Dissoziative Ohrhörigkeitsstörung
Scheiß Technik.
Die Sache ist die:
Ich habe zwar große, dicht schließende Noise-Cancellation-Bluetooth-Kopfhörer, die ich mir gekauft hatte, als ich noch im Büro saß – nicht um Musik zu hören, sondern um Ruhe zu haben, weil im Büro immer Lärm war und ich zu nahe an der ratternden Kaffeemaschine mit Mahlwerk saß. Die sind gut, aber für unterwegs zu sperrig.
Deshalb habe ich für Unterwegs zwei Paar Bluetooth-Ohrstöpsel:
- Ein paar Markenstöpsel in der 200-Euro-Kategorie mit Noise Cancellation, mit denen ich sehr zufrieden bin, die ich aber nur im Flugzeug trage, weil sie die Flugzeuggeräusche gut ausfiltern, und es dort nicht gefährlich ist, die Umgebungsgeräusche auszufiltern. (Eigentlich habe ich noch ein anderes Paar eines anderen Herstellers, die taugen aber nicht viel und tun mechanisch in den Ohren weh, fallen dafür aber alle paar Minuten raus.) Und weil ich die auch nicht verlieren will, verwende ich die eigentlich nur auf Reisen (Flugzeug u.ä.).
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Und dann habe ich noch ein Paar billiger Pseudomarken-Ohrhörer (austauschbare Chinamarke, die findet man immer wieder mal mit wechselnden Markennamen, das Modell aber immer unter „X29“), ohne Noise-Cancellation, dafür aber als „Open Ear“, die das Ohr nicht (schon ziemlich, aber nicht ganz) abdichten und nicht wie ein Stöpsel sitzen, sondern sich an der Ohrmuschel festhalten, und die deshalb den Vorteil haben, genau das Gegenteil von Voice Cancellation zu sein, nämlich alle Umgebungsgeräusche nahezu ungedämpft durchzulassen. Man muss die also nicht herausnehmen, wenn jemand mit einem spricht und sie auch nicht erst aus den Ohren holen und „Bitte, was haben sie gesagt?“ blödwirkend zollen.
Bis auf den Umstand, dass die nach einer Stunde schon etwas an den Ohren zwicken, war ich mit den Dingern – obwohl billig – überaus zufrieden, weil der Klang gut ist und die Aufbewahrungsdose mit dem Nachladeakku ein eigenes Touch-Display hat, auf dem man so etwas wie die Lautstärke und die Kopplung einstellen kann, Tonprofile einstellen, die Ohrhörer zum Finden piepen lassen kann, und die Basisdose sogar noch als Kamerafernauslöser für ein Foto verwenden kann.
Langer Rede kurzer Sinn: Billig, aber zu meiner (fast, bis auf das Zwicken nach einiger Zeit) völligen Zufriedenheit. Die trage ich immer, wenn ich auf Zypern irgendwo abendessen gehe, weil ich da Podcasts hören oder auf dem Handy Fernsehen kann, wenn ich auf das Essen warte, ohne jemanden zu stören, und trotzdem zu hören, wenn mich jemand anspricht oder der Kellner etwas zu mir sagt.
Aber, ach.
Seit einigen Wochen dachte ich, diese billigen Open Ear Hörer seien nach schon einem Jahr kaputt. Der linke geht noch, der rechte geht nicht mehr, da ist es taub.
Seltsam war aber, dass sich der Fehler nicht einkreisen ließ:
- Der Akku kann nicht kaputt sein, denn es wird nach dem Laden 100% angezeigt, die LED kann leuchten und das Absinken des Ladestandes verläuft normal und plausibel nach Trennung.
- Der Lautsprecher kann auch nicht kaputt sein. Es kommt zwar kein Ton von der Bluetooth-Übertragung, und das Piepsignal von der Ladedose zum Finden funktioniert auch nicht, wenn sich das Gerät aber nach 3 Minuten ohne Verbindung von selbst abschaltet, hört man das Dudel-Signal dazu normal. Der Lautsprecher funktioniert.
- Alles deutet im Prinzip darauf hin, dass es ein Bluetooth-Problem ist. Das Handy findet das Ohrstöpsel-Paar zwar, und meint auch, Ton darauf zu spielen, aber nur links. Völlig kaputt kann der Bluetooth-Teil aber auch nicht sein, denn die Ladedose mit dem Display kennt den Ladezustand und der ändert sich und wird per Bluetooth übertragen.
Drei Wochen lang habe ich immer wieder mal probiert, das Ding zum Laufen zu bringen, es aber nicht geschafft, nur der linke funktionierte. Und ich mag das nicht, einseitig. Die Ladedose mit der Basis-Station hat zwar einen „Factory-Reset“, sowohl per Touchscreen, also auch per Büroklammer-Button, hat aber auch nichts gebracht.
Nun war ich schon drauf und dran, das Ding wegzuwerfen und mir einen neuen zu kaufen, habe aber auf den letzten Drücker im Internet noch eine Anleitung gefunden.
Ursache gefunden. Lösung auch.
Die Hörer können auch einzeln verwendet werden, und geben sich dann beide jeweils als Hörer für beide Kanäle aus. Man kann also – das wusste ich auch seit dem Kauf – einfach nur einen aus der Ladedose nehmen, der dann den Job alleine macht und beide Kanäle auf einem Ohr abspielt. Die können sich aber auch völlig trennen.
Irgendwie – ich hatte vor einiger Zeit mal vergessen, die zu laden, und sie deshalb ungewollt voll entladen, weil die Dinger leer sind, wenn sie einen Monat unbenutzt herumliegen, vielleicht war das der Grund – haben sich da links und rechts disassoziert. Sie waren nicht kaputt, sondern sind getrennte Wege gegangen, weshalb der linke dachte, er muss die Arbeit alleine machen, und der rechte dachte, mit ihm spreche keiner mehr, weil die nun als separate Geräte auftraten. Man hätte die beide an verschiedenen Geräten verwenden können. Wenn man beispielsweise zu zweit unterwegs ist, kann jeder einen mit seinem Handy verwenden, wenn man die trennt. It’s not a bug, it’s a feature.
In der Anleitung habe ich nun den Hinweis gefunden, was die Taste auf dem Touchscreen mit dem seltsamen Symbol macht (hatte ich schon ausprobiert, funktioniert aber nur mit eingelegten Hörern nach dem Reset), nämlich zwei Hörern (außer dem aufgedruckten L und R sind die baugleich) klar zu machen, dass sie jetzt zusammen spielen sollen und wer links und wer rechts ist (muss man dabei richtig in die Ladedose stecken).
Hat man die Prozedur erst einmal gefunden und durchgeführt, dann funktionieren sie auch wieder normal.
Der Ohrhörer war also nicht defekt, sondern nur verkonfiguriert. Das waren noch Zeiten, als man einen Kopfhörer einfach aufsetzte und das Kabel reinsteckte und sonst nichts.