Ansichten eines Informatikers

Aktuelles vom Bundesverfassungsgericht, seinem Lustempfinden und dem Verenden des Rechtsstaates

Hadmut
10.9.2025 22:31

Zwei inhaltlich geringfügig und im Ton gewaltfügig beachtliche Entscheidungen.

1 BvR 398/24

Ein Rechtsanwalt hatte sich gegen die Durchsuchung seiner Rechtsanwaltskanzlei wegen eines Vorwurfs des Prozessbetrugs zu wehren versucht.

Tragisch: Das Bundesverfassungsgericht hat seine Verfassungsbeschwerde als unzulässig verworfen, weil er versäumt hatte, die Erschöpfung des Rechtswegs darzulegen. Dabei gibt es Bücher, in denen steht, wie man Verfassungsbeschwerden schreibt.

Dabei muss man den Rechtsweg (außer in einigen Spezialfällen mit besonderen Darlegungspflichten) tatsächlich erschöpft haben, aber man muss nicht (sollte aber tunlichst) behaupten ihn erschöpft zu haben, weil das das Gericht eigentlich selbst prüft. Man muss aber den gesamten bisherigen Verfahrensgang darlegen, aus dem dann für das Gericht direkt und ohne weitere Rückfragen ersichtlich ist, dass man den Rechtsweg ausgeschöpft hat, und das hat er – zumindest angeblich – versäumt:

Die Verfassungsbeschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie unzulässig ist.

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1. Der Beschwerdeführer trägt entgegen der Begründungsanforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht substantiiert vor, ob der Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft ist.

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a) Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so gehört eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>). Erheben Beschwerdeführende in einem solchen Fall keine Anhörungsrüge, obwohl sie statthaft und nicht offensichtlich aussichtslos wäre, hat das zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist, sofern die damit gerügten Grundrechtsverletzungen denselben Streitgegenstand betreffen wie der geltend gemachte Gehörsverstoß (vgl. BVerfGE 134, 106 <113 Rn. 22>).

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b) Das ist hier der Fall. Der Beschwerdeführer rügt ausdrücklich eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und hat aber nicht vorgetragen, eine Gehörsrüge gemäß § 33a StPO erhoben zu haben.

Das ist natürlich eine tückische Falle, dass man da noch so eine ziemlich unbekannte Spezialbeschwerde versuchen muss, um den Rechtsweg zu erschöpfen, die der betroffene Anwalt vermutlich nicht kannte, weil er wohl eher Zivilrecht macht. Aber wie man es macht, ist es verkehrt, denn man kann sich dann auch nicht darauf verlassen, dass sie das verlangen und einem dann nicht umgekehrt Fristversäumnis vorhalten, wenn man nicht sofort Verfassungsbeschwerde erhebt und erst noch die Beschwerde versucht. Denn man kann auch nicht beim Verfassungsgericht einfach nachfragen, ob sie diese Anhörungsbeschwerde a) verlangen und b) das bei der Frist auch berücksichtigen.

Möglicherweise war das der Grund, warum sie die Beschwerde zwar nicht annehmen, das aber trotzdem sehr ausführlich begründen. Damit man das dann mal weiß, wenn man die Entscheidungen ständig mitliest. In Zukunft werden einem juristische KI-Systeme so etwas sagen.

Eine zentrale Frage ist allerdings, was unser Grundrechtsschutz überhaupt taugt, wenn die formalen Anforderungen an die Verfassungsbeschwerde so hoch sind, dass ein Rechtsanwalt sie nicht erfüllen kann. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht sogar vor Jahrzehnten in seriöserer Besetzung mal festgestellt, dass die Anforderungen an eine Verfassungsbeschwerde nicht überzogen hoch sein dürfen, weil nach dem Gesetz keine Anwaltspflicht herrscht und deshalb auch jeder Laie eine Verfassungsbeschwerde schreiben können muss. Irgendwo in der Literatur habe ich mal als Beispiel gelesen, dass auch der Unterschichtenknacki im Gefängnis ohne Anwalt mit einem Bleistift und einem Stück Papier eine Verfassungsbeschwerde wirksam erheben können muss. Ein anderer (damals dann ehemaliger) Verfassungsrichter sagte mal, die Verfassungsbeschwerde sei formlos, kostenlos und aussichtslos.

