Ansichten eines Informatikers

Strickleiterpflicht für Studenten?

Hadmut
17.10.2025 17:29

Lacht nicht!

Leserzuschrift:

Strickleiterpflicht an Universitäten

Hallo,

von einem IT’ler zum anderen.
Bin für Strickleiterpflicht an Universitäten

Quelle: https://www.pnp.de/nachrichten/bayern/eingeschlafen-und-eingesperrt-student-stuerzt-aus-fenster-19727984

Text:
Eingeschlafen und eingesperrt – Student stürzt aus Fenster

Während eines Online-Meetings schläft ein Student in einem Universitätsgebäude ein. Später gibt es ein böses Erwachen: Als er das Gebäude verlassen will, sind alle Türen versperrt.

Ein Student ist aus dem zweiten Stock eines Universitätsgebäudes in München gestürzt und hat sich dabei schwer verletzt. Der 22-Jährige sei während eines Online-Meetings eingeschlafen und die Türen des Gebäudes bereits abgesperrt worden, teilte die Polizei mit.

Als der Student später am Donnerstag wieder aufwachte, versuchte er demnach aus einem Fenster zu klettern, um das Gebäude zu verlassen. Dabei sei er aus etwa sechs Metern Höhe abgestürzt. Der junge Mann habe sich bei seinem Sturz beide Beine gebrochen und selbst den Notruf alarmiert, sagte ein Polizeisprecher. Er kam den Angaben zufolge in ein Krankenhaus. Die Polizei geht von einem Unfall aus.

Lacht nicht.

So etwas ähnliches wäre mir fast auch einmal passiert.

Ihr wisst Doch, wie „hoch“ meine Meinung von der Universität Karlsruhe im Allgemeinen und deren Informatikfakultät im Besonderen ist.

Als damals der Informatikneubau fertig war und wir dort alle eingezogen sind, ist mir bald etwas aufgefallen. Alle Details bekomme ich jetzt nach über 35 Jahren auch nicht mehr zusammen.

Das Gebäude hat ein Treppenhaus. Und Fahrstühle. Und eine Eingangstür. Ich meine nicht die des runden Glastreppenhauses, sondern wenn man davorsteht, die links.

Tagsüber ist das kein Problem. Da steht (oder stand damals) alles offen.

Abends aber, außerhalb der normalen Öffnungszeiten war das Ding im „verschlossenen“ Zustand. Die Logik dahinter war: Raus soll man immer kommen, rein aber nur mit Zugangskarte.

Also waren abends die Fahrstühle abgeschaltet, und die Treppenhaustüren gingen (ohne Schlüssel) nur in eine Richtung auf: in den oberen Stockwerken kam man von den Etagen ins Treppenhaus, aber nicht zurück. Und im Erdgeschoss kam man aus dem Treppenhaus ins Foyer, aber nicht zurück.

Und irgendwie, genau weiß ich es nicht mehr, konnte es passieren, dass die Eingangstür vorne zu war. Wenn ich mich recht erinnere, war das keine Fluchttür, sondern im geschlossenen Zustand nur mit Karte zu öffnen, aber Kartenleser gab es nur außen, nicht innen.

Es konnte einem also abends oder sonntags passieren, dass man das Gebäude verlassen wollte, zu Fuß über das Treppenhaus ins Foyer kam – und dann im Foyer gefangen war, weil man nicht mehr zurück ins Treppenhaus kam, der Fahrstuhl abgeschaltet (oder wieder mal defekt) war, und die Tür zum Treppenhaus nur von innen nach außen zum Foyer zu öffnen war.

Keine Chance, aus diesem Foyer zu entkommen, wenn man nicht einen Schlüssel hatte, um wieder in das Treppenhaus und dort dann in eine der Etagen zu kommen.

Ich habe mir das mal überlegt und angesehen:

  • Im ganzen Foyer fand sich nichts, womit man eine Scheibe hätte einschlagen können, und diese Scheiben waren so leicht vandalismussicher, die hätte man mit bloßen Händen niemals brechen können.
  • Die Türen waren auch so stabil und einbruchsssicher, dass man die ohne schweres Werkzeug nicht aufbekommen hätte.
  • Kein Zugang zu Wasser: Im Foyer gibt es keine Toilette. Alle Toiletten sind in den Fluren, und die Türen dahin sind zu.
  • Zwar haben oft auch nachts Leute dort gearbeitet, aber nicht vor Feiertagen. Ich war mal an Weihnachten kurz drin, was holen – alles tot, alles leer. Die Leute sind schon am 21. oder 22. alle nach Hause gegangen für „lange Weihnachten“, weil direkt danach ein Wochenende kam, und man im öffentlichen Dienst ja auch immer ein, zwei Tage vorher in Weihnachten geht, und da hätte jemand fünf, sechs Tage in diesem Glasgefängnis sitzen können, ohne dass ihn jemand hören oder bemerken könnte.
  • Handys gab es damals noch nicht.
  • Auch sonst keine Notrufmöglichkeit. Das ganze Gebäude war voller Feuermelder, aber soweit ich mich erinnere, keiner im Foyer.

