Die Notspeisung
Nein, nicht Tafel-Essen, wenn das Bürgergeld ausfällt.
Ein Leser fragt an:
Ich habe ja auch schon länger Glasfaser zu Hause, aber ich frage mich, wie auf der Basis von Glasfaser Notruf implementiert werden soll, weil da alles und jedes lokal Strom braucht und keine Fernspeisefähigkeit verfügbar ist. Falls Du weißt, wie sowas funktioniert, außer mit einer Batterie/USV an jedem Funkmast und in jedem Haus, fände ich es klasse, wenn Du dazu mal etwas schreiben könntest. Denn aus meiner Sicht funktioniert in dem Fall nur noch Iridium oder sowas. Allerdings betrifft das Faxgeräte natürlich nicht. Die brauchen so viel Strom, daß sie nicht notspeisefähig sind.
Hatte ich das nicht neulich schon mal? Mir war so, als hätte ich das neulich erst beschrieben, als in Berlin der Strom ausfiel.
Das muss man vor allem historisch sehen.
Das Telefon wurde ab ungefähr 1870 eingeführt, als es noch keine Netzteile gab und die meisten Häuser noch gar nicht elektriziert waren, das Telefon also (und nicht das elektrische Licht) das erste elektrische Ding in vielen Haushalten war. Systembedingt wurden Telefone sehr lange von der Vermittlungsstelle gespeist und betrieben, weil sie weitgehend passive Elemente waren wie Lautsprecher, Mikrofon, Schalter, Klingel, Wählscheibe.
Telefone wurden also nicht auf „Notspeisung“ hin entwickelt, sondern waren von vornherein so gebaut, dass sie von der Vermittlungsstelle aus mit Strom versorgt wurden, und deshalb auch bei Stromausfall in der Wohnun weiter funktionierten, weil sie gar keinen Stromanschluss hatten.
Die Vermittlungsstellen waren aber lange Zeit mit Akkuregalen ausgestattet, damit das Telefon bei Stromausfall noch einige Stunden oder Tage lang betrieben werden konnte. Als man dann auf ISDN umgestellt hat, hat man sehr genau darauf geachtet, dass auch da noch eine Notspeisefähigkeit besteht, und weil man da nun größere Verbraucher und mehr als nur ein Telefon anschließen konnte, hat man darauf geachtet, dass diese Telefone nun über Steckernetzteile betrieben werden, aber manche, bessere Telefone notspeisefähig waren, also einen Schalter hatten, mit dem man die Notspeisefähigkeit einschalten konnte, aber nur bei einem Telefon pro Wohnung, weil die Stromversorgung so dünn war, dass nur ein Telefon und das auch nur mit Minimalbetrieb (z. B. kein Lautsprecher, sondern nur Telefonhörer oder kein Adressbuch) möglich war.
Das Problem daran ist, dass man das alles nicht mehr halten konnte, seit das dedizierte Telefonnetz einem allgemeinen Kommunikationsnetz gewichen ist und es deshalb keine Wohnungsinstallationen mehr geben kann, die mit ein paar Milliampere auskommen. Und: Über die Fernsehkabel ist eine Notspeisung schon nicht mehr möglich, obwohl sie als Kupferkabel prinzipiell Strom leiten können, weil die Anbindung das nicht mitmacht und Kabelmodems viel zu viel Strom benötigen. Und die Glasfaser kann nur noch zur Informations- und nicht mehr zur Energieübertragung verwendet werden.
Die einfache Antwort: Pech gehabt. Die Telefonnotspeisung war ohnehin nur ein Nebeneffekt des Konstruktionsprinzips des analogen Telefons und ein Produkt des kalten Kriegs und seiner latenten Kriegsbereitschaft.
Eine Telefonnotspeisung würde heute schon deshalb keinen Sinn mehr ergeben, weil viele Leute ja gar kein Festnetztelefon mehr haben.
Meines Erachtens sollte das durch Mobilfunk abgelöst werden, obwohl man auch da sieht, dass das Netz bei Stromausfall recht schnell zusammenbricht. Darum sollte man sich kümmern.
