Ansichten eines Informatikers

„Die Globalisten bekommen die Globalisierung nicht hin“

Hadmut
22.10.2025 14:34

Ein Leser schimpft.

Danisch schimpft über deutsches Steuerrecht jenseits des Randes des Wahnsinns. [Nachtrag]

Die Globalisten bekommen die Globalisierung nicht hin – oder: Die Leiden eines nicht mehr so jungen Reisenden – oder: Steuerbetrug von Reiseportalen in ganz großem Stil

[…]

Mehr als 4 Jahre habe ich in den USA gelebt und bin davor beruflich viel gereist und tue das noch immer. Mind. einmal pro Monat habe ich einen Auslandsaufenthalt.

Was mir dabei aufgefallen ist: die Globalisten bekommen die Globalisierung nicht geregelt. In den USA brauchte ich ein Telefon mit amerikanischer Telefonnummer und amerikanischer Adresse im App-Store, um die App der amerikanischen Bank zum Laufen zu bekommen. Mit rein deutschem Equipment war da kein Weg. Auch eine amerikanische eSim hätte keine Abhilfe geschaffen. Aber gut, wenn man da 4 Jahre ist, kann man das machen.

Was mir aber heftigst auf den Keks geht: internationale Hotelzimmer-Buchungs-Plattformen wie booking.com.

Buche ich da aus Deutschland (ich weiß nicht, wie es ist, wenn man von woanders bucht) ein Hotelzimmer, ist das einzige, was ich von denen bekomme, eine Buchungsbestätigung und einen Zahlungsbeleg. Der ist aber keine Rechnung, steht auch extra so drauf. Fordere ich dann von booking.com eine Rechnung an, wird mir mitgeteilt, dass diese das Hotel ausstellt. Also gut, freundliches Gespräch mit der Rezeptionistin im Hotel: schwups habe ich meine Rechnung. Auf der steht dann aber nur: $0.00. Warum? Weil dort nur das aufgeführt wird, was ich über die Übernachtung hinaus im Hotel an Kosten verursacht habe. Also Minibar, Spa, Bar oder Restaurant. Auf meine Frage, warum da nicht der Übernachtungspreis aufgeführt ist, den ich ja schon gezahlt habe: weil ich nicht über das Hotel gebucht habe. Die Rechnung geht an booking.com und nur von denen könnte ich eine ebensolche Rechnung erhalten. Wunderbarer Zirkelschluss. booking.com sagt, ich bekomme die Rechnung im Hotel und das Hotel sagt, die Rechnung gibt es von booking.com.

Und nun? Meine Buchhalterin dreht durch, meine Steuerberaterin sowieso. Ich kann weder die Umsatzsteuer abziehen noch die Kosten absetzen, denn a) der Zahlungsbeleg ist keine Rechnung, b) eine Rechnung bekomme ich nicht und c) eine Steuer wird nirgends ausgewiesen. Und nun? Keine Ahnung. Jedenfalls jedesmal nach so einer Reise riesige Diskussionen mit Buchhaltung und Steuerberater.

Wie machst Du das?

Sind die alle nur unfähig oder klemmt da das System? Oder steckt gar ein System dahinter, z.B. indem mir eine Steuer in Rechnung gestellt wird, die gar nicht anfällt und/oder ich so systematisch um die Möglichkeit gebracht werde, Reisekosten steuerlich geltend zu machen? Oder werden da Einnahmen verbucht, die gegenüber dem Finanzamt als solche nicht angegeben werden? Beides wäre ja systemisch möglich, solange ich keine Rechnung bekomme, die ich zwecks Vorsteuerabzug und absetzbare Kosten dem Finanzamt vorlege.

Von den Untaten der europäischen Verbraucherschutztruppe hört man ja einiges. Kümmern sich um die Geometrie von Gemüse und Obst und die fränkischer Weinflaschen. Offensichtlich aber nicht um das, was für die europäische Wirtschaft relevant wäre. Und nein, auch Angebote für Unternehmen bieten keine Abhilfe, mit Travelperk haben wir es auch probiert – gleiches Drama. Unser Finanzer hing tagelang am Telefon, um von denen irgendwas Schriftliches zu erhalten, was vom Finanzamt akzeptiert wurden wäre.

