Deep Space 9: Von der verlorenen Kunst, Geschichten zu erzählen
Oder: Der Niedergang der Filmindustrie an ihrer Blödheit.
Neulich schon ging eine Meldung durch die Medien, nämlich dass die Macher einer Disney+-Serie gesagt hatten: „Streaming ist tot.“ Zu teuer.
Nun lese ich gerade, dass Star Trek vorerst am Ende ist. Die Zuschauerzahlen rechtfertigten die Produktionskosten nicht mehr.
Das ist ein interessanter Punkt.
Denn eigentlich ist das Kino tot, und das Streaming an dessen Stelle getreten. Wer setzt sich noch für teuer Geld in ein miefiges Kino, in dem rund um einen herum Leute sitzen, die sich nicht benehmen und keine Ruhe geben können, ständig mit irgendwelchen Chipstüten rascheln, sich streiten, ständig aufstehen, um zum Rauchen rauszugehen. Überteuerte Getränke. Und dann noch mit der finsteren, dreckigen U-Bahn heimfahren müssen.
Ich gehe schon lange nicht mehr ins Kino. Vor 25 Jahren war ich bis zu dreimal pro Woche im Kino. Wenn es – was nur noch sehr, sehr selten vorkommt – einen Film gibt, der mich so interessiert, dass ich dafür zahlen würde (was mich meistens hinterher dann reut), warte ich, bis der im Streaming verfügbar ist. Dann nämlich kann ich den von zuhause aus sehen, mehrmals, unterbrechen, zurückspulen, wiederholen, wenn ich etwas nicht verstanden habe, deutsch und englisch sehen, mit zum Englisch auch englische Untertitel geben lassen und so weiter und so fort. Essen hole ich mir aus der Küche. Und wenn ich lustig bin, gucke in den Film in Unterhosen. Oder gleich im Bett. Und muss mich nicht über fremde Leute ärgern oder gar mit denen herumstreiten. Ich sitze und trete nicht in babbige Kaugummis, und es kostet obendrein weniger Zeit und weniger Geld.
Insofern ist Streaming doch eigentlich die Antwort. Und nun sagen sie, Streaming sei tot?
Oder bezieht sich das nur auf Serien, die für Streaming gedreht wurden, nicht Kinofilme?
Könnte es vielleicht sein, dass Streaming von Serien mal so eine Hochzeit hatte, weil man die Schnauze voll von Kino hatte, und dann noch Corona den Konsum von zuhause aus in Mode und Zwang brachte? Ein ähnlicher Effekt, den ich bei der Pornographie beschrieben hatte, den Umstieg der Huren von Bordell auf Camgirl?
Hat sich das wieder ausgeleiert?
Zu Corona-Zeiten hatte ich mindestens eine Video-Veranstaltung pro Tag, Meetings, Konferenzen, irgendwas online. Da sagte man, oh, das ist toll, dabei bleiben wird. Dann ging das nach Corona noch ungefähr ein Jahr lang, und dann kam das wieder deutlich aus der Mode.
Aber was, wenn sowohl Kino, als auch Streaming aus der Mode sind?
DVD und Bluray sind sowieso längst abgetakelt und kochen auf kleiner Flamme. Als ich mir vor zweieinhalb Jahren auf Zypern einen Blueray-Player kaufen wollte, hieß es überall „Haben wir nicht mehr im Angebot – wer kauft oder schaut denn noch Blurays?“ Stimmt. DVDs und Blurays bekommt man nämlich auch nirgends. Abgesagt, macht man nicht mehr.
Was aber dann?
Könnte es vielleicht sein, dass es gar nicht am Medium, sondern am Inhalt liegt?
Dass die Leute einfach keinen Bock mehr auf diesen politisch korrekten Zentralscheiß mehr haben? Bei Star Trek beschwerten sich ja viele, dass das zu „woke“ sei. Es ist aber nicht nur woke. Es ist oft einfach nur schlecht. Star Trek Discovery war wirr. Star Trek Picard brauchte drei Seasons, um überhaupt noch in die Spur zu finden – zu spät, wenn man nur drei Seasons hat. Und sich dabei auch noch selbst widersprechen muss, weil die Story einfach schlecht war.
