Ansichten eines Informatikers

Von der Leyens Navigationen

Hadmut
1.9.2025 13:44

Verstehe ich nicht. [Update 3]

Das Fachblatt für Luftfahrt und Navigationswesen, die BILD: Pilot muss mit Papierkarten landen: Russischer Stör-Angriff auf von der Leyens Flugzeug

Angespannte Minuten in Bulgarien am Sonntag! Ein mutmaßlicher russischer Angriff auf Ursula von der Leyen legte die GPS-Navigationsdienste beim Anflug auf den Flughafen Plovdiv lahm und zwang die Piloten der Präsidentin der Europäischen Kommission, mithilfe von Papierkarten zu landen.

Ein Jet, der von der Leyen am Sonntagnachmittag nach Plovdiv beförderte, wurde beim Anflug auf den Flughafen der Stadt seiner elektronischen Navigationshilfen beraubt, wie „Financial Times“ berichtet.

Drei Beamte, die über den Vorfall informiert waren, sagten, dass dies als russische Störmaßnahme behandelt werde.

▶︎ „Das gesamte GPS-System des Flughafens fiel aus“, sagte einer der Beamten. Nachdem das Flugzeug eine Stunde lang über dem Flughafen gekreist war, entschied sich der Pilot, das Flugzeug manuell mithilfe analoger Karten zu landen. „Es war zweifellos eine Störung.“

[…]

Das sogenannte GPS-Jamming und -Spoofing verhindert oder verzerrt den Zugang zum satellitengestützten Navigationssystem und wird traditionell von Militär und Geheimdiensten zur Verteidigung sensibler Standorte eingesetzt. Es wird aber zunehmend – gerade von Russland – als Mittel zur Störung des zivilen Lebens genutzt.

EU-Regierungen warnen, dass das zunehmende GPS-Jamming Russlands zu einer großen Flugkatastrophe führen könnte, da es kommerzielle Maschinen während des Fluges praktisch blind macht.

Schauen wir mal in deren Quelle, das andere Fachblatt, die Financial Times: Ursula von der Leyen’s plane hit by suspected Russian GPS interference

A suspected Russian interference attack targeting Ursula von der Leyen disabled GPS navigation services at a Bulgarian airport and forced the European Commission president’s plane to land using paper maps.

A jet carrying von der Leyen to Plovdiv on Sunday afternoon was deprived of electronic navigational aids while on approach to the city’s airport, in what three officials briefed on the incident said was being treated as a Russian interference operation.

“The whole airport area GPS went dark,” said one of the officials. After circling the airport for an hour, the plane’s pilot took the decision to land the plane manually using analogue maps, they added. “It was undeniable interference.”

The Bulgarian Air Traffic Services Authority confirmed the incident in a statement to the Financial Times.

“Since February 2022, there has been a notable increase in [GPS] jamming and recently spoofing occurrences,” it said. “These interferences disrupt the accurate reception of [GPS] signals, leading to various operational challenges for aircraft and ground systems.”

Kurz gesagt: Ich verstehe das nicht.

Es ist zwar bekannt, dass die Russen das GPS stören können und das auch gerne tun, etwa über der Ostsee. Einige Schiffskollisionen werden ihnen zugerechnet.

Aber: Ein Flugzeug braucht (eigentlich) kein GPS zum Landen. Und noch eigentlicher verwendet es (eigentlich) auch kein GPS für das letzte Stück des Landeanflugs, sondern ILS, das Instrumenten-Landesystem. Und bis dahin navigiert man klassisch über Funkfeuer, ungerichtete (NDB/ADF) und gerichtete (VOR). GPS verwendet man da eher aus Bequemlichkeit und der Automatisierung wegen, muss aber auch auf die herkömmliche Art und Weise mit Funkfeuer navigieren können.

Allerdings schrieben mir schon Leser, dass man inzwischen anfange, aus Kostengründen die Funkfeuer außer Betrieb zu nehmen, weil sie sehr wartungsteuer seien, und sich auf GPS verlasse (was in Kriegszeiten eine ziemlich dumme Idee sein dürfte). Ich saß mal bei einer Veranstaltung bei einem Abendessen zufällig mit einem australischen Verkehrspiloten zusammen am Tisch und habe mich mit dem über Fliegerei unterhalten. Der beklagte, dass viele junge Piloten eigentlich gar keinen Lizenz hätten erhalten dürfen, weil zu viele von denen nur noch nach GPS und nicht mehr per Funkfeuer navigieren könnten.

