Meinungs- und Pressefreiheit
Kurz und knackig, weil es gerde so aktuell ist.
- Die ARD-Sender und das ZDF sind Rundfunk und nicht Presse, deshalb haben sie nur die Rundfunk- und nicht die Pressefreiheit.
- Rundfunk- und Pressefreiheit sind in Deutschland nicht das Recht zu sagen, was man will, sondern Informationen zu erlangen, zu recherchieren, dabei zu sein, Auskunftsansprüche zu haben. Sie sind das Recht, Informationen zu bekommen und zu haben.
- Das Recht, zu sagen, was man will, ist die Meinungsfreiheit. Presse und Rundfunk sind zwar verfassungsrechtlich besonders geschützt, aber sie haben kein Stückchen mehr Meinungsfreiheit als jeder andere auch.
- Die Rundfunkfreiheit ist deutlich schwächer als die Pressefreiheit, weil sie mit hohen Pflichten einhergeht, nämlich einer Neutralität und damit, alle in der Bevölkerung vertretenen Ansichten gleichmäßig und angemessen nebeneinander darzustellen. Die Presse darf Meinungen verbreiten, der Rundfunk dagegen hat zu informieren und die Meinungsbildung dem Zuschauer zu überlassen. Das ist so, weil
- Ton und Bewegtbilder eine höhere Suggestivkraft haben, glaubwürdiger wirken (u.a. parasozialer Effekt), die Konsumgeschwindigkeit vorgeben und das Nachdenken erschweren.
- Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk zwangsfinanziert ist, während man Presse, die einem nicht gefällt, nicht kaufen muss.
- Sie bezüglich der technischen und personellen Ausstattung und dem Zugang zu knappen Sendefrequenzen und Sendeanlagen „privilegiert“ sind.
Allerdings konnte man sich bei der Schaffung dieser Rechtslage noch nicht vorstellen, dass es Privatsender oder gar Youtube und TikToker geben werde.
- Meinungsfreiheit ist nicht nur ein für alle gleiches Recht, sondern auch Privatsache. Die Verfassung gestattet es nicht, dass man Einzelnen eine aus Zwangsbeiträge finanzierte große Meinungskanone mit Fernsehkameras und Ausstrahlung hinstellt und anderen nicht. Es gibt keine „große und kleine“ Meinungsfreiheit.
- Jeder, der einen Angestellten- oder Dienstleistungsauftrag eingeht, gibt damit seine Meinungsfreiheit unter Gebrauch seiner privaten Vertragsautonomie auf. Während der Arbeitszeit und in gewissem Umfang auch außerhalb verpflichtet man sich, erstens keine den Interessen und Pflichten des Arbeitgebers zuwiderlaufende Meinung zu äußern und zweitens während der Arbeitszeit zu arbeiten und nicht seinen Privatangelegenheiten wie der Meinungsfreiheit nachzugehen. Das ist nicht nur bei jeder Verkäuferin und jeder Stewardess, bei jedem Informatiker und jedem Arzt so, sondern auch bei jedem Journalisten: Wer vor der Fernsehkamera steht, hat dort keine Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit hat man nach Feierabend. Ein Büroangestellter kann auch nicht in der Arbeitszeit rumplärren, weil er meint, er müsse jetzt mal seine Meinung kundtun. Stewardessen wurden – zu Recht – schon gefeuert, weil sie ihre Meinung per TikTok-Video zwar in ihrer Freizeit produzierten und kundtaten – das aber in Uniformen oder in Flugzeugen, die der Fluglinie zuzuordnen waren.
- Die Rundfunkordnung schränkt die Meinungsfreiheit der Journalisten dort sogar explizit deutlich ein, teils auf das unvermeidbare Maß, teils mit der Maßgabe deutlicher Zurückhaltung.
- Die Einzigen, die in dem ganzen Spiel wirklich aus eigenem Recht heraus Meinungsfreiheit haben und ausüben können, sind die Eigentümer und – je nach rechtlicher Konstruktion – Herausgeber von Zeitungen, weil nur sie weder der Rundfunkordnung, noch vertraglichen Pflichten unterliegen.
Sie können, wenn sie wollen, auch ihren angestellten und freiberuflichen Redakteuren Meinungsfreiheit gewähren – müssen sie aber nicht. Im Prinzip ist es auch keine Meinungsfreiheit, wenn sie von der Zustimmung oder Gewährung eines anderen abhängt.
Schwierig ist die Lage bei Privatfernsehen und Youtubern/Tiktokern/Podcastern, weil einerseits das Problem der Suggestivwirkung auch bei ihnen besteht, aber andererseits nicht die Anforderung aus einer öffentlich-rechtlichen Zwangsfinanzierung und privilegierten Kanälen und Ausstattungen. Das konnte man sich noch nicht vorstellen, als man die Rechtsordnung machte. Der Trend geht zwar zur Meinungsfreiheit, aber viele unterliegen dabei wieder den Verträgen mit Youtube, Tiktok usw. Ungeklärtes Thema.
Wenn als gerade wieder welche Rumschreien, dass Fernsehleute wie Elmar Theveßen und Dunja Hayali zu kritisieren eine Verletzung von deren Presse- und Meinungsfreiheit sei, dann ist das schon deshalb Blödsinn, weil sie beides nicht haben. Sie haben aber Pflichten aus der Rundfunkordnung, und die haben sie verletzt – und kennen sie nicht einmal.
Eigentlich ist das alles recht logisch und einfach.
Die allermeisten, nahezu alle Journalisten sind aber viel zu doof, um das zu wissen, sich zu informieren oder es auch nur zu verstehen, wenn man es ihnen sagt. Die neigen alle dazu, dem – sehr viel einfacher und flacher konstruierte – „Freedom of Speech“ und „Freedom of Press“ aus deren ersten Verfassungszusatz nachzuplappern:
“Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances”
Der erste Verfassungszusatz der USA gilt aber nicht nur nicht in Deutschland – er ist von 1791.
Damals gab es – tut mir leid, dass Ihr es jetzt hier und von mir erfahren müsst – noch keinen Rundfunk, kein Fernsehen, kein Youtube, kein Tiktok, keine Handys, und auch Presse nur rudimentär und in den Anfangsjahren. 1638 wurde die erste Druckerpresse auf dem Gebiet der späteren USA in Cambridge, Massachusetts, aufgestellt. Medienrecht an der US-Verfassung von 1791 festzumachen ist so ein kleines bisschen wie Sexualkunde am Koran auszurichten. Aber es ist halt so viel einfacher und braucht so viel weniger Hirn, deren Freedom of Speech und Freedom of Press nachzuplappern, als sich über unsere Rundfunkordnung zu informieren.
Übrigens werden Journalisten in den USA sehr viel einfacher und häufiger für ihre Meinung gefeuert als in Deutschland, weil die dort zwar mehr Meinungsfreiheit haben, und öffentlich-rechtlich sagen dürfen, was sie wollen, aber auch der Arbeitgeber wesentlich mehr zivilrechtliche Handlungsfreiheit hat und Leute nach Belieben einfach rauswerfen kann. Deren Freedom of Speech ist nämlich auch nur ein Abwehrrecht gegen Gesetze des Staats und nicht dagegen, gefeuert zu werden.
Aber Fernsehjournalisten sind in Deutschland genauso unfähig und unwillig, sich über ihre Rechtsstellung und ihre Pflichten zu informieren, wie Professoren. Sobald die im Sattel sitzen und der Geldfluss gesichert ist, machen die einfach, was sie wollen.