Israel, von Zypern aus betrachtet
Vom Versuch, den Nahostkrieg mit eigenen Augen zu sehen.
Ich hätte nicht gedacht, dass man den Krieg zwischen Israel und dem Iran von Zypern aus wahrnehmen kann. Ich hatte ja neulich schon darüber geschrieben (uff, das war Oktober 2023, wie die Zeit vergeht … ich hätte geschworen, das war Ende 2024) dass die USS Gerald R. Ford zwar vor meiner Hütte parkt, aber doch so weit weg, dass man sie schon wegen der Erdkrümmung nicht sehen konnte. Grüße von Pythagoras. Wie sollte man da bis Israel schauen können?
Ich hatte mal Zyprioten gefragt, ob man damals den Riesen-Bums von Beirut in Zypern hören oder sehen konnte. Nein, hieß es, nur in den Nachrichten. Und das war ja schon eine der größten nicht-nuklearen Explosionen, die es überhaupt je gegeben hat.
Nun hieß es aber gestern morgen (oder genauer gesagt vorgestern, weil ja schon nicht mehr heute, sondern bereits morgen ist und was ich für heute hielt schon herumgestert … wie die Zeit vergeht …), dass man den Krieg in Israel von Zypern aus ansehen könne.
Also habe ich mich gerade dem Unterfangen gewidmet, den Krieg mit eigenen Augen zu sehen.
Das Wetter
Gestern (=vorgestern) abend war es diesig, man konnte kaum die Stadt übersehen. Alles trüb.
Aber heute war klare Nacht, kaum oder keine Wolken, Sternenhimmel, nur Halbmond. Wenn, dann jetzt.
Der Ort
Ich hatte ja in der Pythagoras-Rechnung zur Unsichtbarkeit der USS Gerald R. Ford schon angesprochen, dass es auf die eigene Höhe ankommt, wie weit man über das Meer sehen kann. Ich bin hier zwar ein ziemliches Stück oberhalb des Meeres, weit genug, um jedem Tsunami und Seebeben zu trotzen, aber mein Blick auf das Meer geht nach Südwesten. Und Israel liegt im Südosten. Dahin habe ich keinen Blick da sind Häuser und sowas im Weg.
Eigentlich kenne ich die perfekte Stelle. An der Ostküste gibt es eine Stelle, oben auf dem Berg, mit zwei wunderbaren Parkbänken, mit herrlich Blick aufs Meer, wäre perfekt dafür. Aber: Erstens wäre ich bis dorthin jetzt mitten in der Nacht zweieinhalb Stunden mit dem Auto plus nochmal mindestens eine Viertelstunde zu Fuß (nur bei guter Sicht, nachts dann länger) unterwegs, um an die Stelle zu kommen. Nur auf Verdacht.
Und da würde ich mich auch nicht wohl fühlen, denn da ist militärisches Gebiet mit Fotoverbot. Und der Iran hat gedroht, alle zu bombardieren, die Israel helfen, und auch britische Stützpunkte. Ruckzuck fliegt einem eine Rakete um die Ohren, das muss jetzt auch nicht sein.
Also bin ich gerade an die Hafenpromenade von Paphos runtergefahren. Totenstill, so gut wie niemand da. Zweimal habe ich zwei Pärchen in der Entfernung vorbeilaufen gesehen.
Vorteil: Unverstellte Sicht in die richtige Richtung.
Nachteil: Null Meter über dem Meeresspiegel, so 50cm über dem Wasser. Pythagoras und so, ganz schlecht für die Sichtweite.
Die Blick-Richtung
In welche Richtung muss man überhaupt schauen?
Ich habe mir extra dafür Kartenmaterial von Israel auf mein GPS-Gerät geladen. Um vor Ort auf der Karte auszurechnen, in welcher Richtung genau Israel liegt. Die Gegend von Haifa bis Tel Aviv liegt so ungefähr auf 130 bis 145°.
