Ansichten eines Informatikers

Die Boeing 787 und der Wahnsinn des Zeitgeists

Hadmut
19.6.2025 23:50

Das sagt sich so einfach.

Wenn ich alle Flugzeuge miede, von denen mir dringend abgeraten wurde, käme ich auch nicht mehr voran.

Beispielsweise pendele ich zwischen Berlin und Zypern mit Ryanair, die fliegen da Boeing „737-800“, deren Tarn-Bezeichnung für die 737-MAX. Allerdings verschiedene Versionen. Ich merke das beim Einsteigen, weil ich meistens hinten sitze, und mir da verschiedene Konfigurationen bei den Notausgängen auffallen, ob es nämlich genau jene Tür gibt, bei der in den USA neulich mal eine plug door rausgefallen ist. Bei Ryanair ist alles so dicht bestuhlt, dass die keine plug doors haben. Wenn es den Notausgang gibt, muss da auch eine richtige Notausgangstür sein. Es ist jetzt aber auch nicht so, dass da ständig 737-MAX vom Himmel fallen.

Und eine 787 zu vermeiden ist auch nicht so einfach. Ich war doch gerade in Japan, hatte Japan Airlines gebucht, operated by Finnair, und hatte da eigentlich auf Airbus gebucht. Aber wie ich berichtet hatte, wurde ich auf Hin- und Rückflug wegen Luftfahrt-Streiks in Finnland auf andere Linien umgebucht, und der Rückflug mit Qatar über Doha passierte, und ich da auch erst am Tag vorher erfahren habe, dass das so ist, und ich sogar einige Stunden früher als geplant am Flughafen zu sein habe, weil der Flug fünf oder sechs Stunden früher ablog, hat man da nicht allzu große Wahlmöglichkeiten. Vermutlich, ich bin mir da nicht sicher, hatte ich nur die Wahl zwischen Vorschlag annehmen und Geld zurück, aber keine weiteren Optionen. Man käme da vor Gericht auch nicht damit durch, denn sie haben ja einen Ersatzflug angeboten und höhere Gewalt. Ansonsten hätte ich in Japan auf unbestimmte Zeit festgesessen, mehr Hotel buchen müssen und einen Rückflug finden, der kurzfristig gebucht zum Mondpreis würde, zumal der Standardflughafen Helsinki ja dicht war.

Von (ich habe gerade nochmal in der Buchungsbestätigung nachgesehen) Osaka nach Doha war es ein Airbus A350-900, aber von Doha nach Berlin eine Boeing 787-9. Was will man da machen?

Was ich sagen muss: Innen ist die schön gemacht. Tolle Innenbeleuchtung. Ich habe in der Mittelreihe gesessen, nicht am Fenster, und das auch erst kurz vor der Landung gemerkt, aber die ganzen Fenster sind anders. Die scheinen keine Jalousie zu haben, sondern per Taste mit Polfiltern zu funktionieren. Ich hatte mich nämlich erst gewundert, was für eine seltsame Nacht das war, weil alles trotz scheinbar offener Fenster so seltsam Schwarz mit violettem Ton in der Mitte aussah, und als es kurz vor der Landung Frühstück geben und die Leute dazu aufwachen sollten, die Innenbeleuchtung einen Sonnenaufgang in verschiedenen Farben simulierte, um sanft, aber bestimmt zu signalisieren „Aufwachen! Es ist (simulierter) Tag!“, und dann, als es innen virtueller Tag war, mir plötzlich auffiel, dass jetzt auch alle Fenster durchsichtig und nicht mehr schwarz-violett waren. Offenbar kann die Cabin Crew die zentral alle auf dunkel oder auf transparent schalten. Toiletten auch besser.

Nutzt einem natürlich nicht viel, wenn man damit abstürzt. Man stirbt in angenehmer Kabine.

Aber was will man machen? Ich glaube, wenn man da Flüge absagt, weil einem das Modell nicht zusagt, landet man leicht irgendwo zwischen Klapse und no-fly-Liste.

Vorhin kam in den Nachrichten, dass auf irgendeiner Messe in Paris Airbus bei den Aufträgen ganz groß abgesahnt hätte, während Boeing komplett leer ausgegangen sei.

Man kann da im Moment auch nicht mehr tun, als abzuwarten, was an Pannen passiert.

