Die Mathematik und die Geisteswissenschaften
Eine Klarstellung.
Immer wieder, wenn ich die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, im Englischen STEM = Science, Technology, Engineering, Mathematics, beachtlicherweise bedeutet dort Science nämlich Naturwissenschaften) erwähne, schreibt mir der eine oder andere, die Mathematik sei eine Geisteswissenschaft.
Dazu mal ein paar Takte.
Geisteswissenschaftler versuchen krampfhaft, Mathematik und Logik als ihr Werk hinzustellen, weil sie sonst intellektuell nichts zu bieten haben.
Der Ursprung, warum die Geisteswissenschaftler versuchen, die Mathematik als die ihre hinzustellen, liegt in der historischen Aufteilung der Universitäten in die vier klassischen Fakultäten, nämlich die Theologie, die Medizin, die Jurisprudenz und die Philosophie.
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei and Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh’ ich nun, ich armer Tor,
Und bin so klug als wie zuvor!Goethe, Faust
Das ist eine Einteilung aus einer Zeit, in der das Wissen noch so klein und überschaubar war, dass man tatsächlich „alles“ studiert haben konnte und schon nach kurzer Zeit die Lehrbefähigung erworben hatte und „Doktor“ (=Lehrer, Dozent) werden konnte.
Zu der Zeit war das mathematische Wissen nicht nur überschaubar, vor allem sein Nutzen war sehr begrenzt, denn außer ein bisschen Arithmetik für die Steuereintreiber und ein bisschen Know How für die Architekten von Kirchen gab es im täglichen Leben nicht viel zu rechnen. Das war mehr so Unterhaltungsprogramm zur persönlichen Ergötzung, und die „Philosophie“ ein Sammelbegriff für alles, was eben nicht Theologie, Medizin und Recht war, weil der konkrete Nutzen nicht so groß war.
Deshalb glauben viele heute noch, die Mathematik sei eine Geisteswissenschaft.
Mit der technischen Revolution und dem Umstieg von Muskel- auf Maschinenkraft, der technischen Revolution, dem Aufkommen der Elektrotechnik, der Konstruktion von großen Gebäuden und Brücken, vor allem aber der immer größere Einfluss der Physik und ihrer formelhaft beschriebenen Gesetzmäßigkeiten und deren Anwendung und insbesondere dem Aufkommen der Bedeutung der Analysis, der Integral- und Differentialrechnung und der tatsächlichen Anwendung, aber auch mit den vielen Erkenntnissen aus Physik, Chemie, Mikrobiologie und dem selbstverstärkenden Boom der Naturwissenschaften und Ingenieurtechnik bildeten sich die großen MINT-Fächer heraus und eröffneten aufgrund ihres Wachstums eigene Fakultäten.
Das, was wir heute „Geisteswissenschaften“ nennen, ist eigentlich nur der traurige Rest, den keiner gebrauchen konnte, und den man deshalb als Fakultät für Philosophie beließ, weil ihn keiner haben wollte.
Geisteswissenschaften sind das, was von der Philosophie übrig blieb, weil es keinen Nutzen hat.
Kurioserweise hat sich diese Begrifflichkeit auch erst in den letzten Jahren verhärtet. Denn zur Zeit meines Studiums galt ein anderer Begriff: Der der „exakten“ Wissenschaften.
Mathematik ist nämlich nicht nur die exakteste Wissenschaft – und deshalb mit dem, was man heute Geisteswissenschaft nennt, die Akrobatik des beliebigen Geschwätzes, nicht entfernt zu vergleichen – sondern die Grundlage, das Grundhandwerkszeug der Natur- und Ingenieurwissenschaften.
Vor allem sollte man nicht den Fehler machen, die Mathematik von heute mit Algebra und Differentialrechnung für identisch mit der Mathematik der Übergangszeit vom Mittelalter zur frühen Neuzeit zu halten, deren Schwerpunkt seit der Antike eher auf der Geometrie lag, nur weil es unter dem Oberbegriff der „Mathematik“ läuft.
Auch die Chemie, die Physik, die Informatik von heute haben sehr wenig mit dem Wissensstand von 1500 zu tun.
