Ansichten eines Informatikers

Kein Wort Deutsch?

Hadmut
19.10.2025 12:27

Leserzuschrift:

Fachkräfte und B2 Niveau

Lieber Herr Danisch,

Sie schreiben

“Wobei ich mich dann schon frage, wie man „jahrelang hier gearbeitet“ haben kann und Deutsch nicht auf B2 oder wenigstens in der Nähe sprechen.”

Ich glaube, Ihnen fehlt die aktuelle Arbeitserfahrung hier in Deutschland. In vielen Unternehmen (auch in deutschen, nicht nur amerikanischen, aber dort vor allem auch) hier werden tatsächlich Ausländer aus allen möglichen Ländern eingestellt (Qualifikationsniveau unterschiedlich, gibt gute und schlechte) die fast kein Wort Deutsch sprechen, und vor allem noch schlimmer: Kein Wort Deutsch sprechen wollen.

Ich finde es auch schade, wenn ich in der Arbeit gezwungen werde, alle Besprechungen nur noch auf Englisch abzuhalten, weil die Kollegen (teils schon seit einem halben Jahrzehnt hier) kein Wort Deutsch reden. Ich würde es ja verstehen, wenn man im professionellen Kontext eine Sprache bevorzugt, in der man flüssiger ist. Aber nicht mal in der Mittagspause ist eine Unterhaltung auf Deutsch möglich, und es wird häufig auf Englisch gewechselt, um die Leute nicht auszuschließen. Nur wenige Ausländer stellen eine Ausnahme dar und sind wirklich bemüht, Deutsch zu lernen. Aber auch ihnen wird es nicht leicht gemacht, da ja ständig auf Englisch gewechselt wird…

Somit besteht überhaupt kein Anreiz (leider) Deutsch zu lernen. Und diejenigen, die es wirklich wollen, müssen sich schon wirklich anstrengen mangels Übungssituationen. Im Privaten leben diese Leute dann auch oft in einer Blase wo andere Sprachen gesprochen werden (gar nicht böse gemeint, viele halten halt Kontakt mit ihren ehemaligen Freunden), und das bischen Kontakt was man außerhalb der Arbeitszeiten mit der Landesbevölkerung hat kommt man auch ganz gut mit Englisch durch…

Also ich hab mich da gar nicht gewundert, für mich ist das (leider) Alltag. Teilweise fühle ich mich als Deutscher schon, als würde ich im Ausland arbeiten und leben. Wenn ich nicht acht gebe könnte ich einen ganzen Tag verbringen ohne ein Wort Deutsch zu reden. (Gut, das ist jetzt ein bischen übertrieben, aber nicht sehr weit weg von der Realität)

Viele Grüße,

Dazu fallen mir ein paar Punkte ein.

  1. Ich komme aus der Informatik und war vor fast 30 Jahren schon in einem Unternehmen, das dann von einem internationalen Konzern übernommen wurde und die Anweisung bekam, dass „Firmensprache“ jetzt englisch sei. Es hat aber nicht gut funktioniert, vor allem die Ossis rebellierten, weil die damals, um das Jahr 2000, alle noch Schulausbildung aus der DDR hatten und deshalb auf Russisch statt Englisch geeicht waren. Auch die letzten Jahre war ich in einem Englisch-lastigen Umfeld, auch das war – dezent ausgedrückt – problematisch.
  2. Allerdings: Ich bin ja schon froh, wenn Leute, die kein Deutsch können, dafür Englisch können. Damit wäre ich ja schon überwiegend zufrieden.

    Aber wir haben ja immer mehr Leute, die weder Deutsch noch Englisch sprechen, und mit denen zumindest ich nur noch pantomimisch oder per Hieroglyphen kommunizieren kann, oder rudimentär-Sprache (draufzeigen und „This no good!“)

  3. Viele schreiben mir, dass die Firmen und beruflichen Umfelder nur noch auf Englisch stattfinden.

    Vor mir aus. Aber machen die Leute denn hier gar nichts anderes als arbeiten?

    Keine Freizeit? Keine Kultur? Fernsehen? Radio?

Wobei ich allerdings zugeben muss, inzwischen auch schon einige Zeit auf Zypern zu sein, und zwar etliche Begriffe aus dem Griechischen (und Altgriechischen) lesen zu können, aber auch kein Griechisch spreche oder verstehe. Allerdings ist auf Zypern Englisch eine der Landessprachen, ich kann mich mit fast allen Zyprioten zumindest grundlegend, mit den meisten normal fließend unterhalten, bin hier also nicht „fremd“ – außer dass ich Radio- und Fernsehprogramme nicht verstehe, aber Presse gibt es auch auf Englisch.

Ich habe allerdings irgendwann, so um 2015 herum, schon gerügt, dass Deutschland zu wenig englischsprachig ist.

Wenn ich in Ländern wie eben Zypern, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder zuletzt Japan bin oder war, habe ich immer sehr davon profitiert, dass viele wichtige Dinge wie Wegweiser, Produkte in den Supermärkten und so weiter zweisprachig beschriftet sind, und man da mit Englisch zumindest das Nötigste versteht.

Warum machen wir das nicht auch in Deutschland so?

(Einfache Antwort: Deutsch ist eine sehr voluminöse Sprache, der gleiche Text braucht auf Deutsch mehr Platz als auf Englisch, Japanisch, Arabisch, weshalb auf den Verpackungen nicht genug Platz für Zweisprachiges ist.)

Ich kann hier auf Zypern bei LIDL einkaufen, und die haben alles mehrsprachig beschriftet, griechisch, manchmal russisch oder in Ostblocksprachen, gelegentlich englisch, manchmal auch deutsch. Das heißt aber, dass die ihre Warenbezeichnungen und Bedienungsanleitungen in ihren Datenbanken längst mehrsprachig haben (was vielleicht sogar von der KI erledigt wird). Warum also wird das Zeug in Deutschland nicht auch zweisprachig angeboten?