Eigentlich auch sollte es in jeder Wohnung Notakkus für Licht und etwas Telekommunikation geben, die permanent geladen gehalten werden, Stromnetz oder Solar. Letztlich sollte die Notspeisung auf Wohnungsseite durch die Fortschritte bei Akku- und Solartechnik und Geräte mit viel geringerem Stromverbrauch (LED-Lampen gegenüber Glühbirnen, Mikroelektronik statt Röhengerät) zu ersetzen sein. Bei konsequenter Anwendung – was man bei all den „Balkonkraftwerken“ irgendwie verpennt hat – wäre das viel besser als die Notspeisung über die Zentrale. Auch Kühlschränke sollte an dieser „USV“ hängen, damit Lebensmittel und Medikamente nicht sofort verderben.
Das Problem sehe ich bei den Funkmasten der Mobilfunkanbieter, die zu schnell ausfallen.
Und: Beim Radio. Im Katastrophenfall war früher UKW-Radio als Informationsquelle vorgesehen. Keine Ahnung, wie das bei DAB+ laufen soll, und ob die Radiosender das personell noch können. Es gibt zwar inzwischen Katastrophenapps auf Handys, aber die sind auch auf die Mobilfunkmasten angewiesen.
Also: Ganz wunder Punkt.
Aber: Ich sehe Besserung, denn Solarzellen, Akkus, Balkonkraftwerke finden zunehmend Verbreitung, und die sollte man eben so auslegen und einbauen, dass sie
- Licht
- Telekommunikation
- Rundfunk
- Laden elementarer Geräte (Handy, Taschenlampe,…)
- Optional Betrieb des Kühlschranks
ermöglichen. Ich weiß allerdings nicht, wieviel Strom Glasfaserrouter ziehen. Ich habe nur einen, den auf Zypern, und der wird auch mit WLAN nicht per Hand spürbar warm, während ich bei einem 10-Watt-PC und bei meinem Kabelrouter in Berlin die Abwärme sehr deutlich spüre. Eigentlich war ich der Ansicht, dass auch Glasfaserrouter viel Strom brauchen, aber „Handauflegen“ scheint das Gegenteil zu beweisen. Der Glasfaserrouter scheint sogar sehr stromsparend zu sein. Ich müsste mal ein Messgerät reinhängen.
Es sollte technisch also durchaus möglich sein, Glasfaserrouter zu bauen, die im Falle des Stromausfalles über einen angeschlossenen Balkonakku im Notbetrieb eine Kernfunktion (z. B. wohn WLAN und nur auf wenigen Ethernetports) und einen Nottelefonbetrieb mit möglichst wenig Strom anbieten.
Allerdings sollte man auch das bedenken:
Telefone wurden früher von der Bundespost betrieben, einer Behörde, die mit niemandem im Konkurrenz stand. Die hatte ganz andere Schwerpunkte. Es gab ein graues Einheits-Wählscheibentelefon, dessen Kabel an der Wand fest angeschraubt war, und sonst gar nichts. Fertig. Eine Vermittlungsstelle pro Ort. Die konnten sich noch leicht um Akkulager kümmern. Die hatten ja auch noch eigene Postämter mit viel Platz.
Heute ist die Struktur eine andere.
Heute haben wir private Anbieter, die darum bitten müssen, bei irgendwelchen Firmen Mobilfunkantennen aufs Dach schrauben zu können. Ich hatte in einer Firma zu tun, auf deren (leeren) Dachgeschoss oben eine Mobilfunkantenne drauf war. Viel mehr als ein kleiner Schaltschrank an der Wand war davon nicht zu sehen. Wo sollten da Akkus drin unterzubringen sein?
Das Konzept der Notspeisung war schön, ist aber veraltet.
Da muss was Neues her.
Aber ich stimme zu, das ist ein wunder Punkt, den man völlig ignoriert und zermerkelt hat. Es gibt keinen Plan, wie Katastrophenkommunikation funktionieren soll.