Ansichten eines Informatikers

„Do not insert the top of the adhesive part deeper than 0.79 inch in ear.“

Hadmut
6.6.2025 11:49

Von japanischen Ohrenkratzern und anderen Problemen.

Geht Euch das auch so?

Ich habe nach abenteuerintensiven Fernreisen hinterher immer so einen komischen Zustand der Reisedemenz: Ich komme zurück und kann mich ein paar Tage überhaupt nicht mehr an die Reise erinnern, als ob das Gehirn erst einmal damit beschäftigt ist, den Erinnerungskram einzusortieren, so wie ich meinen Reisekrempel aus dem Koffer raushole und dann einige Tage brauche, um das alles wieder gewaschen, geprüft, aufgeräumt und einsortiert zu haben. Und nach ungefähr einer Woche, wenn ich den Krempel aufgeräumt habe, kommen dann auch die Erinnerungen in voller Bandbreite und wohlgeordnet zurück, als würden die vom Gehirn nun als aufgeräumt wieder freigegeben.

Ich bin vor genau einer Woche wieder zurück gekommen, aber weiß kaum, was ich – außer zu essen, zu schlafen und zu bloggen – in dieser Woche eigentlich gemacht habe. Es kommt mir vor, als wäre ich vorhin erst im Hotel in Japan aufgebrochen und als wäre es irgendwie komisch, jetzt schon in Deutschland zu sein – obwohl ich schon eine ganze Woche lang wieder zurück bin.

Wo ist die Woche hin? Ich bin doch gerade eben erst angekommen?

Es hat wohl mit dem Zeitempfinden zu tun. Und dessen Umschaltung.

Im Urlaub, auf Reisen, bei Abenteuern in fremden Ländern erleben wir ständig Neues, sind den ganzen Tag draußen, sehen Menschen und man hat abends das Gefühl, ganz viel erlebt zu haben. Was? Ich bin erst vier Tage in Japan? Ich habe schon sooo viel erlebt und gesehen.

Kommt man zurück, passiert das Gegenteil. Die Alltagsroutine ist wieder da, das Gehirn schaltet ab und merkt sich nichts mehr. Eine Woche wieder in Berlin, aber es sind davon keine Spuren im Gedächtnis zurückgeblieben, weil außer dem normalen Alltagstrott einfach nichts passiert ist.

Genau das ist ja auch einer der wichtigsten Gründe, um Urlaub zu machen: Um genau das zu ändern. Damit man von seiner Lebenszeit auch was hat. Damit es Rückstände im Hirn gibt.

Gerade habe ich noch ein paar letzte Trümmer weggeräumt, die noch herumlagen. Der Kleinkram.

Ich hatte mir in Japan, im Billigmarkt Daiso, wo man unglaublich viele Dinge findet, die meist nur 100 Yen (mit Steuer ca. 70 Cent) kosten, japanische Ohrenkratzer gekauft. Kleine Stäbchen, aus Edelstahl, wiederverwendbar und hygienisch zu reinigen (falls man den Dreck aus den Rillen bekommt), mit denen man sich den Mist aus den Ohren kratzen kann. Quasi wie Wattestäbchen, nur aus Edelstahl und mit Rillen. So als Reiseuntensil.

Daneben hatte ich mir aber auch, aus Neugier, eben für 100 Yen (mit Steuer 110) eine Packung mit „20 pcs., Adhesive Ear Clean Stick“ gekauft. Im Prinzip wie die aus Edelstahl, aber aus weichem Plastik, vorne klebrig und zum Wegwerfen. „Made in Japan.“ Im Gegensatz zum omnipräsenten „Made in China.“.

Ich konnte mir nicht vorstellen, wie die funktionieren sollen, und fand, es sei mir die ca. 70 Cent wert, das herauszufinden.

Gerade habe ich beim Aufräumen der letzten Trümmer diese Packung gefunden. Irgendwann werde ich all meinen Mut zusammennehmen und es wagen, mir mit so einem klebrigen Ding das Ohr zu reinigen und dann darüber zu bloggen, was ich darin alles gefunden und mittels des klebrigen Werkzeugs ans Tageslicht befördert habe. Aber nicht heute. Und nicht morgen. Das ist etwas für einsame, finstere Winternächte.

Wie ich das Ding also gerade wegräumen und zu den Körpferpflegeutensilien für schwierige Fälle packen wollte, fällt mir auf, dass auf der Rückseite steht (in Englisch):

Read first for your safety.

Sagt sich so leicht, denn danach kommt ein langer japanischer Text.

Dann aber finde ich doch drei englische Sätze, darunter

Do not insert the top of the adhesive part deeper than 0.79 inch in ear.

Nun sitze ich da und grüble, wie man das macht, sich ein Stäbchen nur höchstens genau 0.79 inch ins Ohr einzuführen, auch die angegebene Genauigkeit erreicht, und von wo aus man das misst.

Gut, zugegeben, das ist wohl etwas lost in translation, denn wie schon eine Proberechnung zeigt, entsprechen 0.79 inch auf drei Stellen genau 2cm ( 2/2.54 = 0.78740..), und im japanischen Text findet man dann sogar die „2cm“, wenn man sucht, und vermutlich war das eine automatische Übersetzung, die dann gleich cm in inch umgerechnet hat.

Ich fand es trotzdem frappierend, so eine Angabe zu lesen.

Und ich vermisse den Hinweis, dass man sich das Stäbchen auch nicht so tief ins Ohr stecken darf, dass es weh tut.

Heute ist nicht der Tag, das auszuprobieren.