Des Ministers Türwarnsysteme
Ich hatte es so halb im Radio gehört, und dachte so halb, jetzt drehen sie halb durch.
Ur-Artikel der Pressemeldungen ist wohl die Rheinische Post: Plötzlich geöffnete Tür – Warnsysteme sollen verpflichtend werden
Ihr Fall sorgte bundesweit für Aufsehen: Die Hamburger „Großstadtrevier“- und „Traumschiff“-Schauspielerin Wanda Perdelwitz verstarb Anfang Oktober, nachdem sie auf dem Fahrrad gegen eine plötzlich geöffnete Beifahrertür geprallt war. Experten sprechen in solchen Fällen von einem „Dooring“-Unfall. Perdelwitz ist ein Opfer von vielen.
Die Bundesregierung will daher jetzt Fahrradfahrer, Nutzer von E-Rollern und anderen Zweirädern besser schützen. So sollen Türwarnsysteme etwa für Autos verpflichtend eingeführt werden. Eine Sprecherin von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) bestätigte dies unserer Redaktion. Wenn die Tür von einer Person im Fahrzeug plötzlich geöffnet werde, seien gerade Radfahrer besonders gefährdet, „die dicht an parkenden Fahrzeugen vorbeifahren“, erläuterte die Sprecherin. „Um solche Unfälle zu vermeiden, plant die Bundesregierung die verpflichtende Einführung von Assistenzsystemen wie der Türöffnungswarnung.“
Diese Systeme überwachten beim Parken die Bereiche seitlich und hinter dem Fahrzeug. Sie würden herannahende Verkehrsteilnehmer erkennen „und warnen die Insassen rechtzeitig, wenn beim Öffnen einer Tür eine Kollision drohen könnte“. Ziel der Bundesregierung sei es, „die Zahl der Unfälle durch unachtsames Türöffnen deutlich zu reduzieren“, so die Sprecherin weiter. Die Arbeiten zur Umsetzung der Verpflichtung seien bereits auf internationaler Ebene gestartet. „Die Bundesregierung bearbeitet dieses Thema mit hoher Priorität“, betonte die Sprecherin weiter.
Halte ich für Unsinn.
Wieder mal Juristendenke, einfach den nächsten, den man als haftbar greifen kann, zu irgendwas zu verpflichten.
Ich halte es sogar in doppelter Hinsicht für Unsinn.
Technisch
Erstens in technischer Hinsicht.
Sicher, ohne Zweifel, es passieren ganz viele Unfälle, weil Leute die Türen aufreißen ohne zu schauen. Ist mir selbst schon passiert, als ich Student war und mit dem Fahrrad durch die Uni geradelt bin, reißt einer an einem parkenden Golf urplötzlich und sehr schnell die Tür auf und ich bin da voll reingebrettert. Damals war ich aber noch sportlich und durchtrainiert, habe einen Salto vorwärts über die Tür gemacht, bin auf den Füßen zum Stehen gekommen, nicht einmal gefallen – und war der Einzige, dem nichts passiert ist. Schaden am Fahrrad, der Fahrer hatte sich am Arm verletzt, und beim armen Golf ging danach die Tür nicht mehr zu, hing fast eine Handbreit unter dem Türrahmen. Ich keinen Kratzer abbekommen, keine Ahnung, wie ich das geschafft hatte, aber damals war ich noch fit und sportlich. Ein Zeuge sagte mir, es hätte sehr eindrucksvoll ausgesehen. Ich hatte mich wohl mit den Händen auf dem Türrahmen abgestützt und die eigene Geschwindigkeit nach oben über die Tür geleitet.
Aber: Wie soll ein Fahrzeug so etwas a) in hinreichender Geschwindigkeit und b) auf hinreichende Distanz erkennen können?
Das Problem ist ja nicht die Oma mit dem Rollator, auch kaum ein normaler Fußgänger, sondern umso größer, je schneller einer auf dem Fahr- oder Motorrad angebrettert kommt.
Gehen wir mal davon aus, dass der, der die Tür öffnet, eine Reaktionszeit von mindestens einer Sekunde hat, um den Alarm zu erfassen und darauf zu regaieren, indem er die Tür wieder schließt. Eher zwei. Wenn ein Radfahrer 30 km/h fährt, in Berlin sind sie oft schneller, fährt er also 9 Meter pro Sekunde. Das System müsste den Radfahrer also schon erkennen, wenn er noch 10 bis 15 Meter entfernt ist.
Wie soll das gehen? Optisch? Per Doppler-Radar?
Das mit dem Radar ginge vielleicht sogar, die Sensoren gibt es im Elektronikbastelkram für einstellige Eurobeträge. Man müsste die vielleicht im Rücklicht einbauen und warnen lassen, wenn sie eine Bewegung erkennen und man zum Türgriff greift, oder die Türen entriegelt und das Fahrzeug steht.
Ich habe ein Auto mit insgesamt 6 Außenkameras (zumindest habe ich bisher 6 entdecken können), eigentlich als Einparkhilfe, das darüber auch das Fernlicht abschalten kann, wenn einem auf der Autobahn etwas entgegenkommt. Dem könnte man vielleicht auch so etwas beibringen, vielleicht sogar rein per Software. Aber welches deutsche Autos hat schon so viele Außenkameras?
Und wie will man das zuverlässig unterscheiden, ob Kollisionsgefahr besteht? Baut man da nicht wieder etwas, was ständig piept und warnt? Beklagen nicht unzählige Käufer neuer Autos, dass man damit nicht mehr fahren kann, weil ständig irgendwas piept oder warnt, und man gar nicht mehr weiß, was das alles bedeutet?
