Das Geschwätz des Chan-jo Jun
Zu Hausdurchsuchungen. [Nachtrag 2]
Inzwischen wissen wir, dass gar keine Durchsuchung stattgefunden hatte, da schon im Beschluss das mildere Mittel der Abwendungsbefugnis vorgesehen war. Das könnte bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einen erheblichen Unterschied machen. Daher formulieren Juristen bei unklarer… https://t.co/oEtST7gvxJ
— Anwalt_Jun ®️ Chan-jo Jun (@Anwalt_Jun) October 26, 2025
Ich muss mich nicht wiederholen, ich hatte es hier schon ausführlich beschrieben:
- Die Hausdurchsuchung hat sehr wohl stattgefunden, denn sie hat schon dann stattgefunden, wenn die Zwangsmittel unmittelbar angedroht werden und dem Betroffenen keine anderen Möglichkeiten zur Abwendung mehr bleiben, als sich dem Zwang zu beugen. Nämlich wenn etwa einer juristischen Person ein Gerichtsbeschluss mit der Anordnung samt Zwangsmaßnahmen wie Zwangshaft gegen konkret bezeichnet Personen (i.d.R. des Vorstands) wirksam zugestellt wurde, oder eben, wenn die Polizei an der Tür klingelt.
Wenn die Polizei an der Tür klingelt und den Durchsuchungsbeschluss übergibt, hat die Durchsuchung begonnen, selbst wenn sie die Wohnung dann nicht betreten, weil dem Empfänger damit der unmittelbare Zwang angedroht und rechtlich nicht mehr anders abzuwenden ist, als der Forderung nachzukommen.
Wenn der Betroffene den Gegenstand herausgibt, dann ist die Hausdurchsuchung nicht unterblieben, sondern bereits erfolgreich beendet. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs hat zum angeordneten Ergebnis geführt.
In dem Moment, in dem die Polizei klingelt (oder die Tür eintritt), hoheitlich auftritt, erst recht, wenn sie den Durchsuchungsbeschluss übergibt, hat die Hausdurchsuchung begonnen und kann nicht mehr unterbleiben.
Übrigens liegt analog dazu auch eine Nötigung nicht erst bei Anwendung, sondern schon bei Androhung von Gewalt vor, weil dann schon in die Willens- und Entscheidungssphäre eingegriffen wird.
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Es gibt rechtlich keine „Abwendungsbefugnis“.
Jede Zwangsmaßnahme wie eine Durchsuchung, Beugehaft usw. ist immer beendet, sobald der im Beschluss bezeichnete Gegenstand gefunden oder erhalten ist, egal ob derjenige sie herausgibt oder man sie bei der Durchsuchung findet. Dann ist nämlich der Zweck erfüllt und die Rechtsgrundlage entfallen.
Es gibt keinen Anspruch des Staates, eine Sache, die auch freiwillig herausgegeben oder schon gefunden wurde, noch weiter zu „suchen“, um Schaden anzurichten, Leute einzuschüchtern oder Macht zu demonstrieren.
Und man kann auch niemanden hindern, eine Sache herauszugeben, damit man sie dann mit Gewalt holen kann.
Wie stellt der sich das vor? „Hier ist der Notebook. – Geht nicht, im Beschluss steht nichts von Abwendungsbefugnis. Bitte legen Sie ihn zurück und gehen Sie aus dem Weg, damit wir die Tür eintreten und ihn ordnungsgemäß holen können.“
Es darf nämlich auch nicht zum Vorwand einer rechtswidrigen Umschau gemacht werden.
Oder so: „Wenn Sie den Gegenstand nicht herausgeben, drohen wir Beugehaft an! – Hier ist er… – So geht das nicht, wir wollen Sie trotzdem in Beugehaft nehmen!“
So einen Quatsch wie eine explizit genannte oder vom Gericht eingeräumte „Abwendungsbefugnis“ gibt es überhaupt nicht.
Tatsächlich ist es so, dass diese Floskel in immer mehr Beschlüsse aufgenommen wird, obwohl sie rechtlich bedeutungslos ist, weil die Justiz immer linker wird und immer öfter – bewusst und gewollt – rechtswidrige, rechtsbeugende, zweifelhafte, fehlerhafte Beschlüsse erlässt und versucht, die dadurch milder erscheinen zu lassen oder Rechtsmittel abzuwehren. Schema: Es stand ihm ja frei, die Sache herauszugeben.
Was da nämlich nicht drinsteht: Das ist eine Falle.