Nun ist es allerdings auch so, dass Plovdiv ein eher kleiner Flughafen, aber mehr als ein Flugplatz ist, immerhin Plovdiv International und mit ansehnlicher Terminalhalle, und die Wahrscheinlichkeit, dass die da kein ILS haben, eher klein ist. Die haben da zumindest so ein VOR-DME und ein NDB vor der Landebahn, wo man dann so nach Cessna-Art anfliegt, auf das VOR zu und dann auf Sicht weiter. Der Flughafen selbst behauptet allerdings, für IFR und VFR, also Instrumenten- und Sichtanflug zugelassen zu sein, und laut denen hier haben die da durchaus ein ILS. (Und laut Bildern sogar eine sehr sehenswerte OpenAir-Ausstellung ausgemusterter Flugzeuge, also so klein scheinen die da nicht zu sein.) Das VOR sieht man auf Google Maps. Und von da sind es noch 1,34 km bis zur Landebahn 30. Kann ja wohl nicht so schwer sein, mit Kurs 300 das VOR anzufliegen. Dafür gibt es ja eine Anzeige im Cockpit. Und dann kann man die Landebahn gar nicht mehr verfehlen.

Dazu kommt, dass die ja laut Meldung eine Stunde über dem Flughafen gekreist seien. Probleme, den Flughafen zu finden, haben sie also wohl nicht gehabt, wenn sie ihn schon eingekreist und umzingelt haben. Was ist dann so schwer daran, entweder ganz auf Sicht anzufliegen? Ein erfahrener Pilot müsste an so einem Flughäfchen – immerhin Plovdiv International – durchaus in der Lage sein, den ILS-Kegel auf Sicht zu finden. Und letztlich sollte das VOR ausreichend sein, um es bis in das ILS zu schaffen, dafür ist es ja da.

Ich verstehe noch mehr nicht. Das mit den „Papier-Karten“.

Klar, Piloten müssen noch für Notfälle einen Kartensatz mit den Charts dabei haben. Was manche Fluglinien längst mit einem iPad machen, geschenkt. Wieso aber soll der Bordcomputer da nicht mehr funktioniert haben, der die Charts normalerweise elektronisch anzeigt? Der Bordcomputer begeht ja keinen Selbstmord, wenn das GPS ausfällt. Wenn das GPS spinnt, schaltet man es eben ab, der Bordcomputer muss ja in der Flugroute auch die Funkfeuer drin haben. Zugegeben, ich habe vom Fliegen keine Ahnung und von den Navigationscomputern von Verkehrsmaschinen schon gar nicht, aber meines Wissens stehen da die der Reihe nach anzufliegenden Positionen samt Funkfeuer drin.

Was haben die da eine Stunde zu kreisen? Ist es nicht Aufgabe der Piloten, das alles vor Abflug durchzugehen und zusammenzustellen, damit sie die Daten dann, wenn sie sie notfallsmäßig brauchen, griffbereit haben und nicht erst raussuchen müssen?

Und wenn die da eine Stunde gekreist haben, was haben denn dann die anderen Flugzeuge gemacht, die in der Zeit da angekommen sind? Warum steht nirgends, dass die auch alle eine Stunde gekreist sind? Hat ja auch nicht jeder soviel Sprit dabei. Oder konnten die alle landen, nur von der Leyens Flieger nicht? Oder ist der Flughafen so klein, dass in der Stunde niemand kam?

Außerdem gibt es für solche Fälle Notfallprozeduren, etwa wenn die gesamte Navigation ausgefallen ist oder sogar der gesamte Funk. Man kann zum Beispiel eine Notlage erklären und sich von den Fluglotsen einweisen lassen. Die sagen einem dann, was zu tun ist. In ganz, ganz, ganz schlimmen Fällen können die einem auch einen Abfangjäger schicken, der dann vor einem herfliegt und einem den Weg weist.

Wenn man den Flughafen als solchen schon so gefunden hat, dass man über ihm kreisen kann – was hält einen denn dann davon ab, den VOR anzufliegen und von dort per ILS oder auf Sicht zu landen? Oder ganz auf Sicht? Wir hatten doch in Europa die letzten Tage schönes Wetter. Und der Flughafen ist VFR-zugelassen. War es Nacht?

Und warum ist das nicht alles in der Flugvorbereitung schon drin? Wieso kann eine GPS-Störung Piloten überhaupt aus der Ruhe bringen? Ich hatte vor einigen Jahren mal bei irgendeinem Verkehrsflug, als gerade in der Presse von GPS-Störungen die Rede war, beim Aussteigen die Piloten gefragt, ob ihnen Unregelmäßigkeiten beim GPS aufgefallen wären. Antwort: Nöh, gar nicht. Und wenn, wär’s ihnen auch egal, sie bräuchten das GPS nicht zwingend.