Ich bin also auf Deine Gedanken und Erfahrungen gespannt.

Wie ich das mache, wollt Ihr wissen?

Na, dann passt mal auf.

Auf das Problem stoße ich dauernd.

Ich habe neulich mal eine – eigentlich aussichtslose – Klage gegen das Finanzamt verloren, bei der es mir auch nicht um das Gewinnen als solches, sondern um die Klärung der Rechtsfrage ging.

Das deutsche Steuerrecht ist nicht weltkompatibel.

Der Problemfall: Ich bin freiberuflich tätig, aber habe zwei Dinge gewählt, mit denen das deutsche Steuerrecht nicht umgehen kann:

  • Einnahmen-Überschuss-Rechnung statt Bilanz
  • Ist- statt Soll-Versteuerung

Letzteres führt dazu, dass die Steuerpflicht und -abziehbarkeit nicht entsteht, wenn die Schuld besteht, sondern wenn das Geld tatsächlich auf dem Konto tatsächlich eingeht oder rausgeht. Es werden also nicht, wie normal bei großen Unternehmen, Rechnungen gebucht (und die Zahlungen dann nur darauf überwacht, ob der Saldo immer schön auf Null ausgeglichen wird), und der Anspruch auf Zahlung der gestellten Rechnung schon als Unternehmensgewinn gebucht wird (und später die eingehende Zahlung nur noch als bilanzneutralen Ausgleich gegen den Anspruch), sondern echte Geldbewegungen. Das Geld wird versteuert, wenn es reinkommt und nicht, wenn ich eine Rechnung stelle, was ohnehin ja nicht möglich wäre, weil ich normalerweise keine Rechnungen stelle. Ich kann gar nicht anders als über die Ist-Versteuerung, und auch damals, als ich das gewählt hatte und das noch anders war, weil ich da noch als freiberuflicher Informatiker Aufträge annahm, schien mir das sicherer, weil ich Einnahmen erst versteuern muss, wenn ich sie auch tatsächlich bekommen habe.

Und das bezieht sich ja nicht nur auf die Einkommens-, sondern auch auf die Umsatzsteuer. Da kann man nämlich leicht Steuerschulden auf Einnahmen bekommen, die man nie erhalten hat, allein schon, weil man die Rechnung gestellt hat.

Aber, ach.

Das deutsche Steuerrecht krankt an einer unheilbaren Idiotie. Also, es krankt an vielen solchen, aber ich will hier auf eine bestimmte hinaus.

Normalerweise würde ein verständiger Mensch denken, dass Gewinn/Einkommensteuer einerseits und Umsatzsteuer andererseits völlig getrennte Kassen sind. Wenn ich als Unternehmer ein Rechnung über 1000 Euro stelle, schreibe ich da die Mehrwertsteuer (=Umsatzsteuer) von 19% mit drauf, zusammen also 1190 Euro, und dann gehen davon 1000 an mich und 190 an das Finanzamt, als wäre ich quasi deren Treuhänder und Erfüllungsgehilfe.

Und umgekehrt, könnte ich, wenn ich mir irgendwas für 119 Euro kaufe, sagen, dass ich die 100 Euro zahle und die 19 Euro vom Finanzamt kommen, weil ich die aus dem Umsatzsteuertopf nehmen darf.

Das wäre so einfach. Das macht aber das Steuerrecht nicht mit.

Irgendwelche Superidioten im Steuerrecht bestehen nämlich darauf, das zu vermischen.

Also: Wenn ich jemandem eine Rechnung schicke, über 1000 Euro plus Umsatzsteuer 19% = 1190 Euro, dann ist das fiskalisch nicht etwa so, dass ich 1000 für mich und 190 für das Finanzamt einnehme, sondern so, dass ich die vollen 1190 einnehme und dann dem Finanzamt selbst 190 Euro schulde.

