Ansichten eines Informatikers

Pilotenfehler oder Heckrotorausfall?

Hadmut
12.10.2025 14:25

Wieder mal ein interessanter Helikopterabsturz.

In den USA scheint es eine bemerkenswerte Häufung von Hubschrauberabstürzen zu geben. Gerade ist wieder einer spektakulär abgestürzt, aber nach den Meldungen nur Verletzte in Krankenhäusern, es haben wohl alle überlebt, weil sie das Glück hatten, dass der Helikopter in Palmen gefallen ist und die Palmen den Sturz auffingen:

Schwer zu sagen, was passiert ist.

Dass der Helikopter plötzlich in der Luft rotiert, ist ein eindeutiges Zeichen, dass der Heckrotor ausgefallen ist und deshalb der Drehmomentausgleich für den Hauptrotor weg war, der dann in dieser Fluglage nicht mehr zu kontrollieren und zu halten ist. Man kann mit viel Glück einen Heli ohne Heckrotor notlanden, braucht dazu aber viel Vorwärtsgeschwindigkeit, damit der Fahrtwind das Heck mit dessen Leitwerk und Luftwiderstand nach hinten drückt, und muss sich dann eine Wiese oder Wasserfläche suchen, auf der man mit großer Vorwärtsgeschwindigkeit eine Gleit- oder Rutschlandung machen kann, und wenn man, wie der, Räder statt Kufen hat, kann man es auch auf Asphalt (Landebahn, Straße) versuchen. Aber wenn der ganze Heli erst einmal rotiert wie der da, ist nichts mehr zu machen.

Die Frage ist: Wie kam der Heli überhaupt in diese Situation?

Schwierig.

Die naheliegende erste Vermutung, die auch viele stellen, wäre der Ausfall des Heckrotos bzw. der Übertragungswelle, zumal es ein verdächtiges Geräusch gibt.

Viele begründen das damit, dass der Heckrotor sichtbar stehen bleibe, was aber trügerisch ist, weil man auf Videos den Stroboskop-Effekt hat und etwas als stillstehend aussehen kann, was es nicht ist:

Was die Aufgaben deshalb nur hergeben ist, dass sich die Geschwindigkeit des Heckrotors änderte, aber nicht, dass er stehen blieb.

Da hat man übrigens mal Analysis und Signaltheorie konkret: Man nennt das das Abtasttheorem, oder, genauer gesagt, das Nyquist-Shannon-Abtasttheorem. Theoretische Informatik am praktischen Beispiel. Kannte man früher noch von Motoren, Einstellen des Zündzeitpunktes mit der Stroboskoplampe.

Man sieht auch auf manchen der Videos, dass es den Heckrotor abreißt und der wegfliegt – aber da rotiert der ganze Hubschrauber schon, da muss man aufpassen, dass man nicht Ursache und Wirkung verwechselt.

Auf manchen der Videos von unten sieht man auch, dass der vorher graue Rotor plötzlich weiße Spitzen hat, als sei der irgendwo dran gekommen.

Einige schreiben nun anhand von Video-Analysen – obwohl ich wegen des Nyquist/Stroboskop äußerst vorsichtig wäre, aus Videoaufnahmen auf den Stillstand des Heckrotors zu schließen – dass der den „Collective“ (das ist der Hebel links neben dem Pilotensitz, der so aussieht, wie eine zu groß geratene Autohandbremse, und im Prinzip die Höhe, das auf- und ab steuert) zu hektisch nach oben gezogen habe, also irgendwie die Landung abgebrochen hat und nach oben wollte, dabei den Heli überlastet habe (torque = Drehmoment, Last) und es – war mir jetzt allerdings noch nicht klar ist – zu einem „Flapping“, also Auf- und Abwackeln der Rotorblätter kam und der deshalb den eigenen Heckrotor getroffen hätte.

Ist mir bisher nicht ganz klar.

In den Standbildern sieht man, dass es ein zweiblättriger Heli ist, und die sind für so etwas anfällig. Gerade Robinson R22 und R44 sind dafür anfällig, weshalb es da sogar auf dem Steuerhebel steht, dass man derartigen Unsinn mit negativ-G (also negativer Grativation durch Bogenflug) unterlassen möge, weil man sich damit das eigene Heck abschneidet.

Helikopterblätter sind auch nach oben und unten beweglich, können rauf- und runterklappen, und das sie das im Flug nicht einfach so tun, liegt an der Zentrifugalkraft durch die Rotation (und daran, dass sie bei manchen Helis miteinander verbunden sind, also das eine rauf geht, wenn das ander runter geht). Weil aber normalerweise der Rotor das Gewicht der Kabine, des Motors, des Getriebs trägt, und die nach unten ziehen, zeigen die Roterblätter so v-förmig immer etwas nach oben. Fliegt man aber das falsche Manöver, dann war es das. In einem Tragflächenflugzeug macht so etwas – innerhalb gewisser Belastungsgrenzen – eine Menge Spaß

wird sogar für mehrsekündige Schwerelosigkeitsexperimente in der Wissenschaft betrieben. In der Passagierluftfahrt gibt es Ärger, wenn Stewardessen und ungeschnallte Passagiere mit dem Kopf an die Decke knallen, aber beim Heli ist es schlicht und einfach tödlich, weil dann nämlich die Roterblätter nach unten klappen und je nach Heli den Heckroter oder den Heckausleger treffen können.