Gibt man nämlich etwas heraus, was die Juristen dann gern „freiwillig“ nennen, es aber rechtlich nicht freiwillig ist, weil ja der Zwang unmittelbar angedroht wurde, und man unter der unmittelbaren Androhung von Zwang, den man nicht anders als durch Nachgeben abwenden kann, eben nicht freiwillig handelt, verliert man die Möglichkeit, die Sache per gerichtlichem Beschluss (falls es noch keinen gab) oder per Beschwerde zum Oberlandesgericht (falls es einen gab) nachprüfen zu lassen.
Deshalb raten manche Anwälte in schwierigen Fällen, zwar übehraupt nichts zu tun, was als Widerstand oder Gegenwehr gewertet werden könnte, aber eben auch nichts, was als Zustimmung oder Einverständnis gewertet werden könnte, wie die Leute hereinzubitten oder ihnen die Tür in Kenntnis des Vorgangs zu öffnen, weil das als Einverständnis gewertet und das Rechtsmittel nehmen kann.
Was es lediglich gibt, ist die Entscheidung (normalerweise nicht des Gerichts, sondern der Staatsanwaltschaft und Polizei), ob sie einem morgens um sechs die Tür eintreten, ob sie höflich klingeln und Guten Tag sagen, oder ob sie den Beschluss vorher dem Vorstand eines Unternehmens zustellen. Ob sie dem Betroffenen also überhaupt die tatsächliche Möglichkeit lassen, die Durchsuchung abzuwenden, was man natürlich nicht mehr hat, wenn man morgens um sechs vom SEK überfallen und im Bett gefesselt und geknebelt wird.
Insofern kann man diese „Befugnis“ eher als Anweisung an die StA verstehen, dass die Durchsuchung nicht so überraschend erfolgen darf, dass die Möglichkeit zur Abwendung, als die Wahrnehmung dieser ohnehin bestehenden Rechtslage, im Rahmen der Gewaltanwendung verhindert wird und damit die Gewaltanwendung sogar ein Rechtsbruch wäre.
Denn die Gewalt darf nicht dem Zweck dienen, sich selbst zu rechtfertigen, indem sie ihre Abwendung gewaltsam unterbindet.
Und niemals sollte man in so einem Fall zur Polizei „Treten Sie ein“ sagen. Das ist zu doppeldeutig, das bedeutet bei denen gern etwas anderes.
Ich finde es beachtlich und höchst bedenklich, wenn politisch linksgerichtete Juristen versuchen, die Sache kleinzureden oder mit Pseudobegründungen zu rechtfertigen.
Nachtrag: Ich finde es übrigens frappierend, dass man darüber schon in der Grundwehrdienstausbildung im Rahmen der Wachausbildung mehr lernt, als anscheinend in so manchen Jurastudium. Denn zum Wacheschieben bekommt man ein scharfes Gewehr und später sogar eine scharfe Pistole für die volle Wachdauer, und wird dazu über die „Anwendung unmittelbaren Zwangs“ belehrt. Und das eskaliert von „Halt stehenbleiben!“ über den Warnschuss in die Luft bis zum gezielten Schuss, oder auch die Anwendung etwas eines Schlagstocks oder schlicht Muskelkraft bei einer Festnahme. Und der unmittelbare Zwang und die Ausübung hoheitlicher Macht fangen schon mit der Anweisung „Stehenbleiben“ oder „Hände hoch“ an, insbesondere wenn man dabei eine geladene Waffe sichtbar trägt, Handschellen, Schlagstock usw. dabei hat oder als Uniformteile hoheitliche Kennzeichen der Wache oder der Feldjäger (Wachkordel, Armbinde, Blaulicht auf dem Dach,…) trägt. Oder überhaupt die Uniform der Bundeswehr bei hoheitlichem Einsatz wie Katastrophenhilfe, angemeldeten Kolonnenfahrten, Erklärung eines Gebietes zum militärischen Sperrgebiet usw.
Erstaunlich, wie schwer sich Volljuristen mit Staatsexamen in Angelegenheiten tun, die man schon im Grundwehrdienst vom Feldwebel ohne Abitur lernte.
Nachtrag 2:
Dass die Durchsuchung bereits mit der Androhung begonnen hat, ergibt sich auch daraus, dass das Vorlegen des Durchsuchungsbeschlusses protokolliert werden muss. Wenn das Protokoll eröffnet ist, läuft die Durchsuchung.
Gibt auch viele lesenswerte Anwaltsseiten, etwa diese hier.