Ich habe gerade in der WELT ein Interview mit einem französischen Philosophen – die französische Philosophie ist eine Quelle der größten europäischen Deppen der letzten 300 Jahre, die den größten Schwachsinn verbreiten – und „Denker“, Philippe Dessertine, „Im Westen geht ein historischer Zyklus seinem Ende entgegen“
Der Wirtschaftsprofessor Philippe Dessertine ist in Frankreich aus vielen TV-Diskussionsrunden bekannt. In seinem Buch „L’Horizon des possibles“ (Der Horizont des Möglichen) analysiert er die einschneidenden Veränderungen unserer Zeit, von der Überalterung und der Klimakrise bis hin zur rasanten technologischen Entwicklung – und zeichnet dabei einen überraschend optimistischen Weg in die Zukunft.
So ein Talkshow-Akrobat.
WELT: Sie sagen, dass die Welt im Verlauf der Geschichte noch nie eine derartige Umwälzung erlebt hat. Was meinen Sie damit?
Dessertine: Die Geisteswissenschaften sind bereits seit mehr als 25 Jahren in einer bedeutenden Phase des Fortschritts. Eine der spektakulärsten Errungenschaften dieser Phase der hyperinnovativen Entwicklung ist der Durchbruch der generativen künstlichen Intelligenz. Die Welt verfügt da über wirklich erstaunliche Hilfsmittel, die ihr den Eintritt in ein ganz neues Zeitalter ermöglichen, das vollkommen anders ist als das vorherige.
Die KI ist ein Produkt der Informatik, nicht der Geisteswissenschaften.
Die Welt, in der wir heute leben, ist ein in rund 300 bis 500 Jahren entstandenes Produkt der MINT-Fächer. Die Geisteswissenschaften haben in dieser Zeit verblüffend wenig bis gar nichts geleistet und stattdessen monströsen Schaden angegerichtet mit dem Blödsinn und der Ideologie, die sie verbreiten. Die gesamten Kriege und Massenmorde des 20. Jahrhunderts sind ein Produkt des Kommunismus und damit der Geisteswissenschaften. Große Erfolge haben sie dagegen nicht vorzuweisen.
Tatsächlich – und das hatte ich vor Jahren schon beschrieben – ist unsere Zeit, ist der Zeitgeist geprägt von einem – sehr berechtigten – Minderwertigkeitskomplex der Geisteswissenschaften, die ständig zusehen müssen, wie die MINT-Fächer Elektrizität, Computer, Mobilfunk, Raumfahrt, Internet und so weiter hervorbringen, und verzweifelt versuchen, auch irgendetwas von Wichtigkeit hervorzubringen, und dann solchen Schwachsinn produzieren wie Gender oder Marxismus.
Ja, Mathematik ist eine Wissenschaft des Geistes, im prinzipiellen Sinne.
Aber: Mathematik ist keine Geisteswissenschaft, weil der Begriff der Geisteswissenschaft längst vom Schwachsinn, der Ideologie, des Marxismus durchkontaminiert ist und zum Inbegriff der Verblödung wurde, weil sie das Auffangbecken für alle war, die im Zuge der Gleichheit und Akademisierung an die Universitäten gepumpt wurden, dafür aber zu blöd waren. Die Geisteswissenschaften sind die intellektuelle Verlängerung der Universitäten nach unten, um politische Ziele zu erreichen.
Mathematik ist aber eben nicht nur eine Wissenschaft des Geistes. Mathematik unterliegt einer permanenten empirischen Überprüfung. Wenn Ihr diesen Text hier lest: Warum funktioniert dieses Internet, der Computer vor Euch überhaupt, warum bekommt er Strom? Schaut nach oben: Warum bleibt die Decke über Euch da, wo sie ist, und fällt Euch nicht auf den Kopf?
Physik, Chemie, und ganz viel Mathematik. Dass da alles funktioniert, ist eine empirische Überprüfung auch der Mathematik.
Die Geisteswissenschaften dagegen haben nichts, einfach gar nichts, was auch nur entfernt damit vergleichbar wäre. Im Gegenteil, sie lehnen es unter dem Streit des Positivismus sogar ab, irgendetwas zu belegen oder sich widerspruchsfrei auszudrücken.
Insbesondere aber vor dem Hintergrund des Niedergangs der Geisteswissenschaften zum marxistischen Kasperletheater und zur feministischen Quotenhölle für hirnlose befähigungslose Quereinsteigerinnen und kompletem Anforderungsverzicht („quality is a myth“) ist es eine Beleidigung der Mathematik und eine Missachtung jeder Synapse, die Mathematik heute noch als Geisteswissenschaft zu bezeichnen.
Geisteswissenschaften kommen nicht einmal in entfernte Sichtweite der Qualität der Mathematik.