Es entsteht der Eindruck, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht dem Grundrechtsschutz, sondern der Juristenlust der Richter dienen und ihnen egal ist, was mit dem Beschwerdeführer passiert, es eher darum geht, dass sie Gelegenheit bekommen, ihre Meinung zu sagen, und es mehr um die Richter als die Grundrechte geht.

Das Bundesverfassungsgericht nämlich hatte jedenfalls wieder einmal den Drang, auch bei nicht zur Entscheidung angenommener Verfassung trotzdem seine Meinung zu sagen und zu verkünden – und zu verstehen gegeben, dass der Anwalt seine Beschwerde auch durchbekommen hätte, wenn sie denn zulässig gewesen wäre.

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2. Aufgrund der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde kommt es nicht mehr darauf an, dass sich die Durchsuchungsanordnung und die Entscheidung über die Beschwerde in der Sache nicht mehr als verhältnismäßig im engeren Sinne erweisen dürfte.

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Die im Rahmen der Angemessenheitsprüfung vorzunehmende Gesamtabwägung aller relevanten Umstände führte jedenfalls unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich beim durchsuchten Objekt um eine Rechtsanwaltskanzlei handelt, zu einer Unangemessenheit zwischen Grundrechtseingriff und verfolgtem Zweck.

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a) aa) Der besondere Schutz von Berufsgeheimnisträgern (§ 53 StPO) gebietet bei der Anordnung der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei die besonders sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Strafverfolgungsbehörden haben dabei auch das Ausmaß der – mittelbaren – Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit der Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGK 17, 550 <556> m.w.N.). Das ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK (vgl. etwa EGMR, Kolesnichenko v. Russia, Urteil vom April 2009, Nr. 19856/04, § 31 m.w.N.; Kruglov and others v. Russia, Urteil vom 4. Februar 2020, Nr. 11264/04, § 125 m.w.N.), die als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dient (vgl. BVerfGE 128, 326 <367 f.>; 148, 296 <351 Rn. 128>; stRspr).

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Richtet sich eine strafrechtliche Ermittlungsmaßnahme gegen einen Berufsgeheimnisträger in der räumlichen Sphäre seiner Berufsausübung, so bringt dies regelmäßig die Gefahr mit sich, dass unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG stehende Daten von Nichtbeschuldigten, etwa den Mandanten eines Rechtsanwalts, zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden gelangen, die die Betroffenen in der Sphäre des Berufsgeheimnisträgers gerade sicher wähnen durften. Dadurch werden die Grundrechte der Mandanten berührt. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant liegt darüber hinaus auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege. Diese Belange verlangen eine besondere Beachtung bei der Prüfung der Angemessenheit der Zwangsmaßnahme (vgl. BVerfGE 113, 29 <48 ff.>; BVerfGK 14, 83 <87 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Januar 2015 – 2 BvR 497/12 u.a.-, Rn. 18) und zwar auch dann, wenn ein Rechtsanwalt selbst Beschuldigter in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 – 2 BvR 1801/06 -, Rn. 15). Insoweit entspricht die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 GG insbesondere auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK und der besonderen Vertraulichkeitserwartung hinsichtlich Rechtsanwaltskorrespondenz (vgl. EGMR, Michaud v. France, Urteil vom 6. Dezember 2012, Nr. 12323/11, §§ 117 ff. m.w.N.; Saber v. Norway, Urteil vom 17. Dezember 2020, Nr. 459/18, § 51 m.w.N.; Särgava v. Estonia, Urteil vom 16. November 2021, Nr. 698/19, §§ 88 f. m.w.N.).

Da muss ich jetzt mal schauen, ob ich das in der Sache mit der Ausspähung meines Bankkontos gebrauchen kann, weil ich als Blogger auch Berufsgeheimnisträger im menschenrechts- und strafrechtlichen Sinne bin.

Beschluss und Pressemeldung.

1 BvL 2/25

Auch der Lust der Verfassungsrichter diente offenbar diese Entscheidung. Die Kurzdarstellung des Sachverhalts aus der Pressemitteilung:

Die Stadt Göttingen setzte gegen den Betroffenen des Ausgangsverfahrens wegen der Durchführung einer öffentlichen Tanzveranstaltung in der Nacht von Gründonnerstag bis in den Karfreitag hinein eine Geldbuße fest. Das Amtsgericht Göttingen hat das Bußgeldverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die maßgeblichen landesrechtlichen Regelungen mit dem Grundgesetz und dem staatlichen Neutralitätsgebot vereinbar sind. Die vorgelegten Normen verletzten unter anderem die negative Religionsfreiheit (Art. 4 Grundgesetz), die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Das erscheint mir in erster Näherung und in dieser Kurzzusammenfassung gar nicht mal so abwegig und in der Fragestellung richtig. Es ist freilich bekannt, dass Göttingen politisch und juristisch am linkesten Ende tickt und das vermutlich darauf abzielt, den (christlichen) Feiertag zu zertrümmern. Man merkt, dass dem Richter der Karfreitag nicht gefällt.