Klingt spitzfindig und haarspalterisch, kann aber große Wirkung haben. Der Gedanke dahinter ist, dass nicht der Kunde, der das Geld zahlt, sondern der Unternehmer, der die Rechnung stellt, dem Finanzamt die Einkommensteuer schuldet. Er nimmt die Umsatzsteuer also nicht als Gehilfe des Finanzamtes vom Kunden ein, sondern er selbst ist der Schuldner gegenüber dem Fiskus, der die 190 Euro zu zahlen hat.

Und deshalb ist das fiskalisch nicht etwa so, dass man sagt, man hat da 1190 eingenommen, also 1000 aufs Firmenkonto und 190 auf das Umsatzsteuerkonto für das Finanzamt, sondern man hat 1190 für das Firmenkonto eingenommen und gleichzeitig eine – separate – Steuerschuld von 190 Euro bekommen. Auf diese Weise nämlich entsteht die Steuerschuld auch dann, wenn das Geld nicht reinkommt. Wenn der Kunde also nicht zahlt, ist damit der Unternehmer und nicht das Finanzamt der Gelackmeierte. (Was einer der Gründe war, warum ich die Ist-Versteuerung gewählt habe, damit ich Einnahmen erst einkommens- und umsatzversteuern muss, wenn sie tatsächlich reinkommen.)

Aus Sicht dröger Steuerbeamter in Finanzministerium, die nur in Bilanzen denken, ist das auch kein Problem. Denn wenn alles auf Rechnungen beruht und mit dem Rechnungsdatum gebucht wird, dann passiert das ja immer gleichzeitig.

Wenn ich also als GmbH oder AG dem Kunden X eine Rechnung über 1190 Euro schicke, entsteht damit gleichzeitig, am selben Tag, der Zahlungsanspruch gegen den Kunden als Gewinn in Höhe von 1190 Euro, und die Steuerschuld als Verbindlichkeit in Höhe von 190 Euro. Bilanzverlängerung. Wann der Kunde dann tatsächlich zahlt, ist dann steuerlich egal, weil das dann nur ein Aktivtausch ist, also der Anspruch gegen den Kunden gegen Geld auf dem Konto ausgetauscht wird. Genauso beim Einkauf, nur umgekehrt mit Kürzung und Passivtausch.

Das funktioniert. Und warum?

Es funktioniert deshalb, weil bei der klassischen deutschen Buch- und Geschäftsführung am Anfang jeden Vorgangs immmer die Rechnung steht. Wer schon mal in meinem größeren Unternehmen gearbeitet hat, weiß: Ohne Rechnung geht da überhaupt nichts. Die Rechnung ist das, was den buchungstechnischen Geschäftsvorfall auslöst, und auf der Rechnung steht immer, wie sich der Betrag mit Umsatzsteuer zusammensetzt. Die später erfolgende ein- oder ausgehende Zahlung ist dann im Prinzip fiskalisch unbeachtlich, weil die ja nur noch dazu dient, den Saldo auszugleichen und die Schulden in Kontostände umzuwandeln. Solange wir uns in einem Handelsgesetzbuch-Raum mit klassischer Erst-Rechnung-dann-Zahlung-Welt befinden, funktioniert das.

Das funktioniert aber nicht mehr bei Ist-Versteuerung. Und es funktioniert nicht im internationalen Verkehr.

Warum?

Weil es im internationalen Umgang längst so ist, dass man erst zahlt und hinterher – manchmal – eine Rechnung bekommt. Man also zum Zeitpunkt der Zahlung noch nicht weiß, wie sich der Betrag zusammensetzt, und man beispielsweise seine Umststeuerabrechnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht machen kann.

Beispiel:

So gegen Jahresende, Dezember, fällt mir, wie allen Unternehmern, ein, dass die Zeit für Anschaffungen gekommen ist, weil man abschätzen kann, wieviel man in diesem Jahr eingenommen hat, und man jetzt noch was ausgeben will, um das gewinnmindernd von der Steuer absetzen zu können.