Weil das aber „rechtweisend“ ist (also auf den geographischen Nordpol bezogen), habe ich mich vorher noch informiert, wie hoch die Missweisung ist. Was gar nicht so leicht zu finden war, denn reguläre Seekarten hatte ich gerade nicht zur Hand. Es heißt aber, die Missweisung im Mittelmeer sei sehr gering, praktisch deutlich unterhalb von 5° und damit für die meisten Zwecke vernachlässigbar.
Also habe ich mein Monokular mit dem eingebauten Kompass und der gradgenauen, im Blickfeld sichtbaren Kompasscheibe mitgenommen, um damit zu klären, wohin ich überhaupt gucken muss. Nicht dass ich nachher noch die angeleuchteten Pyramiden in Ägypten anschaue und mich blamiere.
Wie verarscht man sich nicht selbst?
Selbst wenn man das mit der Richtung hinbekommt: Man muss höllisch aufpassen, dass man nicht sieht, was man sehen will, nur weil man es sehen will, denn Lichter gibt es auf dem Meer durchaus.
Man kann beispielsweise Häuser auf dem Meer sehen – wenn man in Wirklichkeit wieder auf Land blickt, und es in der Dunkelheit nicht merkt.
Man kann Leuchttürme, Leuchtfeuer und so weiter sehen. Oder die Beleuchtung von Schiffen.
Ich kann mich aber erinnern, vor einiger Zeit mal nach Seezeichen auf einer elektronischen Online-Seekarte gesucht zu haben, und weil das hier kein großer Fracht-, Passagier- oder Kreuzfahrthafen wie Limassol ist, sondern nur ein kleiner Fischer- und Touristenhafen, gibt es hier nicht viel außer der Hafenbefeuerung selbst.
Und wenn man dann doch weiße Lichter sieht, dann muss man sie länger beobachten. Tun sie das, was sie tun, regelmäßig, in kurzen Intervallen wiederholend, Blinken, Funkeln, oder sowas, sind es Seefahrtszeichen, das muss man erst ausschließen. Und wenn es schaukelt, ist es ein Schiff.
Etwas gesehen
Wenn sich die Augen etwas auf die Dunkelheit eingestellt haben, und man den Horizont entdeckt hat (die schwarze Kante zwischen dem scharzen Himmel und dem schwarzen Wasser, wo der Übergang von völlig schwarz zu ganz schwarz stattfindet), und noch etwas Geduld aufbringt, dann sieht man, dass da immer wieder mal am Horizont, und zwar genau in diesem Bereich von ungefähr 130 bis 145°, weiße Lichter am Horizont aufflackern. Mitunter rhythmisch, oft in Kadenzen von drei, vier, aber nicht zyklisch, nicht wiederholend. Manchmal flackernd, meist zwischen einer halben und ungefähr zwei Sekunden.
Ich denke, das dürfte es sein. Demnach geht oder ging es da heiß her. Da war einiges geboten, wenn ich das richtig interpretiert habe, und das an verschiedenen Stellen innerhalb dieses Winkelbereichs.
Wie Fotografieren?
Seien wir ehrlich: Man konnte es zwar sehen, aber es gab nichts zu sehen. Finstere Nacht, zwar oben der Mond, aber nicht strahlend, weil klare Nacht. Man sieht schwarz, und ab und zu leuchtet ein winziger Punkt, wie ein Pixel auf. Und ich bin mir dabei nicht einmal 100%ig sicher, nicht doch auf irgendetwas hereingefallen zu sein.
Womit fotografieren?
Ein übermäßig starkes Tele habe ich gerade nicht hier. Das stärkste, was ich habe, geht bis 350mm Brennweite, aber nur an APS-C, wirkt also mit Crop-Faktor 1,5 wie ein 500er Tele. Das wäre jetzt ein Einsatzfall für mein fast 40 Jahre altes russisches grobes 1000er Spiegeltele (die sogenannte „Russentonne“), aber das liegt in Berlin.
Ran oder nicht ran?