Ratio

Man sollte jetzt aber auch nicht durchdrehen. Es gibt täglich tausende kommerzielle Verkehrsflüge, und trotzdem fällt nicht jeden Tag ein Flieger vom Himmel. Man darf sich da auch nicht irrational verhalten und irgendwelche Randgefährdungen heraussuchen, weil man sich einbildet, durch irgendein besonderes Wohlverhalten irgendeine bestimmte Gefahr eliminieren zu können. Da denkt man ähnlich wie Klimapaniker.

Ich halte die Fahrt von der Wohnung zum Flughafen oder zurück in Berlin, vor allem nachts, für deutlich gefährlicher als den Flug selbst.

Ich halte die Wahrscheinlichkeit, in Berlin nachts ein Messer in die Rippen zu bekommen, um an Handy, Geld, Reisegepäck, Kamera zu kommen, für deutlich größer, als mit einer 787 abzustürzen.

Vor allem sollte man es vermeiden, vor lauter Angst einer selektiv ausgewählten und teils imaginierten Gefahr in der Bude zu bleiben und depressiv zu werden. Das nämlich war ja der Grund, warum sich so viele Feministinnen einen Dachschaden selbst gebaut haben, der mitunter bis in den Suizid führte, weil die ihre Wohnung nicht mehr verlassen haben, aus Angst, böse fiese Männer könnten ihnen auf den Hintern gucken.

Man muss da schon aufpassen, dass man nicht mit Boeing auf dieselbe Dachschadenschiene rutscht wie Feministinnen mit Männern.

In meiner Verwandtschaft und dem erweiterten Bekanntenkreis sind deutlich mehr Leute mit Auto und Motorrad verunglückt und gestorben oder schwer verletzt worden, als mit dem Flugzeug abgestürzt. Der letzte war nämlich ein entfernter Verwandter, der im zweiten Weltkrieg abgeschossen wurde. Meine Zimmernachbarin aus dem Studentenwohnheim ist beim Skifahren tödlich verunglückt.

Im Rahmen der Risikoabwägung, unter Berücksichtigung der Umstände, dass ich keine Familie habe, die von mir abhängig ist, ich aber schon so alt bin, dass ich nicht mehr jung sterben kann, und abwäge, was mir ein Flugzeugabsturz an senilem Restleben kosten würde, gegenüber dem Spaß, den ich am Reisen habe, komme ich, ohne jemandem Empfehlungen geben zu wollen, zu dem für mich persönlichen und nur für mich geltenden Ergebnis, dass ich auch weiterhin – zumindest, was die Modelle angeht, nicht bestimmte Maschinen – in so ziemlich alles einsteige, was abheben kann, weil der Spaß einer Reise im Nutzen höher ist, als das Risiko abstürzigen Ablebens (was ich, nebenbei bemerkt, einem Siechtum in einem Altersheim mit Demenz oder Schlaganfällen ohnehin vorziehen würde, zumal ich mir Flüge leisten kann, einen Platz im Altersheim aber wohl nicht mehr).

Allerdings hatte ich bei der Corona-Impfung auch schon so argumentiert, dass ich keine Empfehlungen gebe, nur erkläre, wie ich im Sinne einer prognostizierenden Risikoabwägung für mich persönlich zu dem nur für mich geltenden Ergebnis kam, mich impfen zu lassen (Impfung und Boeing haben gemeinsam, dass alle vor Pfusch warnen, man es aber konkret erst weiß, wenn es zu spät ist), und seither von „Rechten“ übel beschimpft und sogar verleumdet werde, ich hätte die Impfung empfohlen. Obwohl ich damals explizit klargestellt hatte, dass ich das nicht tue. Dieselben Leute werden mir beim Absturz einer Boeing vorhalten, ich hätte den Leuten empfohlen, Boeing zu fliegen.

Und sollte ich mit einer Boeing abstürzen, werden sie sagen „Der Idiot, wir haben ihn doch gewarnt“, wie bei der Impfung.

Der Punkt ist, dass das keine sinnvollen Warnungen sind, sondern so billige Risikovermeider-Pseudoweisheiten. „Fliege nicht mit der Maschine X“, was dann oft in die Nähe mystischen Denkens geht. Niemals unter einer Leiter durchgehen, das bringt Unglück! Lass Dir die „Plörre“ nicht injizieren!

Das sind alles so Pseudoratschläge, die vor irgendwas warnen, aber weder sagen, was man stattdessen machen soll, und auch nicht Verzichtskosten gegen Risiko abwägen.

Da kommt man leicht in diese Klugscheißer und Besserwisser-Strategien, die auf irgendwelche Risiken setzen, und dann, wenn das Risiko platzt, schnell die „Habe ich doch gesagt“-Karte ziehen, aber das Maul halten, wenn das Risiko nicht platzt. Ich halte davon nichts.

