Ansichten eines Informatikers

Von der Verlogenheit, Satire zu publizieren, und der Dummheit, Satire für Satire zu halten

Hadmut
8.6.2025 21:55

Eine Zwischenbemerkung.

Ich habe schon oft geschrieben, dass mir das ganze Großthema Satire auf die Nerven geht. Es wird gelogen, dass die Wände wackeln, und wenn man darauf reagiert, kommen ein Dutzend Klugscheißer, Schlaumeier und Besserwisser daher mit „Äh, merkst Du nicht, dass das Satire ist?“ – „Bist Du schon wieder auf Satire reingefallen?“

Nein, ich bin nicht reingefallen.

Ich weigere mich nur, diesen Affentanz mitzumachen, Satire für eine Art Lizenz zum Lügen, für einen Waffenschein für Desinformation und Verleumdung zu halten, eine antrainierte Betriebsblindheit aufzusetzen.

Ich weigere mich, Satire zu ignorieren, als wäre sie nicht geschrieben, sie zu übergehen.

Satire oder nicht: Es ist geäußert, es ist publiziert. Und es gibt weder im Recht, noch im allgemeinen Verständnis irgendeine Ausnahme für „Satire“ – man kann nicht lügen und dann, wenn man erwischt wird, sagen, es sei doch Satire gewesen. Mir kommt das immer vor wie wenn Kinder glauben, sie dürften lügen, wenn sie hinter dem Rücken die Finger dabei kreuzen. „Dann gilt’s nicht.“

Man darf auch andere Straftaten nicht begehen und dann sagen, es war Satire. Ich kann auch keine Bank überfallen und dann, wenn ich geschnappt werde, sagen, es sei „Satire“ gewesen – „Merkt Ihr das nicht? Fallt Ihr schon wieder darauf rein?“

Ich bin mittlerweile an dem Punkt, an dem ich diese Satire-Erkenner für ziemlich blöde halte. Das ist ein Unterfall der Universal-Skeptiker, die einfach gar nichts mehr glauben, und zwar nicht, weil sie das intellektuell leisten, sondern weil sie sich immer auf den risikolosen (aber auch nutzlosen) Safety-Posten „Ich glaube gar nichts“ zurückziehen, bei dem man a) als schlau gilt und b) hinterher entweder gar nichts sagt oder „hätte auch fake sein können“ oder „ich habe es ja gleich gesagt“. Mir gehen diese Leute, die geistig nichts leisten, sich aber immer die Position heraussuchen, die für sie das geringste Risiko birgt und die sie glauben, am leichstesten verteidigen zu können, enorm auf den Wecker. Viele sind nur deshalb Dauerskeptiker, weil sie viel zu blöd und zu feige sind, etwas als möglich und richtig einzuschätzen. Das ist so eine ganz billige Rhetorik, immer alles für fake zu halten und dabei auf schlau und überlegen zu machen. Dazu muss man nämlich fast nichts denken.

Mit solchen Leuten wären wir nie von den Bäumen heruntergekommen. Die hätten den aufrechten Gang schon zur Satire erklärt.

Es ist eine Art der Unfähigkeit, seine Umgebung einzuordnen.

Satire oder nicht: Es ist eine Äußerung, die getan wurde, und die man – was oft sehr schwer ist – einordnen muss. Es kann vor allem nicht angehen, dass diese angeblichen Satiriker-Rechte zu lügen immer nur den anderen zustehen.

Anlass für diesen Blog-Artikel ist der Kommentar einer Leserin:

Ja.

Unter dem Deckmantel der Satire wird die Meinung immer weiter ausgeleiert und immer aggressiver gemacht.

Und ausgerechnet die Das-ist-Satire-Schlaumeier, die das dann alles ignorieren, um nicht auf „Satire“ hereinzufallen und blöd dazustehen, merken gar nicht, dass sie unter dem Deckmantel der Satire massiv angegriffen werden.

Manchmal glaube ich, man könnte den Leuten die Bude ausräumen und sie würden daneben sitzen und tatenlos zusehen, wenn der Einbrecher nur ein Schild „Satire“ um den Hals hat.

Ich halte es inzwischen nicht nur für taktisch dumm, etwas für Satire zu halten, weil man sich damit eine massive Blindheit auferlegt – ich halte es auch für ungebildet.

Denn Satire ist nicht „Lügen“.

Ich hatte es vor fast einem Jahr am Beispiel des Satirikers Horaz erläutert.

Satire ist, den Leuten ihr eigenes Verhalten vorzuhalten und sie zur Erkenntnis zu bringen.

Satire ist nicht, die Leute anzulügen.

Es ist eine sehr interessante Frage, woher das eignetlich kommt, dass so viele Leute

  1. Lügen für Satire halten,
  2. sobald sie etwas für Satire halten, betriebsblind sind und nicht nur selbst in Duldungsstarre verfallen, sondern das auch von anderen erwarten.

Als hätte man die Leute abgerichtet, Angriffe kommentarlos hinzunehmen und sich auch noch gut und überlegen zu fühlen.

Ich plädiere ganz dringend dafür, die Satire zumindest als Kategorie der Exculpierung und der Ignoranzpflicht abzuschaffen.

Insbesondere sollte man sich von der Dummheit „Satire darf alles“ trennen. Satire darf gar nichts, nicht mehr als alle anderen. Das ist kein Sonderrecht, auch wenn man die Leute darauf abgerichtet hat, das zu glauben. Es ist nämlich umgekehrt: Wenn es die Grenzen des Zulässigen und Sinnvollen überschreitet, dann ist es eben keine Satire, verfehlt es den Zweck der Selbsterkenntnis. Satire wäre, mir mein Verhalten vorzuhalten. Warum sollte es dann Satire sein, wenn mich jemand anlügt? Denn ich lüge ja nicht.

Wie war es möglich, dass so viele Leute heute glauben, zu lügen wäre Satire?

Oder ist es einfach schon so, dass die meisten Leute von Satire intellektuell überfordert sind und deshalb eine einfache Ersatzdefinition brauchen, die sie verstehen können?