Das Bundesverfassungsgericht sah sich beleidigt.

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9

Die Vorlage des Amtsgerichts ist unzulässig, da sie den aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG folgenden Darlegungsanforderungen nicht genügt. Die Unzulässigkeit der Vorlage kann die Kammer durch einstimmigen Beschluss feststellen (§ 81a Satz 1 BVerfGG).

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1. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist.

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Die Begründung muss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass und weshalb das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit. Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 138, 1 <15 Rn. 41> m.w.N.; 161, 163 <245 Rn. 216> – Erziehungsaufwand im Beitragsrecht der Sozialversicherung; stRspr).

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Das vorlegende Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sein und die für seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 138, 1 <13 f. Rn. 37> m.w.N.). Der Vorlagebeschluss muss hierzu den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben und sich mit der Rechtslage auseinandersetzen, insbesondere auch mit der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 138, 1 <15 f. Rn. 42>).

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Zudem muss das vorlegende Gericht die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung erörtern (vgl. BVerfGE 85, 329 <333 f.>; 86, 71 <77>; 124, 251 <261 f.>) und vertretbar begründen, dass es diese nicht für möglich hält (vgl. BVerfGE 121, 108 <117> m.w.N.).

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2. Die Vorlage genügt jedenfalls nicht den Anforderungen an die Darlegung der für die Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Normen maßgeblichen Erwägungen. Es fehlt insbesondere an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der für die Beantwortung der vorgelegten Frage maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

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a) Das vorlegende Gericht sieht die negative Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Anbringung von Kreuzen in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule (BVerfGE 93, 1) dadurch verletzt, dass Nichtchristen durch die Tanzverbote dazu gezwungen würden, sich an Gründonnerstag und Karfreitag wie gläubige Christen zu verhalten und diese Tage unter Verzicht auf weltliche Vergnügungen als „stille Feiertage“ zu ehren. Der Schutz einer religiösen Tradition stelle in einem säkularen Staat keinen ausreichenden Grund für die Einschränkung der negativen Religionsfreiheit der Bürger dar. Ein übergeordnetes säkulares Interesse an den Tanzverboten sei nicht erkennbar.

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Diese Darlegungen lassen die gebotene Auseinandersetzung mit dem Karfreitagsbeschluss des Ersten Senats vom 27. Oktober 2016 (BVerfGE 143, 161 ff.) vermissen. Danach rechtfertigt Art. 139 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG die Ausgestaltung des Karfreitags als Tag mit einem besonderen Stilleschutz, wenn niemand eine innere Haltung vorgeschrieben, sondern lediglich ein äußerer Rahmen geschaffen wird, um den Tag bedeutungsgerecht begehen zu können (vgl. BVerfGE 143, 161 <194 ff. Rn. 68 ff. und Leitsatz 1). Das Amtsgericht zeigt nicht auf, dass die Tanzverbote nach § 6 Abs. 1 und § 9 NFeiertagsG über die Sicherstellung des äußeren Charakters des Gründonnerstags und Karfreitags als Ruhetage hinausgehen und inhaltlich orientierte Befolgungspflichten oder eine bestimmte innere Haltung abverlangen. Daher überzeugt auch der Verweis des Amtsgerichts auf den Kruzifix-Beschluss nicht. Denn als äußerer Rahmen, der die inhaltliche Ausfüllung den Einzelnen überlässt (vgl. BVerfGE 143, 161 <195 f. Rn. 72>), ist der besondere Ruheschutz nicht vergleichbar mit einer vom Staat geschaffenen Lage, in der der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeit dem Einfluss eines bestimmten Glaubens ausgesetzt ist (vgl. BVerfGE 93, 1 <16>).

