Das Zeitalter der Narzissten
Ich habe einen sehr interessanten Zeitungsartikel über Narzissten entdeckt.
Ich hatte im Laufe meines Berufslebens mit zwei ganz schweren Psychopathen zu tun, die beide auch auffallende Narzissten waren. In meiner Blogger-Praxis habe ich viele gesehen, bin dabei aber immer auf Distanz geblieben.
Vor einigen Jahren hatte ich in mehreren Artikel über Gutmenschen auch über Mutter Theresa geschrieben, wobei mir gerade auffällt, dass die Teresa hieß, ohne h, das muss ich irgendwann mal korrigieren, dass diese Leute keineswegs gute Menschen sind, sondern sie sich darin baden, sich moralisch und selbstgefällig gut zu fühlen, damit Dopamin ausschütten und letztlich nur Dopamin-Junkies sind, also der Charakter eng mit den Hormonen, Neurotransmittern verwandt ist.
Das Schlimme an diesen Leuten ist, dass man ihnen nicht mit Fakten und nicht mit Argumenten kommen kann. Der Mechanismus ist ähnlich, wie ich das schon von Rauchern und anderen Drogenabhängigen beschrieben habe: Sie lösen sich chemisch das Belohnungszentrum im Hirn aus, und fühlen sich deshalb enorm sozial und gut, weil das Belohnungszentrum dazu dient, rudelförderliches, also soziales Verhalten zu belohnen. Wenn es also Dopamin gibt, können Argumente nichts mehr anrichten, dann ist das schon erledigt.
In der Morgenpost gibt es ein überaus lesenswertes Interview mit der Psychologin und Psychotherapeutin Lisa Zimmermann, die darin erklärt, dass es drei – ziemlich unterschiedliche – Typen von Narzissten gibt, und welcher Typ eher harmlos, und welche sehr gefährlich sind: Narzissmus-Typen: Zwei sind laut Expertin besonders gefährlich
Es passt weitgehend zu meinen bisherigen Erfahrungen und Beobachtungen.
Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung liegt je nach Statistik und Diagnosekriterium bei etwa 0,4 bis 2,5 Prozent der Bevölkerung vor. Doch wer sich allein auf diese Zahlen verlässt, verkennt die Dynamik, die längst weit über das Individuum hinausreicht. Die Diplom-Psychologin Lisa Zimmermann beobachtet seit Jahren, wie sich ein einst pathologisches Merkmal zur gesellschaftlich anerkannten Norm wandelt.
„Unsere gesamte Gesellschaft hat narzisstische Züge angenommen“, warnt sie. „Geltungssucht, Gier, eine größenwahnsinnige Wachstumsideologie und ein selbstzerstörerischer Leistungswille sind längst zur Normalität geworden.“ Was früher als übersteigertes Ego galt, ist heute ein Karrierefaktor. Wer sich gut verkauft, gilt als kompetent. Wer laut ist, wird gehört. Der Schein zählt – und zahlt sich aus.
„In unserer Gesellschaft zählt der Schein mehr als das Sein“, sagt Zimmermann. „Besonders ausgeprägte Narzissten finden hier ideale Bedingungen für ihre Selbstdarstellung.“ Wie viele Menschen tatsächlich eine narzisstische Persönlichkeitsstörung haben, lässt sich vor diesem Hintergrund kaum beziffern.
Das stimmt.
Das hat aber nicht nur mit Social Media und der schnellen, oberflächlichen, äußerlichen Selbstdarstellung zu tun. Es ist eine Folge der gesellschaftlichen Verblödung und der Verlagerung auf Geisteswissenschaften. Früher wurden Windbeutel und Aufschneider viel schneller entlarvt und rausgeworfen, was dieser Entwicklung ein negatives Korrektiv entgegensetze. Heute hat kaum noch jemand die geistigen Fähigkeiten, das Geschwätz anderer Leute als Geschwätz zu erkennen, und die Geisteswissenschaften haben den Trend gebracht, beliebiges Geschwätz zu blubbern und sich, wenn überhaupt, dann auf irgendwelche Autoritäten, Lichtfiguren zu beziehen. Das pumpt sich nicht nur gegenseitig hoch und eskaliert, es hat auch üble neurologische Folgen: Während man früher eher zu sachlicher, fachlicher Bestätigung neigte, wird heute die Person bestätigt und in der Rangordnung nach oben gehoben, damit also auf sozialer Ebene gelobt und befördert, was diesen irren Dopamin-Kreislauf in Gang setzen könnte. Quasi ein selbstverstärkender Fehler: Je paufenhafter einer Auftritt, desto mehr sozial positives Feedback bekommt er. Und dann eskaliert sich das nach oben weg. Kennt man in der Elektrotechnik, Systemtechnik und so weiter: Ein negativ rückgekoppeltes System ist stabil (wenn <1). Ein positiv rückgekoppeltes System ist instabil, weil sich ein Signal immer weiter verstärkt und aufschaukelt.