Könnte es vielleicht sein, dass die Leute heute lieber die Millionen kleinen Amateurschnipsel auf Tik Tok und so weiter sehen? Amateurhafte Handy-Videos, dafür aber eben authentisch?
Dass die Filmindustrie sich mit ihren moralischen Belehrungen einfach selbst vernichtet hat? Oder vielleicht einfach auch nur unfähig ist, noch interessante Geschichten zu erzählen? Dass die Wokeness bei der Ausbildung und Besetzung der Autoren tödlich war?
Ich habe mir vor einiger Zeit per Streaming nochmal die alten Deep Space 9-Folgen angesehen.
Technisch natürlich abgehängt, weil noch in alter Video-Auflösung und 4:3 für das damalige Fernsehen gedreht.
Aber: Als Story, als Plot richtig gut, richtig spannend, richtig unterhaltsam geschrieben, Das Ding hat eine richtig gute Grundidee. Was verblüffend ist, weil man erst dachte „Was, kein Raumschiff, sondern eine alte, gammelige Raumstation, die sich nicht bewegt? Mit einem Schneider und einem Barkeeper mit Gummiohren als Serienfiguren?“
Es war genial.
Gerade das nämlich erlaubte, so richtige Charaktere herauszuarbeiten und sie sich entwickeln zu lassen. Wobei Andrew Robinson, der Schauspieler des undurchsichtigen Schneiders Garak, der im Laufe der Serie immer mehr Tiefe als ehemaliger (noch aktiver?) Agent des cardassianischen Geheimdienstes bekommt, von dem man nie weiß, ob er noch böse oder inzwischen gut ist, irgendwo mal sagte, dass man mit der Ambivalenz dieser Rolle manche Zuschauer überfordert habe, was dann vielleicht die Stelle markiert, an der man es nicht zu weit treiben sollte. Aber ich fand es sehr gut, es mal ausgelotet zu haben, was geht. Und mir haben die Charaktere da alle sehr gut gefallen. Auch die Spezies, um die es sich da drehte. Nicht, dass mir die Cardassianer oder Bajoraner zugesagt hätten. Die fand ich persönlich beide schlecht. Aber gerade deshalb waren sie gut, weil sie den Spannungs- und Konfliktbogen aufspannten, und es dann um Kriegsverbrechen und fiese Experimente ging. Major Kira war wohl etwas überflüssig, mehr so Quotenfrau.
Aber da haben richtig gute Drehbuchautoren richtig gute Stories geschrieben, und dabei, was in Star Trek bis dahin ungewöhnlich war, die Episodenstruktur aufgelöst und Handlungen gebaut, die sich über viele Folgen zogen und auch über Seasons hinweg. Die alten Star Trek Folgen konnte man im Prinzip in beliebiger Reihenfolge schauen oder auch überspringen, es fehlte einem nichts, weil sie in sich geschlossene Folgen waren, oder selten mal eine Doppelfolge. Bei DS9 ging das nicht mehr. Da gab es auch immer wieder isolierte Folgen, aber an sich spannten die dann eine Dauerhandlung auf, und die war spannend.
Die Fähigkeit scheint verloren gegangen zu sein.
Sieht man auch gut an Star Wars. Ich fand die ersten beiden Filme – New Hope und Empire Strikes Back – überragend gut, Filmgeschichte. Und was danach kam, immer dünnschissiger.
Vielleicht liegt es nicht am Medien „Streaming“.
Vielleicht ist der Inhalt tot.
Gestern habe ich irgendwo auf Twitter eine Aussage gesehen, dass das große Fernsehen tot sei, die Leute diese großen Zentralproduktionen nicht mehr schauen würden, sondern sich alternativen Medien zuwendeten.
Und genau das könnte sich auch auf das Kino und die Kinoproduktionen beziehen. Vielleicht haben die Leute diese Belehrungsproduktionen einfach satt.