Ansichten eines Informatikers

Was der Absturz einer Boeing mit der Bauchlandung einer Luxair zu tun haben könnte

Hadmut
13.6.2025 0:19

Reden wir nicht von Triebwerken.

Reden wir mal vom Hirn.

Die Auffassungen verdichten sich, dass der tödliche Fehler in Indien darin bestanden habe, dass die Crew statt des Fahrwerks versehentlich die Klappen eingefahren hat.

Mir schreibt ein Berufspilot, der mir öfter schreibt:

Crash Air India

Servus Hadmut,

Ohne irgendwelche Mutmaßungen gelesen zu haben, tippte ich gleich auf ” Fingertrouble ” .

Klappen statt Fahrwerk. Gab es auch in der Flugausbildung , nur umgekehrt : im Touch and go statt Klappen Fahrwerk eingefahren und schon lag das Schulflugzeug hilflos auf der 3000 Meter Bahn in Arizona. Spiegel-online scheint da wohl richtig zu liegen.

Da rattert der Stickshaker weil nahe am Stall , es wird nachgedrückt, die Klappen panisch wieder ausgefahren, das Fahrwerk im Stress vergessen, zu spät.

Nur Spekulation …

Ein anderer aber:

Und ich glaube, der hat das Problem nicht verstanden.

Es geht nicht darum, dass man die Hebel verwechselt. Es geht um den Routine-Fehler, dass das Gehirn die Arbeitsabläufe verwechselt.

Und das ist ein ganz bekannter Fehler.

Ist es Euch schon mal passiert, dass Ihr versehentlich mit dem Auto den langen Weg zum Arbeitsplatz, oder umgekehrt, nach Hause gefahren seid, obwohl Ihr da gerade nicht hinwolltet, weil das schon tief in der Routine drin ist?

In irgendeinem Mathematikbuch stand mal eine Anekdote eines Mathematikers. Der hatte eine große Auszeichnung bekommen, großen Empfang gegeben, aber war auf seiner eigenen Party in seinem eigenen Haus spurlos verschwunden. Anfangs noch gesehen, dann aber stundenlang weg. Schließlich fand ihn seine Frau: Er hatte – weiß nicht mehr genau – irgendwie einen Fleck auf dem Hemd, war ins Schlafzimmer gegangen, um das Hemd zu wechseln, dann in die Routine „Ausziehen und Schlafen gehen“ verfallen und hatte sich ins Bett gelegt und war eingeschlafen.

Wie oft habe ich jetzt beschrieben, dass ich immer wieder diese seltsamen Schreibfehler beim Schnellschreiben mache, wo ich Silben mit anderen verwechsle, die ähnlich klingen, aber ganz anders geschrieben werden, obwohl ich diesen Fehler niemals machen würde, wenn ich mit der Hand schreibe, weil das Gehirn lieber die Silbe schreibt, die ich sehr oft schreibe und deshalb den Bewegungsablauf gewohnt bin?

Es wäre sehr, sehr gut möglich, dass der nicht das Rad mit dem Hebel verwechselt hat, sondern aus Routine das Gehirn die Arbeitsabläufe verwechselt hat.

Hatte ich den Fall nicht schon mal im Blog diskutiert?

2015 ist in Saarbrücken eine Luxair-Maschine geschrottet worden, weil die Kopilotin das Fahrwerk eingezogen hat, obwohl der Flieger gerade im Starten war und die hinteren Räder noch auf der Startbahn waren, das Flugzeug noch nicht flog. Erster Flug nach zwei Wochen Urlaub.

Nicht Unfähigkeit. Sondern ganz typischer Routinefehler im Hirn.

Die Ermittler der BFU halten in ihrem Bericht daher fest, dass es menschliches Versagen war. Sie zitieren den britischen Psychologen James Reason dazu: „Fehler zu machen ist so normal wie Sauerstoff zu atmen.“

Routine ist gleichzeitig sehr gut und hoch gefährlich. Weil man dann mit bestimmten Teilen des Gehirns handelt, bevor man darüber nachdenkt.

Ist mir auch schon passiert, dass ich irgendwo auf „OK“ geklickt habe, obwohl ich das gar nicht wollte, weil mich da irgendein Teil im Gehirn überholt hat.

Ich habe vor 20 Jahren Security-Workshops gehalten, und auch vor Behördenmitarbeitern und Polizisten Hacks vorgeführt, beispielsweise HTTP-Verbindungen hijacken. Dazu hatte ich zwei Notebooks mit zwei Beamern aufgebaut und mit denen Client, Server, Angreifer simuliert.

Dazu habe ich das immer so gemacht, dass ich an einem Notebook den Angreifer spielte, und jemanden vom Publikum den Benutzer am Web-Browser spielen ließ.

HTTP-Hijacken ist einfach, keine Sicherheit.

Wenn man aber HTTPS hijackt und das Zertifikat fälscht, erscheint eine Warnung im Browser. Damals ein kleines Fenster, heute aus guten Gründen die totale Sicherheitsblockade.

Obwohl ich vorher erklärte, was jetzt passierte, dass da jetzt gleich eine Warnung kommt, kam es auf mehreren Workshops vor, dass der „Benutzer“ die Warnung sofort und automatisiert weggeklickt hat, ohne sie wahrzunehmen, und darauf angesprochen bestritt, dass da eine Warnung gewesen sei. Das Publikum gluckste, weil die es ja gesehen und auch darauf geachtet hatten, weil ich sie ja vorher gebeten hatte, darauf zu achten. Ich kam mir da immer vor, als würde ich auf der Bühne eine Hypnose-Show vorführen.

Die Leute hatten sich so intensiv angewöhnt, Warnfenster zu ignorieren und wegzuklicken, dass sie sie nicht nur nicht mehr wahrnahmen, sondern bestritten, dass da eines gewesen war und sie es weggeklickt hätten, obwohl ihre eigenen Kollegen aus dem Publikum das alle bestätigten, dass sie das gesehen hatten.

Es kommt, ähnlich wie bei mir mit der Tastatur, zu einer Loslösung von Handlungen und Bewegungsabläufen vom bewussten Denken. Und manchmal will man das sogar, das ist nämlich das Ziel im Kampfsport bzw. Kampfkünsten, dass man den Gegner erledigt, bevor man darüber nachdenkt, weil es sonst zu langsam ist.

Und diesen Effekt gibt es nachweislich auch bei Piloten.

Ich weiß nicht, ob das technisch möglich ist und dort passiert ist. Aber ich halte es für durchaus möglich, dass das Hirn die Abläufe als Arbeitsschritte verwechselt, und nicht etwa Rad und Hebel miteinander verwechselt.

Es ist übrigens eine Standard-Angriffsmasche in der IT-Sicherheit, die Leute in solche Routine-Abläufe zu bringen. Und dazu unter Stress zu setzen, denn gerade unter Stress ist die Gefahr möglichst hoch.