Beim LIDL in Deutschland habe ich mal zwei verschleierte Migrantinnen vor dem Bäckereiregal gesehen, die auf Englisch diskutierten, was denn eine „Quarktasche“ wohl sein könnte, und ob sie das essen dürfen oder nicht.

In Japan allerdings ist mir aufgefallen, dass nicht nur frappierend wenige Leute Englisch können. Ich habe allerdings erfahren, dass mehr Leute eigentlich Englisch können, es aber nicht zugeben wollen, weil sie Angst haben, sich mit ihrer Aussprache zu blamieren. Deshalb nie Englisch sprechen und ihre Aussprache niemals verbessern.

Viele Leute dort sehen es aber auch gar nicht mehr ein, sich mit Englisch abzugeben, obwohl sie auf Touristen und das Geschäft mit ihnen angewiesen sind, weil man das doch längst alles elektronisch mache. In vielen – auch altmodischen, traditionellen – Restaurants gibt es keine Speisekarte, sondern entweder vor dem Restaurant einen Automaten mit Touchscreen und Sprachwahl oder einfach einen QR-Code auf dem Tisch oder einem Zettel aus dem Thermodrucker, den man beim Betreten bekommt, und auf dem die Speisekarte vom Webserver kommt, nur auf Japanisch, und man dann ausnutzt, dass die Browser auf den Smartphones heute übersetzen können. Man sieht also erst mal nur eine japanische Speisekarte, lässt sich das dann vom Browser in die eigene Sprache übersetzen, bestellt per Anklicken – man sitzt im traditionell-japanischen Restaurant und füllt am Handy seinen „Warenkorb“ wie in einem Online-Shop. Die Restaurants machen das nicht einmal selbst, sondern das sind Dienstleistungsfirmen, die das für viele Restaurants machen und teilweise auch gleich die Zahlung abwickeln. Manchmal zahlt man schon vor dem Betreten des Restaurants draußen am Automaten seinen „Warenkorb“ mit der Kreditkarte, bekommt einen Belegzettel, geht dann rein, setzt sich irgendwo an die Bar und legt seinen Zettel hin, und bekommt dann einfach hingestellt, was man bestellt hat. Oder man bestellt innen per Handy mit einem QR-Code, der an jedem Tisch fest angebracht ist, womit die gleich wissen, an welchen Tisch sie das liefern müssen. Oder man geht einfach raus, und gibt an der Kasse seinen individuellen QR-Code-Zettel wieder ab und zahlt dort. Viele Japaner, selbst die, die vom Tourismus leben und den ganzen Tag mit Fremden zu tun haben, halten es daher für überflüssig und überkommen, sich mit Fremdsprachen abmühen zu müssen, weil das die Computer längst übernehmen.

Auch auf der Expo hat man von vornherein Übersetzungsapps für das Handy propagiert, und ich habe tatsächlich mal das Experiment gemacht, mich dort mit einer Japanerin, die nur japanisch sprach, aber zum Expo-Personal gehörte und deshalb für solchen Kram Zeit, Geduld und Auftrag hatte, per Übersetzungs-App zu unterhalten (oder es zu versuchen). Noch sehr mühsam und sehr fehlerbehaftet, aber da wird es hingehen.

Was dann allerdings auch dazu führt, dass Japan mit reichlich QR-Codes beklebt ist, weil alles, was wichtig ist, auch auf einer Webseite angeboten wird, damit Leute sich den Text per Browser in ihre Sprache übersetzen können.

Auch auf Zypern habe ich schon Veranstaltungsplakate gesehen, die nur auf Griechisch beschriftet waren, und auf denen unten in der Ecke dann klein stand „Alle anderen scannen hier den QR-Code und lesen online.“

In Dubai kommt man mit Englisch prima durch ohne ein Wort Arabisch zu sprechen.

Ein Punkt ist eben auch, dass Deutschland auch selbst hinterherhinkt, sich selbst mehrsprachig zu machen. Andere Länder sind da viel weiter.

Es sind aber solche Länder, die vom Tourismus leben und darauf angewiesen sind. Deutschland hat es da auch irgendwie nicht nötig.

Man könnte nämlich – wie Dubai oder Zypern – durchaus darauf setzen, Englisch als Zweitlandessprache als Kompromiss anzusehen, der es Fremden erleichtert, eine im Land gesprochende Sprache zu lernen und sich verständigen zu können. Griechisch, Japanisch und nicht einmal Arabisch werden als Weltsprachen angesehen, die zu sprechen man von anderen erwartet. Vielleicht ist unser Blick auf Deutsch da auch zu borniert und eingebildet, denn auch Deutsch ist nicht gerade eine Weltsprache.

Allerdings gilt Deutsch als eine der präzisesten und ausdrucksstärksten Sprachen überhaupt, irgendwo stand sogar mal, dass es da mit deutlichem Abstand die beste Sprache überhaupt sei und deshalb eigentlich als die Wissenschaftssprache prädestiniert wäre (war es ja auch mal). Schaut man sich aber an, wie es mit der Schulbildung steht und wie die meisten Leute heute Deutsch reden, hat sich das mit der präzisen und ausdrucksstarken Sprache nicht nur erledigt – es könnte sogar dem Deutschen nützen, wenn man das trennt und Deutsch vor „Kanak“ und „Linkssprech“ schützt und den ganzen Sprachrotz im Englischen stattfinden lässt, wo er hingehört.

Und in Berlin gibt es ja einige Restaurants/Kellner, die kein Deutsch mehr verstehen und in denen man nur noch auf Englisch bestellen kann.