Ansichten eines Informatikers

Die Familien-Rochade

Hadmut
27.6.2025 16:43

Ist Euch mal was aufgefallen? Eine Rochade in Sachen Familie?

Wer kann sich noch erinnern?

Als es noch um Gender, Queer, Non-Binär, „Patchwork“ und solches Zeug ging, hieß es noch, die „Familie“ sei abgelöst, nur ein soziales Konstrukt von Nazis, Patriarchat und so.

Ich habe mal so spontan nach dem gegoogelt, was ich davon so in Erinnerung hatte, und auf Anhieb, gleich als Erstes, das hier gefunden (Österreiche Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2003):

Das Verhältnis von Familie und Staat ist als widersprüchlich zu charakterisieren: Ideologisch dient das Symbolsystem Familie, vorgestellt als „natürliche“ Form sozialen Zusammenlebens, als zentrale Legitimationsfigur für den (National-)Staat. Aber Familie als reale Sozialform wird durch staatliches Handeln konstituiert und stabilisiert.

Patriarchale Familienideologien werden zumeist in gesellschaftlichen Krisenzeiten (re-)aktiviert, in denen Männer um ihre Vormacht-Stellung bangen. Dementsprechend führte auch die Krise des Fordismus zu ihrer Wiederbelebung. Vor diesem Hintergrund bildete sich im Bereich der Familienpolitik eine scheinbar „unheilige“ Allianz zwischen (Neo-)Liberalismus und (Neo-)Konservativismus. Unheilig deshalb, weil der (neo-)liberale Kult des Individuums geradezu die Antithese zur (neo-)konservativen Verklärung der (patriarchalen) Familie als Solidargemeinschaft darstellt. Intention dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, warum diese Verbindung nicht so absurd ist, wie es scheint.

Kann ich mich noch gut dran erinnern, vor allem, als es um Homoehe ging: Familie ist ein Konstrukt der Nazis, konstitutiert den Nationalismus.

Oder das digitale Frauenarchiv 2018: Neue Frauenbewegung: Gemeinsam gegen patriarchale Machtansprüche und Gewalt im Namen der Ehre

Im Namen der Familienehre werden Mädchen und Frauen in konservativ-patriarchalen Gesellschaften rigide wegen ihrer ‚Jungfräulichkeit‘ kontrolliert, und – oft noch minderjährig – zur Heirat gezwungen. Bereits das vermutete oder von Dritten als ehrlos empfundene Verhalten kann gravierende Folgen haben, bis hin zum sogenannten Ehrenmord.

[…]

Die soziokulturellen Wurzeln der Gewalt im Namen der Ehre sind in der überkommenen Tradition des patriarchal organisierten Familienverbandes mit seiner strukturell verankerten Väterautorität und der hierarchisch gegliederten Männervorherrschaft begründet.

„Dem Wert der Ehre unterliegt die Vorstellung einer klaren Grenze“, welche Mädchen und Frauen das als weiblich konnotierte ‚Innen‘, das heißt den Bereich der Familie, zuweist und es vom männlich konnotierten ‚Außen‘, der Öffentlichkeit, trennt.4
Weibliche Familienmitglieder verkörpern die Familienehre und sind zu sexueller ‚Reinheit‘ verpflichtet: Keuschheit vor einer Heirat sowie eine monogame Lebensführung innerhalb der Ehe werden durch umfassende soziale Kontrollen durch die Familie sichergestellt.5 Zu diesen gehören Formen innerfamiliärer Gewalt, von psychologischer Erpressung und sozialem Druck, sich den ehrbezogenen Normen zu unterwerfen, über sämtliche Formen physischer bis sexualisierter Gewalt.6

Oder auch mal die Gender-Studies der Schweiz: Wandel der Familie

Neben der Beschreibung und Erforschung neuer Familienformen wird nun vor allem auf die Veränderung der Bedeutung von Familie für die sozialen Akteure hingewiesen. Normative Vorstellungen über Geschlechter, Geschlechterverhältnis, Partnerschaft, Ehe und Familie ändern sich. Betont wird in diesem Kontext nicht so sehr die Zahl der verschiedenen familialen Lebensformen, sondern die Bedeutung, die diese intimen Sozialbeziehungen für die Individuen haben und welche Akzeptanz sie in der Gesellschaft erfahren.