Nehmen wir also mal als Beispiel an, ich bestelle mir

  • bestelle am 15.12. beim Chinesen ein Objektiv für 500 Euro und zahle per Paypal.
  • am 29.12. eine SSD bei Amazon und zahle per Lastschrift,
  • kaufe am 30.12. Büromaterial bei LIDL und zahle per Karte an der Kasse

Bei Amazon wird die Lastschrift – falls kein Wochenende – meist noch am 30.12. durchgeführt, die Rechnung erfolgt online und je nach Lieferzeit und Wochentagslage das Ding am 30.12, 31.12 oder 2.1. geliefert.

Bei LIDL ist es andersherum. Da habe ich die Ware und den Kassenzettel sofort, aber die Lastschrift erfolgt erst am 2.1.

Das ist aber beides unkritisch, weil man beim üblichen Geschäftsverkehr Vorgänge bis zum 10. des Folgejahres noch dem Vorjahr zuschlagen dar. Ich kann also die Zahlung an Amazon und LIDL noch dem alten Jahr zuschlagen, ebenso wie eine Einnahme, die erst am 2.1. reinkommt.

Anders aber ist es bei der Bestellung beim Chinesen – und auch bei Amazon, wenn sich nämlich herausstellt, dass die Lieferung nicht von Amazon selbst kam, sondern Amazon nur als Marketplace für einen chinesischen Händler fungierte.

In letzter Zeit sind die zwar viel schneller geworden, aber das kann dann schon mal zwei, vier, sechs, acht Wochen dauern (vor allem, weil chinesische Händler gerne Dinge anbieten und verkaufen, die sie noch gar nicht haben und selbst erst beschaffen müssen, wenn eine Bestellung reinkommt).

Wir haben also folgenden Sachverhalt:

  • Wir haben am 15.12. beim Chinesen per Web bestellt, und 500 Euro per Paypal oder Kreditkarte gezahlt. Das Geld geht am 16.12. vom Konto runter, und muss damit zwingend noch im alten Jahr steuerlich berücksichtigt werden, weil es nicht unter die 10-Tagesregel fällt. Außerdem wollen wir ja die Ausgaben noch im alten Jahr geltend machen.
  • Nehmen wir an, das Paket kommt am 20.1. an, und – wie die Chinesen das gerne, aber nicht immer so machen – die Rechnung liegt aus dem Laserdrucker in A4 englisch oder chinesisch mit im Karton.

Wir wissen also frühestens am 20.1., wie sich der Betrag zusammensetzt.

Und das ist übel.

Es gibt nämlich nun mehrere Möglichkeiten, insbesondere seit die EU – mehr oder weniger – durchgesetzt hat, dass der Absender für die Umsatzsteuer aufkommen und die vorab einzahlen soll, weil das zu oft schief ging.

  1. Vielleicht ist der Absender ehrlich und seriös, und hatte auf seiner Webseite – sogar wahrheitsgemäß – angegeben, dass der Preis inklusive Mehrwertsteuer und Versand ist, und das brav eingezahlt – dann ist alles fertig und ich habe einen Beleg, dass von den 500 Euro 420,17 Euro Warenpreis mit Versand waren und die restlichen 79,83 als Einfuhrumsatzsteuer gezahlt wurden.
  2. Oder es war ein zwar seriöser Absender, der aber keine Ahnung von EU-Recht hat und sich darum nicht schert, und das Ding einfach ohne jede Mehrwertsteuer abgeschickt, aber ehrlich beschriftet hat. Oder der das gar nicht konnte, weil der chinesische Paketdienst das nicht als Dienstleistung anbietet.

    Kommt das Ding mit DHL, heißt es dann „Liegt im DHL-Shop“, und bei Abholung muss ich Einfuhrumsatzsteuer auf 500 Euro, also 95 Euro plus einer deftigen Auslage- oder Bearbeitungsgebühr für DHL nachzahlen, komme also auf insgesamt über 600 Euro und davon 95 Euro Einfuhrumsatzsteuer.

    Oder das Ding kommt per Fedex o.ä., die mir das Ding an der Wohnungstür in die Hand drücken oder beim Nachbarn abgeben und dann drei Wochen später überraschend eine Rechnung über die verauslagten 95 Euro und noch deftigere Auslage- und Bearbeitungsgebühren verlangen.

