Über Scherben und Leidensgenossen
Noch zwei Ansichten.
Der Leser, der sich beklagte, dass es ihm zu negativ sei, schreibt mir unter anderem
…
Negativ ist nicht das Problem.Der Herablassungs- und Beschimpfungsmodus ist einfach ernüchternd. Ich verstehe den Groll, den Zorn und die flache Stirn (vom ständigen Handflächenaufschlag). Es fehlt mir bei der Analysez .B. , wie schon oft vorgeschlagen, der Aspekt der psychischen Konstitution verschiedener Menschen als Faktor.
Nach Lobaczewski leben wir in einer Hochphase der Pathokratie. Mit Herdenverhalten hat das nur am Rande zu tun. Wer steuert die Herdendynamik bewusst? Wer nutzt Geschlechterunterschiede aus?
Darüber hinaus wäre Thema Überwachung, Great Reset und künstliche Spaltung mal interessant. Kryptographie ist ja eine Reaktion auf Überwachung. Wenn keiner in Deinen Brief guckt, brauchst Du ihn auch nicht zu verschlüsseln.
Und dann kommen wir auch in den Bereich der Lösungen. Konstruktiv wäre:
Was können wir tun, um wenigstens den Scherbenhaufen vernünftig aufzukehren? Dass es zu spät ist, hast Du ja schon deutlich gemacht. Nützt aber nix – leben muss man trotzdem, und sich raushalten geht nicht mehr, wenn sie einen zur Digitalen Identität zwingen. Digitale Identität – das wäre ein Thema. In Österreich brennt schon die Hütte.
…
Zunächst mal: Ich bin nur eine Person und mein Tag hat auch nur 24 Stunden. Und ich arbeite schon 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr, ohne Wochenende, ohne Urlaub, ohne Krankschreibung.
Wie soll ich das denn noch alles schaffen und woher nehmen, um Leute kostenlos zu unterhalten? Es ist so leicht, an der Tastatur zu sitzen und mir Forderungskataloge zu schicken, was ich noch alles tun soll, damit Leute sich gut unterhalten fühlen. Ich kann nur das schreiben, was ich auch tatsächlich weiß und mir angesehen habe. Mich erinnern solche Forderungen an die Vorstellung der Leute, die meinten, sich solle mich doch mal schnell „einlesen“, mir die wichtigen Youtube-Videos anschauen und dann der überragende Experte werden in
- Klima
- Corona-Viren
- Ukraine
aber noch nie konnte mir jemand, der diese Forderungen stellt, erklären, warum er es selbst nicht macht, wenn er meint, dass das so schnell und einfach geht.
Wer steuert die Herdendynamik bewusst? Wer nutzt Geschlechterunterschiede aus?
Wenn ich das wüsste, hätte ich es längst beschrieben. Aber ich glaube auch gar nicht, dass es da einen einzelnen Bösen gibt, sondern sich immer und überall Leute am unteren Charakterende finden, die das ausnutzen. In jeder Gruppe mit x Leuten, x>5, gibt es immer einen schlechtesten Charakter. Es ist so ähnlich wie die Fragen, wer hinter all den Diebstählen steht und davon profitert. Antwort: Es gibt nicht den einen großen Master-Dieb. Gelegenheit macht Diebe.
Ich glaube deshalb nicht, dass ich die Erwartungshaltung des Lesers erfüllen kann, weil er tief im Confirmation Bias badet, ein festes (aber unzutreffendes) Weltbild hat, und von mir dessen Bestätigung erwartet, auch dann, wenn es nicht stimmt.
Man kann sich auch zu Tode analysieren
Was der Leser nicht bedenkt: Man kann sich auch zu Tode analysieren.
Immer noch mehr analysieren, immer noch mehr erklären, immer noch mehr diagnostizieren. Was aber soll das bringen, wenn es außer dem Unterhaltungswert zu kaum Reaktionen führt?
Wenn das Haus brennt, liegt die Priorität darauf, das Haus schleunigst zu verlassen und nicht darin sitzen zu bleiben und zu analysieren, wie es zum Brand kommen konnte oder was man tun könnte, die Auswirkungen zu begrenzen, oder Feuer zum neuen sozialen Standard zu erklären.
Analysen nutzen nichts, wenn daraus nicht auch Konsequenzen, Handlungen, Maßnahmen erwachsen.
Ich hatte gerade Erich Kästner zitiert, der das in einem Gedicht zum Ausdruck brachte, wie ich – seit Jahren – die Lage empfinde. Es gibt aber auch andere Leute, denen es sehr ähnlich geht:
Eigentlich habe ich keine Lust mehr, mich für irgendetwas einzusetzen.
Ich mache das seit Jahren, es wird trotzdem immer schlimmer und man hat nur persönliche Nachteile.
Ich habe das Gefühl, die Deutschen wollen ihren Untergang.
— Ali Utlu ️ (@AliCologne) September 18, 2025
Mir geht das genauso.
Die Deutschen wollen ihren Untergang gar nicht verhindern. Sie wollen dabei nur ständig informiert, auf dem Laufenden gehalten und mit Analysen versorgt werden. Es stört sie nicht, zu sterben, aber sie wollen dabei genau wissen, wie und woran sie sterben. Es reicht ihnen völlig, über den eigenen Verwesungszustand jederzeit im Bilde zu sein. Die Lust am eigenen Untergang ist mittlerweile nicht nur weit größer als die Motivation, etwas dagegen zu unternehmen, sondern man betrachtet jede Gegenmaßnahme als Störung des Unterhaltungsprogramms.
Ich habe immer wieder den Eindruck, dass Leute, die mir schreiben und beklagen, dass ich zu negativ schriebe, den Ernst der Lage einfach nicht begreifen. Anscheinend schreibe ich nicht negativ genug, als dass sie begriffen, dass es jetzt richtig ernst ist und zu Ende geht.
Manchmal komme ich mir vor wie jemand, der auf einem Schiff die Durchsage gibt „Das Schiff sinkt, alle in die Rettungsbote“ und dann die Antwort bekommt „Sie sind immer so negativ, sagen Sie doch mal was Nettes, was Schönes, was Positives!“
So? „Wir haben jetzt diese neue Kollektion an todschicken Rettungswesten, Prêt-à-porter aus Paris, in modischen Trendfarben! Und das Beste: Sie sind gratis, im Preis inbegriffen, all inklusive! Zögern Sie nicht, gehen Sie mit der Zeit, holen Sie sich Ihr Gratisexemplar auf Deck …“
Es haben zu viele Leute den Ernst der Lage nicht begriffen.