Und warum brauchen die bei einer GPS-Störung gleich Papierkarten, anstatt den Bordcomputer mit seinen Karten weiter zu benutzen? Der müsste ihnen die Karte doch auf dem Display anzeigen können.

Ich bin ein paar Mal in kleinen viersitzigen Sportmaschinen mitgeflogen, Cessna und sowas in der Größe, Wasserflugzeug. Die hatten gar kein GPS, und auch keinen Bordcomputer. ILS auch nicht. Und konnten trotzdem landen. Ordinäre Funknavigation und VFR.

Ich verstehe diese Meldung nicht. Das kann meines laienhaften Erachtens so nicht stimmen. Ist in diesem Flugzeug vielleicht weit mehr als nur das GPS ausgefallen? Oder haben die Piloten die Flugvorbereitung unterlassen? Wurde vielleicht im Flug das Ziel geändert?

Update: Leserzuschrift

Hallo Herr Danisch,

bzgl. Ihrer Frage was denn die anderen Flugzeuge gemacht haben, die in der Zeit da angekommen sind?
Einfache Antwort: gar nichts, es gab keine. Die Dassault Falcon 900LX der privaten Chartergesellschaft Luxaviation, mit der vdL kam, war lt. Flightradar24, an diesem Tag tatsächlich die einzige Maschine, die dort gelandet und 2h später auch wieder gestartet ist.

Die einzige Maschine an diesem Tag?

Muss ja ein toller Flughafen sein … oder da gibt es Flüge, die auf Flightradar24 nicht gezeigt werden.

Update 2:

Die Dassault Falcon 900LX beruht auf einem Design der 1980er Jahre, und es gibt verschiedene Versionen mit unterschiedlicher Cockpit-Ausstattung, aber alle halbwegs modernen Versionen haben moderne Glascockpits, und wie man zum Beispiel hier sieht, und genau, wie ich vermutet hatte, neben den beiden Flug-Displays für die Piloten in der Mitte noch zwei Bildschirme, oben mit dem Anflug-Chart, unten mit der Übersichtskarte.

Und links und rechts noch zusätzliche Info-Pads.

Wozu, zum Geier, sollen die da Papierkarten gebraucht und eine Stunde gekreist sein, über einem Flughafen, auf dem sonst niemand ankam?

Die Karten haben sie vor der Nase, zwei Bildschirme.

GPS brauchen sie nicht, da gibt es VOR und ILS. Und wer um einen Flughafen kreisen kann, kann bei ordentlicher Sicht auch auf Sicht landen.

Und selbst wenn sie Probleme hätten: Der Tower oder die Flugsicherung hätten ihnen gesagt „Hier ist heute nichts los, kannst landen, wie Du willst.“

Oder haben die Russen die ganze Flugzeugelektronik gestört?

Update 3: Hatten die vielleicht einfach Angst davor, zu landen, weil sie dachten, sie werden da von jemandem abgeschossen? Und dann war der Sprit alle und sie mussten runter?

Das ergibt aber auch keinen Sinn, denn wenn man eine Stunde kreist, gibt man den laufenden Keiler, es sei denn, man wähnt sich in der Höhe in Sicherheit. In diesem Fall würde ich aber machen, dass ich a) hoch und b) weg komme und mir einen Ausweichflughafen suchen, statt da die Zielscheibe zu geben.

Außerdem: Wenn da jemand von der Leyen hätte abschießen wollen, was ja mit kleinen, schultergestützten Flugabwehrraketen problemlos möglich wäre – warum sollte er dann so dumm sein, die mit GPS-Störungen zu warnen? Wer aus dem Hinterhalt morden will, macht nicht vorher darauf aufmerksam. Da hätte einfach jemand irgendwo in der Anflugschneise jemand im Gebüsch oder in einem Auto gesessen und dann mit einer Stinger, Strela oder etwas in der Größe geschossen. Stinger haben eine Reichweite von 4 bis 6 km. Ideal für ein Flugzeug im Landeanflug, aber zu kurz für ein Flugzeug in der Warteschleife. Womöglich hatten sie davor Angst. Und der Täter hätte ganz sicher nicht mit GPS Störsendern auf sich aufmerksam gemacht.

Vielleicht ist das mit dem GPS nur eine Ausrede, und in Wirklichkeit hatten sie Hinweise auf ein oder Angst vor einem Attentat.