Feudalsystem Universität
Interessanter Artikel in der Berliner Zeitung:
Tausende hochqualifizierte Wissenschaftler arbeiten unbezahlt an deutschen Unis. Nun reicht es ihnen. Sie wollen nicht länger in einem Feudalsystem dienen. https://t.co/uoIdNJYD7T
— Berliner Zeitung (@berlinerzeitung) October 15, 2025
Es geht darum, dass sich – in der Regel unbezahlte – Wissenschaftler endlich dagegen wehren, dass sie auf eigene Kosten den Universitätsbetrieb aufrechtzuerhalten haben, um an den begehrten Titel „Privatdozent“ und damit an die Chance auf eine Professur zu kommen.
Vor allem in den Geisteswissenschaften und der Medizin wird noch viel habilitiert. In anderen Fächern kommt man mittlerweile auch ohne Habilitation auf eine Professur. Genaue Zahlen sind schwierig zu erfassen. Die Universitäten selbst führen kaum verlässliche Statistiken. Viele PDs entschließen sich zudem irgendwann zum Ausstieg aus der Wissenschaft, manche auch dazu, den PD-Titel zurückzugeben.
Nach der Habilitation, dem zweiten akademischen Grad auf dem Weg zur Professur, und mit dem Antritt der Privatdozentur gehört die oft jahrelange Wartezeit bis zum ersten Ruf, sofern dieser je kommt, zu den prekärsten im deutschen Wissenschaftssystem. Um den Titel „Privatdozent“, der die Chancen auf eine Professur erheblich verbessert, zu behalten, muss an der Universität, die den Titel verliehen hat, sogenannte Titellehre geleistet werden, und zwar in der Regel unentgeltlich. Ein Anrecht auf Vergütung dieser hoch spezialisierten Arbeit besteht nicht. Gleiches gilt für die Betreuung von Studierenden und Promotionskandidaten – diese Arbeit ist ebenso unentgeltlich zu leisten.
Im Prinzip ähnlich wie bei uns damals, nur dass bei den Informatikern die Situation etwas besser war, denn wir bekamen immerhin Vollzeitstellen, weil man Informatiker sonst gar nicht an der Uni hätte halten können bei der Konkurrenz durch Industriegehälter. Und mit einer Habilitation konnte man uns auch nicht ködern, die war in der Informatik nicht üblich. Aber mit der Promotion haben sie uns geködert, damit wir an der Uni blieben, und die dann künstlich in die Länge gezogen. Bei den Chemikern war das noch viel schlimmer, die bekamen Drittel-Stellen, mussten dafür mehr als Vollzeit arbeiten und dann hinterher nach Ablauf der Maximaldauer auf Sozialhilfe promovieren (also betrügen). Wir hatten damals irgendwo noch Alibi-Geisteswissenschaftler, die man brauchte, damit man sich „Universität“ und nicht nur „Technische Hochschule“ nennen durfte, und bei denen hat es nicht mal für Bleistifte gereicht, während wir am Jahresende immer die Gelder zu Tausenden rausgehauen haben, um im nächsten Jahr nicht weniger zu bekommen. Aber nur für Sachmittel, nicht für Personal.
Das ganze Universitätssystem ist ein Feudalsystem aus Sklavenarbeit, in dem Professoren die Aufgabe zukommt, Lehr-, Betreuungs- und Forschungsarbeit mit möglichst wenig Geld zu erbringen.
Und darin zeigt sich der Betrug, der Schwindel des deutschen Hochschulsystems: Während man einerseits Studenten das Studium kostenlos anbietet, müssen andere unbezahlt, auf eigene Kosten lehren.
Ich finde das deshalb enorm gut und wichtig, dass sich die Leute endlich mal dagegen wehren.
Entweder wir führen Studiengebühren ein, oder wir bestimmen, wieviele Studienplätze man mit dem Geld, das der Staat zahlt, auf vernünftige Weise anbieten kann, und beschränken die Zahl der Studienplätze auf diesen Wert.
Ich bin ja schon lange dafür, dass wir kostendeckende Studiengebühren einführen, und dann die im erlernten Beruf gezahlte Einkommensteuer (und andere Steuern wie Gewerbesteuer) auf die Studiengebühren anrechnen, dass also jemand, der dann voll darin arbeitet, effektiv keine Studiengebühren zahlt.
Aber es kann nicht angehen, dass da reihenweise Leute unbezahlt arbeiten müssen, damit andere kostenlos studieren können.