Das staatsgeheime Patent
Oh, ist das dämlich.
Erst dachte ich, dem ging es wie mir, die Tagesschau berichtet aber darüber: Da hat jemand was erfunden, es auch zum Patent angemeldet, und das Patentamt bestätigte ihm sogar, dass seine Erfindung neuartig und patentwürdig sei.
Aber:
Aber: Der Inhalt der Anmeldung werde als Staatsgeheimnis bewertet und eingestuft. Dies habe das Verteidigungsministerium so beantragt.Dann folgt in wenigen Sätzen die Begründung, wohl nicht ohne Grund in fett gedruckten Buchstaben: In fremden Händen erlaube dieses Patent die Ertüchtigung gegnerischer Kampffähigkeit, damit die Überwindung der deutschen Verteidigung, unter Umständen sogar die Gefährdung der nuklearen Abschreckung der NATO, woraus ein schwerer Nachteil für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik entstehe. Die Erfindung müsse daher vor fremden Mächten geheim gehalten werden.Mehr war dem Schreiben des Patentamts nicht zu entnehmen.
Jo, dachte ich, dem ging es so ähnlich wie mir damals. Aus Staatsgründen abgesägt. Wobei das auch der rechtlich korrekte Weg bei Dissertationen ist, nämlich sie für geheim zu erklären. Dann hat man trotzdem promoviert, darf sie aber nicht veröffentlichen und nicht darüber reden. Was für einen Kryptologen sogar eine ziemliche Auszeichnung wäre, wenn man offiziell sagen kann, dass schon die Dissertation Staatsgeheimnis war. „Ich könnte es Ihnen sagen, aber dann müsste ich Sie erschießen!“ Läuft natürlich anders, wenn die das a) selbst nicht wissen, dass das so laufen muss und b) nicht die Dissertation, sondern den Kryptologen absägen wollen.
Die Einstufung als Staatsgeheimnis hat erhebliche Auswirkungen für einen Patentinhaber. Über den Inhalt der Erfindung darf man nicht sprechen, sie nicht weitergeben, nirgendwo veröffentlichen, auch nicht verkaufen. Die Erfindung landet quasi im Panzerschrank der Bundesrepublik, für den Erfinder kommt es einer geistigen Enteignung gleich. Betroffenen bleibt die Hoffnung auf Entschädigung. Aber: Wie will man den finanziellen Wert eines Staatsgeheimnisses bemessen? Wer soll festlegen, was es dem Staat wert ist, dass diese Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen?Nur unter äußerst strengen Auflagen kann mit derartigen Patenten tatsächlich gearbeitet werden. Meist in Zusammenarbeit mit oder für die Bundeswehr. Selbst Anwälte, die mit solchen Erfindungen zu tun haben, müssen sicherheitsüberprüft sein.
Naja, dachte ich so, da passt doch dieser Artikel ziemlich gut zu meinen Erlebnissen.
Dann kommt aber erst der Lacher:
Doch der Fall von Baran D. hat inzwischen eine überraschende Wendung genommen: Nachdem der WDR das Patentamt dazu angefragt hatte, erhielt D. ein weiteres Schreiben aus dem “Büro 99”. Diesmal mit einer Aufforderung mitzuteilen, ob und falls ja, welche Künstliche Intelligenz (KI) für die Patentanmeldung verwendet worden sei. Und ob die Unterlagen in eine Cloud hochgeladen worden seien.
D.s Antwort: Er habe für die Erstellung der Unterlagen zur Patentanmeldung tatsächlich eine KI zu Hilfe genommen.
Kurz darauf die Antwort des Patentamts: Da D. eine KI genutzt habe, sei eine Geheimhaltung nicht mehr sicherzustellen, steht darin. Denn Daten, die in eine KI eingegeben werden, würden zur Schulung und zur Verbesserung der KI verwendet Die neue Bewertung lautet nun: “Eine Geheimhaltung der Anmeldung ist nicht erforderlich.”
Überhaupt sei gar nicht erwiesen, dass die Erfindung von Baran D. tatsächlich funktioniere. Es handele sich bislang nur um Behauptungen, für die kein wissenschaftlicher Nachweis vorliege.
Erfinder D. fühlt sich ohnmächtig. Er würde gerne erfahren, wie das Patentamt plötzlich zu dieser Einschätzung gekommen ist. D. ist inzwischen mehr als irritiert über die deutsche Bürokratie und Verwaltung. Seine Erfindung möchte er dennoch als Patent anmelden – nun allerdings in den USA oder Kanada.
Es ist eine interessante Frage, ob etwas noch als geheim, als nicht veröffentlicht gilt, wenn man mit der KI darüber geschwätzt hat. Ob es ein Patent gefährdet, dazu die KI zu befragen.
Für mich liest sich das so, als sei die Erfindung vielleicht gar keine, funktioniere nicht, und die hätten es nicht gemerkt, sondern für geheim erklärt. Und dann habe irgendwann mal einer das Ding in die Finger bekommen, der Ahnung hat, und habe gesagt „Leute, spinnt Ihr? Seht Ihr nicht, dass das Humbug ist? Der Text ist außerdem von der KI erzeugt.“ Und dann hat man einen Weg gesucht, um aus der Sache ohne Blamage wieder rauszukommen.
Neulich gab es irgendwo einen Artikel darüber, dass in vielen Firmen die Geheimhaltung nicht mehr funktioniere, weil die Leute bedenkenlos alles in die KI hochladen, was sie in die Finger kriegen, und der ganze KI-Kram abgehört wird. Im Prinzip ist die KI ein riesiges Spionageprogramm, weil die Leute damit einfach über alles und jedes reden. Dabei ist dieser Effekt nicht einmal neu. Kennt Ihr noch „Eliza“, die primitive Ur-Ur-Urgroßmutter der KI-Systeme? „Hi, I am Eliza, tell me your problem!“ Obwohl die Leute wussten, dass es sich nur um ein ziemlich einfaches Programm handelt, baten sie darum, mit dem Computer alleine sein zu dürfen, um über ihre Probleme reden zu können.
Nun werden die Leute alles in die KI eingeben. Privates. Dienstliches. Geheimes. Um Texte schreiben zu lassen.
Und genau das wurde neulich irgendwo – ich weiß nicht mehr, wo ich das gesehen habe – als enormes Sicherheitsproblem angesehen, dass die Leute jetzt alle mit der KI über alles reden.
Bin mal gespannt, ob und wann da mal was so explodiert, dass die Öffentlichkeit davon erfährt.