Ansichten eines Informatikers

Die SPD , die Medien und das Medienrecht

Hadmut
14.12.2019 15:01

Na, das ging ja schnell.

Ja, die SPD hat vieles in der Medienlandschaft unter Kontrolle, manche sagen auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen, aber anscheinend nicht immer alles unter Kontrolle der Vorsitzenden.

Gerade mal eine Woche im Amt, geht Esken jetzt gleich per „Medienanwalt” auf den ARD-Sender RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) los, weil die sie in der Sendung Konstrate schlecht dargestellt hätten, wie einige Blätter beschrieben, etwa der Tagesspiegel:

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte eine SPD-Sprecherin am Freitagabend, die Berichterstattung des ARD-Magazins sei “unwahr und damit rechtswidrig”. Der beauftragte Medienanwalt Christian Schertz habe nach juristischer Prüfung “presserechtliche Schritte auf Unterlassung, Widerruf und Gegendarstellung” gegen den Sender RBB eingeleitet.

Soso. Die SPD sagt ihrem (im wesentlichen) eigenen Redaktionsnetzwerk…

Das halte ich in diesem Zusammenhang für juristisch, naja, sagen wir es vorsichtig, wackelig und fragwürdig.

Denn der RBB hat ja in diesem Bericht die Behauptung nicht selbst aufgestellt, sondern per Video Leute, die beruflich mit ihr zu tun hatten, dazu interviewt. Die eigentliche Berichterstattung, nämlich dass die das sagen, wäre also durch das Video (so es nicht gefälscht ist) bewiesen. Meines Erachtens hätte man juristisch eher gegen die Interviewten vorgehen müssen, soweit ich den Beitrag jetzt noch im Gedächtnis habe.

Insofern kommt mir das eher wie eine großangelegte Drohgebärde, verteilt über das eigene Pressenetzwerk, vor. Man wird sehen.

Was ich daran (und auch im Allgemeinen) vor allem seltsam finde:

Es wird da immer gleich mit Anwälten losgeschossen. Ist denn keiner mehr in der Lage, einfach mal selbst zu sagen „Das stimmt so nicht”? Warum müssen die immer gleich mit Anwälten und juristischen Schritten losdonnern? Wie will die eigentlich eine SPD führen, wenn sie nicht mal in ihre eigenen Angelegenheiten selbst regeln kann?

Und was soll der Blödsinn, eine Gegendarstellung zu fordern, wenn die SPD doch selbst ein Medienkonzern ist und eine viel weitere Verbreitung als eine ARD-Sendung hat?

Eigentlich dient das Mittel der Gegendarstellung doch, den publizistisch weit Unterlegenen zu schützen, der keine Chance hat, seinen Standpunkt in gleicher Weise zu publizieren, aber doch nicht eine SPD-Vorsitzende, auf die alle Kameras zeigen, und die den Medienkonzern SPD unter sich hat.

Was soll der Blödsinn, dem RND zu sagen, dass man juristisch gegen den RBB vorgeht und eine Gegendarstellung fordert, anstatt gleich selbst die Gegendarstellung mitzuteilen und zu verbreiten?

Schauen wir mal direkt in das RND, über das Wikipedia sagt:

Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) ist die Redaktion für überregionale und internationale Inhalte der Madsack Mediengruppe in Hannover. Deren größte Kommanditistin ist die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft, das Medienbeteiligungsunternehmen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).

Das RND wurde 2013 gegründet. Es versorgt nach eigenen Angaben „mehr als 50 Tageszeitungen mit einer täglichen Gesamtauflage von mehr als 2,3 Mio. Exemplaren“ mit überregionalen Inhalten.

Die SPD braucht keine Gegendarstellung, sie hat selbst die Mittel, das darzustellen. Insofern würde ich mal durchaus in Frage stellen, ob eine Saskia Esken einen solchen Gegendarstellungsanspruch überhaupt haben kann, weil sie vom Schutzzweck der Norm nicht erfasst wird.

Und die schreiben dazu also:

Berlin. Die Anschuldigung wiegt schwer – vor allem für eine Sozialdemokratin. War die frisch gewählte SPD-Chefin Saskia Esken vor acht Jahren als Vizechefin des Landeselternbeirates Baden-Württemberg an der unrechtmäßigen Kündigung einer Mitarbeiterin beteiligt? Diesen Vorwurf erhebt das ARD-Magazin „Kontraste“ und spricht von einer „Kündigungsaffäre“. Die Bild-Zeitung geht sogar noch einen Schritt weiter und stellt die Frage, ob Esken damals „Mitarbeiter ausspioniert“ habe.

