Wovon lebt der SPIEGEL?
Leser fragen – Danisch weiß es auch nicht.
Eine Leserin fragt an:
Spiegel
Hallo Herr Danisch,
vor ein paar Tagen war ich beim Arzt und habe die Gelegenheit genutzt, den aktuellen Spiegel (Ausgabe Anfang Juni) seit Jahren wieder einmal in Ruhe durchzublättern. Ohne mich beim Inhalt aufzuhalten, war ich nur an den Anzeigen interessiert. Früher (s. Archiv Spiegel) war praktisch fast jede Seite vertikal halbiert, eine halbe Seite für den Spiegeltext und eine halbe Seite für Werbung.
Heute gibt es praktisch keine Werbung mehr. Ein paar Anzeigen für Spiegelprodukte habe ich gefunden und nur noch zwei (!) ganzseitige Werbeanzeigen, die nichts mit dem Spiegel zu tun haben. Zum einen eine Anzeige für die Wirtschaftswoche, zum anderen eine Anzeige für Swatch-Uhren.
Im Impressum gibt es nicht einmal mehr einen Ansprechpartner für die Anzeigenannahme. Womit bezahlt der Spiegel seine hochdotierten Journalisten? Seine Kosten für Herstellung und Vertrieb?
Weiß ich nicht.
Vielleicht von Geldern, die ihnen Bill Gates oder die Regierung zuschustern?
Von der Substanz?
Quersubventionierung aus dem Online-Geschäft, das nur noch pro Forma auf dem Ruf des Papier-SPIEGELS beruht, wirtschaftlich aber andersherum?
Oder vielleicht haben die gar keine „hochdotierten“ Journalisten mehr?
Vielleicht ist das nur noch ein Abfallprodukt der Online-Sparte? Oder vielleicht sind die Gehälter da inzwischen so niedrig, dass es wieder passt?
Mir ist vor einigen Monaten im LIDL in Berlin schon aufgefallen, dass deren Zeitschriftenregal halbiert wurde: Plötzlich nur noch halb so breit. Auf dem dadurch freigewordenen kleinen Platz stand nun ein ganz schmales Regal voll mit Spirituosen, Wodka und so Zeug, was man so braucht, um sich billig zu besaufen. Da dachte ich noch, die gehen auch mit der Zeit und der Nachfrage.
Ich achte beim Fliegen immer gerne darauf, was die Leute im Wartebereich und im Flieger so lesen und konsumieren. Man sieht da kaum noch Zeitungen und Zeitschriften auf Papier, ganz selten. Am ehesten noch Frauenzeitschriften. Im Wartebereich, wo es noch Flughafen-WLAN gibt, lesen sie Social Media, Webseiten und sowas. Und im Flieger ohne Internet lesen sie auf Handys oder Tablets, schauen Filme, hören Musik oder Podcasts.
Ich kann mich noch erinnern, dass ich vor 10 Jahren, als ich noch dienstlich von Berlin in Deutschland herumflog, und das bevorzugt mit Air Berlin, da immer, aber auch bei Lufthansa und ihren Töchtern, am Flughafengate ein Zeitschriftenregal stand, an dem man sich bedienen konnte und kostenlos Zeitschriften bekam. Das war so eine Phase, in der ich noch Playboy gelesen habe – wenn man ihn kostenlos bekommt. Mit Tarnumschlag, um niemanden zu verärgern. Ich habe da mal erfahren, dass das nicht etwa ein Einkauf der Fluglinie ist, sondern die Verlage dort ihre Zeitungen verschenken, weil die dann als Auflage gelten (im Gegensatz dazu, wenn sie vernichtet werden) und sich danach die Werbepreise bestimmen. Als ich noch in München war, habe ich mich immer gewundert, warum die Zeitungsverkaufsständer zwar einen Schlitz für Geldeinwurf haben, man die Klappe aber auch ohne Geldeinwurf aufmachen und beliebig viele Zeitungen rausnehmen konnte. Wer zahlt da noch? Die werden doch alle geklaut.
Ich bin der Sache mal nachgegangen und habe vermutet und Bestätigung erhalten, dass das so gewollt ist, dass die im Prinzip da stehen, damit Zeitungen geklaut werden. Denn auch geklaute Zeitungen zählen unter Aufklage, denn die will ja jemand haben und lesen. Also im Prinzip verschenkt, und der Schlitz für das Geld ist nur als Alibi da, damit es nicht so verschleudert aussieht.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man da noch wirklich gutes Geld verdient, denn die Auflagen sind ja nur noch ein müder Abklatsch früherer Zeiten. Und der letzte SPIEGEL, den ich physisch in den Händen hielt (schon länger her), war nur noch ein ganz dünnes Heftchen.
Und wenn ich dann noch Melanie Amann in den Talkshows sehe, denke ich immer, dass die kein ordentliches Personal mehr finden. Obwohl die mit Sicherheit noch dick verdient, aber das ist wohl nur noch die Führungsebene. Auf mich macht die immer den Eindruck, dass die die Leser in die Flucht schlägt, ganz schrecklich. Und dann frage ich mich, warum die sich so jemanden leisten und in Talkshows setzen.