Ich hatte mich damals an der Uni durchgefragt, wer dafür eigentlich verantwortlich ist auch dafür, das zu ändern, weil ich die Situation für potentiell tödlich und zumindest sehr gesundheitsgefährdend fand, wenn man da über Nacht eingeschlossen wäre und nicht mal aufs Klo könnte.

Irgendwann kam ich dann beim Unibauamt raus, wo mir irgendein Idiot von oben herab erklärte, dass das genau so sein müsse, weil es da Vorschriften für alles mögliche gebe, und sie das mit dem Gefangenenproblem auch a) nicht nachvollziehen können und b) nicht nachvollziehen wollen, weil es dazu keine Vorschrift gibt. Die Treppenhaustüren müssen nach innen hin verschlossen sein wegen Diebstahlschutz, nach außen hin aber durchgängig wegen Fluchtweg und Brandschutz.

Aber, sagte ich, dass ist doch kein Brandschutz und kein Fluchtweg, wenn einen das in eine Falle führt, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Das ist doch gerade unzulässig, wenn man da überhaupt nicht mehr raus kommt und dann verbrennt oder am Rauch stirbt.

Egal. Wollten sie nicht einsehen und nicht verstehen. Es gibt keine Vorschrift, und den Fall können sie sich auch nicht vorstellen, ich könne mich ja wieder melden, wenn der ausgeschlossene Fall eingetreten wäre, dass passiert sei, was ihrer Ansicht nach nicht passieren kann, weil die Vorschriften es nicht vorsehen. Logik: Wenn es passieren könnte, gäbe es ja eine Vorschrift dafür. Da es aber keine Vorschrift dafür gibt, kann es auch nicht passieren.

Zu jeder einzelnen Schwäche hatten die eine Ausrede.

Warum die Vordertür keine Fluchttür sei, durch die man immer rauskommt. Weil der offizielle Fluchtweg die andere Tür ist, die am runden Glastreppenhaus auf der anderen Seite.

Da kommt man aber nicht mehr hin, wenn man gefangen ist. Ja, man solle sich eben an die offiziellen Fluchtwege halten.

Was aber, wenn man beim Verlassen des Gebäudes noch gar nicht weiß, dass man auf der Flucht ist, und deshalb nicht den Fluchtwegen folgt, sondern einfach nur das Gebäude auf einem normalen Ausgangsweg verlassen will, dann gefangen ist, erst dann eine Notlage hat und es aus dem Foyer dann gar keinen Fluchtweg gibt? Das sehen die Vorschriften nicht vor.

Letztlich war der Grund, dass dieser Bau in vielerlei Hinsicht völlig vermurkst war – über die Netzwerke hatte ich ja schon erzählt – und viele Räume kaum nutzbar waren, weil das ganze Ding im Prinzip keinerlei tragende Wände hat, sondern Betondecken, die auf Betonrundsäulen ruhen, in die man die nichttragenden (Trockenbau-)Wände nach Belieben einziehen kann. Deshalb standen in vielen Räumen mittem im Raum diese Betonsäulen, Meter Durchmesser, weshalb man die dann nicht mehr als Seminarraum, Experimentierraum oder so etwas verwenden konnte. Man hatte damals die Professoren gefragt, wie sie die Räume haben wollen, und Beth – für alles zu doof – hatte da einen völlig murksigen Grundgriss zusammengemurkst, der für fast gar nichts taugte, zum Beispiel die Bibliothek außen im schönen großen Eckzimmer mit Fenstern, die Arbeitszimmer aber innen ohne Fenster. Ich hatte deshalb mal angefragt, ob man die Eigenschaft des Baues, dass es keine tragenden Wände gibt und alles nur Leichtwände sind, nutzen kann, um das auch mal zu ändern. Antwort: Nein. an diesem Bau werde niemals nie wieder irgendwas geändert. Warum man dann aber diese bescheuerten Betonsäulen eingebaut habe, die überall im Weg stehen und nur den Zweck haben, dass die Wände nicht tragend und deshalb veränderbar sind, wenn man die Wände niemals verändern dürfe? Vorschrift.

Man war damals froh, dass die Idioten vom Universitätsbauamt und die Idioten von der Informatikfakultät überhaupt je zu einer Einigung gekommen waren und das Gebäude überhaupt irgendwie gebaut werden konnte, und deshalb waren Kritik, Änderungen, Begründungen, Nachvollziehbarkeit völlig ausgeschlossen. Da hatte es viel Streit gegeben, und keiner wollte mit dem anderen nochmal etwas zu tun haben, und mit den universell inkompetenten Informatikprofessuren hatte mal Leute, die über alles stritten und von nichts eine Ahnung hatten.

Deshalb würde ich da über diesen Studenten nicht so lachen. Das dürfte in München kaum anders sein als in Karlsruhe.

Deutsche Universitäten sind tatsächlich so blöd, die bauen solche Fallen.

Manche der Universitätsgebäude dürften nach Sicherheitsvorschriften gar nicht in Betrieb sein, weil es an Fluchtwegen fehlt – oder irgendein Hochschuldepp die so gebaut hat, dass man da nicht rauskommt. In den Hochschulen sitzen die unfähigsten Leute, die man im Lande finden kann.