was hier in Hörsälen so vor sich geht. Aber was macht man dann? Welches Strafrecht soll überhaupt gelten?

Hätten wir dann schon wieder mal den Zustand, dass Gesetze nur gegen Deutsche in Deutschland wirken, gegen alle anderen nicht?

Warum fordert man nicht viel mehr und viel wichtiger, dass es auch auf Facebook und Twitter eine allgemeine Impressumspflicht gibt? (Ganz einfach: Weil eine Menge Leute „da oben“ ein ziemliches Interesse daran haben, dass da auch ganz viel anonym oder pseudonym verbreitet wird, etwa über Agenturen und Fake-Personen, gegen die die ARD selbstverständlich nie etwas unternehmen wird.)

Wie stellt sich dieser Jurist das überhaupt vor? Beleidigung und üble Nachrede. Das sind Straftaten. Und da gilt eine Unschuldsvermutung. Es gibt (habe ich mal irgendwo gelesen, müsste ich erst raussuchen) einen verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass man wegen der Unschuldsvermutung vor staatlichem Eingreifen geschützt ist, solange man nicht rechtskräftig verurteilt ist. Wie passt das dazu, dass ein Intendant einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und damit Teil der Exekutive, hier fordert, die Unschuldsvermutung zu übergehen?

Wie stellt der sich das überhaupt vor?

Hohe Strafen für Facebook und Twitter?

Wie sollen die eigentlich zuverlässig nachprüfen können, ob etwas wahr oder falsch ist? Soll man künftig jedes unerwünschte Wort einfach löschen lassen, indem man einfach behauptet, dass es irgendein Recht verletze? Das heißt, man könnte in der Phase vor einer Wahl einfach alles wegradieren, was nicht gefällt, und das weitere dann nach der Wahl klären? Und so ein Unfug ausgerechnet von einem Intendanten einer Rundfunkanstalt, die dem demokratischen Prinzip verpflichtet ist?

Und was, wenn die Behauptung selbst falsch war? Müsste man dann nicht die Unterdrückung der Meinung selbst als Fakenews unterdrücken? Merkt eigentlich keiner, wie selbstwidersprüchlich das ist? Oder interessiert es keinen? Stört es keinen?

Muss man sich mal klarmachen: Einerseits werfen sie Facebook & Co. vor, dass die ungeprüft publizieren, was irgendwer behauptet. Das sei verwerflich. Andererseits fordern sie aber das strukturell genau gleiche, nämlich dass Facebook & Co. sich inhaltlich von jedem steuern lassen, der ihnen irgendwas zuruft.

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

Da steht nicht, jeder hat das Recht die „Wahrheit“ zu verbreiten.

Da steht, jeder hat das Recht, seine Meinung zu verbreiten. Und eine Pflicht, das (politisch) richtige oder das Überprüfbare zu meinen, gibt es nicht.

Und was ist überhaupt mit den Rechten der Leser? Die werden nie erwähnt, haben aber das Grundrecht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Von einer staatlich goutierten Wahrheit steht da auch nichts.

Warum also hat der passive Leser dann nicht das Recht zu erfahren, wer die Löschung veranlasst hat und seinerseits den auf Unterlassung zu verklagen?

Für mich ist das, was da abläuft, sachlich und rechtlich nicht nachvollziehbar. Der Mann verstößt in meinen Augen massiv gegen seine Aufgaben und Pflichten.

Wie ist das möglich, dass so jemand Intendant werden, sein und bleiben kann?

Und was läuft hier um die ARD gerade ab?