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b) Auch die Darlegung einer Verletzung der nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit durch die Tanzverbote genügt nicht dem Erfordernis einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

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Nach Auffassung des Amtsgerichts greifen die Tanzverbote nach § 6 Abs. 1 und § 9 NFeiertagsG in die Berufsausübungsfreiheit von Unternehmen ein, die – wie der Betroffene als Betreiber einer Diskothek – durch dieselben daran gehindert würden, ihr Gewerbe auszuüben und Gewinne zu erzielen. Die Tanzverbote seien in ihrer Pauschalität unverhältnismäßig. Weniger einschneidende Alternativen, mit denen der stille Charakter des Feiertags ebenfalls gewahrt werden könnte – wie zeitliche Beschränkungen der Verbote auf die „Hauptzeiten“ des Feiertags, eine Begrenzung der Lautstärke von Veranstaltungen oder deren Verlegung in schallgeschützte Räume – seien ausgeschlossen. Auch diese Ausführungen verfehlen die vom Bundesverfassungsgericht bisher entwickelten Maßstäbe, ohne die Notwendigkeit einer Fortentwicklung derselben aufzuzeigen.

[…]

20

Abgesehen davon hat das Amtsgericht auch versäumt, mit Blick auf die von ihm vermisste Möglichkeit einer Ausnahme von den Tanzverboten eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 5 NFeiertagsG zu erörtern. Danach können die Gemeinden von den Verboten und Beschränkungen unter anderem der §§ 6 und 9 NFeiertagsG aus besonderem Anlass im Einzelfall Ausnahmen zulassen. Es hätte nahegelegen zu prüfen, ob § 14 Abs. 1 Nr. 5 NFeiertagsG hier eine Ausnahme eröffnet. Adressat der Vorgabe im Runderlass zum Niedersächsischen Feiertagsgesetz, Tanzveranstaltungen am Karfreitag auch nicht ausnahmsweise zuzulassen (Abschnitt 7 FeiTagGRdErl – 7.4 zu § 14 NFeiertagsG), ist die Verwaltung; das Amtsgericht ist hieran nicht gebunden.

21

c) Das Amtsgericht hat sich auch mit Blick auf die Annahme einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG durch das Tanzverbot am Gründonnerstag nach § 9 NFeiertagsG nicht hinreichend mit der Rechtslage auseinandergesetzt.

22

Das Amtsgericht ist der Auffassung, es sei willkürlich, dass an diesem Tag allein öffentliche Tanzveranstaltungen verboten seien, nicht jedoch andere Vergnügungsangebote wie der Besuch von Kinos, Theatern, Restaurants, Konzerten jeder Art oder der Betrieb von Cartbahnen und Schießspielen (Lasertag, Paintball), obwohl sie ebenfalls als störend empfunden werden könnten. Auch sonst könnten die Menschen an diesem regulären Arbeitstag ihren Beruf frei ausüben. Das wird den Anforderungen an die Darlegung der für die Überzeugung der Verfassungswidrigkeit der dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung vorgelegten Normen nicht gerecht.

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Es fehlt bereits eine ausreichende Darlegung zu der Frage, inwieweit es sich bei den zum Vergleich herangezogenen Veranstaltungen um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handelt wie das Verbot öffentlicher Tanzveranstaltungen nach § 9 NFeiertagsG (vgl. BVerfGE 130, 151 <175>). Eine solche Vergleichbarkeit drängt sich mit Blick auf den bezweckten Schutz der Ernsthaftigkeit dieses Tages hinsichtlich der vom Amtsgericht aufgeführten Veranstaltungen wie etwa dem Besuch von Kinos, Theatern oder Restaurants auch nicht auf. Zudem setzt sich das Amtsgericht nicht mit naheliegenden Gründen für eine Differenzierung auseinander (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Januar 2011 – 1 BvR 3222/09 -, Rn. 19). So ist etwa denkbar, dass öffentliche Tanzveranstaltungen deshalb bereits am Gründonnerstag verboten sind, weil gerade diese Veranstaltungen nicht selten – wie auch hier – in den Karfreitag hinein fortgesetzt werden.

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d) Schließlich hat das Amtsgericht seine Annahme, die Tanzverbote nach §§ 6 Abs. 1 und 9 NFeiertagsG seien mit dem staatlichen Neutralitätsgebot nach Art. 137 Abs. 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG nicht vereinbar, nicht hinreichend begründet. Es fehlt an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis des Neutralitätsgebots zum verfassungsrechtlichen Schutz der staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV (vgl. BVerfGE 143, 161 <192 f. Rn. 63 ff.>).