Ich vermute stark, dass die Verlagerung auf immer weniger Bildung und die Verlagerung auf Geisteswissenschaften und „Diskurs“ fatal ist, weil es diese positive Rückkopplung auf den Narzissmus hat und damit einen selbstverstärkenden Fehler baut.
Denn wir sind nicht nur eine Gesellschaft aus Narzissten – wir sind auch eine aus Narzisstenanbetern, weil es inzwischen Mode ist, sich irgendein Idol auszusuchen und dem dann zu folgen, sich als dessen Anhänger zu erklären, Personenkult zu betreiben.
In ihrer therapeutischen Praxis begegnet Zimmermann vor allem drei Hauptformen: dem grandiosen, dem verletzlichen (auch verdeckten) und dem malignen Narzissten.
Und dann werden die drei Typen erklärt.
Und dabei fällt mir auf:
Die beiden schlimmsten Psychopathen, denen ich in meiner beruflichen Karriere, in der IT, begegnet bin, waren nach deren Taxonomie maligne Narzissten, richtig bösartig, hemmungslose Lügner. Leute, die über Leichen gehen, und denen ihre Mitarbeiter völlig egal sind, wertlos, bei denen sich alles nur um sie drehte. Einer war mein „Doktorvater“ Beth, eine psychisch richtig kranke Erscheinung, was auch allen aufgefallen ist. Den anderen kann ich nicht nennen, weil der noch lebt und mich verklagen würde, der aber auch ein skrupelloser Lügner war, der Personen gegeneinander ausspielt, und bei dem sich alles nur um ihn dreht – und bei dem war es schwerer zu erkennen.
Die meisten Narzissten, die ich als Blogger erlebt habe, waren dagegen die von ihr beschriebenen verletzlichen/verdeckten Narzissten. Diese hypermoralischen Gutmenschen. Eigentlich Idioten, die sich ein moralisches Weltbild zusammennageln, weil es intellektuell für ein realistisches nicht reicht, und dann ihre selbstempfundene intellektuelle Unterlegenheit damit kompensieren, sich in ihrem Weltbild moralisch einzurichten und überlegen vorzukommen, und damit diese Dopamin-Eskalation in Gang setzen und sich für unwiderlegbar besser und im Besetz der Wahrheit wähnen.
Der verdeckte oder verletzliche Narzisst erscheint auf den ersten Blick wie das Gegenteil des grandiosen Narzissten. Er wirkt ruhig, freundlich, zurückhaltend, sensibel. Doch wer genauer hinschaut, erkennt auch hier ein zutiefst manipulatives Verhalten. Ein Mensch mit verletzlichen narzisstischen Zügen versuche, sein Innerstes zu überspielen, sagt Zimmermann: seine empfundene Minderwertigkeit, Scham, Schuldgefühle, aber auch Gier, Neid und Eifersucht.
„Er tut dies, indem er sich als besonders bescheiden und moralisch überhöht darstellt“, erklärt die Expertin. Versteckte Narzissten tarnen sich als Gutmenschen. Doch die Psychologin warnt: Viele verletzliche Narzissten erwarten für die falsche Bescheidenheit Bewunderung.
Ja.
Dazu fällt mir jemand ein, den ich bisher (glücklicherweise, er ist widerlich) noch nie persönlich erlebt habe, aber einige Interviews mit ihm gehört habe, der exakt auf diese Beschreibung passt. Ein linkes Wrack mit Minderwertigkeitskomplex (den er neulich sogar in einem Interview sehr deutlich beschrieb), und der sich daran hochzieht, sich für überlegen zu halten, indem er sich als den großen Moralrichter und Themenexperte aufspielt. Man merkt sehr deutlich, dass er eigentlich dumm wie ein Küchenhandtuch ist, und die Beschuldigung und Herabwürdigung verwendet, um sich über andere zu stellen, indem er sich als Experten für sie ausgibt. Eine gescheiterte Existenz, die sich über Diffamierung und Verleumdung zum moralischen Richter über andere aufspielt und damit über sie stellt. Und damit auch Anklang in den Medien findet, obwohl er eigentlich nur inhaltlichen Mist erzählt, aber es kommt in den Medien halt an, weil er sagt, was sie hören wollen, um sich damit wieder Lob und Zuspruch abzuholen.
Und das ist der Punkt, den ich meine: Der Narzisst lebt von den Dummen, die auf ihn hereinfallen, und von den Unterwürfigen, dies es merken, aber sich ihm trotzdem unterwerfen. Und weil es von den Dummen und Unterwürfigen immer mehr gibt, und die den Kunstdünger für Narzissten bilden, bringt unsere gesellschaftliche Veränderung immer mehr Narzissten hervor.
Gesteigert wird das dann noch durch die Rechtsprechung, die es jedem gestattet, jegliche Kritik zu verbieten oder sich als Opfer des Hasses anderer zu fühlen.
Unsere Gesellschaft ist zu einem Narzissten-Meiler geworden.