Die impertinente Heuchelei des Andreas Voßkuhle
Die Dreistigkeit ist atemberaubend.
Es ging gestern oder schon in den letzten Tagen, der zeitliche Rahmen ist mir gerade nicht ganz klar, ein Zitat von ex-Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle von der Verrohung der Social Media herum. Ich weiß nicht, ob das die Ur-Quelle ist (ich glaube, das Zitat gab es schon vorher), aber der Tagesspiegel hat ein Interview mit ihm, angegeben ist „Stand: 27.12.2025, 07:58 Uhr“, was den Gedanken nahelegt, dass das nur das Datum der letzten Änderung ist: Andreas Voßkuhle im Gespräch: „Die Verrohung im Netz hält unsere Gesellschaft auf Dauer nicht aus“
Kaum steht Deutschland international unter dem Vorwurf, die Meinungsfreiheit zu verletzen, kommen die schnellen Polit-Heuchler aus ihren Löchern.
Empörung und Bereitschaft zum Missverständnis aber sind groß, etwa bei Äußerungen von Kanzler Merz oder SPD-Chefin Bärbel Bas. Sind wir zu empfindlich geworden, während wir mehr klare Kante wollen?
Wir leben zurzeit in einer paradoxen Welt. Die Bürgerinnen und Bürger möchten angesichts multipler Krisen einerseits mehr klare Ansagen, mehr Entschiedenheit, mehr Führung. Gleichzeitig wird jede einzelne Äußerung im Netz und von den Medien aber hochgejazzt und zu einer Staatskrise stilisiert. Wir sind dadurch eine permanent erregte und in gewisser Weise orientierungslose Gesellschaft geworden. Ein Vorschlag: Um die Diskurskultur etwas zu rationalisieren, sollte es im Internet Pflicht werden, seinen Klarnamen zu benutzen. Mit diesem einfachen Mittel können wir öffentliche Diskussionen im Netz entgiften. Die Verrohung im Netz hält unsere Gesellschaft auf Dauer nicht aus.
Man muss sich mal ganz langsam durch die Zähne ziehen, was der da sagt.
Denn er sagt, dass Politiker den Anforderungen nicht mehr gerecht werden können. Im Prinzip beschreibt er das Problem, dass wir Laienprediger als Politiker haben, und die Zeiten Merkels, als das Land von selbst lief und sie nur dabeisitzen musste, vorbei sind, und diese etablierte Laienschar in der Krise nicht in der Lage ist, die Krise zu bewältigen, es aber nicht aushält, dass man das dann auch sagt. Und das gibt er dann als „Die Gesellschaft hält das nicht aus“ aus, obwohl er eigentlich nur sagt „Laienpolitiker halten es nicht aus, wenn man merkt, dass sie nichts können“.
Und dann ganz übel:
Eine steigende Zahl von Deutschen sagt, sie könnten nicht mehr offen ihre Meinung sagen. Warum?
Die, die sagen, man könne ja nicht mehr alles sagen, sagen die ganze Zeit alles und viel Unsägliches. Aus rechtlicher Sicht ist der Vorwurf, in Deutschland sei die Meinungsfreiheit eingeschränkt, vollkommener Quatsch. Die entsprechende Äußerung von J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz ist gerade angesichts der permanenten Einschüchterung der Presse durch den Präsidenten in den USA einfach nur frivol. Die Rechtsprechung ist – wie bereits gesagt – sehr liberal. Das entspricht aber nicht immer der Gefühlslage der Menschen. Viele sind in Milieus unterwegs, in denen sich schnell Widerspruch erhebt, wenn bestimmte Reizthemen – etwa Migration, Russlands Krieg gegen die Ukraine, Gendern, oder Corona – angesprochen werden. Oft kommt es hier zu heftigen Reaktionen, die manche Menschen verschrecken und das Gefühl auslösen, man könne nicht mehr alles sagen. Wir haben es also mit sozialen Erwartungen zu tun, nicht mit staatlicher Zensur.
Das ist regelrecht verlogen.
