Ansichten eines Informatikers

Das „Barter-Agreement“

Hadmut
24.6.2025 10:39

Ein Leser schreibt mir, wie Zeitschriften und Zeitungen ins Flugzeug kommen.

Guten Morgen Hadmut,

Ich habe früher u.a. Zeitungen und Magazine für eine Airline eingekauft.

Das ganze ist ein Tauschhandel, d.h. die Verlage berechnen eine Minimalsumme pro Exemplar, z.B. 0,10 €.
Die Airline bezahlt und der Verlag inseriert für den gleichen Betrag im Bordmagazin.
Das nennt sich “Barter-agreement”.
So bleibt die Auflage hoch und man kann sich teuer an die Anzeigekundschaft anbieten.

Wenn ich das Google, dann bekomme ich als Antwort von deren KI

A barter agreement is a contract outlining the exchange of goods or services between two or more parties, without the use of money. It’s essentially a way to trade without cash, where each party provides something of value to the other. Barter agreements are useful for formalizing these exchanges and ensuring both parties understand their obligations.

Auf diese Art und Weise werden die Zeitungen verschenkt, stehen aber formal als „verkaufte Exemplare“ in den Statistiken.

Geldwäsche würde ich es nicht nennen, denn effektiv fließt ja dann kein Geld. Vielleicht eher Zeitungswäsche. Oder schlicht und einfach Betrug. Nämlich gegenüber den zahlenden Anzeigenkunden. Obwohl … nee, auch nicht, denn wenn die Zeitung dann von einem Passagier gelesen wird, ist sie ja gelesen im Sinne einer Auflage. Anders ist das natürlich, wenn die Airline die Zeitung abends ungelesen wegwirft, der Verlag sie aber trotzdem als verkauftes Exemplar zählt, und damit den Eindruck erweckt, es habe einen zahlenden Leser gegeben.

Interessant übrigens, was ein anderer Leser dazu sagt:

Was mich schon seit 20 Jahren wundert, ist die angebliche Stabilität der ZEIT-Auflage.
(Das werden Sie als Ingenieur kennen, wenn Sie vor einer havarierten Anlage stehen, die Leute ausgefragt haben und sagen müssen: ‚Das-kann-einfach-nicht-sein!‘ Einer lügt oder ich habe was übersehen.)

Ja.

In den 80er und 90er Jahren war das noch selbstverständlich, dass man mindestens eine Zeitung hatte, normalerweise eine Tageszeitung und mindestens eine Wochenzeitung oder -zeitschrift, wie eben ZEIT oder SPIEGEL. Akademiker hatten damals außerdem die FAZ zu haben, vor allem Professoren.

Früher war das auch so, dass sich Leute in ein Café setzten und Zeitung lasen. Das war früher so, kam wohl auch aus Frankreich zu uns, dass Cafés neben den Kleiderhaken weitere Haken hatten, an denen die Tageszeitungen hingen, eingeklemmt in eine Art Stock, eigentlich zwei Leisten mit einer Klemmschraube, unten einem Griff und oben einem Metallring zum Aufhängen, in die die Zeitung eingeklemmt wurde, damit sie zusammen bleibt und nicht zerfleddern oder auseinanderfallen kann. Ich habe schon lange nirgends mehr solche Zeitungen am Stock gesehen.

Und auch war es vor 10 oder 15 Jahren noch so, dass Flugzeuge und Züge nach der Ankunft voll mit ausgelesenen Zeitungen lagen, nahezu in jedem Flugzeugsitz im Netz der Rückenlehne eine zurückgelassene Zeitung steckte. Ich hatte damals auch immer zwei oder drei aus dem kostenlosen Angebot.

Alles weg. Man sieht fast niemanden mehr öffentlich Zeitung lesen.

Ich sehe auch niemanden von den Nachbarn noch Zeitung erhalten. Früher hatte man an jedem Haus neben dem Briefkasten noch eine Blechrolle, in die man die Zeitung steckte, hat aber niemand mehr. Ich sehe morgens auch bei niemandem mehr eine Zeitung im Briefkasten stecken, wie das früher üblich war.

Liest man Statistiken, geht es häufig um Abo-Zahlen und am Kiosk verkaufte Exemplare.

Wo gibt es denn noch Zeitungskiosks?

Das ist doch, wenn überhaupt, nur noch Bei-Angebot irgendwo in der Ecke. Wie gesagt, LIDL in Berlin hat seine Zeitschriftenregale halbiert.

Ich hatte neulich mal so ein Schlüsselerlebnis. Zypern. Kameraversicherung. Die wollen als Nachweis, dass man die Kamera zum Zeitpunkt der Versicherung in einwandfreiem Zustand hat, ein paar Fotos von der Kamera auf einer tagesaktuellen Zeitung. Es ist gar nicht so einfach, auf Zypern noch einen Laden zu finden, der noch Zeitungen auf Papier im Angebot hat. So ähnlich, wie der Versuch, auf Zypern einen DVD-/Bluray-Player zu kaufen. („Tut uns leid, früher hatten wir die mal im Sortiment, aber sowas kauft ja keiner mehr…“. Ich habe einen aus Deutschland mitgebracht. An der Sicherheitskontrolle im Flughafen: „Was ist das?“)

Dazu die Diskussion um Mindestlohn und Ausnahmen für Verlage, weil die Zeitungskunden so dünn verteilt geworden sind, dass man die Zeitungsausträger nicht mehr nach Mindestlohn bezahlen kann, und es wurde ja neulich mal gemeldet, dass man das Zeitungsaustragen in manchen ländlichen Gegenden ganz eingestellt hat.

Insofern ist das eine durchaus sehr berechtigte Frage, wie die das unter diesen Umständen eigentlich schaffen, ihre Auflagenzahlen wenigstens halbwegs stabil zu halten – und womit die Einnahmen generieren.

Man könnte ja bei den Einnahmen noch annehmen, dass die Quersubventionieren, nur andersherum. Vor zehn Jahren hieß es noch, dass der Print-Bereich den defizitären Online-Bereich subventioniere, das könnte jetzt andersherum sein.

Ich hege aber den Verdacht, dass die aus politischen Gründen irgendwie noch hintenrum vom Staat subventioniert werden.