Ansichten eines Informatikers

Minderheiten am Lötkolben

Hadmut
11.3.2016 17:39

Hach! [Nachtrag]

Ich hatte doch heute morgen das women-in-tech-am-Lötkoben-Foto.

Ein Leser verwies dazu darauf, dass es bei Kristian Köhntopp noch zwei solcher Fotos gibt (draufklicken zum vergrößern), auf denen Leute den Lötkolben am heißen Ende anfassen.

Völliger Schrott, aber mit Gemeinsamkeiten:

  • Anscheinend alle aus dem gleichen Fotostudio, die beiden linken haben genau denselben Tisch, selbe Brille, selbe Lötstation, selbes Mainboard, selbe Platte (nur gedreht), während die rechts in der Flieder-Bluse anders ausgestattet ist, aber der Tisch (achtet auf die Lücke zwischen zwei aneinanderstoßenden Platten) derselbe zu sein scheint, wahrscheinlich saß sie gar nicht in diesem Chemie-Labor zum Löten, sondern wurde da reingephotoshoppt.
  • Egal, was sie machen, Wissenschaftler- und Ingenieursfotos immer mit Schutzbrille. Sieht so arbeitsam aus.
  • Hey, die reparieren einen PC, indem sie am Mainboard rumlöten und dazu das Festplattengehäuse aufschrauben und die offen danebenlegen. Was für Profis.
  • Die linken beiden haben immerhin eine Lötstation (sogar dieselbe), aber einen komischen Lötkolben, das scheint eher ein Entlötgerät oder sowas zu sein.
  • Nun haben sie beide eben die schöne Lötstation, stellen sie aber falschherum hin, nämlich so, dass Bedienteile und Anzeige von ihnen wegzeigen, sie sie also nicht bedienen oder ablesen können.
  • Macht aber nichts, gibt sowieso nichts abzulesen. Die Anzeige zeigt nämlich nichts an, weil sie offenbar keinen Strom hat.
  • Und wie schon heute morgen festgestellt: Sie löten ohne Lötzinn, ohne Bauteile, ohne sonstiges Werkzeug, ohne Messgeräte, in Synthetikklamotten, aber ohne Potentialausgleich, mit einer Haltung, wie man sich ein Brot schmiert. Und die im grünen Strandbikini, die hält gerade den Kühlkörper fest, den sie auf den Chip auflötet…
  • Ich sag’s jetzt auch nur ungern, aber sogar auf modernen SMD-Mainboards, bei denen die Bauteile von oben aufgelötet werden, gibt’s für solche großen Brateisen oben eigentlich nichts zu tun. Wenn überhaupt, dann Steckverbinder oder andere großen Sachen, und die werden in der Regel von unten verlötet.
  • Und natürlich halten sie alle drei den Kolben am heißen Ende.

Oder anders gesagt: Das Problem ist eben, dass es Stockphotos sind. Die sind nicht echt, sondern lächerlich gestellt und mit Laien und Spielzeug zusammengekloppt.

Bilderstrecken zu „Women in Tech” zu präsentieren, um für Frauen in den Berufen zu werben, und statt echter Fotos dann Fotos vom Ramschmarkt zu kaufen, zeigt ebenfalls, auf welchem Niveau sich der Journalismus und der Feminismus bewegen.

Dabei wäre es doch gar kein Problem, richtig gute und echte Fotos von Frauen in Berufen zu machen. Das Problem ist eher, dass wir heute Google-, Twitter- und Download-Journalismus haben. Die können das nicht mehr. Die kennen das nicht mehr anders.

Der ursprüngliche Kommentar zu diesem Fototrio war übrigens „When I grow up I’m going to Soldering University”.

Das ist nämlich der größte Patzer von allen. Sie wollen Frauen in Technologieberufen zeigen, und zeigen sie beim Löten. Als ob das eine hochstehende Tätigkeit wäre. Sowas habe ich mit Freude und Begeisterung mit 14 gemacht, ohne es jemals groß lernen zu müssen. Das ist, als ob man für Frauen im Vorstand werben würde und sie dabei fotografiert, wie sie Kaffee kochen. Die haben nicht nur keine brauchbaren Fotos, die haben offenbar auch kaum Vorstellung davon, wofür sie werben wollen/sollen/müssen.

Nachtrag: Ich hatte doch im vorangegangenen Blogartikel angesprochen, dass ich bei dem „Women in Tech”-Foto 9/10 bei der ZEIT zwar die Models hübsch (nämlich zu hübsch und gestylt), aber das Foto gnadenlos gestellt und unglaubwürdig finde.

Ja.

Sucht man nämlich nach dem im Bild angegebenen Fotografen Lukas North, findet seine Webseite und schaut dort unter „Lifestyle”, findet man dieselben Mädels, sogar mit denselben Klamotten.

Das sind nicht mal Arbeitsfotos, das sind Lifestyle-Fotos.

Da wird einfach irgendein Scheiß, auf dem irgendwelche Frauen zu sehen sind, als Beleg für „Women in Tech” ausgegeben.

Das muss man schon sagen, die ZEIT ist der letzte Schwindelverein.