Schöne Weihnachten!
Ach, ich hab’s nicht so mit den schwülstigen Reden …
Ihr wisst ja, alle Jahre wieder, ich hab’s nicht so mit Weihnachten. Ich kann damit nicht viel – eigentlich gar nichts – anfangen. Ich bin nicht religiös, und vielleicht habe ich als Kind einfach eine Überdosis an Ritualen abbekommen. Und für den Weihnachtskitsch bin ich auch nicht zu haben.
Irgendwo stand die Tage, dass wir in Deutschland inzwischen mehr Leute haben, die dem Islam vertrauen, als Leute, die der katholischen Kirche vertrauen. Kunststück. Wer vertraut schon noch der katholischen Kirche?
Wobei ich Weihnachten jetzt auch nicht runtermachen will. Für Kinder ist es toll (falls die Eltern sich die Geschenke noch leisten können), und das Essen ist gut (falls man sich das Essen noch leisten kann). Aber irgendwie kommt es mir auch aus der Zeit gefallen vor, sich noch rituell den Wanst vollzuschlagen. Und wenn ich dann höre und lese, dass immer mehr Leute Weihnachten „vegan“ feiern, dann kann man es auch bleiben lassen. Das ist noch schlimmer als Einkaufsgutscheine unter dem Weihnachtsbaum.
Und es ist halt eben auch das Fest der Hiebe. Polizei und Krankenhäuser wissen immer was zu erzählen, wenn es endlich vorbei ist. Wenn die alle beisammen hocken, man wegen der Kälte nicht raus kann, alle, die sich nicht leiden können, zusammen in der Bude den ganzen Tag aufeinander rumsitzen. Das Geld knapp. Die Aussichten trübe. Die Firma pleite. Im Fernsehen nur Billig-Wiederholungen. Und alle angesoffen. Weil man es eh nur noch besoffen erträgt. Und wenn es ganz dumm läuft, hat hinterher die Feuerwehr was zu erzählen.
Das Fernsehprogramm ist eine Katastrophe. So substanzlos wie die Politik, so trübe wie die Wirtschaftsaussichten, man sendet einfach, was man immer sendet. Also ob jedes Jahr einfach dasselbe 3-Tagesvideoband automatisch abläuft, während die alle in Urlaub sind. Es gibt fast nur noch endlose Wiederholung von Drei Aschenblödel fürs Eichhörnchen und Der kleine Lord, und jedes Jahr die Feuerzangenbowle rauf und runter, während sich Michel und Pippi Langstrumpf immerhin noch abwechseln. Vor Familie Hoppenstedt gibt es auch kein Entrinnen. Ich würde wetten, dass die Weihnachtstage das mit Abstand billigste Fernsehprogramm bekommen, weil keiner mehr in der Sendeanstalt ist und einfach die alten, billigen Filme laufen. Wobei selbst das noch besser ist, als das Dauerfeuer aus Quizsendungen, Talkshows und Musikshows. Gerade eben haben sie die große Quizshow für Samstag angekündigt. Das Fernsehprogramm wird immerhin besser, wenn die alle mal zuhause bleiben.
Ihr könnt den Fernseher jetzt ein paar Tage einfach aus lassen: Ihr kennt das gesamte Programm ohnehin auswendig.
Die Leute sind einsam.
Bei den letzten Einkäufen habe ich beim Einpacken hinter der Kasse einen erlebt, älterer Mann, der neben mir stand und auch einpackte. Und sehr herzlich und liebevoll in seine Einkaufstasche sprach. Sinngemäß „Da bist Du ja, ich habe Dich schon so vermisst!“ Ich dachte zuerst, wie schön, da haben ihn die Kinder oder so jemand, zu Weihnachten auf dem Handy angerufen und er hat das Handy in der Tasche mit Freisprecheinrichtung. Man hat das ja in den letzten Jahren sehr oft, dass Leute herumlaufen, die scheinbar mit einer imaginären Person reden. Früher dachte man an „Mein Freund Harvey“, was heute kaum noch jemand kennt. Doch es stellte sich heraus, dass der Mann so liebevoll mit seinem Geldbeutel redete. Er nahm ihn fürsorglich heraus und redete weiter mit dem Geldbeutel in seiner Hand, und lies sich auch nicht davon abbringen, als er bemerkte, dass ich gerade wohl ziemlich blöd guckte, erklärte mir sogar, wie liebenswürdig sein Geldbeutel sei, und wie froh er war, ihn in seiner Tasche wiedergefunden zu haben. Ich wünschte beiden schöne Weihnachten.
Trotz alledem: Ich wünsche den Lesern auch dieses Jahr einfach mal ein paar beschauliche ruhige Tage, mal etwas weniger Stress, zumal die Tage dieses Jahr günstig liegen, gleich danach ein Wochenende und dann Silvester/Neujahr kommen.
Ich habe das gerade selbst gemerkt, dass ich zuviel arbeite. Gestern hatte ich noch – vermeintlich in Ruhe und entspannt, aber müde – von Casablanca geschrieben und dabei wieder mal einen meiner notorischen Fingerbewegungsschreibfehler gemacht, viele nennen so etwas ein „Muskelgedächtnis“: Statt vom Klavierspieler Sam hatte ich vom Klavierspieler Spam geschrieben. Es ist schrecklich.
Wir leben in einem Staat, der wirtschaftlich, intellektuell, technisch nichts mehr entwickelt, dafür aber den Stressfaktor immer höher treibt. Obwohl wir immer weniger arbeiten, haben wir Stress, als würden wir immer mehr arbeiten. Als ob Stress das Einzige wäre, was wir noch produzieren.
Also:
Nutzt die Zeit, schaltet mal ab, lasst den Wecker aus, schlaft Euch mal aus. Versucht mal das, was wir früher, in besseren Zeiten, noch als „Die Seele baumeln lassen“ bezeichneten. Lasst mal locker. Lasst mal die Wunden etwas abheilen.
Ich wünsche Euch schöne Weihnachten – in dem Sinne, einfach mal ein paar ruhige Tage zu haben.