Mit derselben Logik könnte man auch begründen, dass man in Deutschland Mord und Bankraub offen begehen könne, weil ja ständig Mord und Banküberfälle passieren. Es gibt einen Spruch, der – wohl fälschlicherweise, nur als Satire – Idi Amin in den Mund geleget wird: „There is freedom of speech, but I cannot guarantee freedom after speech.“ – die Meinungen, ob er das wirklich gesagt hat, gehen auseinander. Egal, der Satz beschreibt das Problem. Oder wie es das deutsche Pendant, Dunja Hayali, in ihrer Weisheit paraphrasierte: „Man kann in Deutschland eigentlich alles sagen. Man muss dann halt manchmal mit Konsequenzen rechnen.“
Das dauert halt ein bisschen, bis einem das SEK die Tür eintritt, die Antifa die Nase bricht, oder der AStA die Entlassung fordert.
Die Amerikaner beurteilen das wesentlich besser, weil es im amerikanischen Verfassungsrecht zu Grundrechten, insbesondere zur Meinungsfreiheit, den Begriff des „chilling effect“, der abkühlenden Wirkung haben, wenn etwas das Grundrecht nicht unmittelbar angreift, aber die Leute doch davon abhält, es wahrzunehmen.
Es ist auch kein juristisch greifbarer Begriff, keine feststellbare Größe, sondern nur eine spekulative Meinung, ob eine Gesellschaft etwas auf Dauer aushält.
- Woher will er das wissen?
- Hält eine Gesellschaft Migration auf Dauer aus?
- Feminismus?
- Gender?
- Sozialismus?
Wenn er von diesem Kriterium überzeugt wäre, müsste er es bei allen Rechtsfragen heranziehen, und nicht nur da, wo es rhetorisch gerade passt. Wie ich so oft sage: Juristen betreiben keine Rechtsfindung, sondern machen, was sie wollen, und betreiben danach Begründungsfindung.
Ich finde es aber besonders dreist, weil er ja damals, als die meine Beschwerde in Sachen Promotion nicht zur Entscheidung angenommen haben, Präsident war. Und das war ja, sowohl was die Entscheidung des BVerfG anging, als auch die Vorinstanzen und die Vorgänge an der Uni, ein durch und durch korruptes und verlogenes Ding. Wenn etwa die Tonbänder einer Sachverständigenvernehmung durch einen vorsitzenden Richter heimlich gefälscht und ausgetauscht werden, das Bundesverfassungsgericht den schützt und verschont, und dann herauskommt, dass der kurz vorher bei denen Mitarbeiter war. Oder die berichterstattende Richterin eigene Interessen vertritt, weil sie eine feministische Titelmühle betreibt. Und ich weiß noch einige Dinge über das Bundesverfassungsgericht, die ich noch nicht veröffentlicht habe.
Der Knackpunkt ist aber, dass es hier um Wissenschaftsfreiheit ging, und darum, dass einem der BND die ganze Karriere absägen kann, wenn man Themen erforscht, die man nicht nennen soll. Da hat das Bundesverfassungsgericht – unter Voßkuhle – kommentarlos mitgespielt. Durch und durch korrupt.
Auch hier wieder der Vergleich mit den USA: In Deutschland gibt es in Art. 5 Abs. 3 separate Rechte für Kunst und Wissenschaft, während die Meinungsfreiheit in Abs. 1 steht, das also unterschieden wird. In den USA gibt es keine separate Wissenschafts-, Lehr- und Forschungsfreiheit, weil man die dort als Spezialfall der Redefreiheit betrachtet. Sie sind zumindest sehr eng artverwandt.
Und ausgerechnet der, der damals bei dieser Nummer Präsident des Verfassungsgerichts war, ausgerechnet der stellt sich nun hin und behauptet, wir hätten in Deutschland Meinungs- und Redefreiheit.
Oh, durchaus, es gab viele schöne und gute Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit. Ich habe ja viele davon hier im Blog kommentiert. Aber:
- das war vor allem der Richter Johannes Masing, während manche der Richter die Artikel bis 3 nicht kapieren und die nach 3 nicht mal kennen.
- sämtliche (mir bekannten, gerade einfallenden) Entscheidungen dazu beziehen sich ausschließlich auf Gerichtsurteile, meist der Strafgerichte wegen Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, in denen man die Art und Weise der Urteilsfindung/-begründung juristisch rügt. Mit exekutiven oder pseudoprivatrechtlichen Maßnahmen haben die sich nicht beschäftigt, etwa ob ein AStA überhaupt in der Position ist, die Entlassung eines Professors zu fordern, der sich nicht dem linken Diktat unterwirft und sich politisch unkorrekt äußert.