  3. Oder der Händler war unseriös und der deutsche Zoll hat es nicht gemerkt, und hat als Wert statt 500,00 nur 50,00 Euro angegeben. Bedauerlicher Schreibfehler, kann ja mal vorkommen, dass man ein Komma falsch setzt oder eine Null vergisst.

    Manche machen das im eigenen Interesse und zahlen dann nur – wie beim ersten Fall – die Umsatzsteuer ein, aber eben nur auf 50 Euro und damit nur 7,98, oder auch gar nichts wegen irgendeiner Bagatellgrenze, oder sie haben nichts davon, verstehen das aber als „Kundenservice“, für den Empfänger die Steuern und Gebühren durch Falschangaben zu drücken.

  4. Oder: Es steht gar nichts da. Entweder sagt die Rechnung nichts dazu, oder es gibt gar keine Rechnung.

Nach chinesischem Recht ist das wohl alles legal und zulässig.

Das heißt, dass ich im 16.12. 500 Euro gezahlt habe, die vom Konto runtergingen, ich aber erst viele Wochen später weiß, wie sich der Betrag zusammensetzt und ob und wieviel (Einfuhr-)Umsatzsteuer der Betrag enthielt.

Eine ordnungsgemäße Buchführung nach HGB ist damit schon nicht möglich, weil die eine zeitnahe Buchung voraussetzt. Und was, wenn man keine oder keine korrekte Rechnung bekommt?

Aber es geht ja um EÜR und Ist-Versteuerung.

Wo ist nun die Sauerei daran?

Da ist sehr subtil und nicht leicht zu verstehen.

Ich muss bis zum 10. des Folgezeitraums – je nach Vorjahresumsatz – monatlich oder quartalsweise eine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben.

Das heißt also, dass ich bis spätestens 10. Januar die Umsatzsteuervoranmeldung für den Dezember abgeben musste. Normalerweise hätte ich da also reingeschrieben, dass ich am 16.12. für das Objektiv bezahlt habe und die darauf entrichtete (Einfuhr-)Umsatzsteuer von meiner Steuerschuld abziehen kann. Das ging aber nicht, weil ich erstens bis 10. Januar noch gar nicht wusste, wie sich der Betrag zusammensetzt – und es auch nicht darf, weil ich nur solche Beträge abziehen darf, für die ich eine Rechnung habe, die das klar belegt. Die habe ich aber nicht elektronisch bekommen, sondern die liegt mit im Paket, das noch nicht angekommen war.

Das heißt, das System der Buchung und der Umsatzsteuererklärung funktioniert nicht mit Ist-Versteuerung, weil es in Zeiten der Globalisierung eben anders, als zu der Zeit, als unser Steuerrecht erfunden wurde, eben so ist, dass man nicht mehr erst nach Erhalt der Rechnung zahlt, sondern erst zahlt, und viel später die Rechnung bekommt (also noch gar nicht so genau weiß, wieviel man eigentlich zahlt, ob die 500 Euro schon der Gesamtpreis waren oder das über die Nachentrichtungen noch auf über 600 Euro anwachsen kann.)

Nehmen wir an, ich entnehme also der Rechnung im Paket, dass der Händler seriös war und – wie von der EU vorgesehen – die 79,83 Einfuhrumsatzsteuer im Preis enthalten waren und der das über seinen Paketdiensleister vorab gezahlt hat.

Ich hätte also die 79,83 Euro als gezahlten Vorsteuerbetrag in die Umsatzsteuervoranmeldung schreiben können und entsprechend weniger Umsatzsteuer für Dezember oder Quartal IV an das Finanzamt zahlen müssen.

Das ist auf den ersten Blick unproblematisch, denn ich kann das ja immer noch in der Umsatzsteuererklärung für das Vorjahr unterbringen, die ich bis Sommer abgeben muss, und für die ich dann die 79,83 Euro noch rausbekomme, nur eben ein paar Monate später.

Jetzt kommt die subtile Sauerei.