Alle diese Theorien, die da geäußert werden, sind lokal plausibel, passen zu einigen Details, aber irgendwie nicht zu einem Gesamtbild zusammen.

Ja, der Heckrotor geht stiften. Aber nicht am Anfang des Problems, sondern in dessen Verlauf, das ist eher Wirkung als Ursache.

Ja, ungenügende Motor- oder Getriebeleistung kann zum Ausfall der Heckrotorwirkung führen. Dann steigt man aber nicht so schnell auf, wie der das tat.

Ja, zu schnelles Aufsteigen kann den Motor überlasten und einem die Leistung wegnehmen. Trotzdem sind Haupt- und Heckrotor miteinander verbunden, und man kann nicht gleichzeitig steil steigen und Heckrotorleistung verlieren, weil normalerweise beide verbunden sind. Allerdings kann man, wie manche sagen, soviel Leistung vom Motor ziehen, dass der Heckrotoer das physikalisch mit seiner Größe nicht mehr ausgleichen kann, weil man so etwas – wenn überhaupt – nur im Vorwärtsflug tun soll, wo der Fahrtwind den Heckrotor unterstützt oder ersetzt.

Ja, ein low-G-Flug führt – besonders bei Zweiblättrigen – zum Einschlag des Hauptrotors in den Heckrotor oder -ausleger. Aber tut er das?

Da bin ich mir nicht sicher. Zunächst sieht das nach einer stabilen Landung aus. Auf einmal zieht der hoch, und das sieht schon nicht freiwillig und entspannt aus, und daraus entwickeln sich erst die Probleme. Dann sieht man, dass er zwar steigt, aber an Heckrotorleistung verliert, und dann ins Drehen kommt und dann geht alles schief, das könnte aber schon Wirkung und nicht mehr Ursache sein.

Könnte es sein, dass der aus irgendwelchen Gründen schnell die Landung abbrechen und nach oben wollte, zu sehr am Collective gezogen hat, dabei eine Warnung wegen Überlast (Torque) bekommt hat, in Panik den Collective wieder nach unten gedrückt hat, und dadurch die Blattspitzen den Heckrotor berührt haben?

Oder hatte der in der Landung einen technisch bedingten Ausfall des Heckrotors, der zur Panikreaktion führte, dass er erst einmal zurück in die Luft und irgendwo notlanden wollte, statt da zwischen den Menschen in dem engen Ding runter zu gehen?

Im Prinzip ist das alles partikular richtig, was die Leute schreiben – aber es riecht alles irgendwie danach, Wirkung für Ursache zu halten.

Abgesehen davon, dass das letztlich nur jemand beantworten kann, der dieses Hubschraubermuster sehr genau kennt, und weiß, wie das reagiert und warnt und wann der Rotor das Heck treffen kann, muss man so etwas meines Erachtens zeitlich von vorne nach hinten aufrollen und nicht sagen, guck, da fliegt bei Sekunde x dann auch der Heckrotor weg, als das Unglück schon im vollen Gange war.

Man muss herausfinden, warum der die Landung abbrechen wollte und der Heli – das ist das erste, was ich an Ungewöhnlichem sehe, wieder nach oben ging. Gab es einen Alarm? Ein Problem? Eine Störung? War was am Boden auf dem Landeplatz? Hat der vielleicht irgendwas berührt, was man im Video nicht erkennt, eine Leitung? Vogelschlag? Palme?

Wieso geht der so hoch und fängt dann an sich zu drehen?

Es gibt das Phänomen, dass wenn man ohne schnellen Vorwärtsflug (=Fahrtwind) zuviel Motorleistung abruft, der Heckrotor diese nicht mehr ausgleichen kann. Das könnte hier der Fall gewesen sein. Das begründet per se aber noch keinen crash. Löst aber in manchen Helis einen Alarm aus, soweit ich weiß. Hat der dann, wie manche vermuten, in unüberlegter Hektik/Panik den Collective wieder nach unten gedrückt und dadurch das Unglück verursacht?

Langer Rede kurzer Sinn: Man wird nicht umhin kommen, es gehörig aufzuklären.

Die Absturzdiagnose per Handyvideo und Twittermeinung funktioniert auch hier mal wieder nicht.

Und wenn man es doch versuchte, angenommen, die Insassen wären tot und könnten nicht mehr befragt werden, müsste man erst einmal alle Videos – möglichst ungeschnitten, denn das sind sie ja oft – einsammeln und – solche Software gibt es – so übereinander legen, dass die alle zeitgleich ablaufen, dass man also das Geschehen aus allen bestehenden Blickwinkeln sehen kann. Und Zeugen vor Ort müssten befragt werden. Warum ist der wieder hoch?