Vereinfachtes Steuerbeispiel
Weil es viele nicht verstanden haben, nochmal als stark vereinfachtes Beispiel. [Nachtrag]
Zahlen und Tätigkeit jetzt nicht realistisch gewählt, sondern willkürlich konstruiert und zugespitzt, um das als Beispiel zu erläutern:
- Stellt Euch vor, Meister X hält freiberuflich – Ist-Versteuerung und EÜR – tolle Weihnachts- und Neujahrs-Reden in Unternehmen und hat keine betriebsrelevanten eigenen Ausgaben. Für jede Rede verlangt er 10.000 Euro plus Mehrwertsteuer, die immer sofort in Rechnung gestellt und bezahlt werden.
Auf jeder Rechnung steht:
Rede 10.000 Euro Mwst 19% 1.900 Euro Summe 11.900 Euro
- Nehmen wir weiterhin an, Meister X bekommt im Jahr 2024 10 Aufträge, aber alle im Dezember, und im Jahr 2025 2 Aufträge, alle im Januar. Sonst macht er nichts, nur Urlaub, sonst nichts los. Im Januar 2024 keine Lust, im Dezember 2025 krank.
Also würde man doch naiv und arglos meinen
| Gemachter Gewinn | Vereinnahmte Umsatzsteuer | |
|---|---|---|
| 2024 | 100.000 € | 19.000 € |
| 2025 | 20.000 € | 3.800 € |
Und man würde doch erwarten, das getrennt zu behandeln:
- Für das Jahr 2024 versteuert er (Einkommensteuer) einen Gewinn von 100.000 €
- Für das Jahr 2025 versteuert er (Einkommensteuer) einen Gewinn von 20.000 €
- Im Januar 2025 führt er die vereinnahmte Umsatzsteuer von 19.000 € an das Finanzamt ab.
- Im Februar 2025 führt er die vereinnahmte Umsatzsteuer von 3.800 € an das Finanzamt ab. Insgesamt also 22.800 €.
Hört sich doch plausibel und richtig an, oder?
So ist es aber nicht.
Das heißt, der Teil mit der vereinnahmten und abgeführten Umsatzsteuer stimmt schon, das ist ein Nullsummenspiel.
Aber der Teil mit der Einkommensteuer, der stimmt nicht.
Das Finanzamt – genauer gesagt: das Bundesfinanzministerium – verlangt nämlich, dass in der EÜR die vereinnahmte oder vom Finanzamt erstattete Umsatzsteuer als Gewinn, und die als Vorsteuer gezahlte oder an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer als Ausgabe gewinnrelevant berücksichtigt wird. Und zwar, weil man das nicht als getrennte Rechnung betrachtet, sondern als Steuerverbindlichkeit des Unternehmers.Man muss also in beiden Jahren die vereinnahmte Umsatzsteuer auf den Gewinn draufschlagen und die an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer als Verlust abziehen.
Und damit sieht die Rechnung dann so aus:
| Gemachter Gewinn | Vereinnahmte Umsatzsteuer | |
|---|---|---|
| 2024 | 119.000 € | 19.000 € |
| 2025 | 1.000 € | 3.800 € |
Wie komme ich auf die 119.000? Naja, 100.000 + 19.000.
Und tatsächlich hat Meister X ja am 31.12.2024 119.000 Euro mehr auf dem Konto als vorher, weil er 119.000 Euro eingenommen, aber nichts ausgegeben hat.
Wie komme ich auf die 1.000? 20.000 + 3.800 – 19.000 – 3.800.
Und tatsächlich hat Meister X ja Ende Februar 2025 auch wirklich nur 1.000 Euro mehr auf dem Konto als am 1.1., weil er zwar 23.800 Euro eingenommen hat, aber zusammen 22.800 Euro an das Finanzamt überwiesen hat.
Für die Umsatzsteuerabrechnung macht das keinen Unterschied, die läuft exakt genauso wie oben beschrieben.
Was heißt es aber für die Einkommensteuer?
- Für das Jahr 2024
- sagt das Finanzamt: 119.000 Euro, satt im Spitzensteuersatz. Meister X zahlt also 42% Einkommensteuer auf den oberen Teil, und damit eben auch 7.980 Euro Einkommensteuer auf die vereinnahmte Umsatzsteuer – obwohl ihm die gar nicht gehört.
- Für das Jahr 2025
- sagt das Finanzamt: 1.000 Euro – Freibetrag, Steuersatz 0%. Keine Steuer zu zahlen.
Nachtrag: An der Stelle habe ich noch etwas vergessen: Ohne die USt hätte Meister X hier ein Einkommen von 20.000 € versteuern müssen, also etwa 1.716 Euro. Die Anrechnung hat ihm also nur einen Steuervorteil von 1.716 Euro gebracht.
Das heißt aber, dass Meister X für die abgeführten 19.000 Euro Umsatzsteuer aus dem Jahr 2024 keinen entsprechenden Steuervorteil als Ausgaben bekommt.
Im Ergebnis hat also Meister X 7.980 – 1.716 = 6.264 Euro Einkommensteuer auf eine Umsatzsteuer gezahlt, die ihm nicht gehört, die er nicht behalten kann und nur durchreichen muss, weil Vereinnahmung und Abführung beide als gewinnrelevant berücksichtigt werden müssen, aber in bestimmten Fällen in verschiedene Jahre fallen und dabei unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen können.
Das Problem tritt bei einer HGB-Buchführung so nicht auf, weil da mit der Rechnungsstellung immer auch die Steuerschuld gebucht wird, als an dem Tag, an dem man die Rechnung stellt, immer auch die Umsatzsteuerschuld in Buch und Bilanz steht, unabhängig davon, wann sie tatsächlich gezahlt oder erstattet wird. Sie können deshalb nicht in verschiedene Jahre fallen.
Hat man aber als Kleinbetrieb Ist-Versteuerung und EÜR, können Vereinnahmung/Vorsteuer und Abführung/Erstattung in verschiedene Steuerjahre fallen und damit unterschiedlich hoch einkommenbesteuert werden.
Theoretisch kann das auch genau umgekehrt laufen und Vorteile bringen. Praktisch aber nicht, weil Kleinbetriebe eben typischerweise Gewinn machen oder eingehen, aber nicht dauerhaft große Verluste machen, und es auf Verluste eben keinen „Spitzensteuerssatz“ gibt, diese Progression nur im Positiven, nicht im Negativen existiert, also vorzeichenasymmetrisch ist.
Und mit der Fristverlängerung für die Umsatzsteuer, die einige Schlaumeier hier erwähnen, hat das gar nichts zu tun. Weil es mit der Umsatzsteuer selbst überhaupt nichts zu tun hat, sondern nur damit, dass man die Umsatzsteuerbewegungen als Gewinne und Verluste buchen muss, statt sie völlig getrennt zu halten.
Die meisten Leute wissen von der Sache nur nichts, weil sie die EÜR vom Steuerberater ausfüllen und die Umsatzsteuer von ihm erledigen lassen.
Und so besteuert der Staat Gewinne, die es gar nicht gab.