Oder der Gender-Campus: Das heteronormative Regime der rechtlichen Regulierung gleichgeschlechtlicher Elternschaft

Der Wandel von Familie wird neuerdings auch hinsichtlich lesbisch, schwul, bisexuell oder transgender/trans* (LGBT*Q) lebenden Eltern wissenschaftlich untersucht und gesellschaftlich diskutiert. Gleichzeitlich formiert sich von rechtspopulistischer und christlich-konservativer Seite verstärkt Gegenwehr gegen die zunehmende rechtliche Anerkennung von Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern. Wie lässt sich verstehen, dass sogenannte «Regenbogenfamilien» rechtliche Anerkennung erfahren und zugleich die heterosexuelle Familie weiterhin als Norm gilt?

Ich kann mich an noch viel schärfere Formulierungen erinnern. Familie muss weg, Familie ist ein Konstrukt der Nazis, Familie dient der Unterdrückung von Frauen, der Durchsetzung von Heteronormativität und Patriarchat und so weiter und so fort.

Ach, gucken wir nochmal bei der Amadeu-Antonio-Stiftung rein:

Queerfeindlichkeit

Die Positionen der AfD setzen wie gezeigt auf ein „traditionelles“ Familienbild mit ungeschiedener Hetero-Ehe und möglichst vielen eigenen Kindern. Das bildet nicht die vielfältigen Lebensrealitäten[7] in der Gesellschaft und auch in der extremen Rechten ab. Zwar findet sich im Programm von 2021 keine explizite Ablehnung von Homosexualität. Andererseits richten sich Positionen der AfD gegen Antidiskriminierungsmaßnahmen und gegen Aufklärungsformate, die die Akzeptanz homosexueller und queerer Lebensweisen erhöhen wollen. Solche Lebensweisen werden auch vor dem Hintergrund der skizzierten Bevölkerungspolitik notwendigerweise als weniger wertvoll erachtet als heterosexuelle, während unterstützende Maßnahmen als unnötig und Luxus (Nicole Höchst: „Kleinstinteressengruppen“[8]) dargestellt werden. Alice Weidel warb 2017 mit dem Spruch „Ehe für alle, während das Land islamisiert wird?“ und Nicole Höchst fragte im Bundestag im gleichen Tenor, ob „angesichts der fatalen Gesamtsituation eines sich nicht reproduzierenden Deutschlands eine solche Nischenpolitik Berechtigung“ haben könne.[9] Bernd Baumann erklärte in der Bundestagsdebatte zu „Hass und Hetze gegen LSBTI wirksam bekämpfen“: „Worauf zielen dann aber Ihre Anträge in Sachen Gender-Gaga, Transsexuelle, Homosexuelle, Migranten, People of Color, Black Lives Matter usw.? (…) Klassische, tief bewährte, tief verinnerlichte Identitäten wollen Sie auflösen – allen voran die nationale Identität, vor allem die der Deutschen. Die Nation, unsere Heimat, das über Jahrhunderte gewachsene Zusammengehörigkeitsgefühl sollen aufgelöst und ersetzt werden durch ein neues, wirres Babylon, ein Flickwerk aus grellen Minderheitsidentitäten und einem großen, irren Regenbogenfahnenwerk.“[10]

Da war Familie mit Mann und Frau und vielen Kindern noch voll Nazi, Position der AfD.

Geht es aber um Migranten und Familiennachzug …

Geht es aber um den Familiennachzug von Migranten, dann ist es plötzlich genau umgekehrt. Dann gehören Familien zusammen, und wer sie auseinanderreißt oder den Familienverbund in Frage stellt, der ist jetzt Nazi:

So schnell ändern sich die Positionen. „Ozeanien war nie im Krieg mit Eurasien!“

Ich hatte mal von einer Journalistenkonferenz berichtet, dass die dort predigten „Hass ist keine Meinung, unterliegt nicht der Meinungsfreiheit“, und auf meine Frage, was denn Hass sein solle, antworteten, dass das jeweils der Diskurs festlege.

Das brauchen die, um heute das Gegenteil dessen behaupten zu können, was sie gestern noch behauptet haben.