Ich hatte oben geschrieben, dass der deutsche Fiskus Gewinn und Umsatzsteuer nicht sauber trennt, sondern die vereinnahme Umsatzsteuer als Einnahme und die gezahlte Vorsteuer als Ausgabe gebucht sehen will, das also vermischt. Und genauso macht er das auch für die Umsatzsteuervoranmeldung und die Steuernachzahlung oder Erstattung: Auch die werden als Ausgabe oder Einnahme im Gewinnsinne verbucht. Und weil ich die 79,83 Euro nicht mehr in der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember oder Q4 des Vorjahres unterbringen konnte, sondern erst in der Umsatzsteuererklärung für das vorangegangene Jahr, bekomme ich diese 79,83 Euro Einfuhrumsatzsteuer, die ich als Vorsteuer geltend machen kann, erst im Folgejahr oder noch später erstattet, je nachdem, wie lange das Finanzamt für den Steuerbescheid braucht.

Was heißt das nun?

Umsatzsteuerlich
heißt es gar nichts, denn ich habe 79,83 Euro im Dezember ausgegeben und bekomme sie eben nicht im Januar, sondern erst später erstattet, aber ich bekomme sie erstattet. Bei den geringen Guthabenzinsen unbeachtlich, aber für Unternehmen mit Schulden schon übel. Umsatzsteuerlich ist das aber egal, wann ich das nachzahle oder erstattet bekomme, weil die das immer strikt dem jeweiligen Zeitraum zuordnen. Wenn ich 2025 eine Umsatzsteuererstattung für 2023 bekomme, zählt die trotzdem für 2023.
Einkommensteuerlich
heißt das aber einiges, denn obwohl die Umsatzsteuer eigentlich völlig gewinnneutral ist, ich das ja nur durchreiche, und davon nichts habe, muss ich die Zahlung von 79,83 Euro als Teil der 500 Euro im Vorjahr als Ausgabe = Verlust, und deren Erstattung im Folgejahr als Einnahme = Gewinn gebuchen, obwohl ich ja gar keinen Gewinn gemacht, sondern im Gegenteil etwas gekauft, Geld ausgegeben habe.

Habe ich aber in den beiden Jahren wegen der Progression unterschiedliche Einkommensteuersätze, weil ich letztes Jahr weniger eingenommen habe oder viele Ausgaben hatte, muss ich in dem Jahr, in dem mir das Finanzamt die 79,83 Euro erstattet, darauf Einkommensteuer als Gewinn zahlen, während ich im vergangenen Jahr die 79,83 als Verlust abziehen konnte.

Habe ich dieses Jahr aber einen höheren Steuersatz, zahle ich Einkommensteuer auf einen Gewinn, den ich nie gemacht habe. (Oder auch umgekehrt auf Verluste.)

Es kann also sein, dass mir die 79,83 letztes Jahr bei einem Steuersatz von beispielsweise 10% Einkommensteuer in Höhe von 7,98 ersparten, aber dieses Jahr auf die „Einnahme“ der Umsatzsteuerrückerstattung einen Spitzensatz von 42% zahlen muss, mithin 33,53 Euro Einkommensteuer zahlen muss, effektiv also 33,53-7,98 = 25,55 Euro Einkommensteuer auf einen „Gewinn“ zahlen musste, den ich nie gemacht habe. Allein deshalb, weil die Paketlaufzeit zu lang war, etwa der deutsche Zoll wieder Wochen brauchte, um das Paket abzufertigen.

Zinsen noch gar nicht berücksichtigt.

Kann natürlich auch umgekehrt laufen, wenn man im Folgejahr einen niedrigeren Steuersatz zahlt.

Weil einkommensteuerlich zählt, wann gezahlt wurde, und nicht, wo sie hingehört. Wenn ich 2025 eine Umsatzsteuererstattung für 2023 bekomme, zählen die einkommensteuerlich in unterschiedliche Jahre.

Das deutsche Steuerrecht ist inkompatibel mit globalisierten Geschäften, weil das deutsche Steuerrecht stur davon ausgeht, dass am Anfang immer die Rechnung nach deutschem Recht steht, und die Rechnung alle Informationen enthält, und alle Zahlungsvorgänge den Rechnungen nur nachlaufen und dazu dienen, über Aktiv- und Passivtausch fiskalisch neutral den Kontostand dem Schuldenstand anzupassen.