- Richtigen Schrott hat das Bundesverfassungsgericht etwa zu der Frage der Bestimmtheit der Beleidigung gebaut. Während andere Straftatbestände wie Mord, Diebstahl, Betrug an greifbare, meist recht klare Kriterien gebunden sind, ist die Beleidigung gar nicht definiert. Ein völlig unbestimmter Rechtsbegriff.
Das BVerfG hat aber mehr Beschwerden gegen die Unbestimmtheit weggewischt, obwohl sie sonst immer gerne mit ihrer Wesentlichkeitstheorie herumfuchteln, wonach die Legislative als einzig demokratische legitimierte Staatsgewalt alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen und für Normenklarheit sorgen müsse. Bei Beleidigung sind sie aber der Meinung, dass das durch die uralte Rechtsprechung hinreichend ausgeleuchtet und klar wäre – als ob irgendjemand die erschöpfend lesen könne. Gleichzeitig heben sie immer wieder Urteile auch von OLG und BGH auf, weil sie meinen, die Richter hätten sie nicht richtig gewürdigt. Sie sagen gleichzeitig, dass es hinreichend geklärt ist und dass selbst höhere Berufsrichter sie immer wieder verkennen und falsch entscheiden.
Dass sich das widersprecht – stört Verfassungsrichter nicht.
Warum auch?
Jutta Limbach hatte während ihrer Amtszeit in einem Vortrag an der Uni Karlsruhe mal gesagt, über ihnen sei nur noch der blaue Himmel. Die machen einfach, was sie wollen.
Die Realität ist, dass viele Strafverteidiger keine Äußerungsstrafsachen mehr übernehmen, weil sie sagen, dass sie das juristisch nicht mehr bearbeiten können, weil das nur noch unvorhersehbare Willkür sei. Man bekommt fast keine anwaltliche Vertretung mehr – und die gilt als Bestandteil des Rechtsstaates, des rechtlichen Gehörs und des Rechtswegs.
Und was halt eben auch ein wichtiger Aspekt ist: Man beurteilt das Bundesverfassungsgericht immer nur nach seinen veröffentlichten Entscheidungen. Und damit nach ihrer Eigendarstellung.
Man beurteilt es nie danach, worin es nicht entschieden hat, oder welcher Mist dort vorher, bis dahin, lief, oder welche Leute dort als „wissenschaftliche Mitarbeiter“ (=Hilfsrichter) die Urteile schreiben.
Und man beurteilt es auch nicht danach, welche Entscheidungen es aus politischen, parteipolitischen, korrupten oder persönlichen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen haben.
Und bis vor kurzem beurteilte man es auch nicht danach, was für unfähige Leute man auf welchen korrupten Wegen dort als Partei- und Ideologiesoldaten in die Richterämter hievte. Frauke Brosius-Gersdorf kommt der Verdienst zu, als erste so offenkundig ungeeignet und inkompetent gewesen zu sein, dass es auch der Öffentlichkeit aufgefallen ist und die Diskussion in Gang kam. Die Diskussion ist aber noch lange nicht so weit, auch die Frage zu erfassen, was diese Leute, wenn sie nicht vorher jahrelang Berufsrichter waren, zu dem Job überhaupt befähigen soll.
Auch bei Voßkuhle habe ich nie ersehen können, was den eigentlich zum Verfassungsrichter befähigt habe. Er war aber auch nur der Ersatzmann, weil der ursprüngliche SPD-Vorschlag Horst Dreier nicht durchging. Und zu diesem Verhältnis habe ich schon etwas geschrieben, u.a. hier. Dort herrscht vor allem geistige Inzucht und Vetternwirtschaft. Die promovieren da als Professoren ihre Zöglinge hoch.
Und das war ein Grund, warum sie damals meine Beschwerde nicht bearbeitet haben: Sie wäre zwingend auf eine Regulierung der Promotion hinausgelaufen, hätte sie aus der völligen Willkür herausgelöst. Und genau diese Willkür braucht man, um Leute wie Kaufhold und Brosius-Gersdorf zu produzieren und in die Ämter zu heben.
Und aus genau diesem Korruptionssumpf kommt jetzt die Forderung nach einer Klarnamenpflicht – die natürlich systematisch nur für einheimische Deutsche und nicht all die Mohammeds funktioniert und wirkt.
Dass der Klarname ein ebenso unbestimmter und unklarer Rechtsbegriff wie die Beleidigung ist, hatte ich vorgestern schon beschrieben.
Voßkuhle gilt als „SPD-nah“. Das merkt man.