Sie sagen – im Ton kaum verhohlen, dass sie sich da angepisst und in ihrer Würde verletzt fühlen – dass das Amtsgericht schlicht zu dämlich, zu dumm, zu faul ist, eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht so zu schreiben, dass sie der Kenntnisnahme des hohen Gerichts würdig sei.

Nun ist an diesem Zweifel ohne Zweifel auch einiges dran. Denn zwar sind die gestellten Fragen durchaus interessant und berechtigt – aber schon ausgiebig beantwortet. Offenbar hat sich das Amtsgericht nicht einmal ein Minimum an Mühe gegeben, sich über die formalen Anforderungen einer solchen Vorlage oder die bereits ergangen Entscheidungen zu informieren. Würde man die Entscheidung zusammenfassen, würde sie lauten „Du Depp, lies doch erst einmal, was wir schon entschieden haben.“

Nichts Geringeres sagen sie, als dass sich der Amtsrichter nicht nur wie ein Laie aufführt, sondern sie ein stinkend fauler und obendrein dummer Laie. Denn selbst viele Laien wissen, dass man erst einmal liest, was die schon entschieden haben, bevor man Beschwerde erhebt oder zur Entscheidung vorlegt.

Zwischen den Zeilen: „Wir sind nicht dazu da, Deine Arbeit zu machen. Arbeiten musst Du schon selbst!“

Offenbar hat man in der Juristenausbildung und beim Richterwahlausschuss in Göttingen die Anforderungen so auf Null geschraubt, dass jeder Honk Richter werden kann, auch wenn vom Recht keine Ahnung. In Berlin sagte mir vor über 10 Jahren mal ein Lokalpolitiker mit Kontakt zum Richterwahlausschuss, dass sich da niemand mehr um Qualität kümmert, sondern Richter nur noch nach Gesinnung und Parteitreue eingestellt werden. Und man nimmt wohl lieber die Doofen und Unfähigen, weil die sich leichter tun, nach Parteilinie zu urteilen.

Und offenbar war das ein Richterversuch, gegen das christliche und konservative Deutschland zu agieren.

Und in der Begründung war das offenbar auch doof von der Sorte Feministin, denn es ist schon ein Unterschied, ob ich am Gründonnerstag ruhig in einem Kino, Theater oder Restaurant sitze, oder auf der Tanzfläche rumzappele. Das ist so erkennbar linke Gleichstellungslogik.

So doof und inkompetent die Vorlage des Gerichts auch sein mag – in einem Punkt muss sich das Bundesverfassungsgericht gehörige Kritik vorhalten lassen. Es benimmt sich nämlich so, als habe der Richter in eigener Sache Verfassungsbeschwerde erhoben. Es geht aber um die Grundrechte des „Angeklagten“ und nicht die des Gerichts. Und der kann nichts dafür, dass der Richter zu blöd ist. Der hat sich den Richter auch nicht als Anwalt herausgesucht.

Selbst wenn der Richter noch so doof, faul und unfähig und die Schelte noch so berechtigt ist – es rechtfertigt nicht, die Grundrechte des Angeklagten zu übergehen. Man wird zwar der Auffassung sein, dass der eben erst (siehe oben) den Rechtsweg erschöpfen muss und dann gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde einlegen kann. Aber ich halte das trotzdem für schräg.

Außerdem sagen sie durch die Blume, dass sie das Bußgeld für berechtigt und die Gegenwehr für verfehlt halten.

Es bleibt das Aroma, dass da vielleicht sogar der mit dem Bußgeld belegte Veranstalter und der Richter gemeinsame Sache zu machen versuchten, so im Sinne einer strategischen Prozessführung. Vielleicht hat man es darauf angelegt und juristisch eben zu wenig Ahnung gehabt. Es riecht so, als hätten ein grüner Veranstalter und ein grüner Richter versucht, gegen die SPD-Oberbürgermeisterin zu schießen, und sich das so einfach gemacht, wie Grüne es eben tun, wenn sie Gleichheit als Argument heranziehen. Alles so doof und flach.

Quality is a myth.

Untergang des Rechts

Ich sehe da zwei gegenläufige Entwicklungen und weiß nicht, welche ich für schlimmer halten soll.