So gesehen dürfte ich mich nämlich nicht ins Bett legen, zumindest nicht ins eigene, weil die meisten Menschen im eigenen Bett sterben. Aufstehen und mich rauswagen dürfte ich aber auch nicht – wisst Ihr, wieviele Leute bei Tageslicht sterben?

Dass Vampire durch Tageslicht alle sterben, ist bekannt. Aber wusstet Ihr, dass viel mehr normale Menschen bei Tageslicht sterben, als Vampire bei Tageslicht gestorben sind?

Ich werde es nicht schaffen, auf Dauer alle Todesursachen zu vermeiden. Egal, wie ich es anstelle, es wird mich irgendwann packen. (Schlechte Nachricht: Euch auch.) Statt mich auf irgendwelche spekulativen Überlebenstaktiken zu verlegen, die mir Trübsinn bringen, aber keinen rational greifbaren Nutzen, tendiere ich dazu, meine Energie darauf zu verwenden, die Zeit bis zu meinem Dahinscheiden möglichst gut zu nutzen. Ich glaube nämlich, dass ich mit meiner Bucket-List bis zum Zeitpunkt des finalen Löffel-Abgebens statistisch betrachtet sehr viel weiter komme, wenn ich auch in 737-MAX und 787 einsteige, als wenn ich es nicht tue. Japan hat mir gut gefallen – aber ich wäre nie nach Japan gekommen, wenn ich aus Angst vor einer 787 die Reise nicht gebucht hätte. Und der tatsächliche Ablauf hat ja gezeigt, dass man selbst dann, wenn man vorher Airbus gebucht hat, trotzdem überraschend in einer 787 sitzen kann. Die Konsequenz wäre also, gar nicht mehr zu verreisen. Schiffe können sinken, Busse verunglücken, Züge auch.

Ich bekomme Hunderte E-Mails.

Mach, dass Du aus Berlin/Deutschland weggkommst, da wirst Du umgebracht. Und: Um Himmels Willen, wie kann man nur nach Zypern? Tödliche Gefahr, mach, dass Du wegkommst. Erdbeben, Tsunami, Dürre, Erdogan.

Gestern und heute Warnmails, dass der Iran Zypern flächendeckend zu bombardieren plane. Es gibt aber auch Warnungen, dass die Raketen des Irans bis Berlin reichen, wohin übrigens Putin Atombomben werfen will, ich also mit Sicherheit im Atompilz stürbe, bliebe ich dort.

Egal, was ich tue oder bleiben lasse: Ich bekomme Warnungen, es sofort bleiben zu lassen, da zu verschwinden.

Japan? Bist Du wahnsinnig? Die haben Erdbeben.

Du isst rotes Fleisch? Bist Du lebensmüde?

Man erkennt dann irgendwann nicht mehr, welches korrekte, ungefährliche Leben man eigentlich noch führen soll. In der Bude bleiben? Dann kommt der Arzt und sagt, Sitzen ist tödlich, Sitzen ist das neue Rauchen.

Irgendwann kommt man vor lauter Risikenvermeidung nicht mehr zum Leben. Und da muss man aufpassen, dass man da nicht in ein Zeitgeistpsychose, eine Art Risikenverfolgungswahn rutscht. Das wird nämlich von den Medien gerade befördert. Klimapanik. Toxische Männlichkeit. Umweltgifte. Atom. Saurer Regen. Kein Fleisch essen, das nicht trinken, das nicht tun, sich in so einen hyperoptimierten Lebensstil begeben, in dem man von morgens bis abends, und natürlich noch die ganze Nacht, nichts anderes macht, als sich an irgendwelche Regeln zu halten, was man nicht essen, nicht sagen, nicht denken darf, in welches Flugzeug man nicht einsteigen darf.

Und ich fürchte, das ist wieder Rudelmechanik, ein hochgekochtes Rudelverhalten, um Rudeleigene und Rudelfremde zu unterscheiden. Ich hatte oben beschrieben, dass ich von vielen Leuten übel beschimpft und verleumdet wurde, weil ich mich hatte impfen lassen, und die Beschimpfungen und Pöbeleien bis heute andauern. Das ist nicht weit entfernt von zu sagen „Der isst Fleisch“, „Der fährt Verbrenner“, „Der fliegt Boeing“.

Davon abgesehen: Die Konstruktionsmängel der 787 interessieren mich natürlich sehr, ich so etwas blogge ich leidenschaftlich gerne. Immer her damit.