Ich kenne Stellen in Berlin (z. B. Kreuzung Jannowitzbrücke), wo ein solches System versagen würde, weil die Straße gebogen ist und man die Radfahrer, die da mit hohem Tempo (weil ich noch bergab) herangeschossen kommen, vorher nicht sehen kann.
Das Problem mit solchen Warn- und Assistenzsystemen ist nämlich, dass sie nur dann etwas bringen, wenn sie wirklich zuverlässig sind. Ansonsten nämlich können sie sogar schädlich sein, weil die Leute sich daran gewöhnen und darauf verlassen. Und wenn das Assistenzsystem dann schlechter als der Mensch ist, hat man eine Verschlechterung.
Ich habe den Eindruck, dass das irgendein Gimmick war, das Autohersteller als Zusatzausstattung anboten, weil die Autos an sich ja immer „vollständiger“ werden und heute Serienausstattung ist, was man früher oft dazukaufen musste. Und man wieder irgendwas braucht, was man den Leuten als Sonderausstattung andrehen kann. Dann hat irgendein Lobbyist oder Politiker das gesehen – Bumm.
Viele Hersteller würden entsprechende Warnsysteme auch bereits anbieten, oft aber nur als aufpreispflichtiges Zubehör. Ausrüstungsvorschriften für Pkw würden allerdings grundsätzlich auf EU-Ebene erlassen.
Einfach mal zu lernen, dass man schaut, bevor man die Tür öffnet, ist nicht mehr drin?
Muss jetzt alles für die Idiotenrepublik gebaut werden?
Und was, wenn so ein System dann mal die Tür blockiert und man aus dem brennenden, sinkenden oder sonstwas-Auto nicht mehr rauskommt?
Für viele Experten sind die Niederländer übrigens inzwischen Vorbild, um Unfälle duch plötzlich geöffnete Türen zu vermeiden. Dort hat sich der „Holländische Griff“ bewährt, der zum „Schulterblick“ zwingt. So öffnet der Autofahrende die Tür mit der rechten Hand, der Beifahrer mit der linken. Dadurch dreht sich der Oberkörper automatisch nach hinten, was den Schulterblick erleichtert.
Heißt: Bei uns sind viele Leute zu doof, eine Autotür zu öffnen. Was allerdings auch daran liegt, dass es ja nur eine Fahrer-, aber drei Passagiertüren gibt, und die Passagiere oft keinen Führerschein haben oder noch Kinder sind.
Das führt dazu, dass man irgendwann gar nicht mehr schaut und denkt, sondern sich auf die Assistenzsysteme verlässt. Es gibt auch Leute, die können nur noch nach Abstandspiepen einparken.
Das technowirtschaftliche Problem
Aber selbst wenn man es hinbekommt:
Ich habe die Tage irgendwo gelesen, es ging irgendwie um Software Defined Mobility, und dass die deutschen Autobauer zu verkalkt seien, um moderne Softwareentwicklungsprozesse hinzubekommen, dass in einem modernen Auto inzwischen über 100 Computer zusammenarbeiten müssen, um man das kaum noch fehlerfrei hinbekommt. Als ich mit Autofahren angefangen habe, hatte Autos noch gar keine Computer.
Über 100 Computer in einem Auto.
Jeder Scheiß, jede Fensterscheibe, die man rauf und runterfahren kann, braucht inzwischen einen eigenen Steuerungsrechner. Während wir von der Chiplieferung aus Asien total abhängig geworden sind und Produktionsbänder still stehen, weil irgendwelche Prozessoren fehlen.
Autos sind längst zu rollenden Rechenzentren geworden.
Schwer. Voller entsorgungsproblematischer Stoffe. Teuer.
Neulich las ich irgendwo, dass die Autokrise keineswegs nur – wie immer in der Presse behauptet wird – auf der Achse Verbrenner-Elektro stattfinde, sondern auch durch die EU-Schikanen. Ständig würden neue Erweiterungen und Asistenzsysteme gefordert, automatischer Notruf, Pi, Pa, Po. Das mache die Autos – unabhängig von ihrer Größe, Motorisierung und Zielgruppe – längst so teuer, dass man in Europa gar keine Kleinwagen zu marktfähigen Preisen mehr produzieren könne, und alleine schon das den Markt nach Asien verschiebt, weil die dort billige Personalkosten haben und Elektronik billig herstellen können.
Das ist diese Kaiserin-von-der-Leyen-EU, die die Automobilindustrie vernichtet. Man glaubt, dass man das problemlose Paradies herstellen kann, indem man einfach alles verbietet, was nicht nach Paradies aussieht, und den Leuten Vorschriften macht, alles paradiesisch aussehen zu lassen.
Und so kommt ständig irgendein Politiker um die Ecke, der irgendeine neue bekloppte Idee hat, was jetzt noch in Autos eingebaut werden müsse.
Und nun halt Patrick Schnieder (CDU), Bundesminister für Verkehr.
Jeder Politiker – hätte man von dem schon mal gehört? Ich hätte bis eben nicht ohne nachzuschauen gewusst, wer gerade Verkehrsminister ist – der sich mit irgendwas profilieren will, kommt mit irgendwelchen neuen Pflichten und Auflagen um die Ecke.
Wollte man nicht die Bürokratie abbauen? Und gleichzeitig verwendet man Bürokratie und Pflichtenflut als Methode zur Politikerprofilierung?
Und was heißt das dann? Ist das dann TÜV-relevant? Muss der TÜV bei der Hauptuntersuchung prüfen, ob das noch funktioniert?
Sie werden die Wirtschaft schon kaputt kriegen. Europäische Autos haben über hundert Prozessoren und Assistenzsysteme – aber keinen Motor mehr.