Ansichten eines Informatikers

Istanbul und die Marmara-Verwerfung

Hadmut
13.12.2025 13:50

Nein, kein Drogen-Kartell, auch keine kulinarische Spezialität – Geologie.

Scheint, als sei ich nicht der Einzige, der ein Wackeln heraufziehen sieht – besser gesagt, fühlt. Ein Leser schrieb, dass gestern auch auf scinexx.de ein Artikel dazu erschien: Istanbul: Die Beben kommen näherSeismologische Analysen zeigen akute Erdbebengefahr für die Millionenmetropole

Schade eigentlich. Ich kenne von Istanbul zwar bisher nur den Flughafen – aber der gefällt mir sehr gut.

Tektonische Zeitbombe: Die Erdbebengefahr für die türkische Millionenstadt Istanbul wächst. Schon die nächste seismische Entladung könnte die Metropole treffen, warnen Geoforscher in „Science“. Ihre Analysen bestätigen, dass Beben und aufgestaute Spannung entlang der Nordanatolischen Verwerfungszone immer weiter nach Osten wandern – direkt auf Istanbul zu. Das nächste Erdbeben wäre demnach südlich der Stadt im Marmarameer fällig. Dort folgt auf einen kurzen noch beweglichen Abschnitt ein komplett verhaktes Segment der Plattengrenze.

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„Die Marmara-Verwerfung repräsentiert aktuell das größte seismische Risiko in ganz Europa“, erklären Patricia Martínez-Garzón vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam und ihre Kollegen. Dies zeigte sich zuletzt im April 2025, als ein Erdbeben der Magnitude 6,2 direkt westlich des blockierten Abschnitts auftrat. Es war das stärkste in diesem Gebiet seit 60 Jahren. Insgesamt hat es an der Marmara-Verwerfung in den letzten 15 Jahren vier Erdbeben mit Magnituden höher als 5 gegeben.

Aber wie akut ist die Gefahr für Istanbul?

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Das Ergebnis: „Wir beobachten eine ausgeprägte Ostwanderung von Erdbeben der Magnitude 5 und höher in den letzten 15 Jahren“, berichten die Forschenden. „Dies wird begleitet von einer Zunahme der Magnitude im Laufe der Zeit.“ Dies spricht dafür, dass die Marmara-Verwerfung von Westen her sukzessive aufbricht – und sich die Bruchzonen immer weiter Richtung Istanbul verschieben.

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Das Beunruhigende daran: Auch das jüngste Erdbeben vom April 2025 hat eine rund 15 Kilometer lange „Ruhezone“ an der Marmara-Verwerfung hinterlassen. „Dies spiegelt das zuvor beobachtete Muster wider“, so das Team. Demnach könnte dieser aktuell seismisch ruhige Abschnitt den Herd für das nächste Erdbeben bilden. Diesmal jedoch umfasst diese Ruhezone das letzte noch kriechende Segment vor dem verhakten Bereich südlich von Istanbul.

„Das nächste stärkere Erdbeben entlang der Marmara-Verwerfung wird daher vermutlich auf dem verbliebenen Bereich westlich von Istanbul oder direkt auf dem vollständig verhakten Prinzeninseln-Segment südlich der Megacity auftreten“, sagt Koautor Marco Bohnhoff vom GFZ. „Dies könnte ein Ereignis der Stärke 6 sein oder aber ein Vorläufer, der dann ein noch größeres Erdbeben auslöst.“ Denn die im verhakten Segment aufgestauten Spannungen reichen für ein Starkbeben von mindestens der Magnitude 7.

Das jüngste Erdbeben hat diese Spannungen eher verstärkt als verringert: „Die Marmara-Verwerfung muss als kritisch geladen angesehen werden“, sagt Bohnhoff. „Das Beben vom April hat da nur unwesentlich Entlastung gebracht.“

Ein Starkbeben von mindestens der Magnitude 7.

Bei der Bausubstanz von Istanbul.

Danach brauchen die aber den großen Besen.

Und während man in der Geologie normalerweise von sehr langen Zeiträumen redet, die haben es gerne in Zehn- und Hunderttausenden und Millionen von Jahren, könnte es gut sein, dass wir hier von Monaten reden. Denn wir haben ja gerade alle paar Monate ein wesentliches Ereignis, und im messbaren Bereich praktisch täglich.

Und dann?

Dann gibt es für die Überlebenden zwei Möglichkeiten. Zur Verwandtschaft nach Anatolien. Oder zur Verwandtschaft nach Deutschland. Wir haben Platz und suchen Fachkräfte.

Auf der Seite gibt es übrigens eine interessante Graphik eines Mike Norton, leider an der Stelle Zypern angeschnitten, aber hier findet man die unbeschnittene Version. Darin sieht man nämlich das, was ich gestern wieder beschrieben hatte, weil ich es mangels geologischer Sach- und Fachkunde mit dem Hintern fühle, wenn es rumpelt: Die afrikanische Platte und der zypriotische Bogen machen Bewegungen nach Osten / Nordosten.

Was die Frage aufwirft: Sollte man Istanbul als Urlaubsort eher meiden? Oder im Gegenteil aufsuchen, um die letzte Gelegenheit zu nutzen, es zu besichtigen?

Und wird man in Istanbul komisch angesehen, wenn man mit Wasserrucksack, Notration, Biwaksack und Schutzhelm in der Stadt herumläuft?

Wobei die Hotels ja in letzter Zeit auch schon nicht unbedingt als gesund angesehen wurden …