Das Problem: Die Lichterscheinungen sind ja über einen Winkel von ungefähr 15° verteilt. Nimmt man alles auf, hat man nicht nur die Gefahr, dass einem die Hafenbefeuerung auf der einen Seite und Häuser auf Landzungen auf der anderen Seite ins Bild leuchten und die Belichtung dann die eigentlichen Lichter nicht mehr erfasst. Doch was nützt es, wenn ich alle Lichter im Bild habe, man sie aber nicht sieht?
Die Kamera hat damit nämlich ein ziemliches Problem. Was ich als Mensch noch wahrnehme, weil das Gehirn es mir mit Schlagsahne aufspritzt, ist für die Kamera schlichtweg Rauschen, in dem gelegentlich ein helles Pixel auftaucht.
Geht man also per Zoom ran, verkleinert den Winkel, und hat dafür nur wenige Lichter im Bild, die dafür aber etwas größer, oder nimmt man weniger Tele, um den gesamten Bereich 130-145 draufzuhaben, auch wenn man effektiv gar nichts sieht?
Und Scharfstellen? Geht gar nicht. Keine Chance für den Autofokus. Und weil Unendlich bei vielen Objektiven nicht am Anschlag, sondern ein wenig davor ist, man das aber nicht sehen und scharf stellen kann, ist das auch manuell nicht ohne weiteres zu bewerkstelligen.
Aber man versucht’s halt mal.
Das Ergebnis
ist ernüchternd. Während man als Mensch immerhin noch eine Lichterkette am Horizont wahrnimmt, weil das Gehirn die Teile zusammensetzt, sieht die Kamera einfach nur schwarz auf schwarz, mit gelegentlichem Auftauchen eines winzigen weißen Kleckes, mal hier, mal dort, aber immer exakt auf Horizont.
Hier ein Standbild der dramatischsten, wichtigsten Stelle (kleines weißes Licht, genau am Horizont zwischen schwarzem Himmel und schwarzem Meer):
Und wer es unbedingt sehen will, hier der dramatischste Ausschnitt aus der Videoaufnahme:
Anmerkung: Es gab noch weitere solcher Licht, links außerhalb des Videosbildes. Aber hätte ich so rausgezoomt, dass die auch mit drauf sind, hätte man gar nichts mehr gesehen.
Ich habe mich an Schwenks versucht, aber durch die schwarze Nacht zu schwenken ist jetzt auch nicht so spektakulär.
Die Essenz
Ich habe es wenigstens versucht und gesehen.
Hätte ich es nicht versucht, würde ich mich ärgern, weil ich glauben würde, ich hätte etwas versäumt, es nicht gesehen zu haben.
Obwohl es nur ein paar winzige, helle Punkte am Horizont waren, die mitunter ihre Form etwas änderten, während sie zu sehen waren, oder sich auf und wieder ab bewegten, und ich das, was wirklich wichtig war, nämlich dass sich die leuchtenden Punkte nicht nur an einer Stelle zeigten, sondern an mehreren innerhalb dieses Winkelintervalls, nicht mit der Kamera ordentlich aufnehmen konnte, war es doch das erste (und hoffentlich letzte) Mal in meinem Leben, dass ich Krieg mit eigenen Augen gesehen habe.
Ja, ich weiß, es gibt nahezu nichts zu sehen.
Also schon, mit dem bloßen Auge, aber nicht für eine Normalkamera ohne Vorbereitung, so ad hoc versucht.
Aber so war das eben gerade. Dabei bin ich mir nicht einmal völlig sicher, was das da war. Nur soviel: horizontaler und vertikaler Blickwinkel stimmten genau, und Seezeichen kann ich ausschließen, nach Schiffen sieht es auch nicht aus.
Als ich wieder zurückgefahren bin, ging mir noch die Frage durch den Kopf, wie gefährlich ein Atompilz für Beobachter auf Zypern wäre. Reichen Helligkeit und Hitze so weit?