Einerseits haben beide Juristen, der Anwalt und der Amtsrichter, schwere formale Fehler gemacht. Dem Anwalt kann man vielleicht noch zugutehalten, dass er (vielleicht) in Zivilrecht macht und sich mit Details des Strafrechts nicht ausgekennt. Einem Richter, der nicht weiß, dass er vorher erst einmal selbst nachlesen muss, was das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, bevor er urteilt oder vorlegt, muss man klar sagen, dass er als Jurist und Richter unfähig ist und auf dem Posten nichts zu suchen hat.

Andererseits muss man aber auch die Frage stellen, ob der Schutz von Grundrechten überhaupt, und wie weit sie von formalen Voraussetzungen abhängen darf.

Anders gefragt: Kann man Grundrechte verwirken oder verbrauchen, indem man sie nicht so geltend macht, dass sie irgendwelchen Spitzfindigkeiten genügen?

Zwar nicht die Vorlage eines Gerichts, aber die Beschwerde eines Grundrechtsträgers soll – theoretisch – so einfach sein, dass jeder Laie sie erheben kann. Das ist ein zentrales Konstruktionsmerkmal dieses Verfassungsgerichts.

Deshalb die Frage: Ist der Amtsrichter fachlich, sind aber die Verfassungsrichter charakterlich ungeeignet?

Verfassungsrichterwahl

Mir fällt auf, dass das Bundesverfassungsgericht an Verfassungsbeschwerden höhere Anforderungen stellt als an Verfassungsrichter.

Man muss weit mehr wissen, um eine Verfassungsbeschwerde einzulegen, als Verfassungsrichter zu werden und darüber zu entscheiden. Faktisch wird von Laien mehr Rechtskunde erwartet als von den Richtern selbst. (Das hat in Deutschland Tradition, siehe das Buch „Furchtbare Juristen“.)

Ich habe mehrere – amtierende – Verfassungsrichter dabei erwischt, dass sie selbst nicht einmal Elementarwissen von Verfassungsrecht drauf hatten und nicht in der Lage waren, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzuwenden. Auf den ersten Blick kann man das dem Bundesverfassungsgericht nicht vorhalten, weil sie sich die Richter ja nicht selbst aussuchen. Oberflächlich. Bei Frauke Brosius-Gersdorf kam ja neulich das Gerücht auf, dass man die aus dem Bundesverfassungsgericht selbst abgeschossen habe, weil die dann doch gar zu unfähig sei, um deutlichere Begriffe zu vermeiden.

Die Anforderungen an diejenigen, die eine Verfassungsbeschwerde erheben, sind jedenfalls weit höher, als an die, die Verfassungsrichter werden, denn die müssen faktisch gar nichts können. Und das kann nicht sein, dass derjenige, der seine Grundrechte in Anspruch nehmen will, sich mehr mit den Formalitäten und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschäftigt haben muss, als Richterkandidaten der SPD und der Grünen.

Und wenn das dann dazu führt, dass Juristen – Rechtsanwälte, Richter – schon selbst an den formalen Anforderungen scheitern, und zwar egal, ob die Anforderungen zu hoch oder die Juristen zu unfähig sind, dann stellt sich die Frage, wie dieser „Rechtsstaat“ (den ich nicht dafür halte, der das aber zumindest für sich in Anspruch nimmt) überhaupt funktionieren soll.

Ich will es mal so sagen: KI hätte den Fehler des Rechtanwaltes nicht gemacht. Und ich als Nichtjurist und damit Laie hätte die Fehler des Amtsrichters nicht gemacht.

Kurioserweise werde ich aber trotzdem immer wieder von Juristen, Rechtsanwälten, neulich von Juraprofessoren beschimpft, dass ich mangels Ausbildung gar nicht in der Lage (=berechtigt) wäre, Gesetze auszulegen und zu interpretieren (obwohl man im Bundestag sogar den dümmsten Laien, auch Analphabeten gestatten will, diese Gesetze zu machen), weil man das nur nach juristische Ausbildung könne. Und dann sieht man solchen Schrott von „Volljuristen“. Weil die da in irgendwelchen Theorien, Philosophien und Soziologien rumfliegen, aber das Handwerk nicht lernen.

Egal, ob man die Schuld da nun eher beim Bundesverfassungsgericht oder eher bei diesem Rechtsanwalt und diesem Amtsrichter suchen will – das Ergebnis ist, dass unser Rechtsstaat eben nicht funktioniert, wenn selbst Berufsjuristen daran scheitern.