Was ist an den Vorwürfen dran? Zweifelsfrei aufklären lässt sich das am Tag nach der Veröffentlichung nicht.

Wenn es sich nicht zweifelsfrei aufklären lässt, wie kann man dann behaupten, dass es unwahr und rechtswidrig sei?

Sie verweisen auf die Stuttgarter Zeitung, die die Sache andersherum darstellt, Esken sei bespitzelt worden und habe nicht bespitzelt.

Das ist aber alles Dünnschiss. Die Aktivlegitimierte wäre hier allein Esken selbst. Und dazu heißt es bein RND:

Esken selbst will zu der ganzen Angelegenheit wenig sagen. „Zu einzelnen arbeitsrechtlichen Fällen kann und werde ich mich nicht äußern“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Ihre Arbeit für die SPD bleibe von der Sache unberührt.

Äh…wie bitte!?

Sie will zu der ganzen Angelegenheit wenig sagen, aber einen Gegendarstellungsanspruch haben? Ja, was denn nun? Will sie nun was sagen oder will sie nicht?

Meines Erachtens ist ein Gegendarstellungsanspruch rechtsmissbräuchlich wahrgenommen, wenn nicht sogar verwirkt, wenn jemand zeitnah so eine Gelegenheit bekommt, über so ein riesiges Mediennetzwerk seinen Standpunkt darzutun und das nicht wahrnehmen will. Denn der Gegendarstellungsanspruch dient ja gerade nicht dazu, dem kritischen Medium eine reinzudrücken und sie zu ärgern und zu demütigen, sondern den eigenen Standpunkt in gleicher Weise darzulegen. Wenn man das aber gar nicht will, und die Gelegenheit dazu auch nicht genutzt hat, ist das meines Erachtens dann aber auch erledigt.

Die Frage ist aber: Ist es überhaupt Saskia Esken, die da gegen den RBB vorgeht?

Das Willy-Brandt-Haus kündigte am Freitagabend an, rechtlich gegen die Berichterstattung des Rundfunks Berlin-Brandenburg vorzugehen. Eine Sprecherin der SPD sagte dem RND: „Der beauftragte Medienanwalt Prof. Dr. Christian Schertz hat nach juristischer Prüfung presserechtliche Schritte auf Unterlassung, Widerruf und Gegendarstellung gegen den RBB eingeleitet, da die Berichterstattung unwahr und damit rechtswidrig ist.“

„Das Willy-Brandt-Haus kündigte an…” „Eine Sprecherin der SPD sagte dem RND…”

Wenn das gar nicht Esken selbst, sondern die SPD war, die sich da quasi auch noch selbst interviewt, fehlt es schlicht an der Aktivlegitimierung.

Wenn ich der Anwalt des RBB wäre, wüsste ich, wie ich schon formalrechtlich dagegen vorgehe.

Interessant ist aber nun, wie es tatsächlich aussieht. Stimmt es, oder stimmt es nicht, was da in Kontraste kam?

Ich glaube nicht, dass die SPD oder Esken wirklich gewinnen können, egal wie es war. Wenn sich aber herausstellt, dass die Darstellung des RBB richtig, bzw. gar nicht so falsch war, dann dürfte spätestens dieser juristische Schritt schon der zweite Sargnagel Eskens sein – vielleicht ist das ja auch schon ein internes Stuhlsägen.

Wenn ich mir nämlich den als gegensätzliche Darstellung angebebenen Artikel in der Stuttgarter Zeitung durchlese, dann wirkt der auf mich, als würden die Behauptungen des RBB in Kontraste da in den Tatsachen sogar bestätigt und eingeräumt, nur völlig anders be- und gewertet.

Und damit wäre der Vorwurf falscher Tatsachen schon nicht mehr zu halten. Es mag dann durchaus so sein, dass SPD/Esken einerseits und RBB/Kontraste andererseits die Vorgänge völlig unterschiedlich bewerten. Aber genau das fällt unter Meinungsfreiheit, und dagegen gibt es keinen Unterlassungsanspruch.

Und ich glaube, dass man unter solchen Voraussetzungen einen ganz groben, womöglich tödlichen Fehler begeht, wenn man unter diesen Umständen einen solchen Streit öffentlich anzettelt. Um diese Kündigung gab es ja schon einen Arbeitsgerichtsstreit. Was, wenn sich die Behauptungen des RBB durch Akten belegen lassen? Oder die Interviewten das vor Gericht unter Eid wiederholen?

Das kann ganz übel nach hinten losgehen, und zumindest die Journalisten, die nicht so direkt unter der SPD arbeiten, bringt man damit auch ziemlich gegen sich auf.

Geht ja gut los. Ich bin mal auf die zweite Woche gespannt.