In einer globalisierten Welt läuft es aber umgekehrt: Man zahlt Vorkasse und erhält die Rechnung erst lange Zeit später, weiß also oft erst Wochen oder sogar Monate später, wie die Zahlung buchungstechnisch zu behandeln ist.

Das aber ist deutschen Finanzbeamten nicht einmal erklärlich zu machen, vom Einsehen gar nicht erst zu reden. Finanzamt, Finanzrichter und Schöffen haben das Problem nicht einmal verstanden, hatten aber überhaupt kein Lust, am Steuerrecht irgendetwas zu ändern.

Das deutsche Steuerrecht denkt stur in Rechnung -> Zahlung. Bestellung per Paypal und Kreditkarte online ist im deutschen Steuerrecht noch nicht angekommen.

Aber: Digitalisierungssieger wollen wir sein, ganz an die Spitze kommen. Dabei sind wir hier im Deutschdenk eingemauert und bekommen gar nicht mit, was außerhalb läuft. Und dieselben Parteien, die hinter dieser Teutonenschädeligkeit stecken, nennen dann andere „Nazis“ und „Globalisierungsgegner“.

Nachtrag: Ein Punkt erscheint mir noch wichtig.

In Deutschland ist die Rechnung immer der Anfang, die Grundlage eines Geschäftsvorgangs. Man erklärt damit eine Forderung, und die wird dann beglichen. Die Buchung und die Zahlung laufen also der Rechnung hinterher.

Im Ausland ist das oft genau umgekehrt. Man kauft irgendwas oder nimmt eine Dienstleistung in Anspruch, und betreibt dazu oft entweder Vorkasse oder verwendet das aus dem amerikanischen Kreditkartensystem stammende Systeme, einen Geldbetrag zu belegen, also sich die Zahlungsfähigkeit über einen gewissen Betrag zusichern zu lassen.

Eine Rechnung ist in vielen Ländern nicht wie bei uns die Behauptung einer Forderung, sondern die Abrechnung und Bestätigung des Ausgleichs, also eher eine Quittung. Während bei uns eine Rechnung „offen“ ist und in den Ausnahmefällen, in denen sie schon bezahlt ist, manchmal ein roter „Bezahlt“-Stempel drauf kommt, und den Geschäftsvorfall erst eröffnet, ist sie in vielen Ländern umgekehrt der Abschluss eines Geschäftsvorfalles, und enthält oft sogar die „balance“, also den Saldo aus Ansprüchen und Zahlungen, der natürlich dann Null sein soll(te).

Während in Deutschland also die Rechnung erst die Aufforderung und der Anlass ist, eine Zahlung zu leisten, ist sie in anderen Ländern erst der abschließende Vorgang, der bestätigt, dass die Sache abgeschlossen und keine Zahlung mehr zu leisten ist, steht also nicht am Anfang, sondern am Ende eines Geschäftsvorgangs, und wird oft auch erst nach der Zahlung ausgestellt.

Die Rechnung hat also in vielen anderen Ländern eine gänzlich andere Funktion als in Deutschland, auch wenn sie ähnlich aussieht. In Deutschland veranlasst sie die Zahlung, im vielen anderen Ländern bestätigt sie die Zahlung.

Das aber ist im deutschen Handels- und Steuerrecht überhaupt noch nicht angekommen und Steuerbeamten nicht verständlich zu machen.

Nachtrag 2: Deshalb heißt die Rechnung in vielen Ländern ja auch „Check“ oder „Balance“. Im Restaurant sagt man „The balance, please“, weil man damit eigentlich meint, dass man den Abschlusssaldo nach Zahlung auf Null bestätigt haben will, obwohl das in der Praxis so nicht läuft, sondern man erst den Kassenzettel bekommt, wieviel man zu zahlen hat, dann mit der Karte zahlt, dann aber immer noch den Beleg für die Kartenzahlung bekommt, zusammen also die „Balance“ hat, also den Nachweis der Ausgeglichenheit.